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Basiert die Ablehnung "widernatürlicher Akte" auf einem Fehlschluss?


iskander

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vor 2 Stunden schrieb Flo77:

Es ist jedenfalls bezeichnend, daß unter den Häresieverdächtigungen gegen Bonifaz VIII. 1310 neben der Leugnung der Jungfräulichkeit Mariens, der Trinität, usw. stand, er habe gesagt:

 

"Geschlechtsverkehr und die Befriedigung der Naturtriebe ist so wenig ein Vergehen wie Händewaschen“

 

Wie konnte er nur...

 

Das gestörte Verhältnis zur Sexualität hat so tiefe historische Wurzeln, es wurde so sehr allen Veränderungsversuchen der jüngeren Zeit widerstanden und zudem vor allem nochmals von JPII so sehr hoch gehängt, dass man sich eine Änderung eigentlich kaum vorstellen kann.

 

vor 2 Stunden schrieb Flo77:

 

(Wusstet Ihr, daß die päpstlichen Ärzte im Jahre 1492 gleich 3 junge Männer haben ausbluten lassen um das Blut dem siechenden Innozenz VIII. zu trinken zu geben?)

 

Das mag schon sein, aber bei solchen Berichten wäre ich etwas vorsichtig. Das könnten, wenn es nicht wirklich gut belegt ist, auch Legende oder Propaganda sein. (Vielleicht gibt es auch sehr seriöse Gewährsleute, die sich dafür verbürgen, ich weiß es nicht.)

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Ich würde gerne nochmals gerne auf die Argumentation mit der "Naturwidrigkeit" zurückkommen, weil er immer noch zentral für die kath. Lehre ist. Der jetzige Beitrag soll die Sache aus einem ergänzenden Blickwinkel beleuchten. Meine Kritik ist dabei "immanent", d.h. ich akzeptiere hier also alle Annahmen, die die kath. Kirche macht, um ihre Lehre zu rechtfertigen.

 

Zwar hat sich JPII bezogen auf die Empfängnisverhütung einen "personalistischen" Ansatz versucht (siehe hier), aber eben nur als Ergänzung zur "naturrechtlichen" Argumentation. Letztere spielt immer noch eine wichtige Rolle, auch im KKK, und außerdem wird man bei anderen "widernatürlichen Akten" um sie kaum herumkommen.

 

Zur Erinnerung: Als widernatürliche Akte gelten alle Formen der ("vollendeten") sxuellen Betätigung, bei der keine Kinder entstehen können und es auch dann nicht könnten, wenn die Frau zu diesem Zeitpunkt fruchtbar wäre. Geschlechtsverkehr mit der Frau nach der Menopause (oder während ihrer unfruchtbaren Zeit) wäre demnach "naturgemäß"; nicht-vaginaler heterosexueller Verkehr, jeglicher homosexueller Verkehr, Masturbation und letztlich auch verhüteter Verkehr hingegen wäre "widernatürlich".

 

Die Kirche leitet die Verwerflichkeit – in der Tat schwere Sündhaftigkeit - solcher Praktiken aus ihrer "Naturwidrigkeit" ab, wie der Name schon verrät. Dabei wird aus der "Natur" auf Gottes Willen geschlossen.

Wie kann das begründet werden? Einfach die Natur schlechthin mit dem Willen Gottes gleichzusetzen und für unantastbar zu erklären, wäre abwegig, zumal der Mensch (ohne jedwede kirchliche Beanstandung!) aus vernünftigen Gründen ja durchaus häufig in natürliche Prozesse und Zusammenhänge eingreift, und zwar selbst dort, wenn diese gesund und prinzipiell sinnvoll sind (siehe hier).

 

Was ist dann aber aus der Natur der menschlichen Sexualität über Gottes Willen zu erkennen, wenn man davon ausgeht, dass er den Menschen und seine Sexualität erschaffen hat?

 

Dass der Mensch mithilfe der Sexualität Kinder zeugen kann und dass Gott (salopp formuliert) sicherlich "weiß, was er tut", erlaubt den Schluss, dass Gott die Sexualität zumindest auch erschaffen hat, um es dem Menschen zu ermöglichen, Kinder zu bekommen. (Das "auch" deshalb, weil Gott ja mehrere Gründe gehabt haben kann, die ihn zur Erschaffung der Sexualität bewogen haben.)

 

Dass Gott von Eheleuten möchte, dass sie auch tatsächlich immer Kinder zeugen, solange einer Zeugung keine guten Gründe entgegenstehen, folgt hingegen wohl kaum, und auch eine biblische Begründung erscheint fragwürdig. (Aus der Bibel müsste man dann doch wohl eher wie das Judentum ableiten, dass die Menschen nach Möglichkeit verheiratet sein sollen, anstatt den Stand der Jungfräulichkeit zu preisen, oder?)

Aber weil ich ja eine immanente Kritik üben möchte, akzeptiere ich auch diese Lehre hier "for the argument's sake", wie es im Englischen so schön heißt.

 

Wir hätten dann also (mindestens) ein zweifaches "göttliches Wollen" bzw. zwei göttliche Wünsche:

a) Der Mensch soll überhaupt in der Lage sein, durch seine Sexualität Kinder zu zeugen.

b) Er soll unter bestimmten Bedingungen auch tatsächlich Kinder zeugen, nämlich in der Ehe, sofern aktuell nichts Besonderes gegen das Zeugen spricht.

 

(Weil ja immer von den „Zwecken“ der Sexualität die Rede ist, sei hier noch angemerkt, dass man das gerade Gesagte auch wie folgt formulieren kann: Gott hat die sexuelle Anlage des Menschen (auch) zu dem Zweck erschaffen, dass der Mensch Kinder bekommen kann und sie unter bestimmten Umständen auch tatsächlich bekommt. Der Zweck wäre hier also einfach das Ziel, das Gott mit seinem schöpferischen Handeln verfolgt und das sein Handeln motiviert.

