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Basiert die Ablehnung "widernatürlicher Akte" auf einem Fehlschluss?


iskander

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vor 18 Stunden schrieb rorro:

Es ist ganz einfach: Du betrachtest die katholische Sexuallehre isoliert, vollkommen abgetrennt von der katholischen Anthropologie, volllkommen abgetrennt vom katholischen Glauben, nicht zuletzt auch vollkommen abgetrennt von dem Binnenverständnis der katholischen Morallehre und ihrer Anwendung in Forum externum und Forum internum.

 

Mir scheint sich, das sehe ich wie Werner, die Sexuallehre der Kirche keineswegs schlüssig aus ihrem allgemeinen Menschenbild oder der restlichen kath. Lehre, zu ergeben, und ich sehe auch keinen überzeugenden Grund, wieso die Sexuallehre in einer solchen Weise an diesem Menschenbild "kleben" sollte, dass man  sie nicht "separat" analysieren und bewerten könnte.
 

Zitat

Letztlich spielt bei Deinen Überlegungen Gott überhaupt keine Rolle.

 

 

Doch - ich gehe davon aus, dass ein gütiger Gott keine sinnlosen und menschenfeindlichen Gebote erlässt.

 

Zitat

Würdest Du einem Pazifisten dasselbe vorwerfen (also diese Moral A und Moral B Geschichte)? Ich frage zum ehrlichen besseren Verständnis.

 

 

In welchem Zusammenhang? Eine unredliche Argumentation würde ich natürlich immer ablehnen.
 

Zitat

Genau so ist es. Es ist nämlich, so übersetze ich das, gar nicht die Sexuallehre, die Dich stört, sondern das dahinterliegende Menschenbild, aus dem die Sexuallehre fließt.

 


Nein. Es gibt doch genug ehrenwerte und überzeugte Katholiken, die die Lehre ablehnen, ohne das dahinterliegende Menschenbild abzulehnen. Warum sollte die Lehre von einem liebenden und gnädigen Gott nicht auch mit einem sexualmoralischen System vereinbar sein?

 

Zitat

 

Wenn das in bspw. sozialistischen Ländern nicht passiert wäre (die ehemaligen rumänische Kinderheime sprechen ein anderes Wort, die Abtreibungsraten in der Sowjetunion ebenso), könnte man generell der "Religion" anlasten. Ist nur nicht so.

 

 

Man sollte schon westliche demokratische Länder mit ebensolchen vergleichen.

Und zur Normierung: Es sagt natürlich schon etwa über eine Morallehre aus, wie Gesellschaften leben, in denen eine entsprechende Moral allgemein befürwortet wird und (zumindest offiziell) anerkannt wird. b das etwa zu Glück und Ehrlichkeit führt, oder zu psychischem leid, Heuchelei und Kriminalität.

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vor 31 Minuten schrieb Studiosus:

Was hier aber von untergeordneter Wichtigkeit zu sein scheint. Im Grundsatz stimmen sie mit dem Magisterium darin überein, dass homosexuelle Akte nicht in Ordnung oder im ferneren Sinne schöpfungswidrig sind. Das ist ein Konsens, der die Kirche sozusagen von Anbeginn an begleitet.

Natürlich. Wichtiger wäre es, zunächst zu prüfen, ob dieser Konsens heute noch haltbar ist.

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44 minutes ago, Studiosus said:

Nun ist es allerdings so, dass die katholische Theologie und folglich die kirchenamtliche Glaubenslehre eine Reihe anerkannter Autoritäten kennt, deren Denken prägend gezeichnet hat. Darunter fällt, in hohen Ehren, vor allem der Heilige Augustinus, der Magister gratiae

 

Manche seiner Überlegungen fanden gewissermaßen ungefiltert Eingang in die kirchliche Dogmatik (etwa dessen Lehre vom peccatum originale), anderes wurde semi-augustinianisch adaptiert (das Thema der Prädestination/Reprobation im Rahmen der Charitologie und Höllenlehre). Da sollte man genau hinschauen. 

