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Basiert die Ablehnung "widernatürlicher Akte" auf einem Fehlschluss?


iskander

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@phyllis

 

Der springende Punkt ist hier der: Es kommt nun ja gar nicht darauf an, dass der Geschlechtsverkehr tatsächlich potentiell fruchtbar ist, sondern dass er - wenn ich es mal so flapsig formulieren darf - "so aussieht". Oder anders gesagt: Der Mensch darf nichts tun, was den Geschlechtsverkehr entweder unfruchtbar macht oder was ihn unfruchtbar machen würde, wenn er nicht ohnehin schon unfruchtbar wäre. (Frage mich bitte nicht, wie das sinnvoll zu begründen ist.) Und der Mensch darf auch keinen nicht-vaginalen sexuellen Akt "begehen", denn der ist ja ipso facto unfruchtbar und sieht auch ipso facto anders aus als ein fruchtbarer Akt.

 

Zu welchen "interessanten" Folgen das führt, macht Ranke-Heinemann ("Enuchen für das Himmelreich") an einem Beispiel klar:

 

"Bei einer Gewinnung des männlichen Spermas [zur medizinischen Untersuchung, Anm. von mir] durch den ehelichen Akt mittels Kondom muß dieses Kondom durchlöchert sein, damit die Form eines natürlichen Zeugungsaktes aufrechterhalten bleibt und nicht eine unerlaubte Verhütungsmethode stattfindet. Der Eheverkehr muß also so ablaufen, als ob er zur Zeugung führte. Das Kondom muß so durchlöchert sein, als ob Zeugung auf diese Art möglich wäre (vgl. Publik-Forum, 29.5. 1987, S. 8). Und nur auf diesem Umweg über den wie ein fruchtbarer Akt ablaufenden unfruchtbaren ehelichen Akt darf man dann zur Fruchtbarkeit Nachhilfe leisten. Die angeblich natürliche Form des ehelichen Aktes ist das erste Gebot geworden und auch dann geblieben, wenn sein ursprüngliches von der Kirche vorgeschriebenes Ziel, nämlich die Zeugung, gar nicht erreicht werden kann und Gewinnung des Samens durch Masturbation genausogut oder unkomplizierter wäre. Aber Masturbation fällt immer noch und auch dann noch unter die widernatürlichen, weil zeugungsverhindernden schwersten Sünden, wenn sie eine Zeugung gerade ermöglichen soll. Der genormte Ablauf ist wichtiger geworden als das Ziel, nämlich die Zeugung. Was 'natürlich' ist, wird in der Moraltheologie von alten Traditionen bestimmt und diese Tradition von alten ehefernen Männern sorgfältig gehütet."

 

Ich möchte dazu nur anmerken, dass ich mir noch nicht einmal sicher bin, ob die von Ranke-Heinemann beschriebene Methode tatsächlich erlaubt ist - wenn ja aber sicher nur, wenn genug Samen aus dem Kondom austreten kann, damit man den Akt guten Gewissens als "(potentiell) fruchtbar" beschrieben könnte.

 

Wie gesagt: Erklären kann ich diese "spezielle Logik" dahinter auch nicht. Aber vielleicht können es die Anhänger dieser Moral hier im Forum? Bisher allerdings kam da noch nicht viel...

 

Zitat

Aber Sterilisation einer oder beider Partner wäre dann ok?

 

Nein, denn die Glaubenskongregation sagt:

 

"Trotz der subjektiven guten Absicht jener, deren Eingriffe von der Behandlung oder der Prävention einer voraussehbaren oder befürchteten körperlichen oder geistigen Krankheit motiviert sind, bleibt deshalb eine solche Sterilisierung gemäß der Lehre der Kirche absolut verboten. Die Sterilisierung der Zeugungsfähigkeit ist nämlich aus einem noch schwerwiegenderen Grund verboten als die Sterilisierung einzelner Handlungen, denn sie bewirkt in der Person einen fast immer irreversiblen Zustand der Sterilität." [...] Absolut verboten ist jede Form von Mitwirkung, die institutionell eine Gutheißung oder Befürwortung von Eingriffen beinhaltet, welche in sich selbst (aufgrund ihrer Natur und Beschaffenheit) eine kontrazeptive Zielsetzung verfolgen, also die natürlichen Folgen von bewusst vollzogenen sexuellen Handlungen des sterilisierten Subjekts verhindern. Die offizielle Gutheißung der direkten Sterilisierung und – aus noch schwerwiegenderem Grund – ihre Planung und Durchführung gemäß den Richtlinien des Krankenhauses ist, objektiv betrachtet, in sich schlecht. Aus keinem Grund darf ein katholisches Krankenhaus hier Mithilfe leisten.

 

Wenn es um die Sexuallehre der Kirche geht, hilf folgende Faustregel: "Alles, was nicht ausdrücklich erlaubt ist - und das ist nicht allzu viel - ist strengstens verboten." 😁

 

Eine gewisse Erklärung für all dies habe ich im Übrigen schon, aber es ist keine sachliche, sondern eine psychologische: Die Kirche "erträgt" Sexualität immer nur, wenn sie sich selbst einreden kann, dass diese doch irgendwie noch "fruchtbar" für Kinder sei. Bei "natürlicherweise" unfruchtbaren Akten schafft man das psychologisch noch, aber spätestens bei technischen Eingriffen sowie bei nicht-vaginalen "widernatürlichen Akten" schafft man es nicht mehr.

Und obwohl aus der Erklärung der Glaubenskongregation zur Sterilisation nicht so eindeutig hervorgeht, glaube ich, dass die eigentliche Motivation auch hier in der Furcht liegt, dass sterlisierte Personen sexuelle Akte, die "unfruchtbar" sind, vollziehen könnten. Aber das ist natürlich eine Hypothese.

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vor 35 Minuten schrieb iskander:

@phyllis

 

Der springende Punkt ist hier der: Es kommt nun ja gar nicht darauf an, dass der Geschlechtsverkehr tatsächlich potentiell fruchtbar ist, sondern dass er - wenn ich es mal so flapsig formulieren darf - "so aussieht". Oder anders gesagt: Der Mensch darf nichts tun, was den Geschlechtsverkehr entweder unfruchtbar macht oder was ihn unfruchtbar machen würde, wenn er nicht ohnehin schon unfruchtbar wäre. (Frage mich bitte nicht, wie das sinnvoll zu begründen ist.) Und der Mensch darf auch keinen nicht-vaginalen sexuellen Akt "begehen", denn der ist ja ipso facto unfruchtbar und sieht auch ipso facto anders aus als ein fruchtbarer Akt.