Der einzelne sexueller Akt hingegen hingegen kann keinen "göttlichen Zweck" im eigentlich Sinne haben, weil er kein göttliches, sondern ein menschliches Handeln darstellt; allerdings kann der menschliche Akt natürlich Gegenstand eines göttlichen Wollens und göttlicher Gebotes sein, siehe hier.)

Eines nun dürfte offensichtlich sein: Ein bestimmtes menschliches Handeln kann einem bestimmten Willen Gottes nur dann unmittelbar "widersprechen" oder ihm direkt "entgegengesetzt sein", wenn dieses menschliche Verhalten die Erfüllung des besagten göttlichen Willens in irgendeiner Form "vereitelt" oder wenigstens "behindert" oder "erschwert". Falls also Gott möchte, dass Jona nach Ninive geht, wäre die Weigerung des Jona, nach Ninive zu gehen, dem Willen Gottes entgegengesetzt. Ebenso würde es dem göttlichen Willen widerstreiten, wenn ein Dritter Jona dazu überreden wollte, zu Hause zu bleiben, oder wenn er ihn gar mit Gewalt zu Hause festhalten wollte.

Wenn Jona auf dem Weg nach Ninive aber eine Melodie pfeift, dann sollte dieses Pfeifen dem besagten Wunsch Gottes, dass Jona nach Ninive geht, normalerweise nicht entgegengesetzt sein. (Es könnte höchstens einem weiteren Wunsch Gottes - nämlich dass Jona still bleibt - widersprechen.)

 

Für "widernatürliche Akte" heißt das folgendes:

 

Dem spezifischen Wunsch Gottes, dass der Mensch zur Zeugung von Kindern befähigt sein soll, kann ein "widernatürlicher Akt" nur dann widersprechen, wenn er zur Folge hat, dass der betreffende Mensch künftig nicht mehr in der Lage sein wird, Kinder zu zeugen.

 

So etwas dürfte es im Rahmen des Üblichen und Normalen kaum geben. Hier könnte man statt an "widernatürliche Akte" wohl eher an eine Sterilisation denken, aber da käme es darauf an: Will Gott, dass der Mensch "grundsätzlich" fähig ist, Kinder zu zeugen, oder will er auch, dass jeder einzelne Mensch in jedem einzelnen Fall auch tatsächlich stets zeugungsfähig sein muss?

 

Dem spezifischen göttlichen Wunsch, dass der Mensch in einer ganz bestimmten Situation Kinder zeugt, kann ein "widernatürlicher Akt" nur dann entgegengesetzt sein, wenn dieser "widernatürliche Akt" in eben jener Situation die Zeugung von Kindern vereitelt oder zumindest die Wahrscheinlichkeit, dass es zur Zeugung kommt, vermindert.

 

Letzteres Szenario kann natürlich in der Tat eintreten, doch kann es angesichts der kath. Lehre eigentlich nur den verheirateten Mann (oder den Mann ganz unmittelbar vor der Heirat) betreffen, welcher in der Pflicht steht, Kinder zu zeugen:

Wenn ein solcher Mann beispielsweise so viel nicht-vaginalen Verkehr mit seiner Frau hat, dass er sie nicht mehr effektiv schwängern kann, mag das durchaus im Widerspruch zu Gottes Zeugungs-Gebot stehen.

 

Dadurch hingegen, dass eine Frau sich selbst stimuliert oder "ohne männliche Ejakulation" von ihrem Mann stimuliert wird, oder auch dadurch, dass zwei Männer homosexuell verkehren, die beide nicht mit einer Frau verheiratet sind, wird natürlich keine angeblich "gebotene" Zeugung eines Kindes verhindert.

 

Das bedeutet:

 

- Es besteht gewöhnlich keinerlei Unvereinbarkeit zwischen "widernatürlichen Akten" (Akten, welche "prinzipiell" nicht geeignet sind, Kinder zu erzeugen) und dem göttlichen Wunsch, dass der Mensch überhaupt in der Lage sein soll, Kinder zu zeugen.

- Ebensowenig besteht in vielen Fällen irgendeine Unvereinbarkeit zwischen "widernatürlichen Akten" und Gottes Wunsch, dass verehelichte Mensch unter bestimmten Umständen auch tatsächlich Kinder zeugen mögen.

 

Das Verbot "widernatürlicher Akte" ist somit definitiv nicht schon allein und unmittelbar aus den gerade genannten zwei göttlichen Wünschen ableitbar; es folgt aus ihnen nicht logisch.

 

Woher weiß man dann, dass Gott "widernatürliche" Akte ablehnt? Die einzige Begründung, die mir einfällt, bestünde in folgender Behauptung: Gott will nicht nur, dass der Mensch seine Sexualität so gebrauchen kann, dass Kinder entstehen könn(t)en, sondern er will auch, dass der Mensch seine Sexualität nur so gebraucht, dass Kinder entstehen könn(t)en. Dahinter stünde folgendes Prinzip: Wenn Gott dem Menschen eine Anlage gibt, dann darf der Mensch sie nur so verwenden, dass bei jedem Gebrauch stets jede mit ihr verbundene Funktion erfüllt werden könn(t)e, egal ob das im konkreten Fall sinnvoll ist oder nicht.

 

Aber wie sollte die Begründung für diese Behauptung aussehen? Es scheint keine zu geben. Im Gegenteil ist es doch unplausibel, einem "guten Gott" eine solch restriktive Haltung zu unterstellen. Schon wir als Menschen würden es normalerweise ja auch als kleinlich, wenn nicht sogar als schikanös betrachten, jemandem ein Geschenk zu machen und ihm dann ohne besonderen Grund vorzuschreiben, dass er es nur auf eine ganz bestimmte Weise benutzen darf. Wenn ich jemandem ein Buch gebe, und sei es zu dem einzigen Zweck, dass er es liest, verbiete ich ihm doch nicht, dass er es zum Beispiel auch mal als Schreibunterlage benutzt, wenn das sinnvoll ist. (Dasselbe gilt nicht nur für Geschenke, sondern auch für Leihgaben.)