 

Nun weiß ich nicht, was Augustinus genau über Homosexualität schreibt. Vermute allerdings, dass es durchaus ablehnend ist. Das kann man so stehen lassen. Augustinus mag einer der eminenten sancti patres recepti ac approbati sein, unfehlbar ist er jedoch nicht. Ebenso wenig wie der Aquinat. 

 

Was hier aber von untergeordneter Wichtigkeit zu sein scheint. Im Grundsatz stimmen sie mit dem Magisterium darin überein, dass homosexuelle Akte nicht in Ordnung oder im ferneren Sinne schöpfungswidrig sind. Das ist ein Konsens, der die Kirche sozusagen von Anbeginn an begleitet. 

 

 

 

Saluti cordiali, 

Studiosus 

Von Paulus über Augustinus und den Aquinaten gibt es auch eine grundsätzliche Übereinstimmung mit dem Magisterium, dass die Sklaverei fester Bestandteil der göttlichen Schöpfungsordnung ist. 
Das hat Paul III nicht gehindert, ihnen allen und auch seinen Vorgängern (z. B. Nikolaus V) zu widersprechen und die Sklaverei zu verbieten

 

Werner

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vor 1 Minute schrieb Werner001:

Von Paulus über Augustinus und den Aquinaten gibt es auch eine grundsätzliche Übereinstimmung mit dem Magisterium, dass die Sklaverei fester Bestandteil der göttlichen Schöpfungsordnung ist. 
Das hat Paul III nicht gehindert, ihnen allen und auch seinen Vorgängern (z. B. Nikolaus V) zu widersprechen und die Sklaverei zu verbieten

 

Werner

 

Freilich, der Papst ist der Papst. Nur ihm kommt, gemeinsam mit und auch ohne ein Konzil, die Suprematie und Vollmacht in Glaubensfragen zu.

 

Ein Papst, und wäre er - sit venia verbo - ein theologischer Analphabet, sticht alle Kirchenlehrer. 

 

 

Saluti cordiali, 

Studiosus 

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vor 21 Minuten schrieb iskander:

und ich sehe auch keinen überzeugenden Grund, wieso die Sexuallehre in einer solchen Weise an diesem Menschenbild "kleben" sollte, dass man  sie nicht "separat" analysieren und bewerten könnte.

 

Als Nichtglaubender sah ich das so wie Du - und jetzt sehe ich das fundamental anders. Daher macht auch ein Austausch nur begrenzt Sinn. Ohne den Glauben ist diese Sexuallehre vollkommen unverständlich und nicht nachvollziehbar, da gebe ich Dir ja Recht.

Nur. was machst du jetzt damit?

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vor 10 Minuten schrieb Die Angelika:
vor 23 Minuten schrieb Marcellinus:

Logik hilft dir nicht, wenn die Prämisse falsch ist.

Na da fängt es ja schon an mit dem logischen Argumentieren. 🙂

 

Nein, daß ist einfach nur ein selbstverständlicher Teil der Logik, einem menschengemachten Regelsystem fürs Argumentieren. Prämissen sind da einfach der notwendige Ausgangspunkt einer logischen Kette, der Ausgangspunkt, aus dem logische Schlüsse gezogen werden. Prämissen spielen also in der Logik eine ähnliche Rolle wie Axiome in der Mathematik. 

 

Die Idee dahinter ist, daß, wenn eine Prämisse wahr ist, so sind es auch die logischen Schlüsse daraus. Daß Problem: Wie beweist man die Wahrheit einer Prämisse? Im einen oder anderen Fall kann man sich auf die Empirie zurückziehen, kommt dann allerdings zum Positivismusproblem. Im allgemeinen kann man Prämissen nur glauben. Teilen zwei diesen Glauben, können sie sich logisch über Folgerungen aus dieser Prämisse verständigen, wenn nicht, dann nicht.