 

Zu welchen "interessanten" Folgen das führt, macht Ranke-Heinemann ("Enuchen für das Himmelreich") an einem Beispiel klar:

 

"Bei einer Gewinnung des männlichen Spermas [zur medizinischen Untersuchung, Anm. von mir] durch den ehelichen Akt mittels Kondom muß dieses Kondom durchlöchert sein, damit die Form eines natürlichen Zeugungsaktes aufrechterhalten bleibt und nicht eine unerlaubte Verhütungsmethode stattfindet. Der Eheverkehr muß also so ablaufen, als ob er zur Zeugung führte. Das Kondom muß so durchlöchert sein, als ob Zeugung auf diese Art möglich wäre (vgl. Publik-Forum, 29.5. 1987, S. 8). Und nur auf diesem Umweg über den wie ein fruchtbarer Akt ablaufenden unfruchtbaren ehelichen Akt darf man dann zur Fruchtbarkeit Nachhilfe leisten. Die angeblich natürliche Form des ehelichen Aktes ist das erste Gebot geworden und auch dann geblieben, wenn sein ursprüngliches von der Kirche vorgeschriebenes Ziel, nämlich die Zeugung, gar nicht erreicht werden kann und Gewinnung des Samens durch Masturbation genausogut oder unkomplizierter wäre. Aber Masturbation fällt immer noch und auch dann noch unter die widernatürlichen, weil zeugungsverhindernden schwersten Sünden, wenn sie eine Zeugung gerade ermöglichen soll. Der genormte Ablauf ist wichtiger geworden als das Ziel, nämlich die Zeugung. Was 'natürlich' ist, wird in der Moraltheologie von alten Traditionen bestimmt und diese Tradition von alten ehefernen Männern sorgfältig gehütet."

 

Ich möchte dazu nur anmerken, dass ich mir noch nicht einmal sicher bin, ob die von Ranke-Heinemann beschriebene Methode tatsächlich erlaubt ist - wenn ja aber sicher nur, wenn genug Samen aus dem Kondom austreten kann, damit man den Akt guten Gewissens als "(potentiell) fruchtbar" beschrieben könnte.

 

Wie gesagt: Erklären kann ich diese "spezielle Logik" dahinter auch nicht. Aber vielleicht können es die Anhänger dieser Moral hier im Forum? Bisher allerdings kam da noch nicht viel...

 

 

Nein, denn die Glaubenskongregation sagt:

 

"Trotz der subjektiven guten Absicht jener, deren Eingriffe von der Behandlung oder der Prävention einer voraussehbaren oder befürchteten körperlichen oder geistigen Krankheit motiviert sind, bleibt deshalb eine solche Sterilisierung gemäß der Lehre der Kirche absolut verboten. Die Sterilisierung der Zeugungsfähigkeit ist nämlich aus einem noch schwerwiegenderen Grund verboten als die Sterilisierung einzelner Handlungen, denn sie bewirkt in der Person einen fast immer irreversiblen Zustand der Sterilität." [...] Absolut verboten ist jede Form von Mitwirkung, die institutionell eine Gutheißung oder Befürwortung von Eingriffen beinhaltet, welche in sich selbst (aufgrund ihrer Natur und Beschaffenheit) eine kontrazeptive Zielsetzung verfolgen, also die natürlichen Folgen von bewusst vollzogenen sexuellen Handlungen des sterilisierten Subjekts verhindern. Die offizielle Gutheißung der direkten Sterilisierung und – aus noch schwerwiegenderem Grund – ihre Planung und Durchführung gemäß den Richtlinien des Krankenhauses ist, objektiv betrachtet, in sich schlecht. Aus keinem Grund darf ein katholisches Krankenhaus hier Mithilfe leisten.

 

Wenn es um die Sexuallehre der Kirche geht, hilf folgende Faustregel: "Alles, was nicht ausdrücklich erlaubt ist - und das ist nicht allzu viel - ist strengstens verboten." 😁

 

Eine gewisse Erklärung für all dies habe ich im Übrigen schon, aber es ist keine sachliche, sondern eine psychologische: Die Kirche "erträgt" Sexualität immer nur, wenn sie sich selbst einreden kann, dass diese doch irgendwie noch "fruchtbar" für Kinder sei. Bei "natürlicherweise" unfruchtbaren Akten schafft man das psychologisch noch, aber spätestens bei technischen Eingriffen sowie bei nicht-vaginalen "widernatürlichen Akten" schafft man es nicht mehr.

Und obwohl aus der Erklärung der Glaubenskongregation zur Sterilisation nicht so eindeutig hervorgeht, glaube ich, dass die eigentliche Motivation auch hier in der Furcht liegt, dass sterlisierte Personen sexuelle Akte, die "unfruchtbar" sind, vollziehen könnten. Aber das ist natürlich eine Hypothese.

Erst wenn man die Frage "gibt es einen Gott" positiv beantwortet, entstand und entsteht solcher sexualfeindlicher Unfug, wie Du sie aus vielen Büchern zusammengetragen hast.

 

Wer ehrlich ist, müsste eingestehen, dass sich die Frage nach der Existenz oder Nichtexistenz eines Gottes über unsere Sinne nicht positiv oder negativ beantworten lässt. Die Ehrlichkeit in dieser Frage, würde zur Bescheidenheit mahnen. 

 

So wie sich die Existenz eines Gottes weder positiv noch negativ beantworten lässt, lässt sich auch eine Verbalinspiration der Bibel und des Korans mit den Sinnen nicht belegen.

 

Die vielen inneren Widersprüche in den angebliche heiligen Schriften, zeigen vielmehr, dass es nie eine Offenbarung Gottes durch Abraham, Moses, Jesus, Mohammed usw. gegeben haben kann. 