Ein entsprechendes göttliches Verbot einer Benutzung der Sexualität für Akte, die keine Zeugung ermöglichen, aber auch niemandem schaden und niemandem ein Unrecht zufügen, hätte keinerlei erkennbaren Sinn und Nutzen. Es würde dem Menschen etwas Freudvolles nehmen und noch schlimmer: es würde viele Menschen in (schwere) Sünde stürzen, und zwar augenscheinlich völlig unnötigerweise.

 

Wie also lässt sich in einem theistischen Denk-Rahmen "aus der Natur" ableiten, dass es "gegen Gottes Wille" ist, wenn jemand einen sexuellen Akt tätigt, welcher "prinzipiell" keine Zeugung ermöglicht? Ich zumindest sehe keinerlei sinnvollen Ansatzpunkt einer Begründung. Und auch in den kirchlichen und theologischen Dokumenten scheint - jedenfalls soweit ich sie kenne - ein entsprechender Begründungsansatz nicht aufzutauchen. Das gilt von Thomas v. Aquin bis hin zu Paul VI. und JPII. Wenn jemand einen kennt, möge er es berichten.

 

Die hier dargelegten Schwierigkeiten werden immer wieder durch eine undifferenzierte Sprechweise oberflächlich verhüllt. Man denke an Formulierungen im Stil von:

 

"Dieser und jener Akt ist sündig, denn er widerspricht dem natürlichen Zweck der Sexualität."

 

Ein solcher Satz ist kaum mehr als eine nichtssagende Aneinanderreihung von Worten, wenn nicht klar wird, was damit gemeint ist: Was ist hier "die Sexualität"? Die von Gott gegebene sexuelle Anlage oder der einzelne sexuelle Akt? Was ist der "natürliche Zweck der Sexualität"? Die Absicht, die Gott im Sinn hatte, als er die menschliche Sexualität erschuf? Oder ein angeblicher göttlicher Wille derart, dass Gott von jedem einzelnen sexuellen Akt möchte, dass durch ihn Kinder entstehen (können), und dass er jeden Akt, der diese Bedingung nicht erfüllt, ablehnt?

 

Es entsteht der Verdacht, dass viele dieser schwammigen, diffusen Formulierungen deshalb so verbreitet sind, weil man insgeheim ahnt, dass im Fall einer genaueren Analyse schnell das Ende der Fahnenstange erreicht wäre.

 

Wenn sich nicht doch noch ein ernstzunehmendes Argument findet, um aus der "Natur der Sexualität" bzw. des "sexuellen Aktes" die kirchliche Lehre von den "widernatürlichen Sünden" herleiten zu können, muss die Schlussfolgerung lauten, dass es solche Akte schlichtweg nicht gibt und vielleicht sogar, dass der ganze Begriff der "widernatürlichen Sünde/Unzucht", so, wie er von der Kirche verstanden wird, ein unsinniger ist. Und das wohlgemerkt auch dann, wenn man alle Annahmen der Kirche, die zur Begründung ihrer Haltung dienen könnten, akzeptiert.

 

Die Kirche könnte Akte der entsprechenden Art natürlich weiterhin ablehnen. Sie könnte sich beispielsweise einfach auf eine "höhere Inspiration" berufen, welche ihr den Willen Gottes angeblich direkt enthüllt. Oder sie könnte – was vielleicht glaubwürdiger wäre –  (erneut) lehren, dass sexuelle Betätigung ein Übel sei, das es nach Möglichkeit zu meiden gelte, und das nur um des Gutes des Kindersegens willen zu rechtfertigen sei. Allerdings müsste sie dann selbstredend auch die "Natürliche Familienplanung" für unzulässig erklären und aufhören, die (statthafte) sexuelle Lust in offiziellen Verlautbarungen überschwänglich zu preisen.

bearbeitet von iskander
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@iskander: Der Dreh- und Angelpunkt des Verständnisses ist nicht die sichtbare Natur, das biologische Geschehen, etc.

 

Diese Faktoren sind nur ein Teil dessen, was das "Naturrecht" oder "die Natur des Menschen" meint.

 

Im Kontext mit der "widernatürlichen Unzucht" meint Natur ein philosophisch-theologisches Konzept davon, wie die Welt idealerweise wäre, wenn sie so erhalten geblieben wäre, wie Gott sie vor dem Sündenfall gewollt hat. D.h. der Mensch wird in diesem Zusammenhang nicht in freier Wildbahn beobachtet sondern es wird ihm ein bestimmtes "Wesen" und bestimmte "Funktionen" unterstellt bzw. zugeschrieben. Ebenso ist das "Naturrecht" kein Gesetzbuch, daß sich aus den Naturgesetzen und der Naturbeobachtung einfach ableiten lassen würde. Auch hier ist bereits eine philosophisch-theologische Brille gegeben, mit der dieses Naturrecht zu erkennen sei.

 

Das ist aber genau die Unterlage, nach der ich mehrfach bei  @Studiosus und @Guppy nachgefragt habe, aber es scheint kein einziges Kompendium zu geben, daß dieses "Wesen des Menschen" und das "Naturrecht" beschreibt und argumentiert. Ich habe zumindest auch nichts gefunden - außer Kant und der ist für unsere Betrachtung eher kein Gewährsmann.

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@Flo77

 

Nun geht aber auch die Kirche davon aus, dass auch der Mensch im "paradiesischen Zustand" ein sexuelles Wesen gewesen wäre, und dass er auch unter dieser Bedingung mithilfe der Sexualität Kinder hätte zeugen können. Hier handelt es sich dann also durchaus um Zusammenhänge, die "gottgewollt" sind und nicht Ergebnis der "gefallenen" Natur.

Ein Ergebnis der "gefallenen Natur" hingegen wäre es etwa, dass der Mensch überhaupt "ungeordnete" Neigungen (also Neigungen zu allem, was die Kirche für Sünde hält). Aber das berührt die obige Lehre von den "widernatürlichen Akten" nicht unmittelbar. 