 

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vor einer Stunde schrieb Merkur:

Da fängt es an, schwierig zu werden. Ein Menschenbild, in dem man selbst nicht vorkommt, kann auf die Dauer nicht gesund sein. Wenn es nicht um Selbstverwirklichung geht, kann es mit der Selbstvervollkommnung auch nicht klappen. Bei dieser Auslegung des christlichen Menschenbildes kommt der Grundsatz, seinen Nächsten zu lieben wie sich selbst zu kurz.

 

Mit "Selbstverwirklichung" ist die Ich-bezogene Verwirklichung gemeint, also das, was landläufig drunter gesehen wird.

Das katholische Menschenbild geht davon aus, daß die wahre Selbstverwirklichung, also die Bestimmung des Menschen, sich in der Liebe offenbart, und die ist eben das Wollen des Guten des anderen. Die Nächstenliebe ist somit das beste Mittel zur Selbstliebe.

Dazu kommt noch, daß ich Gott im Nächsten liebe, denn anders kann ich nicht Gott mit allem lieben was ich habe und bin und dann noch zusätzlich (wo soll das denn dann herkommen?) den Nächsten wie mich selbst. Nicht nur im Nächsten liebe ich Gott, sondern auch in mir selbst, da ich ebenso Abbild Gottes bin.

 

Franz von Assisi legte immer größten Wert auf die Feststellung, daß alles Gute, was es gibt, nur von Gott stammen kann und man daher immer Ihn liebt, wenn man das Gute oder etwas Gutes liebt.

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vor 3 Stunden schrieb Werner001:

Danke für die ausführliche Darstellung, die für mich persönlich nichts Neues enthält, ich kannte das. Was ich aber nicht finde, ist der kausale Bezug zur Sexuallehre. Du hattest geschrieben, diese ergebe sich aus drm katholischen Menschenbild. Diesen kausalen Zusammenhang kann ich nicht sehen. Man könnte doch auch eine deutlich liberalere Sexuallehre haben, ohne an dem von dir Dargelegten irgendetwas ändern zu müssen.

 

Werner

 

Nun, wenn Du das schon alles kanntest (und ggf. teilst oder geteilt hast), dann siehst Du ja u.a., daß die Kirche Aussagen über die Natur des Menschen macht. Das bedeutet vor allem, daß es eine gemeinsame Natur des Menschen gibt (in den Augen der Kirche zumindest). Des Weiteren bedeutet es, daß die Kirche sich anmaßt - so kann man das durchaus sehen! - diese Natur zu beschreiben und gar zu bewerten.

 

Wenn man der Kirche dieses Recht prinzipiell abspricht, macht die Taufe keinen Sinn, denn nur deswegen wird sie gespendet - aufgrund der kirchlichen Überzeugung über die menschliche Natur.

 

Einverstanden?

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vor 17 Minuten schrieb rorro:

 

Mit "Selbstverwirklichung" ist die Ich-bezogene Verwirklichung gemeint, also das, was landläufig drunter gesehen wird.

Das katholische Menschenbild geht davon aus, daß die wahre Selbstverwirklichung, also die Bestimmung des Menschen, sich in der Liebe offenbart, und die ist eben das Wollen des Guten des anderen. Die Nächstenliebe ist somit das beste Mittel zur Selbstliebe.

Dazu kommt noch, daß ich Gott im Nächsten liebe, denn anders kann ich nicht Gott mit allem lieben was ich habe und bin und dann noch zusätzlich (wo soll das denn dann herkommen?) den Nächsten wie mich selbst. Nicht nur im Nächsten liebe ich Gott, sondern auch in mir selbst, da ich ebenso Abbild Gottes bin.

 

Franz von Assisi legte immer größten Wert auf die Feststellung, daß alles Gute, was es gibt, nur von Gott stammen kann und man daher immer Ihn liebt, wenn man das Gute oder etwas Gutes liebt.