 

So bauten und bauen Theologen von einer Behauptung auf die nächste unsinnige Behauptung auf. Mit der Folge: Millionen wurden religiös verfolgt, ausgegrenzt und getötet. Gleichzeitig pflegen wir in unseren Psychiatrien Millionen von Menschen, die Angst haben, eine Todsünde oder gar die Sünde wider den Heiligen Geist begangen zu haben. 

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52 minutes ago, Gerhard Ingold said:

Gleichzeitig pflegen wir in unseren Psychiatrien Millionen von Menschen, die Angst haben, eine Todsünde oder gar die Sünde wider den Heiligen Geist begangen zu haben. 

Es hat sich ja hoffentlich gebessert, aber meine Grossmutter war schon noch sehr geprägt von dieser katholischen Sexualmoral. Mich hat sie etliche Male vor der Hölle gewarnt, als Teenager kam mir das schon echt schräg vor, aber ich schminkte es einfach ab. Altweiberglaube. Aber es scheint ja tatsächlich immer noch gültige Lehramtsverkündigung zu sein. Schon der Austausch von Zärtlichkeiten ist da ja echt problematisch.

 

So gesehen ist nicht die Hölle leer, sondern der Himmel.

 

Im wissen dass es die Kirche war die im frühen Mittelalter die Monogamie in Europa einführte, würde mich interessieren ob diese Vorschriften, so absurd sie uns heute erscheinen, ehemals dem Schutz der Frauen dienten. Danke für allfälligen Feedback.

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vor 10 Stunden schrieb iskander:

Wie gesagt: Erklären kann ich diese "spezielle Logik" dahinter auch nicht.

Erzähle mir nochmal einer, die Lehre basiere auf dem Evangelium.

Zumindest dieser Teil ist Manichäismus in Reinform, Dualismus wie er im Buche steht, die Gnosis lässt grüßen.

Alles in einen Topf, gut umgerührt, ein paar Spritzer Weihwasser dazu, ein Kreuz als Verzierung dazu, fertig ist die   Katholische Sexuallehre

 

Werner

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11 hours ago, phyllis said:

Mich hat sie etliche Male vor der Hölle gewarnt, als Teenager kam mir das schon echt schräg vor, aber ich schminkte es einfach ab. Altweiberglaube. Aber es scheint ja tatsächlich immer noch gültige Lehramtsverkündigung zu sein.

 

Schon meiner Generation (in der Diaspora) kam uns das vielfach verschroben und neurotisch vor, aber verrückterweise gab es wohl in sehr katholischen Gegenden tatsächlich noch Kinder und Jugendliche, denen man mit so einem Stuss Seele und Jugend verkorksen konnte.

 

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In meiner Kindheit und Jugend kam die Hölle nur in der Kirche vor - eventuell noch im Reli- Unterricht (wobei ich nicht mehr weiß, ob man uns erklärt hat, wie man da hin kommt).

 

Was die Sexualmoral angeht, war mein Umfeld extrem pragmatisch. Frei nach dem Motto es nützt kein Verbot wo man nicht die Macht hat es durchzusetzen, gab es auch nur Leitplanken.

 

Was den Umgang der älteren Generation mit dem Thema angeht:

 

Von meinem Großvater habe ich jene Worte zu hören bekommen "Die Leute waren früher nicht besser - die haben nur besser gelogen." Womit er nachdem ich mittlerweile unzählige Tauf- und Trauregister gelesen habe, das Thema vollumfänglich zusammengefasst hatte.

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@Gerhard Ingold

 

Aus einer säkularen Perspektive erscheinen natürlich sehr große Teile der offiziellen kath. Sexuallehre "von vornherein" als absurd. Das gilt insbesondere für alle "widernatürlichen Akte", wo ja aus der menschlichen Natur in einer speziellen Weise auf den göttlichen Willen geschlossen wird. Bei einer agnostischen Betrachtungsweise wird die kath. Sexuallehre immerhin "von vornherein" erschüttert. Trotzdem ist das eine Angelegenheit, zu der viel zu sagen ich persönlich nicht so sinnvoll finden, und zwar unter anderem aus zwei Gründen:

 

- Die Sache ist hier so klar, dass man dazu eigentlich kein weiteres Wort verlieren muss.

- Es ist zudem extrem unwahrscheinlich, dass die kath. Kirche eine atheistische oder agnostische Position einnehmen wird. Das wäre nämlich ihre Selbst-Abschaffung.

 

Dagegen scheint es durchaus möglich, dass die Kirche ihre Sexuallehre reformiert. "Wir hier" werden sie dazu zwar kaum bewegen, aber eine Diskussion zu diesem Thema hat doch immerhin mehr "Realitätsbezug" als die Selbstabschaffung. Zudem ist die Frage, ob die kath. Sexuallehre aus einem theistischen, christlichen oder "allgemeinen katholischen Verständnis" folgt oder ob sie das nicht tut, nicht ganz so offensichtlich zu beantworten wie etwa die Frage, ob die kath. Sexuallehre mit einer säkularen Auffassung vereinbar ist.

 

Deshalb finde ich es für mich selbst lohnenswerter, die kath. Sexualmoral von einer weltanschaulich neutralen oder sogar spezifisch theistischen oder christlichen Warte aus zu diskutieren als z.B. von einer agnostischen.

 

Ähnliches gilt auch im Hinblick auf andere Diskussionen, etwa zum Synodalen Weg: Klar, aus einer atheistischen oder agnostischen Haltung folgt, dass man letztlich keine Kirche und daher auch keinen Synodalen Weg braucht. Aber das scheint mir kein wirklich fruchtbarer Ansatz zu sein. Die kath. Kirche existiert nun einmal und wird auch weiter existieren, und so scheint es mir sinnvoller zu sein darüber zu sprechen, welche "positiven" Reformen auch innerhalb der christlichen bzw. katholischen Gedankenwelt als grundsätzlich realistisch erscheinen.

 

@phyllis

 

vor 19 Stunden schrieb phyllis:

Im wissen dass es die Kirche war die im frühen Mittelalter die Monogamie in Europa einführte, würde mich interessieren ob diese Vorschriften, so absurd sie uns heute erscheinen, ehemals dem Schutz der Frauen dienten. Danke für allfälligen Feedback.