 

Wenn darüber hinaus hier mitunter der Eindruck vermittelt wird, man berufe sich über das Gesagte hinaus im Sinne einer Geheimwissenschaft auf eine mystische, unzugängliche Natur, dann wohl, weil man nicht weiß, wie man die kirchliche Lehre sonst rechtfertigen sollte. Das ist aber eigentlich nicht die Doktin der Kirche. Die Kirche argumentiert durchaus im von mir beschriebenen Sinne von der "erkennbaren" Natur aus.

 

Bei Thomas v. Aquin etwa heißt es:

 

"Nun ist es klar, dass die Vereinigung der Geschlechter unter den Tieren in Übereinstimmung mit der natürlichen Ordnung auf die Empfängnis hingeordnet ist. Daraus folgt, dass jeder Geschlechtsverkehr, der nicht zur Empfängnis führen kann, der animalischen Natur des Menschen widerspricht."

 

Man muss hinzudenken, dass die Gesetze der Natur für Thomas Gottes Willen anzeigen. Es schwierig, die Argumentation mit Sicherheit zu rekonstruieren, weil der Begriff "hingeordnet" ambig ist, aber völlig klar ist, dass Thomas sich hier auf die "normale", uns Menschen erkennbare Natur abstellt. Die Basis ist die simple Beobachtung, dass heterosexueller Geschlechtsverkehr zur Fortpflanzung führen kann.

 

Oder hier Paul VI. (Humane vitae):

 

"Diese vom kirchlichen Lehramt oft dargelegte Lehre gründet in einer von Gott bestimmten unlösbaren Verknüpfung der beiden Sinngehalte - liebende Vereinigung und Fortpflanzung -, die beide dem ehelichen Akt innewohnen. Diese Verknüpfung darf der Mensch nicht eigenmächtig auflösen."

 

Auch hier ist die "empirische" Beobachtung die Grundlage: Bei (sich liebenden) Partnern beinhaltet der Geschlechtsverkehr eine "liebende Vereinigung" und "Fortpflanzung". Wobei allerdings letzteres schon nicht stimmt, denn viele sexuelle Akte sind eben nicht fruchtbar.

 

Zum Naturrecht finde ich folgendes Zitat von Schockenhoff schön, weil es die ganze Problematik in sehr verdichteter Form beschreibt.

 

"Unter Naturrecht oder dem sittlichen Naturgesetz versteht man eine Morallehre, die der Natur des Menschen entspricht, also der naturgemäßen Entfaltung des menschlichen Wesens dient.

Grundsätzlich gibt es zwei unterschiedliche Formen. Das 'Naturgemäße' kann nämlich einmal das sein, was die biologische Natur des Menschen betrifft. Eine einflussreiche Definition lautet 'das Naturrecht ist das, was die Natur allen Lebewesen lehrt'. Die andere Linie geht auf Aristoteles zurück: Das, was dem Menschen naturgemäß ist, ist eine Existenzweise gemäß der Vernunft. Damit kann man nicht einfach von der Biologie her Vorschriften für die naturgemäße Lebensführung des Menschen machen."

https://www.katholisch.de/artikel/3432-das-lehramt-hat-sich-isoliert

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vor einer Stunde schrieb Flo77:

wie die Welt idealerweise wäre, wenn sie so erhalten geblieben wäre, wie Gott sie vor dem Sündenfall gewollt hat

Und wir das konkret aussieht, haben sich irgendwelche Menschen in ihrer Fantasie ausgedacht

 

Werner

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vor einer Stunde schrieb Flo77:

aber es scheint kein einziges Kompendium zu geben, daß dieses "Wesen des Menschen" und das "Naturrecht" beschreibt und argumentiert.

Eben. Wie ich eben schrieb. Reine Fantasievorstellungen

 

Werner

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vor 3 Minuten schrieb Werner001:

Eben. Wie ich eben schrieb. Reine Fantasievorstellungen

Die Unendliche Geschichte ist auch eine Phantasievorstellung. Mittelerde und die Scheibenwelt auch. Und trotzdem kann man über diese Welten fast alles nachlesen.

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Wobei wir wieder mal beim Thema „Gottes Wille“ sind. Joseph Smith hat ihn angeblich auf geheimnisvollen Goldtafeln gefunden, Mohammed will ihn diktiert bekommen haben. Gemäß dem katholischen Lehramt stammt er aus „der Offenbarung“, aber kein Mensch kann sage, was das sein soll. Man hört dann Geschwurbel a la „Christus ist die Offenbarung“ oder ähnlicher Käse, mit dem man nichts anfangen kann.

Letztlich sind es alles nur irgendwelche Fantasien davon, was „Gott“ vielleicht wollen könnte.

 

Werner

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vor 5 Minuten schrieb Werner001:

Wobei wir wieder mal beim Thema „Gottes Wille“ sind. Joseph Smith hat ihn angeblich auf geheimnisvollen Goldtafeln gefunden, Mohammed will ihn diktiert bekommen haben. Gemäß dem katholischen Lehramt stammt er aus „der Offenbarung“, aber kein Mensch kann sage, was das sein soll. Man hört dann Geschwurbel a la „Christus ist die Offenbarung“ oder ähnlicher Käse, mit dem man nichts anfangen kann.

Letztlich sind es alles nur irgendwelche Fantasien davon, was „Gott“ vielleicht wollen könnte.

Jein. Was die christliche Offenbarung umfasst ist relativ klar: der Kanon der Schrift und die  Rezeption der Ereignisse der ersten 100 Jahre nach der Kreuzigung Jesu aka "bis zum Tod des letzten Apostels".

 

Ab diesem Zeitpunkt waren die äußeren Pfosten grob  eingeschlagen. Was danach kam waren die Machtkämpfe und Engführungen, die entweder per Mehrheitsentscheid oder per Ordre Caesari durchgesetzt wurden.

 

Und auf der Basis der Texte, die sich im Laufe der Zeit angesammelt haben wird eben immer noch interpretiert.

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vor 3 Minuten schrieb Flo77:

Und auf der Basis der Texte, die sich im Laufe der Zeit angesammelt haben wird eben immer noch interpretiert.

