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Basiert die Ablehnung "widernatürlicher Akte" auf einem Fehlschluss?


iskander

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vor 10 Stunden schrieb Studiosus:

sondern eben auch, wenn ich das so sagen darf, die Rechte Gottes. 

Würdest Du sagen, dass nicht-empfängnisoffener Geschlechtsverkehr ein Recht Gottes verletzt? Welches?

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vor 10 Minuten schrieb gouvernante:

Würdest Du sagen, dass nicht-empfängnisoffener Geschlechtsverkehr ein Recht Gottes verletzt? Welches?

Ich vermute, der Gedanke dahinter ist „Gott will etwas, da er Gott ist, ist es sein Recht, dass er seinen Willen bekommt, bekommt er seinen Willen nicht, sind seine Rechte verletzt“

Es ist halt leider schon die These nicht haltbar, dass es sein Wille sei

 

Werner

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vor 11 Stunden schrieb Studiosus:

 

... Als "schützenswerte Güter" kennt die klassische Theologie ja nicht nur z. B. das bonum commune oder die Gerechtigkeit, sondern eben auch, wenn ich das so sagen darf, die Rechte Gottes.

Eine äußert unglückliche Formulierung - wie auch das dadurch ausgelöste User-Echo erkennen lässt (s.o.). Die demütige Unterwerfung des Menschen unter Gott, seinen Willen und damit unter alles, was ER ganz offensichtlich als Natur gewollt hat (siehe Naturgesetze wie zB notwendige Unterordnung der Teile unter das Ziel der Vervollkommnung und Erhaltung des Ganzen) mag sich zwar von der menschlichen Tugend der Gerechtigkeit ableiten, aber nur in dem Sinne als der Mensch erkennen muss, welches moralisch-sittliche Verhalten er Gott gegenüber schuldig ist und dass deshalb jegliches selbstbezogene Streben nach kreatürlich-Sinnlichem (wie zB der Lust), welches Gott als dem Autor der Natur und des Naturgesetzes nicht folgt notwendigerweise eine "Beleidigung" Gottes darstellt.

Der - aus der Perspektive des Menschen "gerechten" - Schuldigkeit des Menschen Gott gegenüber aber "Rechte Gottes" gegenüberzustellen bedeutet eine Handelsgerechtigkeit unter Gleichen herstellen zu wollen. Dies führt dann ganz natürlich dazu, dass jene, denen die Achtung vor Gott und seinem Willen per se fehlt, tatsächlich in unendlicher Anmaßung versuchen, so eine nicht-existente 'Handelsgerechtigkeit unter Gleichen' als Begründung für ihre sündhaften "Beleidigungen" Gottes anzuführen.

"Beleidigungen" ("") deshalb, weil wir tatsächlich Gott so wenig beleidigen können wie wir Gott "Rechte" zuschreiben können. Gott ist einfach, so wie wir einfach die Früchte unteres unangemessenen sittlich-moralischen Verhaltens ernten werden.

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vor einer Stunde schrieb Werner001:

Ich vermute, der Gedanke dahinter ist „Gott will etwas, da er Gott ist, ist es sein Recht, dass er seinen Willen bekommt, bekommt er seinen Willen nicht, sind seine Rechte verletzt“

Es ist halt leider schon die These nicht haltbar, dass es sein Wille sei

Man sollte diese "Argumente" von ihrer Funktion her bewerten. Damit soll niemand überzeugt werden, sondern es soll den bereits Überzeugten der Eindruck vermittelt werden, ihre Ansicht sei durch Argumente abgesichert. Die Ansicht selbst hat man auf andere Weise als durch Argumentation erworben.

bearbeitet von Merkur
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vor 21 Stunden schrieb Studiosus:

 

Das kommt darauf an, was man jeweils unter Schaden, Rechten und Interessen versteht. Als "schützenswerte Güter" kennt die klassische Theologie ja nicht nur z. B. das bonum commune oder die Gerechtigkeit, sondern eben auch, wenn ich das so sagen darf, die Rechte Gottes. 

 

So könnte denn eine Handlung, die rein innerweltlich betrachtet keine Opfer hat und keinen Schaden verursacht, schlecht sein, weil sie sich gegen Gottes Gebot richtet oder, um eine noch archaischere Terminologie zu gebrauchen, Gott beleidigt (die Diskussion, dass Gottes Eminenz so groß ist, dass er im eigentlichen Sinne nicht beleidigt werden kann, lassen wir jetzt mal außen vor). 

 

Da nimmt dann doch aber die Sexualität eine absolute Sonderstellung ein. Denn wenn weder das bonum commune noch die Gerechtigkeit durch einen Akt verletzt wird, und wenn dieser Akt auch nicht Gott unmittelbar beleidigt, dann gilt ein solcher Akt normalerweise doch auch nicht als sündhaft. Außer eben im Fall der Sexualität.