 

Ich bin nicht qualifiziert, um da definitive und detaillierte Antworten zu geben. Aber ich sehe die Sache so: Das Verbot der Ehescheidung dürfte die Situation der Frau durchaus verbessert haben, weil eine Frau früher sehr auf männliche Unterstützung angewiesen war. Das Verbot des Ehebruchs dürfte Männern wie Frauen insoweit zugutegekommen sein, als dass ein Fremdgehen ja oftmals als erhebliche Verletzung betrachtet wird. (Ich meine, dass es in der heidnischen Welt vor dem Cristentum - jedenfalls bei Griechen und Römern - durchaus als akzeptabel galt, wenn der Mann auch mit anderen Frauen "aktiv" war, soweit es dabei nicht die Rechte anderer Männer verletzte. Insofern hätte die Frau hier profitiert.)

 

In Zeiten, in denen es für Frauen nachteilig war, wenn sie vorehelichen Verkehr hatten (bzw. wenn dies bekannt wurde) oder vor der Heirat schwanger waren oder ein Kind gebaren, mag das religiöse Verbot des vorehelichen Verkehrs vielleicht manch eine Frau vor Schaden bewahrt haben, sofern sie sich nicht durch gesellschaftiche Konventionen und weltliche Nachteile, wohl aber durch religiöse Verbote beeindrucken ließ.

 

Im Zusammenhang mit dem letzteren Punkt wäre jedoch zu erwähnen, dass es beispielsweise während großer Teile des Mittelalters sehr "lebensfroh" zuging, und dass Adelige, aber auch Bürger, Bauern und Gesinde oftmals sehr "freizügig" lebten. Dies galt offenbar durchaus auch für Frauen. Zudem gab es die sozial akzeptierten "Probenächte", in denen junge Paare ausprobierten, ob sie körperlich zueinander passten. Swoeit hier das Verbot des vorehelichen Verkehrs für die Frau hilfreich war, dann wohl nur eingeschränkt.

 

Später, im Viktorianischen und bürgerlichen Zeitalter war es für Frauen zweifellos ein ernstes Problem, wenn sie vorehelichen Verkehr hatten und es "rauskam". Allerdings galt das wohl erst einmal für die "bürgerliche" Frau. In der "Unterschicht" ging es m.W. sehr viel "liberaler" zu. Im Übrigen war es auch üblich, dass die gut situierten Männer vor der Ehe (wenn nicht "nebenher") mit Frauen niederen Standes (Dienstboten, Prostituierten usw.) Geschlechtsverkehr hatten.

Auch auf dem Lande war man jedenfalls in Teilen Europas (wie etwa Bayern) wohl ziemlich liberal, was vorehelichen Sex anging - was dann wohl auch heißen dürfte, dass Frauen durch vorehelichen Verkehr oder voreheliche Schwangerschaften im allgemeinen keine allzu gravierenden Nachteile zu befürchten haben. Hier wäre aber ein Punkt zum genaueren recherchieren.

 

(Wer war das hier - Werner oder Flo oder ein Dritter - der Ahnenforschung betreibt und zahlreiche nicht-eheliche Geburten in früheren Zeiten bestätigen kann?)

 

Mein Fazit soweit: Das Verbot der Ehescheidung dürfte den Frauen früherer Zeiten im allgemeinen genutzt haben, ebenso das Verbot für den Mann, sich "aushäusig" zu vergnügen (soweit letzteres Gebot Beachtung fand; im Mittelalter etwa hatten viele Männer offenbar "Kebsen"). Das kirchliche Verbot des vorehelichen Verkehrs dürfte hingegen vermutlich nur oder hauptsächlich während bestimmter Epochen und innerhalb bestimmter gesellschaftlicher Schichten einen gewissen positiven Nutzen für Frauen gehabt haben.

 

Was die anderen Teile der katholischen Kirche angeht, so wüsste ich nicht, wie die Frau von ihnen profitieren sollte. Was nutzt es ihr, wenn ihr jede Masturbation oder jeder lesbische Akt verboten ist (auch vor der Ehe oder wenn sie verwitwet ist)? Was sollte ihr ein generelles Verbot männlicher Masturbation oder Homosexualität nutzen? Und inwieweit sollte sie gar vom Verbot der Empfängnisverhütung profitieren, oder davon, dass ihr und ihrem Mann jede Alternative zum vaginalen Koitus untersagt ist? Gerade wenn sie vielleicht nicht (mehr) in der besten körperlichen Verfassung ist und eine (erneute) Schwangerschaft eine ernste Gefahr für ihre Gesundheit wäre, würde man meinen, dass die letztgenannten Verbote für sie besonders problematisch sind.

 

Soweit meine Gedanken, vielleicht kann jemand mehr zum Thema beitragen.

 

 

bearbeitet von iskander
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vor 3 Stunden schrieb iskander:

Aus einer säkularen Perspektive erscheinen natürlich sehr große Teile der offiziellen kath. Sexuallehre "von vornherein" als absurd.

Um sie nicht absurd zu finden, sind derartig viele Prämissen nötig, dass es auch nur wenige Gläubige fertigbringen, sie gänzlich logisch zu finden

 

Werner 

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vor 3 Stunden schrieb iskander:

Was sollte ihr ein generelles Verbot männlicher Masturbation oder Homosexualität nutzen?

Da steckt sicher die antike Vorstellung drin, aus dem männlichen Samen entstehe das Kind. Masturbation ist damit im Grinde das Gleiche wie Abtreibung.

Das Hauptproblem der Lehre ist, dass sie auch völlig überholten und antiquierten Vorstellungen basiert. Würde man sie davon befreien, käme vielleicht sogar etwas Sinnvolles heraus. Wenn man aber Menschen des 21. Jahrhunderts von etwas überzeugen will, das auf der Gedankenwelt der Antike oder des Mittelalters basiert, ist das halt schwierig 

 

Werner

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vor 19 Minuten schrieb Werner001:

Da steckt sicher die antike Vorstellung drin, aus dem männlichen Samen entstehe das Kind. Masturbation ist damit im Grinde das Gleiche wie Abtreibung.