Man könnte auch Schneewittchen oder den Wolf und die sieben Geißlein zur Grundlage der Offenbarung erklären (und die Zeit bis zum Tod des letzten Geißleins).

Man liest ja sowieso das heraus, was man möchte, erfindet das hinzu was man partout nicht herausfabulieren kann und ignoriert alles andere

 

Werner

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vor 12 Stunden schrieb iskander:

Bei Thomas v. Aquin etwa heißt es:

 

"Nun ist es klar, dass die Vereinigung der Geschlechter unter den Tieren in Übereinstimmung mit der natürlichen Ordnung auf die Empfängnis hingeordnet ist. Daraus folgt, dass jeder Geschlechtsverkehr, der nicht zur Empfängnis führen kann, der animalischen Natur des Menschen widerspricht."

 

Hier macht der gute Thomas aber einen gewaltigen Denkfehler (oder er hat einfach im Biologieunterricht nicht gut genug aufgepasst). Dieses Argument wäre allenfalls dann stichhaltig, wenn auch der Mensch nur ein mal im Jahr läufig wäre. Da Menschen aber 'immer' können (und wollen!), sogar über die Menopause hinaus, muß man naturgegeben schließen, das Sex beim Menschen noch eine andere Funktion neben der Fortpflanzung hat. Vielleicht dient er ja sogar zur Stabilisierung der hochheiligen Ehe? Das behaupten zumindest PVI und JPII.

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vor 6 Minuten schrieb Moriz:

 

Hier macht der gute Thomas aber einen gewaltigen Denkfehler (oder er hat einfach im Biologieunterricht nicht gut genug aufgepasst). Dieses Argument wäre allenfalls dann stichhaltig, wenn auch der Mensch nur ein mal im Jahr läufig wäre. Da Menschen aber 'immer' können (und wollen!), sogar über die Menopause hinaus, muß man naturgegeben schließen, das Sex beim Menschen noch eine andere Funktion neben der Fortpflanzung hat. Vielleicht dient er ja sogar zur Stabilisierung der hochheiligen Ehe? Das behaupten zumindest PVI und JPII.

Außerdem heißt es dann ein andermal, der Mensch sei ja kein Tier und wie das bei den Tieren sei, könne man nicht auf den Menschen übertragen.

Wie man es gerade braucht, die reine Beliebigkeit ist das, was hochtrabend „Offenbarung“ genannt wird.

 

Werner

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Der eine hat ein Bethaus,

der andere eine Zelle,

Der eine gehts ins Wirtshaus,

der andere ins Freudenhaus.

 

Jeder muss was haben,

An einen muss man glauben:

Schau der Teufel unten

Schau der Gott dort oben.

 

Hast du aber keinen,

willst du alles hassen,

wanderst wie einst Kain,

ziellos durch die Gassen.

 

Und jeder der vorbei geht,

weicht aus zur anderen Seite,

und die ganze Welt,

kommt dir wie ein Friedhof vor.

 

https://www.karaoke-lyrics.net/lyrics/alberstein-chava/ver-es-hot-776511

 

bearbeitet von Flo77
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vor 1 Stunde schrieb Moriz:

 

Hier macht der gute Thomas aber einen gewaltigen Denkfehler (oder er hat einfach im Biologieunterricht nicht gut genug aufgepasst). Dieses Argument wäre allenfalls dann stichhaltig, wenn auch der Mensch nur ein mal im Jahr läufig wäre. Da Menschen aber 'immer' können (und wollen!), sogar über die Menopause hinaus, muß man naturgegeben schließen, das Sex beim Menschen noch eine andere Funktion neben der Fortpflanzung hat. Vielleicht dient er ja sogar zur Stabilisierung der hochheiligen Ehe? Das behaupten zumindest PVI und JPII.

 

Lange spielte "Liebe" in der kath. Lehre über die Sexualität eine "untergeordnete Rolle", um es mal mit englischem Understatement auszudrücken.
Allerdings "negiert" Thomas auch nicht explizit, dass der Geschlechtsverkehr noch andere Funktionen als die Zeugung haben mag; man könnte ihn auch so versehen, dass eben die Zeugung mindestens eine zentrale und unabdingbare Funktion sei.

 

Des Weiteren könnte man Thomas zugute halten, dass man wenig über die relevanten biologischen Prozesse wusste. Natürlich sah man, dass Frauen ab einem gewissen Alter irgendwann nur noch ganz selten Kinder bekamen und konnte schließen, dass die Fruchtbarkeit ab einem gewissen Alter nachließ; aber was genau dahinter stand, wusste man nicht, und in Einzelfällen können auch Frauen in recht hohem Alter noch Mutter werden. Jedenfalls wusste man nicht, dass viele sexuelle Begegnungen auch im Falle junger und gesunder Frauen "von Natur aus" unfruchtbar sind, weil sie wegen des weiblichen Zyklus gar nicht zur Empfängnis führen können. (Nur bei fortgeschrittener Schwangerschaft war wohl auch damals zweifellos klar, dass eine Zeugung unmöglich ist, aber da war der Sex dann wohl ohnehin kirchlich verboten, meine ich mich zu erinnern.)

 

Sehen wir und nochmals Thomas' Formulierung an:

 

"Nun ist es klar, dass die Vereinigung der Geschlechter unter den Tieren in Übereinstimmung mit der natürlichen Ordnung auf die Empfängnis hingeordnet ist. Daraus folgt, dass jeder Geschlechtsverkehr, der nicht zur Empfängnis führen kann, der animalischen Natur des Menschen widerspricht."

 

Wenn sich das gegen jeden "nicht-vaginalen" Akt richtet, also auch heterosexuelle nicht-vaginale Praktiken usw., funktioniert die Argumentation nur, wenn man folgendes Prinzip annimmt: "Wenn Gott dem Menschen eine Anlage gibt, dann darf der Mensch sie nur so verwenden, dass bei jedem Gebrauch stets jede mit ihr verbundene Funktion erfüllt werden könn(t)e, egal ob das im konkreten Fall sinnvoll ist oder nicht."