Gerade das ist m.E. eine gravierende Schwäche dieses Menschenbildes. Es besteht die Gefahr, sich von sich selbst zu entfremden, insbesondere wenn diese Vorstellung zum allgegenwärtigen Leitbild wird. Man kennt und kümmert sich um alles und jeden, aber man selbst ist der große Unbekannte.  Mit Freud gesprochen: Es zählt nur das Über-Ich.

bearbeitet von Merkur
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20 minutes ago, rorro said:

 

Nun, wenn Du das schon alles kanntest (und ggf. teilst oder geteilt hast), dann siehst Du ja u.a., daß die Kirche Aussagen über die Natur des Menschen macht. Das bedeutet vor allem, daß es eine gemeinsame Natur des Menschen gibt (in den Augen der Kirche zumindest). Des Weiteren bedeutet es, daß die Kirche sich anmaßt - so kann man das durchaus sehen! - diese Natur zu beschreiben und gar zu bewerten.

 

Wenn man der Kirche dieses Recht prinzipiell abspricht, macht die Taufe keinen Sinn, denn nur deswegen wird sie gespendet - aufgrund der kirchlichen Überzeugung über die menschliche Natur.

 

Einverstanden?

Einverstanden, auch wenn ich den Zusammenhang mit der Sexualmoral immer noch nicht sehe. Was an der Vorstellung von der gemeinsamen Natur des Menschen müsste sich denn ändern oder würde nicht mehr passen, wenn die Kirche z. B. Homosexualität als ganz natürliche Spielart der Schöpfungsordnung und nicht gegen sie gerichtet ansehen würde? 

Werner

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vor 20 Minuten schrieb Werner001:

Einverstanden, auch wenn ich den Zusammenhang mit der Sexualmoral immer noch nicht sehe. Was an der Vorstellung von der gemeinsamen Natur des Menschen müsste sich denn ändern oder würde nicht mehr passen, wenn die Kirche z. B. Homosexualität als ganz natürliche Spielart der Schöpfungsordnung und nicht gegen sie gerichtet ansehen würde? 

Werner

Das tut sie ja bezüglich der Veranlagung. Hinsichtlich des Auslebens gibt es Konflikte bezüglich seines Nicht-Ich-Bezogenseins. Hat man Anteil an der Schöpfungsordnung (Fortpflanzung): nein. Dient es anderen: nein. Deshalb: unvereinbar.

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vor 57 Minuten schrieb rorro:

Franz von Assisi legte immer größten Wert auf die Feststellung, daß alles Gute, was es gibt, nur von Gott stammen kann und man daher immer Ihn liebt, wenn man das Gute oder etwas Gutes liebt.

 

Was immer schon ein besonders selbstwidersprüchlicher Gedanke war. Denn entweder alles kommt von „Gott“, dann das Gute wie das Schlechte, und dann gibt es mindestens ebenso viele Gründe, diesen „Gott“ zu hassen wie zu lieben, oder eben davon auszugehen, daß diesem „Gott“ die einzelnen Menschen gleichgültig sind, oder nur das Gute kommt von „Gott“, dann sind wir bei der Gnosis, und das ist nach katholischer Auffassung ein rechtes Übel. 

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vor einer Stunde schrieb rorro:

Ohne den Glauben ist diese Sexuallehre vollkommen unverständlich und nicht nachvollziehbar, da gebe ich Dir ja Recht.

Dann irren also recht viele bedeutende Theologen, Heilige und Kirchenlehrer, die annahmen, dass der Glaube der Kirche mit der Vernunft erfassbar sei.

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vor einer Stunde schrieb rorro:

 

Als Nichtglaubender sah ich das so wie Du - und jetzt sehe ich das fundamental anders. Daher macht auch ein Austausch nur begrenzt Sinn. Ohne den Glauben ist diese Sexuallehre vollkommen unverständlich und nicht nachvollziehbar, da gebe ich Dir ja Recht.

Nur. was machst du jetzt damit?