 

Ich dachte eher, da steckt die Vorstellung dahinter, dass sexuelle Lust/sexuelles Vergnügen einfach böse ist, daher nur dann gerechtfertigt, wenn sie/es der Fortpflanzung dient. Wenn man zB Fundis fragt (auch in diesem Forum - früher mal zumindest) wieso Masturbation schlecht sei, da kommt meist die Antwort "weil sie mit dem Körper beschäftigt ist, während wir spirituelle Wesen sind, die aus einer immateriellen Seele bestehen." (Platonischer Dualismus.) Dann ist es klar, dass Sex als der Erzfeind angesehen wird.

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Gerade eben schrieb Domingo:

 

Ich dachte eher, da steckt die Vorstellung dahinter, dass sexuelle Lust/sexuelles Vergnügen einfach böse ist, daher nur dann gerechtfertigt, wenn sie/es der Fortpflanzung dient. Wenn man zB Fundis fragt (auch in diesem Forum - früher mal zumindest) wieso Masturbation schlecht sei, da kommt meist die Antwort "weil sie mit dem Körper beschäftigt ist, während wir spirituelle Wesen sind, die aus einer immateriellen Seele bestehen." (Platonischer Dualismus.) Dann ist es klar, dass Sex als der Erzfeind angesehen wird.

Es ist wahrscheinlich ein Gemisch aus allem möglichen Aberglauben, heidnischen Vorstellungen und antiken Weltbildern. Man malt ein Kreuz drauf und fertig ist die vom Heiligen Geist wunderbar geoffenbarte Lehre

 

Werner

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On 2/7/2023 at 5:33 PM, phyllis said:

So gesehen ist nicht die Hölle leer, sondern der Himmel.

Genau das ist der springende Punkt. Ich übertreibe es mal als die folgende Beobachtung.

 

Es gibt zwei Sorten Katholiken. Die erste sind die Gestrengen, die immer wollen dass KEINER in den Himmel kommt. Ausser sie selber natürlich. Vor allem keine Andersgläubigen. Und Atheisten sind noch schlimmer. Direkt ins Fegefeuer kommen Menschen, die die Handkommunion angenommen haben, oder falschrum am Altar gestanden haben. Das wichtigste am Glauben ist "anathema sit". Zum Beispiel wird Benedikt XVI im Himmel mit Sicherheit alleine sein, und Hans Küng ist mit Sicherheit im Heizkeller der Hölle.

 

Die zweite sind die Gütigen. Sie wollen, dass alle in den Himmel kommen. Die gesamt Schöpfung ist gut. Etwas schlechtes kann gar nicht existieren. Man kann gelegentlich kleine Fehler machen (ein paar km/h zu schnell fahren, ein paar Millionen Leute umbringen), das lässt sich alles mit etwas Einkehr und einer Beichte erledigen. Die Hölle ist leer.

 

Die katholische Sexualmoral ist ein Werkzeug der ersten Gruppe. Ein sehr nützliches Werkzeug.

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vor 12 Stunden schrieb Werner001:

Es ist wahrscheinlich ein Gemisch aus allem möglichen Aberglauben, heidnischen Vorstellungen und antiken Weltbildern. Man malt ein Kreuz drauf und fertig ist die vom Heiligen Geist wunderbar geoffenbarte Lehre

 

Werner

 

Nur haben sie sich zielsicher aus den heidnischen Vorstellungen und antiken Weltbildern die krudesten und merkwürdigsten herausgesucht. 

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Am 9.2.2023 um 00:10 schrieb Werner001:

Es ist wahrscheinlich ein Gemisch aus allem möglichen Aberglauben, heidnischen Vorstellungen und antiken Weltbildern. Man malt ein Kreuz drauf und fertig ist die vom Heiligen Geist wunderbar geoffenbarte Lehre

 

Werner

 

 

Das ist ganz sicher so: Biologische Missverständnisse spielen sicherlich ebenso eine Rolle wie eine generelle Lustfeindlichkeit.

 

@phyllis

 

Im Zusammenhang mit Deiner Fragestellung habe ich noch einen ganz interessanten Artikel gefunden. Demnach hatten übrigens Frauen in der nordischen Kultur einen ziemlich guten Stand.

 

und zur Renaissance heißt es dort:

 

"Die Renaissance ist ein ausgesprochen sinnliches und potentes Zeitalter, was Kunst und Literatur tausendfach belegen. In der Liebe wird der Geschlechtsakt an die erste Stelle gerückt, wobei man auch möglichst oft sinnliche Befriedigung erreichen möchte. "Die Unersättlichkeit in der Liebe ist ein charakteristisches Merkmal des Geschlechtslebens der Renaissance", schreibt Eduard Fuchs. [...]

Zwar gibt es Dokumente, in denen sich Frauen über den allzu großen Appetit ihrer Männer beschweren, weitaus häufiger sind aber Dokumente, in denen Männer über das unstillbare Verlangen ihrer Frauen klagen und Beschwerden von Frauen, dass sie jeden Tag "hungrig vom Tisch der Liebe aufstehen müssten". Nach einem gängigen Sprichwort wird vom Manne verlangt, dass er "des Hengstes Kraft und des Sperlings Emsigkeit" besitze.

Am Schlimmsten aber, heißt es, treiben es die Witwen. Die Witwenschaft dauere nur einen Tag.  [...]

Da berichtet z.B. ein Beichtvater:  "Niemals hat mir ein Dirnlein, das über zehn Jahre alt war, nicht zugestanden, mindestens zwei Liebhaber schon gehabt zu haben.""

 

Trotzdem habe die Frau unbedingt offiziell als Jungfrau in die Ehe gehen müssen:

 

"Man löste das Dilemma durch allerlei Mittel zur Herstellung künstlicher Jungfernschaften. Durch solche Mittel, sagt ein Sprichwort, "blieb man solange Jungfer, als der Bauch schwieg". Dann allerdings blieb nur noch die Abtreibung, die straffrei war und vielerlei Mittel zur Verfügung hatte, die die Frauen sich untereinander weitergaben."