Wie oben dargelegt, scheint diese Behauptung aber unbegründbar zu sein, und ich wüsste nicht, dass Thomas eine Begründung geliefert hätte.

 

Das ist ja genau der Punkt (übrigens ja auch bei Kant, dessen inhaltlich ganz ähnliche Lehre wir in einem anderen Thread diskutiert hatten):

Wo eine sorgfältige Analyse und Argumentation notwendig wäre, bei der die eigenen Prämissen herausarbeitet und begründet werden, kriegt man ein oder bestenfalls zwei Sätze, die für ich genommen eigentlich höchstens eine Argumentations-Skizze darstellen.

 

Man könnte Thomas' Gedankengang alternativ vielleicht speziell auf die Empfängnisverhütung anwenden, und dann scheint er aus den ersten Blick vielleicht nicht ganz so unsinnig zu sein:

 

1) Gott hat die Natur so erschaffen, wie sie ist; also will er, dass das Natürliche geschieht.

2) Von Natur aus kann (im Prinzip) jeder Geschlechtsverkehr zur Empfängnis führen. [Das ist wie gesagt falsch, aber man wusste es nicht besser.]

3) Also möchte Gott, dass der jeder Geschlechtsverkehr zur Empfängnis führt.

 

Aber selbst, wenn man die Prämisse 2) teilen würde (weil man nicht um die Bedeutung von Eizelle und Zyklus wüsste), wäre diese Argumentation natürlich ungültig, weil nämlich einfach die Prämisse 1) spätestens auf den zweiten Blick sich als offenkundig unvernünftig erweist, selbst aus Sicht eines mittelalterlichen Christen.

 

"Von Natur aus" wachsen unsere Finger- und Zehnägel, bis sie abbrechen; Haupthaar und Bärte werden von Natur aus ewig lang. Heißt das, dass Gott möchte, dass man mit ewig langen Nägeln, Haaren (und als Mann) Bärten herumlaufen soll? Ist der Zustand, der erreicht wird, wenn man der Natur freien Lauf lässt und ihr nicht "ins Handwerk pfuscht", der von Gott gewünschte Zustand? Oder würde nicht auch jeder (selbst mittelalterliche) religiöse Mensch das für absurd halten und zugestehen, dass wir in den "natürlichen Verlauf der Dinge" eingreifen dürfen und sogar sollen und teilweise müssen, wo das sinnvoll ist? Und dass nicht der "Naturzustand" dem göttlichen Willen entspricht, sondern die vom Menschen in sinnvoller Weise regulierte Natur?

Wie ist es mit Verletzungen? "Natürlicherweise" verursachen sie ab einer gewissen Schwere fast immer Schmerzen. Will Gott also, dass jede Verletzung zu Schmerzen führt, so dass etwa Betäubungsmittel bei einer Operation seinem Willen entgegengesetzt sind? Etc. pp.

 

Ich glaube, es war Plessner, der das so beschrieb, dass die Lebenswelt des Menschen nicht die der "Natur" ist, sondern die einer "natürlichen Künstlichkeit". Oder um nochmals Schockenhoff zu zitieren: "Die andere Linie [des Naturrecht-Gedankens; iskander] geht auf Aristoteles zurück: Das, was dem Menschen naturgemäß ist, ist eine Existenzweise gemäß der Vernunft. Damit kann man nicht einfach von der Biologie her Vorschriften für die naturgemäße Lebensführung des Menschen machen."

 

Schockenhoff ("Die Kunst zu lieben"; Buchvorschau) weist übrigens auch auf den wunden Punkt des kirchlichen Gedankengebäudes hin. Er argumentiert, dass wir normalerweise eine anthropologische Unterscheidung vornehmen, die es uns erlaubt, in natürliche körperliche Funktionsabläufe einzugreifen, und fährt dann fort:

 

"Sollte diese Unterscheidung, die wir in allen anderen Sektoren und Sphären unseres personalen Daseins für angemessen halten, nur im Blick auf die 'Zeugungskräfte' unserer Natur unzulässig sein, bedürfte eine derartige Einschränkung eines allgemeinen anthropologischen Verhältnisses einer besonderen Erklärung, warum dies für diesen besonderen Fall und nur für diesen so sein soll."

 

Und laut Schockenhoff hat eben niemand eine solche Begründung beibringen können.

 

Es ist hier auch nicht maßgeblich, dass das Verhindern z.B. eines Schmerzes inhaltlich etwas anderes ist als das Verhindern der Zeugung eines Kindes; denn wenn das "Natürliche" nicht einfach mit Gottes Wille identifiziert werden kann, dann ist ein Eingriff in die Natur doch wohl dort statthaft, wo er einen legitimen Zweck verfolgt und wo die Mittel angemessen sind. Wenn also das Ziel, sicherzustellen, dass kein Kind entsteht, legitim ist, und wenn die Mittel (weitgehend) unschädlich sind, ergibt sich an dieser Stelle kein moralisches Problem.

 

(Auch hier hat Schockenhoff (ebd.) recht, wenn er sagt, dass die Partner, die Empfängnisverhütung praktizieren, "keine Realität zerstören, sondern eine bloße Möglichkeit aufheben". Anders wäre es bei Abtreibung oder aktiver Sterbehilfe, wo das Ziel das Ende eines real existierenden Lebens ist und wo zudem das gewählte Mittel eine aktive Tötung beinhaltet - weshalb Abtreibung und Sterbehilfe auch zumindest nicht einfach "völlig unproblemtisch" sind.

Es mag provozierend klingen, aber aus besagten Gründen ist die Empfängnisverhütung "als solche" eigentlich auch gar kein Thema für die Ethik und wird, außerhalb bestimmter religiöser Gruppen und Milieus, von Ethikern auch kaum thematisiert. Dagegen sind Abtreibung und Sterbehilfe durchaus echte ethische Problemfelder, über die man sinnvoll diskutieren kann, ebenso wie mögliche Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Empfängnisverhütung ergeben - etwa wie die Verantwortung zwischen den Partnern "aufzuteilen" wäre usw.)