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Hier die Fortsetzung einer Diskussion aus einem anderen Thread:

  

vor 8 Stunden schrieb rorro:

Das Christentum ist eine Offenbarungsreligion.

 

Sie ist somit nur bis zu einem gewissen Grund erklärbar. Als Offenbarungsreligion gibt es zahlreiche(!) Glaubensgegenstände, die sich nicht rein rational herleiten lassen.

 

Das stimmt gewiss. Aber die Kirche argumentiert in wesentlichen Teilen entweder gar nicht oder nur zum Teil mit der Offenbarung. Vielmehr behauptet sie ausdrücklich - ich hatte in der Vergangenheit entsprechende Passagen aus Persona Humana und Humane vitae zitiert - dass entscheidende Teile der Sexualmoral durch das Licht der natürlichen Vernunft erkennbar seien. Entsprechend sehen ja auch die "naturrechtlichen" Argumente aus - sie appellieren ganz offensichtlich an die Vernunft. (Und man könnte auch noch aus dem KKK zitieren, der sinngemäß sagt, dass der Mensch das Sittengesetz natürlicherweise erkennen kann.)

 

Nun verstehe ich aber nicht, wie man diese Lehre mit der Vernunft einsehen soll - auch nicht, wenn ich ausdrücklich von der Annahme ausgehe, dass Gott den Menschen und seine Sexualität erschaffen hat. Ebensowenig ist mir klar, wie sich die Argumente, die die Kirche in diesem Zusammenhang vorbringt, von Fehlschlüssen unterscheiden.

 

Das kann natürlich an mir liegen. Vielleicht begreife ich es eben einfach nicht. Deshalb frage ich ja aber gerade, wie es gemeint ist. Dabei mag dann am Ende herauskommen, dass die Kirche bestimmte Prämissen für einsichtig hält, die ich persönliche nicht einsichtig finde. Derartige Differenzen gibt es ja überhaupt ständig; wahrscheinlich sind sie neben Asymmetrien des Informationsstandes der häufigste Grund für unterschiedliche Meinungen.  

 

Aber es sollte dann am Ende wenigstens klar werden, was denn nun die Prämissen der kirchlichen Argumentation sind, und wieso sich aus ihnen, angenommen sie sind wahr, auch die fragliche kirchliche Sexuallehre ergibt. Damit würde dann auch zugleich ersichtlich, dass die entsprechende Argumentation der Kirche mehr ist als ein reiner Fehlschluss, bei dem selbst dann, wenn die Prämissen wahr sind, die Konklusion nicht folgt.

 

Und genau eine solche Erläuterung habe ich bisher nicht gefunden, und es hat sie mir auch niemand gegeben. Vielleicht wird es deutlicher, wenn ich eine Argumentation als Beispiel bringe, die auf Prämissen beruht, die einst von der Kirche akzeptiert wurden.

 

1. Die sexuelle Lust ist böse und kann bestenfalls durch das Gut des Kindersegens [oder der ehelichen Pflichtleistung] moralisch gerechtfertigt werden.

2. Eine sexuelle Lust, die nicht zur Zeugung von Kindern führen kann, kann (trivialerweise) auch nicht durch das Gut des Kindersegens gerechtfertigt werden.

3. Also ist die sexuelle Lust dort, wo sie nicht zur Kinderzeugung führen kann, moralisch unerlaubt.

 

Ich lehne diesen Schluss zwar ab, weil ich die erste Prämisse ablehne (die zweite akzeptiere ich natürlich - sie ist unbezweifelbar). Aber ich verstehe perfekt, wie dieses Argument "funktionieren" soll. Es ist auch kein Fehlschluss, sondern ein formal logisch gültiger Schluss: Wenn die Prämissen (1. und 2.) wahr sind, dann ist unzweifelhaft auch die Konklusion (3.) wahr. Wer 1. und 2. akzeptiert, der muss, wenn er sich nicht in irrationale Widersprüche verwickeln möchte, auch 3. akzeptieren.

Kurz gesagt: Ich halte das obige Argument zwar inhaltlich für unbegründet, aber es ist zumindest seiner Form und seinem Anspruch nach eindeutig ein wirkliches und valides Argument. Ich könnte mit seinem Anhänger auch über es diskutieren, indem ich beispielsweise nach einer Begründung für 1. frage oder Einwände gegen 1. vorlege.

 

Wenn es hingegen um die "widernatürlichen" Akte und die (heutige) kath. Lehre geht, so bin ich nicht in der Lage, ein Argument zu rekonstruieren, bei dem aus den Prämissen die Konklusion auch nur formal folgen würde (es sei denn zirkelhaft). Egal wie ich es drehe und wende, immer kommt ein Fehlschluss dabei heraus, bei dem aus den Prämissen die Konklusion nicht folgt - wo also selbst dann, wenn die Prämissen wahr sind, die Konklusion dennoch falsch sein kann.