 

Wenn das stimmt also eine extreme, freizügige und gleichzeitig heuchlerische Zeit, allerdings eine, die auch den Frauen sexuellen Genuss zugestand. Grundsätzlich ist es ja nicht selten so, dass unverheiratete schwangere Frauen, wenn sie unter dem offiziellen Druck stehen, unberührt in die Ehe zu gehen, keinen anderen Weg für sich sehen als die Abtreibung.

bearbeitet von iskander
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Weil es hier am besten hineinzupassen scheint, möchte ich noch auf einen Text von Michael S. Patton hinweisen, bei dem es um problematische Folgen insbesondere der kath. Sexualmral geht. ("Suffering and Damage in Catholic Sexuality." Journal of Religion and Health, Vol. 27, No. 22, Summer 1988.)

 

Der Artikel stammt aus dem Jahre 1988, als diese Moral sicher noch etwas weiter verbreitet war als heute, und als mehr Leute zumindest in ihrer Vergangenheit Erfahrungen mit ihr gemacht hatten. Der Artikel stellt, wie der Autor betont, keine (größere) systematische Studie dar. Er beruht vielmehr vor allem auf Interviews mit Geistlichen und Therapeuten. Man sollte vielleicht auch erwähnen, dass die Ergebnisse in Bezug auf einige andere Kirchen vermutlich ähnlich ausgesehen hätten hätten. Patton schlug vor, den vermuteten Zusammenhang zwischen kath. Sexualmoral und Psychopathologie genauer zu untersuchen, was aber wohl bis heute nicht geschehen ist.

Dies vorausgeschickt möchte ich ein wenig aus dem Artikel zitieren:

 

"More recent research indicates a cogent link between religion and psychosexual dysfunction.2 Masters, a sex pioneer, suggests a probable correlation exists between a Judeo-Christian sexual orthodoxy and uncalculated degrees of suffering and damage in Protestants, Catholics, and Jews, based on clinical observation of thousands of cases at the Sex Institute in St. Louis.3"

 

"In a series of interviews conducted anonymously during 1984 and 1985, religious, clinical, and lay opinion was solicited to determine the research significance of this hypothesis. Only a few clergy expressed vehement opposition to the idea of research linking sexual orthodoxy with pathology in the Catholic tradition. Such opposition was reflected in the following statements: "Why bother with such research since the Church has never caused sexual pathology in anyone, but, rather, society has caused such pathology?"

 

"Conversely, the overwhelming majority of clergy, religious, and laity interviewed expressed a need for such research. In fact, a majority acknowledged this hypothesis (linking Catholic sexuality and pathology) as an undocumented fact based on their observation and experience."

 

"All clinicians interviewed unanimously supported the hypothesis of this research as fact [...] These medical doctors, psychologists, psychiatrists, and sex therapists acknowledged that they each have treated numerous cases of people suffering damage from the strict observance of sexual orthodoxy in Protestant, Catholic, and Jewish denominations. Anxiety, fear, and guilt tend to be the major symptomatology in Catholics. Clinicians do not appear to value religion less--quite the contrary. However, they do universally reject the needless suffering and damage they view in Catholics and especially all the defense mechanisms religious people use to deny or repress this pathology."

 

"Sex counselors and therapists recognize the actual degree of suffering and damage in Catholics as incalculable and irreparable. The Church cannot
admit the complete scope and depth of the damage, which it believes is not limited to the historical past, but is very real in 1987. 53 [...]"

 

"From a limited survey sample of 166 Catholic respondents, 46 [28%] indicated the belief that they personally have suffered from the practice of Catholic sex teaching, 97  [58%] indicated they have not suffered, while 23 [24%] were undecided. From the same sample, 24 [14%] indicated that they have personally been damaged by the Catholic Church regarding sex teaching, 113 [68%] indicated they have not, while 39 [23%] were undecided."

 

Noch interessanter wäre es natürlich gewesen, eine systematische Befragung noch ein paar Jahrzehnte früher durchzuführen, als die kath. Sexualmoral noch wesentlich einflussreicher war.

 

 

bearbeitet von iskander
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Empfängnisverhütung gehört zwar ohnehin in die weite Katgorie der "widernatürlichen Akte", und insofern wurde sie von der bisherigen Kritik bereits getrffen. Aber es lohnt sich doch, einen kurzen Blick auf die kirchliche Argumentation speziell in diesem Zusammenhang zu werfen. Humane vitae argumentiert u.a. mt einer angeblichen "unlösbaren Verknüfung":

 

"Indem die Kirche die Menschen zur Beobachtung des von ihr in beständiger Lehre ausgelegten natürlichen Sittengesetzes anhält, lehrt sie nun, daß "jeder eheliche Akt" von sich aus auf die Erzeugung menschlichen Lebens hingeordnet bleiben muß (12) [...] Diese vom kirchlichen Lehramt oft dargelegte Lehre gründet in einer von Gott bestimmten unlösbaren Verknüpfung der beiden Sinngehalte - liebende Vereinigung und Fortpflanzung -, die beide dem ehelichen Akt innewohnen. Diese Verknüpfung darf der Mensch nicht eigenmächtig auflösen."

 

Hierzu hat m.E. Prürtner das Wichtigste gesagt. Zuerst stellt er fest, dass es sich hier um eine empirische These handelt:

 

"Ob jeder menschliche Geschlechtsakt auf Zeugung hingeordnet ist oder nicht, ist also nicht <Überzeugungen> oder <Einstellungen> zu entnehmen. Hier hat nicht irgendein Glauben etwas zu sagen, sondern die Beobachtung der positiven Realität. So ist dafür auch kein kirchliches Lehramt zuständig. Hier sind zunächst humanbiologische und psychologische Tatsachenverhältnisse zu befragen."

 

Pfürtner fährt dann fort:

 

"Nach dem Stand heutiger Wissenschaft ist klar zu erkennen, daß nur ein sehr kleiner Anteil der menschlichen koitalen Akte zur Fortpflanzung dient. Beim Menschen sind die instinktgesteuerten Zeiten animalischer Sexualität (Brunstzeiten) abgebaut, es besteht ein <Antriebsüberschuß>. Es entspricht einfach nicht den Tatsachen, daß eheliche Akte etwa in der empfängnisfreien Zeit der konzeptionsfähigen Frau oder nach der Menopause «auf Erzeugungmenschlichen Lebens hingeordnet» sind. Diesen Akten wohnt <ihrer Natur nach> kein Fortpflanzungszweck inne; er ist somit auch nicht vom Schöpfer in sie hineingelegt. Denn womit will man ihre maturhafte> Hinordnung auf Zeugung begründen? Sie sind auf Grund der biologisch-physiologischen Voraussetzungen des weiblichen Organismus einfach unfruchtbare Akte. Die Bereitstellung des Ovulum und alle anderen Bedingungen zur Konzeption fehlen. Wer dennoch behauptet, diesen Akten verbliebe eine Hinordnung auf Zeugung, haftet irgendwelchen vagen Vorstellungen an."