 

Und zuletzt sei Schockenhoff (ebd.) auch noch zu einem Punkt zitiert, der auch schon in dieser Diskussion vorkam:

 

"Die Befürchtung, dass die Frau durch die artifizielle Kontrazeption zum ständigen Genussobjekt des Mannes werde, verrät ein merkwürdiges Bild des Alltags ehelicher Liebe. Dieses Argument kann sogar zum Bumerang werden, da der Frau an den vom Kalender diktierten Zeiten erst recht keine Möglichkeit bleibt, sich dem Verlangen des Ehemannes zu entziehen."

 

Mir scheint es offenkundig, dass die ganzen Argumente, mit denen die Kirche ihre Lehre von den "widernatürlichen Akte" und (als Spezialfall davon) der Empfängnisverhütung rechtfertigt, Ex-Post-Rationalisierungen darstellen, mit denen eine Doktrin begründet werden soll, die schon von vornherein feststeht. Die "Argumente", die angeführt werden, sind dann auch größtenteils völlig anderer Art als "normale" ethische Argumente, wie sie bei anderen Fragen vorgebracht werden. Sie halten einer Prüfung nicht stand. Und das erkennen offenbar viele Leute, auch Katholiken, selbst wenn sie die Sache nicht im Detail durchdenken mögen.

 

Auf diese Weise verspielt die Kirche ihre Glaubwürdigkeit und hat sie schon verspielt. Jedenfalls in der westlichen Welt ist ihre Sexualmoral für die öffentlichen Debatte kaum noch relevant. Und während "romtreue" Katholiken das für bedauerlich halten und der bösen "relativistischen" Welt die Verantwortung dafür geben mögen, ist die Kirche nach meiner Überzeugung selbst daran schuld, und die Gesellschaft hat jeden Grund, die Kirche diesbezüglich kaum noch ernstzunehmen. Die Kirche hat sich vollkommen in eine Lehre verbohrt, die selbst dann schlechterdings irrational ist, wenn man grundsätzlich von der Wahrheit des kath. Glaubens ausgeht - es ist eine Lehre, die sie aber kaum noch los wird, weil sie dann einen Irrtum eingestehen müsste. Noch dazu einen peinlichen und fatalen Irrtum.

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vor 2 Stunden schrieb iskander:

Wie ist es mit Verletzungen? "Natürlicherweise" verursachen sie ab einer gewissen Schwere fast immer Schmerzen. Will Gott also, dass jede Verletzung zu Schmerzen führt, so dass etwa Betäubungsmittel bei einer Operation seinem Willen entgegengesetzt sind?

 

Ein klares Ja, weshalb die Kirche noch im 19. Jh. Betäubung bei Geburten ablehnte.

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vor 41 Minuten schrieb Marcellinus:

 

Ein klares Ja, weshalb die Kirche noch im 19. Jh. Betäubung bei Geburten ablehnte.

Genesis 3,16

 

Werner

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Gerade eben schrieb Werner001:
vor 42 Minuten schrieb Marcellinus:

Ein klares Ja, weshalb die Kirche noch im 19. Jh. Betäubung bei Geburten ablehnte.

Genesis 3,16

 

Eben!

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vor 4 Stunden schrieb Marcellinus:

 

Ein klares Ja, weshalb die Kirche noch im 19. Jh. Betäubung bei Geburten ablehnte.

 

Ist das sicher der Fall?

Kürzlich hatte ich gelesen, dass Papst Leo XII. die Pockenimpfung verboten habe. ("Wer auch immer sich der Impfung unterzieht, hört auf, ein Kind Gottes zu sein. Die Pocken sind ein Strafgericht Gottes, die Impfung ist eine Lästerung des Himmels.") Allerdings ist das zumindest laut Wikipedia wohl eine Ente oder zumindest nicht seriös belegbar.

https://de.wikipedia.org/wiki/Leo_XII.

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vor 6 Stunden schrieb iskander:

"Die Befürchtung, dass die Frau durch die artifizielle Kontrazeption zum ständigen Genussobjekt des Mannes werde, verrät ein merkwürdiges Bild des Alltags ehelicher Liebe. Dieses Argument kann sogar zum Bumerang werden, da der Frau an den vom Kalender diktierten Zeiten erst recht keine Möglichkeit bleibt, sich dem Verlangen des Ehemannes zu entziehen."

 

Wir hatten für beide Kinder Sex nach Plan (andersrum halt) und diese Monate waren wirklich wirklich wirklich furchtbar. Viel länger hätten wir das nicht durchgezogen. Wir waren beide jedesmal froh, wenn es vorbei war und wir wieder ein paar Wochen Ruhe hatten. Verbundenheit hat das nicht gerade gefördert.

 

Mir ist klar, dass man das nicht ganz vergleichen kann, denn wir MUSSTEN ja in einem bestimmten Intervall Sex haben, während man es andersrum theoretisch halt einfach bleiben lassen kann, aber praktisch fühlt man sich in der "sicheren Zeit" dann vielleicht trotzdem genötigt. Der Mann genauso, wie die Frau...

 

Naja, für mich wär's nix gewesen.

 

Die allerbeste Zeit hat man, wenn das Kinderkriegen rum ist und man sich dank endgültiger Lösung überhaupt keine Gedanken mehr machen muss 🙂

 

Nicht katholisch, ich weiß.

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vor 6 Minuten schrieb Kara:

Nicht katholisch, ich weiß.

Jede Religion hat ihre Verrücktheiten. Man muss sie ja nicht mitmachen

 

Werner

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Man sollte übrigens immer im Hinterkopf behalten, dass der Anspruch der Kirche grundsätzlich der ist, dass ihre Moral kein Akt der Willkür, sondern vernünftig und einsichtig sei. Von Thomas v. Aquin stammt diese Aussage:

 

"Gott wird von uns nicht beleidigt, es sei denn, wir handeln gegen unser eigenes Wohl."