 

Eine mögliche Rekonstruktion sähe etwa wie folgt aus:

 

1. Gott will, dass die Menschen ihre Sexualität unter gewissen Umständen dazu benutzen, Kinder zu zeugen.

2. Also hat Gott etwas dagegen, wenn die Menschen ihre Sexualität jemals so benutzen, dass sie dabei keine Kinder zeugen können.

 

Das ist ein Fehlschluss, weil 2. nicht aus 1. folgt. Es besteht keinerlei erkennbarer Widerspruch zwischen der Annahme, dass Gott einerseits zwar möchte, dass der Mensch unter bestimmten Umständen Kinder zeugt, andererseits aber nichts dagegen hat, wenn dieser seine Sexualität (zu anderen Zeiten) auch anderweitig nutzt.

 

Ein formal gültiges Argument käme heraus, wenn die erste Prämisse und der Schluss wie folgt lauten würden:

 

1.* Gott will, dass die Menschen ihre Sexualität nur dazu benutzen, Kinder zu zeugen.

2. Also hat Gott etwas dagegen, wenn die Menschen ihre Sexualität jemals so benutzen, dass sie dabei keine Kinder zeugen können.

 

Tatsächlich besagt die Prämisse (1.*) nun aber eigentlich dasselbe wie die Konklusion (2.), nur in etwas anderen Worten. Die Konklusion ist aber nichts anderes als die zu infragestehende kirchliche Lehre höchstselbst. Es käme also gerade darauf an, sie zu beweisen. Und genau eine solche Begründung finde ich nirgendwo in den kirchlichen Dokumenten, und auch nicht bei Thomas von Aquin. Dort scheint man zu Zeigende bereits vorauszusetzen, um es dann zirkulär zu "beweisen".

 

Der obige Schluss könnte natürlich prinzipiell durch das Hinzufügen einer Zusatz-Prämisse in einen formal gültigen (und nicht-zirkulären) verwandelt werden:

 

1. Gott will, dass die Menschen ihre Sexualität unter gewissen Umständen dazu benutzen, Kinder zu zeugen.

1.a) Es ist dem Menschen nur dann möglich, Gottes Wunsch nachzukommen und unter gewissen Umständen Kinder zu zeugen, wenn er es sein ganzes Leben lang tunlichst vermeidet, seine Sexualität in einer Weise zu nutzen, bei der keine Kinder entstehen können. (Wer beispielsweise in seiner Jugend masturbiert hat, kann als Erwachsener in der Ehe keine Kinder mehr zeugen.)

2. Also hat Gott etwas dagegen, wenn die Menschen ihre Sexualität jemals so benutzen, dass sie dabei keine Kinder bekommen können.

 

Das wäre also ein formal gültiges (und nicht-zirkuläres) Argument: Wenn 1. und wenn 1.a) wahr sind, dann ist auch 2. wahr.

Das offenkundige Problem lautet hier nur, dass 1.a) nicht nur nicht erkennbar wahr ist, sondern erkennbar und unzweideutig falsch. Und ein Argument, das auch nur eine einzige fragliche oder gar falsche Prämisse hat, kann zwar formal gültig sein (im Sinne der Wenn-Dann-Beziehung), nicht jedoch schlüssig im materialen Sinne. Das heißt, es ist dann zwar in sich womöglich folgerichtig (und also kein Fehlschluss), aber es stellt dennoch keine taugliche Begründung für irgendetwas dar und ist somit erkenntnistheoretisch wertlos.

 

Und eine bessere Alternative fällt mir nicht ein.

 

Es kann natürlich sein, dass ich die kirchliche Argumentation nur missverstehe - daher nochmals die herzliche Einladung an alle, die meinen, sie zu verstehen, mir weiterzuhelfen.

Aber die obigen Überlegungen haben nichts damit zu tun, dass man die kirchliche Lehre einfach deshalb nicht einsieht, weil einem der rechte Glaube - bzw. laut kirchlicher Lehre eher: die rechte Vernunft - fehlt. Auch dann müsste man bei entsprechender Erläuterung nämlich wenigstens verstehen können, wie die Prämissen lauten und wie aus ihnen die Konklusion (d.h. die kirchliche Lehre) formal folgt. Man würde dann eben nur nicht verstehen, warum alle Prämissen (angeblich) wahr sind - ganz wie in dem obigen Beispiel mit dem obigen Argument, dass die Sexualität deswegen, weil sie ein Übel sei, nur durch Kinder zu rechtfertigen sei.

 

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