 

Ich kann aber auch dann, wenn ich alle "grundsätzlichen" Prämissen des kath. Glaubens als wahr annehme, nicht erkennen, wie daraus die kath. Sexuallehre begründet sein soll.

 

 

vor einer Stunde schrieb rorro:

 

Nun, wenn Du das schon alles kanntest (und ggf. teilst oder geteilt hast), dann siehst Du ja u.a., daß die Kirche Aussagen über die Natur des Menschen macht. Das bedeutet vor allem, daß es eine gemeinsame Natur des Menschen gibt (in den Augen der Kirche zumindest). Des Weiteren bedeutet es, daß die Kirche sich anmaßt - so kann man das durchaus sehen! - diese Natur zu beschreiben und gar zu bewerten.

 

Der Grund, warum ich diesen Thread eröffnet habe, besteht aber gerade darin, dass ich aufzeigen wollte, dass auch unter der Annahme, dass Gott die menschliche Natur geschaffen hat, keineswegs die kath. Sexuallehre folgt (im Hinblick auf "widernatürliche Akte").

 

Lass es mich so sagen: Ich schenke Dir ein Buch, damit Du es lesen kannst, und es gibt auch  eine "Natur des Buches". Folgt daraus, dass ich es als schreckliche Beleidigung meiner Person betrachten müsste, wenn Du das Buch nicht (nur) zum lesen verwenden solltest, sondern (auch) zu anderen Zwecken (etwa als Schreibunterlage oder Zierde im Bücherregal)?

Natürlich bin ich nicht Gott und das Buch ist nicht der Mensch; aber wieso sollte Gott kleinlicher sein als der Mensch? (Davon abgesehen, dass Gott die Sexualität vermutlich zu mehreren Zwecken geschaffen hat, während es beim Geschenk "Buch" wohl so sein dürfte, dass der Schenkende da typischerweise wirklich nur an das Lesen denkt.)

 

Vielleicht mal anders gefragt. Nehmen wir an, die Kirche ändert irgendwann ihre Sexuallehre (wie schon in der Vergangenheit geschehen). Würdest Du das dann als "Verrat" am kath. Glauben verstehen, weil Du meinst, dass aus den "Grundwahrheiten" des Katholizismus zwingend auch seine (aktuelle) Sexuallehre folgt?

bearbeitet von iskander
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vor 34 Minuten schrieb Merkur:

Das tut sie ja bezüglich der Veranlagung. Hinsichtlich des Auslebens gibt es Konflikte bezüglich seines Nicht-Ich-Bezogenseins. Hat man Anteil an der Schöpfungsordnung (Fortpflanzung): nein. Dient es anderen: nein. Deshalb: unvereinbar.

 

So what? Woraus sollte denn folgen, dass jeder sexuelle Akt Anteil an einer Schöpfung haben müsste? Wie ich es zu Anfang in diesem Thread formuliert habe:

 

Zitat

  Wir haben dann also die Prämisse:
 

"Gott will, dass der Mensch seine Sexualität so gebrauchen kann (und u.U. Umständen auch tatsächlich so gebraucht), dass er Kinder zeugt."

 

Daraus ergibt sich aber gerade nicht folgende Schlussfolgerung:
 

"Gott will, dass der Mensch seine Sexualität NUR so gebraucht, dass er dabei Kinder zeugt (oder zeugen kann)."

 

Eine derartige Schlussfolgerung würde sich nur mit folgender Zusatzprämisse ergeben:
 

"Wenn Gott dem Menschen eine Anlage gibt, die (auch) zu einem gewissen Zweck dienen kann (und unter bestimmten Bedingungen auch zu diesem Zweck dienen soll), dann soll diese Anlage NUR zu so verwendet werden, dass sie diesem Zweck dienen kann."

 

Diese Zusatzprämisse scheint mir aber völlig unbewiesen und in der Tat sogar unplausibel zu sein. Normalerweise würde man doch davon ausgehen, dass der Mensch die von Gott gegebenen Anlagen frei gebrauchen kann, solange dadurch niemandem ein Nachteil entsteht. Wir Menschen halten es ja normalerweise auch so, wenn wir jemandem etwas geben.