 

Tatsächlich ist die kirchliche Morallehre in vielen Punkten nicht unvernünftig (in manchen, aber nicht in allen Punkten liegt das sicher auch daran, dass sie sich der Moderne geöffnet hat). Selbst die Gebote zur Gottesverehrung könnte ein säkularer Mensch, der sich hypothetisch in die Lage versetzt, an den christlichen Gott zu glauben, vermutlich bis zu einem gewissen Grade nachvollziehen.

Natürlich beruht das kath. System auf bestimmten Prämissen wie Evangelium, Tradition usw., die man nicht überzeugend finden muss, aber es beansprucht immerhin, nicht willkürlich, sondern in sich schlüssig zu sein.

 

Die Einlösung dieses Anspruchs mag man bestreiten, aber im Fall "widernatürlicher" Akte (inklusive Empfängnisverhütung) ist jedenfalls der Anspruch der, dass man diese Lehre als gutwilliger Mensch mit der Vernunft erkennen könne - wobei da allerdings wieder der Glaube an die Existenz eines Schöpfergottes vorausgesetzt wird, was natürlich keineswegs eine selbstverständliche Annahme ist. Aber dieser Gott muss nicht katholisch oder auch nur christlich gedacht werden.

 

Und an diesem Punkt eben setzt meine "immanente" Kritik an. Ich will prüfen, ob die Lehre der Kirche tatsächlich aus den speziellen Prämissen folgt, die sie in Anspruch nimmt. Und meine Schlussfolgerung lautet eben: Nein, selbst wenn man die relevanten Annahmen der Kirche zugrundelegt, selbst wenn man die Prämissen ihrer Argumente als wahr gelten lässt, kommt eindeutig nicht  das heraus, was sie behauptet.

Natürlich könnte die Kirche sich immer auf eine "höhere Inspiration" oder allein auf die Tradition berufen, aber das ist wie gesagt zumindest nicht ihr offizieller Anspruch.

 

@Kara

 

Es haben ja nicht mal alle Frauen eine feste Periode. Die gesamte "Ehemoral" stammt eben von Zölibatären.

 

Die ganze Sache wird von Uta Ranke-Heinemann ("Eunuchen für das Himmelreich") in einer ziemlich bissigen Weise kommentiert. Ich selbst drücke mich ja an sich diplomatischer aus, aber zitieren darf ich die weltweit erste Frau (übrigens verheiratet), die auf einem kath. Theologie-Lehrstuhl saß, ja:

 

"Durch das Fallenlassen der Idee vom weiblichen Samen und dem, wie man glaubte, damit verbundenen Orgasmus, spezialisiert sich jetzt die Seelsorge auf ihn: den männlichen Samen. Er ist tabu, er, der nicht zu Veruntreuende, darf nicht ausfließen. An ihm hängt das ewige Heil, an ihm, der nicht zutage treten darf, dessen einziger Ort die Vagina sein muß, die es aber wiederum nicht immer werden kann, da nämlich unter Umständen gerechte Gründe dagegen sprechen. Ist er aber dort nicht gewollt, so ist er nirgendwo gewollt. Ist er dort nicht geboten, so ist er überall verboten, und das Ganze unter Anspannung und Aufgebot von großer Selbstbeherrschung aus Ehrfurcht vor dem Schöpfer von solchem allen.
Solche Absurditäten sind die Folge einer irregeleiteten Sexualmoral, die ihre seit fast 2000 Jahren angemaßte Diktatur über die ehelichen Schlafzimmer nicht aufzugeben bereit ist. Es ist staunenswert, in welcher Fülle Menschen durch die Geschichte hindurch sich geistig fortzeugten, die immer inkompetent und sich doch stets höchst fachmännisch gerierend und mit göttlichem Nimbus umgebend, wesentliche Teile ihres Lebens mit völligem Unsinn verbrachten. Dieses pseudotheologische Figurenkabinett böte allerhand Grund zum Lachen, wenn man nicht wüßte, daß die Herren dieses Panoptikums viele Ehetragödien auf ihrem Gewissen haben."

bearbeitet von iskander
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vor 7 Stunden schrieb iskander:

Jedenfalls in der westlichen Welt ist ihre Sexualmoral für die öffentlichen Debatte kaum noch relevant.

 

In der westlichen Welt ist auch Gott kaum noch relevant.

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Kirchliche Argumentationslogiken sind, über die Zeiten hinweg, immer etwas eigenes für sich, auch wenn sie mit dem Anspruch antreten, rationabilis oder secundum rationem zu sein. 

 

Denn notfalls legt die Kirche oder die Theologie der Zeit nach eigenen Maßstäben fest, was Vernunft bzw. vernünftig ist. Wenn Johannes Paul II. eine Enzyklika schreibt, die fides et ratio, Glaube und Vernunft, heißt, dann wird ja niemand ernsthaft annehmen, die dort beschriebene Vernunft wäre deckungsgleich mit der säkularen Vernunft. Mit einer Vernunft, die dazu verleitet, das kirchliche Dogma abzulehnen, hat die Kirche nicht wirklich viel zu tun. Das ist im Notfall eine falsche, irregeleitete, "rationalistische" Vernunft. Dass letztere Vernunft qua Definition nicht in der Lage ist, die Wahrheit der kirchlichen Lehre zu erkennen, ist klar. Deshalb muss sich aus Sicht der Kirche auch nicht ihre Lehre ändern, sondern die Vernunft der Rezipienten muss sich ändern, dergestalt, dass sie auf eine Übereinstimmung mit der Kirche zustrebt.

 

Daher ist es mit der Nachvollziehbarkeit von kirchlichen Argumenten auch nicht immer so leicht. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 14 Minuten schrieb Guppy:

 

In der westlichen Welt ist auch Gott kaum noch relevant.

 

Das kommt darauf an. Die Mehrheit der Menschen scheint an Gott zu glauben. Allerdings ist der Glaube eher etwas Persönliches als etwas Politisches. Es gibt jedenfalls auch deutlich mehr Menschen, die sich einer der Kirchen zugehörig fühlen als derer, die der kath. Sexualmoral etwas abgewinnen können.

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