 

 

Pfürtners Ausführungen kann man sich nur anschließen und vielleicht noch ergänzen: Selbst wenn jeder einzele (unverhütete) Geschlecchtsverkehr von Natur aus tatsächlich "offen für das Leben" wäre, würde daraus noch lange nichts Normatives folgen. Wenn jeder einzelne Akt, bei dem ein Mensch einem anderen den Bauch aufschneidet, von Natur aus Schmerzen verursachen würde, wäre damit noch lange nicht ausgemacht, dass Gott etwas gegen Anästhesie bei Bauch-Ops hätte. Die faktische Biologie ist sicherlich nicht das normative Maß aller Dinge, und wie es (ich glaube von E. Schockenhoff) formuliert wurde, ist die Welt des Menschen die einer "natürlichen Künstlichkeit" und nicht die der unmttelbaren Natur. Die tatsächlichen biologischen Gegebenheiten und Gesetzmäßigkeiten schlechterdingsmit dem Willen Gottes gleichzusetzen, ist absurd, und außer beim Thema Sexualität käme auch die Kirche nie auf eine solche Idee.

 

Humane vitae "arumentiert" auch wie folgt:

 

"Wie nämlich der Mensch ganz allgemein keine unbeschränkte Verfügungsmacht über seinen Körper hat, so im besonderen auch nicht über die Zeugungskräfte als solche, sind doch diese ihrer innersten Natur nach auf die Weckung menschlichen Lebens angelegt, dessen Ursprung Gott ist."

 

(Was heißt "unbeschränkte Verfügungsmacht"?) Die Argumentation scheint hier wieder naturalistisch-biologistisch zu verlaufen: Die Zeugungskfäfte sind auf die Weckung menschlichen Lebens "angelegt"; also darf der Mensch sie nicht daran hindern, menschliches Leben zu wecken. (Mit Pfürtner schließen wir, dass das letztlich auf Samen- und Eizellen hinausläuft).

 

Aber was heißt "angelegt"? Wenn damit einfach gemeint ist, dass jede intakte Samenzelle eine Eizelle befruchten und jede intakte Eizelle von einer Samenzelle befruchtet werden kann, dann sind Samen- und Eizellen sicher in diesem völlig harmlosen Sinne "auf die Weckung menschlichen Lebens angelegt". Wenn aber gemeint ist, dass es Gottes Wille sei, dass jede konkrete einzele Samen- und Eizelle zur Ensteheung eines Kindes beitrage und ihre "Verschwendung" daher ein Verstoß gegen Gottes Willen sei, so wäre das so absurd, als wolle man behaupten, dass jedes rote Blutkörperchen darauf "angelegt" sei, Sauerstoff im Organismus zu transportieren, und dass es also gegen Gottes Willen sei, jemandem eine Blutprobe zu enthemen, weil man dadurch das Blutkörperchen daran hindere, seiner göttlichen Bestimmung nachzukommen.

Ein zweiter Strang der gerade zitierten Argumentation scheint darauf hinauszulaufen, dass, weil die Tötung eines Menschen problematisch sei, auch das Verhindern seiner Entstehung beedenklich sei. Hier handelt es sich jedoch um zwei vollkommen disanaloge Fälle.

 

Wieder hat Prürtner die ganz Sache treffend kommentiert:

 

"Die Unhaltbarkeit dieses Motivkomplexes bedarf eigentlich keiner weiteren Erläuterung. Zwar wird niemand, der nach christlichem Selbstverständnis urteilt, bezweifeln, daß dem Menschen keine absolute Verfügungsrnacht über sein körperliches Leben gegeben ist, nicht über das seine und noch weniger über das von anderen. [...] Aber läßt sich das religiös-ethische Gesetz von der begrenzten Verfügungsgewalt des Menschen über menschliches Leben wirklich noch in unserem Zusammenhang anwenden?

Wo wäre im Koitus das im Entstehen befindliche menschliche Leben zu sehen und als etwas Unantastbares zu schützen? Doch offenbar im männlichen Samen oder im weiblichen Ei, und zwar vor der Befruchtung. Denn es ist von Empfängnisverhütung und nicht von Schwangerschaftsabbruch die Rede. Das aber kann angesichts unserer heutigen biologischen Kenntnisse nur als Phantasterei bezeichnet werden. Beim Mädchen sind in der Jugend im Durchschnitt 400000 reifungsfähige Primärfollikel angelegt. Es kommt zu etwa 400 Ovulationen vom Beginn der geschlechtlichen Reife bis zur Menopause. Beim geschlechtsreifen Mann finden sich 60 bis 200 Millionen pro ccm Spermien im Ejakulat. Hier hat 'die Natur' in einem so unvorstellbar üppigen Maß vorgesorgt, um die Arterhaltung sicherzustellen, daß die Vorstellung, dem Menschen könne eine sittliche Pflicht erwachsen, dieses potentielle Leben zu hüten, jenseits allen Vernünftigen liegt.
Gleichzeitig müßte man noch erklären, warum man unzählige Male - etwa auch bei koitalen Akten nach Zeitwahl - das 'potentielle Lebem' wissentlich und absichtlich zugrunde gehen lassen darf. Nein, auf diesem Wege läßt sich für die Unantastbarkeit des 'natürlichen Ablaufs' des Koitus keine Beweisgrundlage finden. [...] "

 

Das Problem mit der kirchlichen Argumentation in solchen Zusammenhängen (und das ist uns ja schon in diesem thread begegnet) stellt sich häufig so dar:

 

- Entweder man beschreibt die biologischen Zusammenhänge wertneutral und ohne normative Implikationen. Dann bräuchte man aber ein Prinzip, mit dessen Hilfe man von der Biologie zu der spezifischen kirchlichen Moral gelangt, und ein solches Prinzip wurde m.W. noch nicht entdeckt. 