 

 

bearbeitet von iskander
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vor 16 Minuten schrieb iskander:

 

So what? Woraus sollte denn folgen, dass jeder sexuelle Akt Anteil an einer Schöpfung haben müsste? Wie ich es zu Anfang in diesem Thread formuliert habe:

 

 

Das muss er ja nicht, wenn er zu sonst etwas gut ist, das mit dem christlichen Menschenbild und der Schöpfungsordnung vereinbar ist. 

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vor einer Stunde schrieb Chrysologus:

Dann irren also recht viele bedeutende Theologen, Heilige und Kirchenlehrer, die annahmen, dass der Glaube der Kirche mit der Vernunft erfassbar sei.

 

Keinen Strohmann schlagen bitte. Ich sage nicht, dass der Glaube unvernünftig sei. Nur allein aus der Vernunft (das meine ich mit "ohne Glauben") ist er natürlich nicht erfassbar. Auch hier gilt, dass ohne Gnade nichts geht.

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vor 41 Minuten schrieb Merkur:

Das muss er ja nicht, wenn er zu sonst etwas gut ist, das mit dem christlichen Menschenbild und der Schöpfungsordnung vereinbar ist. 

 

Warum muss er (der sexuelle Akt) denn überhaupt "zu etwas gut sein"? Reicht es nicht, dass er nicht schädlich ist? Gibt es nicht viele Dinge, die weder nennenswert gut noch schlecht sindh sind und also ethisch neutral (jemand pfeift eine Melodie)?

Damit will ich nicht sagen, dass sexuelle Akte nichts "Gutes" beinhalten würden, wobei auch das Wohlgefühl schon ein Gut ist; ich sehe nur nicht ein, wieso sie unter einem speziellen "Rechtfertigungszwang" stehen sollten.

 

Einen Konflikt zwischen "göttlichem Willen" und dem, was die klassische Moraltheologie als "widernatürlichen Akt" bezeichnet, könnte es natürlich unter folgender Annahme geben:

 

Gott will, dass ein bestimmter Mensch zu einer ganz bestimmten Zeit ein Kind zeugt; dieser Mensch vollzieht aber stattdessen einen widernatürlichen Akt, welcher ihn  davon abhält, ein Kind zu zeugen. Dann allerdings würde der "widernatürliche Akt" Gottes Willen widersprechen - aber auch nur indirekt, so wie auch jeder nicht-sexuelle Störfaktor, der ihn von der Zeugung abhält.

Hier gibt es eigentlich nur ein realistisches Szenario: Gott will, dass ein Mann ein Kind zeugt, aber der führt (allein oder mit Partnerin oder Partner) so häufig (unfruchtbare) Samenergüsse herbei, dass er nicht oder nur vermindert fähig ist, ein Kind zu zeugen.

 

In einer jeden Situation hingegen, in der Gott nicht vom konkreten Menschen verlangt, dass dieser jetzt oder in ganz unmittelbarer Zukunft ein Kind zeugen möge, ist unersichtlich, wieso ein Gegensatz zwischen Gottes Willen und der (nicht-fruchtbaren) sexuellen Handlung bestehen sollte.

 

Der einzige ehrliche Ausweg wäre wahrscheinlich der, zu lehren, dass die Sexualität ein Übel sei, das nur um des höheren Gutes der Zeugung von Kindern willen gerechtfertigt werden könne.

bearbeitet von iskander
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Gerade eben schrieb rorro:

 

Keinen Strohmann schlagen bitte. Ich sage nicht, dass der Glaube unvernünftig sei. Nur allein aus der Vernunft (das meine ich mit "ohne Glauben") ist er natürlich nicht erfassbar. Auch hier gilt, dass ohne Gnade nichts geht.

 

Die Kirche geht aber davon aus, dass ihre Sexuallehre grundsätzlich mit der Vernunft verstehbar sei (jedenfalls unter theistischer Prämisse); ich hatte schon entsprechende Passagen von "Persona humana" zitiert, und auch "Humanae vitae" wendet sich ausdrücklich an alle Menschen guten willens.

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vor 1 Stunde schrieb Merkur:

Gerade das ist m.E. eine gravierende Schwäche dieses Menschenbildes. Es besteht die Gefahr, sich von sich selbst zu entfremden, insbesondere wenn diese Vorstellung zum allgegenwärtigen Leitbild wird. Man kennt und kümmert sich um alles und jeden, aber man selbst ist der große Unbekannte.  Mit Freud gesprochen: Es zählt nur das Über-Ich.

 

Dass diese Gefahr besteht leugne ich nicht. Doch das Ganze lässt sich relativ einfach überprüfen: man nehme die Liste der "Früchte des Hl. Geistes" und schaut nach: führt mein Leben für andere zu mehr innerer Freude, innerem Frieden, Freundlichkeit, Güte, Sanftmut?

Wenn das dauerhaft nicht der Fall ist, dann kann das so nicht gottgewollt sein. Beurteilen kann das nur jeder selbst.

 

Natürlich hat jeder dabei anstrengende Phasen, das kennt jedes Elternteil. Doch hoffe ich, dass bspw. die meisten Eltern in ihrer Elternschaft diese Früchte erleben.

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vor 35 Minuten schrieb iskander:

 

Warum muss er (der sexuelle Akt) denn überhaupt "zu etwas gut sein"? Reicht es nicht, dass er nicht schädlich ist? Gibt es nicht viele Dinge, die weder nennenswert gut noch schlecht sindh sind und also ethisch neutral (jemand pfeift eine Melodie)?.

Gott ist im Christentum natürlich nicht nur eine Art Arbeitgeber, dem es egal sein könnte, was du in deiner Freizeit machst, solange du deine Pflichten aus dem Vertrag mit ihm erfüllst. Insofern gibt es im Christentum wenig neutrales. Erst recht nicht, wenn es nicht nur um das Pfeifen einer Melodie, sondern um eine Urgewalt wie das Gefühls- und Liebesleben geht.

 

Zitat

Der einzige ehrliche Ausweg wäre wahrscheinlich der, zu lehren, dass die Sexualität ein Übel sei, das nur um des höheren Gutes der Zeugung von Kindern willen gerechtfertigt werden könne.

Das war lange Zeit so, inzwischen ist die Funktion, Ehegatten aneinander zu binden hinzugekommen (stark vereinfacht).

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Es gibt in der klassischen Moralphilosophie ethisch neutrale, also weder in sich gute noch in sich schlechte, Dinge. Die sogenannten Adiaphora. 

 

Natürlich ist die katholische Morallehre nicht einfach mit antik-paganen Ethiken identisch, sondern ein System, das ausgesprochen oder unausgesprochen, aus der Offenbarung und mit dieser in Kontakt stehenden Wahrheiten ihre moralischen Werturteile deduziert. Daher sind homosexuelle Akten nach katholischer Auslegung eindeutig keine ethisch neutralen Handlungen. 

 

 

Saluti cordiali, 

Studiosus 

bearbeitet von Studiosus
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vor 1 Stunde schrieb Merkur:

Gott ist im Christentum natürlich nicht nur eine Art Arbeitgeber, dem es egal sein könnte, was du in deiner Freizeit machst, solange du deine Pflichten aus dem Vertrag mit ihm erfüllst. Insofern gibt es im Christentum wenig neutrales. Erst recht nicht, wenn es nicht nur um das Pfeifen einer Melodie, sondern um eine Urgewalt wie das Gefühls- und Liebesleben geht.

 

Aber auch da sollte doch wohl gelten, dass nichts als "schlecht" begriffen werden sollte, es sei denn, dass es vernünftig als "schlecht" ausgewiesen werden kann.