- Oder man legt die eigene normaive Haltung bereits in die Beschreibung der biologischen zusammenhänge hinein. Dann begründet man seine These nicht, sondern wiederholt sie.

 

Leider sind die von der Kirche verwendeten Begriffe oft zweideutig und nebulös und die ganze argumentation wird nicht wirklich stringent dargelegt. Der rund ist wahhrscheinich der, dass, wenn man es besser machen würde, die Unhaltbarkeit der eigenenen Anschaussungen noch offensichtlicher würde.

bearbeitet von iskander
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Ist doch ziemlich offensichtlich. Auf der einen Seite wird behauptet, nach der wahre Lehre müsse ausnahmslos jeder „Akt“ auf Fortpflanzung ausgerichtet sein, und gleichzeitig die „natürliche Empfängnisverhütung“ zu propagieren und auch betagten Menschen das Ehe“sakrament“ zu spenden, ist ähnlich bigott wie den Biber zum Fisch zu erklären, um in der Fastenzeit nicht auf Fleisch verzichten zu müssen.

Wenn die Kirche ihre eigene Lehre offensichtlich nicht ernst nimmt, warum sollte ich das tun? Ich such mir lieber meine eigenen Biber, die ich zum Fisch erkläre um den ach so wichtigen göttlichen Willen zu erfüllen 😂

 

Werner

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vor 13 Stunden schrieb Werner001:

Auf der einen Seite wird behauptet, nach der wahre Lehre müsse ausnahmslos jeder „Akt“ auf Fortpflanzung ausgerichtet sein,

Das muss sie naturrechlich erst sein Humanae vitae sein, davor verlangte das Naturrecht den naturgemäßen Vollzug inkl. Ejakulation in die Vagina.

 

vor 13 Stunden schrieb Werner001:

und gleichzeitig die „natürliche Empfängnisverhütung“ zu propagieren

Die wiederum bis Humane vitae dem Naturrecht zufolge abzulehnen war, weil die sexuelle Lust je gerade im Wissen um deren akute Unfruchtbarkeit gesucht wurde. Das aber war bis Humane vitae schwere Sünde.

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vor 1 Stunde schrieb iskander:

Ich habe es, glaube ich, schon mehrfach gesagt: Aus meiner Sicht hat sich die Kirche bei der Morallehre vollkommen verrannt, und zwar in eine ebenso absurde wie menschenfeindliche Dokrtin; und sie hat diese so sehr betont und so sehr zu ihrem Markenzeichen gemacht, dass sie davon kaum noch wegkommt. Die Kirche im Sinne des Lehrames wäre aus meiner Sicht gut beraten, abgesehen von der Bekräftigung von ein paar Minimalforderungen (Konsens, Fairness und Ehrlichkeit, kein Schädigen des anderen) die nächsten 150 Jahre am besten gar nichts mehr zum Thema Sexualität zu sagen. Außer natürlich, dass man die eigenen Irrtümer einräumt und sich entschuldigt.

 

Da ist dir allerdings nicht zu widersprechen! :D

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vor 1 Stunde schrieb Flo77:

 

Es ist ja schon lange so, dass sich auf den unteren Ebenen der Hierarchie etwas tut - aber jedenfalls bisher hatte das auf die "höheren" Ebenen keinen entscheidenden Einfluss.

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Am 16.3.2023 um 20:17 schrieb iskander:

Wörtlich heißt es: «Die Frau darf empfängnisverhütende Mittel auch nicht gebrauchen als <Notwehr>: etwa um sich zu schützen gegen einen Mann, der geschlechtskrank ist; der in schwerer Betrunkenheit den Verkehr verlangt und bei Verweigerung roh erzwingt; der die Frau durch Schwangerschaft in offenkundige  Lebensgefahr brächte; der nur schwerbelasteten Kindern das Leben schenken könnte [sic!] ; der sich um Ernährung und Erziehung der Kinder in keiner Weise kümmerte» (<Instruktion . .. > o. J., S. 13).

Seltsamerweise gab es nie eine Instruktion, die einem schwer herzkranken Priester die Zelebration der Gemeindemesse auch dann auferlegt, wenn er dabei schweren Schaden nehmen oder gar sterben könne, weil das Heil der Seelen der Gläubigen nun  wichtiger war als die Gesundheit eines einzelnen Priesters. Die Gemeine hätte man dabei auffordern können, zu beten, dass das Herz erst nach dem Einsetzungbericht stehen bleibt.

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34 minutes ago, Chrysologus said:

Seltsamerweise gab es nie eine Instruktion, die einem schwer herzkranken Priester die Zelebration der Gemeindemesse auch dann auferlegt, wenn er dabei schweren Schaden nehmen oder gar sterben könne, weil das Heil der Seelen der Gläubigen nun  wichtiger war als die Gesundheit eines einzelnen Priesters. Die Gemeine hätte man dabei auffordern können, zu beten, dass das Herz erst nach dem Einsetzungbericht stehen bleibt.

 

Ich denke, es müsste da ehrlicherweise mal eine Debatte um den Sinn einer offiziellen Doppelmoral in einer überaus diskurstransparenten Zeit geben.

Die traditionelle katholische Sexualmoral ist in dieser Hinsicht halt ein Relikt, das, öffentlich vorgeführt, allenfalls noch als Gruselmuseum taugt.

Ich sehe eigentlich nur noch zwei Argumentationslinien, die sich halbwegs ernsthaft vertreten lassen: 

1.) Die Reflektion als Teil eines asketischen Lebensstils - Enthaltsamkeit und Zölibat sind in dieser Hinsicht ein ziemlich verbreitetes Phänomen, dass man kulturvergleichend untersuchen kann.

2.) Als Teil des spezifischen christlichen Liebesideals und des dadurch bedingten Ideals zwischenmenschlicher Beziehungen - dass wir als Menschen immer auch das Wohlergehen unseres Nächsten im Auge behalten sollen.

 

Alles andere taugt bei der katholischen Sexualmoral eigentlich nur noch, um die Glaubwürdigkeit der Kirche weiter zu unterminieren.

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