 

Wobei das von Dir Gesagte nun wirklich bedrückend und potentiell stress-induzierend ist (jedenfalls nach meinem Verständnis) und leicht die Botschaft vermittelt: Alles, was nicht ausdrücklich erlaubt ist, alles, was nicht gründlich auf seine Unschädlichkeit geprüft wurde, ist erst einmal verboten oder jedenfalls verdächtig. Hier drohen dann eine Enge und ein Rigorismus, die das Leben eher einschnüren als bereichern.
 

Zitat

Das war lange Zeit so, inzwischen ist die Funktion, Ehegatten aneinander zu binden hinzugekommen (stark vereinfacht).

 

 

Ja, aber damit holt man sich die genannten Schwierigkeiten ins Haus, dass man seine Lehre nicht mehr vernünftig begründen kann. Da ist im System "Sex ist so schlecht, dass er nur um der Kinder willen statthaft ist" überlegen - wobei hier natürlich das Problem entsteht, dass die Prämisse vom in sich bösen Sex kaum begründet werden kann und heutzutage wohl vielen eher peinlich anmutet. Aber es ist nur eine Prämisse, die schwer begründet werden kann, und es entsteht nicht der Eindruck, dass mit Fehlschlüssen operiert wird. 

 

@ Studiosus:

 

Zur Rechtfertigung der Ablehnung der Homosexualität mithilfe der Offenbarung:

Na ja, die Kirche hatte früher einmal auch das Verbot der Empfängnisverhütung und - wenn ich das noch richtig im Kopf habe - der Masturbation biblisch begründet und ist davon abgekommen. (Es ist schon länger her, dass ich mich ausführlicher mit der kath. Sexuallehre und ihrer Geschichte beschäftigt habe, und ich mag mich in manchen Details irren.)

Vielleicht wird das mit der Homosexualität auch passieren. Ich verstehe rein "taktisch" eh nicht, wieso die Kirche bei der Homosexualität nicht jetzt schon "naturrechtlich" argumentiert. Denn selbstredend ist die "naturrechliche" Betrachtungsweise sehr angreifbar - aber dieses Manko "muss" die Kirche ohnehin auf sich nehmen. Denn sonst könnte sie schwerlich begründen, weswegen Masturbation und "vollendete" non-vaginale sexuelle Akte selbst in der Ehe unbedingt verboten sein müssen. Mit der "biblischen" Begründung der Ablehnung der Homosexualität lädt die Kirche sich die Last einer weiteren (und in diesem Fall vermeidbaren) Begründungsfigur auf, die angreifbar ist.

bearbeitet von iskander
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vor 50 Minuten schrieb Studiosus:

Es gibt in der klassischen Moralphilosophie ethisch neutrale, also weder in sich gute noch in sich schlechte, Dinge. Die sogenannten Adiaphora. 

 

Natürlich ist die katholische Morallehre nicht einfach mit antik-paganen Ethiken identisch, sondern ein System, das ausgesprochen oder unausgesprochen, aus der Offenbarung und mit dieser in Kontakt stehenden Wahrheiten ihre moralischen Werturteile deduziert. Daher sind homosexuelle Akten nach katholischer Auslegung eindeutig keine ethisch neutralen Handlungen. 

 

 

Saluti cordiali, 

Studiosus 

 

Es gibt nur behauptete Offenbarungen und daher nur behauptete Wahrheiten.

 

An Bescheidenheit mangelt es sowohl Theisten wie Atheisten. Zumindest leiten die meisten Atheisten von ihrer Überheblichkeit mit Ausnahme des kommunistischen Atheismus keine verbindliche Lehren ab, wie Du das hier in Bezug auf die Homosexualität machst.

 

Mich widert solche Theologie an. Besonders weil ich sah und sehe, wie feinsinnige Menschen unter dieser teuflisch-menschlichen Theologie leiden mussten und leiden. 

 

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