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Basiert die Ablehnung "widernatürlicher Akte" auf einem Fehlschluss?


iskander

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On 3/29/2021 at 2:43 PM, Studiosus said:

Ich kann nur mutmaßen, aber ich denke, dass es Homosexualität, wenn darunter same sex attraction und mitunter das sich Verlieben in Personen desselben Geschlechts verstanden wird, immer geben hat. Zur jeder Zeit, in jeder Kultur.

 

Das hat, soweit ich sehen kann, auch niemand in Abrede gestellt. Natürlich hat es immer alles mögliche gegeben (es gibt nicht, was es nicht gibt). Der Punkt ist, dass verschiedene Kulturen die endlose Vielfalt von Erscheinungen auf recht unterschiedliche Weise kategorisieren. Eine Kategorie "Homosexualität" gab es in der Antike nicht.

 

Und mit diesen Kategoerien gehen gewisse Erwartungen und Bewertungen einher, die deswegen auch von Kultur zu Kultur anders sind.

 

bearbeitet von Domingo
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9 hours ago, Studiosus said:

Natürlich ist die katholische Morallehre nicht einfach mit antik-paganen Ethiken identisch, sondern ein System, das ausgesprochen oder unausgesprochen, aus der Offenbarung und mit dieser in Kontakt stehenden Wahrheiten ihre moralischen Werturteile deduziert. Daher sind homosexuelle Akten nach katholischer Auslegung eindeutig keine ethisch neutralen Handlungen. 

Mir drängt sich eher der Eindruck auf, dass man antik-pagane Vorstellungen ins Christentum übernommen hat und anschließend mit aller Gewalt versucht, diese aus der Offenbarung zu deduzieren. Und jedesmal wenn sich eine weitere dieser Herleitungen nicht halten lässt, denkt man sich verzweifelt eine neue aus. So ist man bei der Homosexualität von Levitikus über Sodom auf Genesis gekommen, als nächstes kommt wahrscheinlich Paulus, ind wenn alles nicht hilft, sagt man halt, das müsse man gat nicht mit def Schrift begründen, man sei ja nicht bei den Protestanten, das sei einfach immerwährende unveränderliche Tradition.

Es sind letztlich genau die gleichen Argumentationsmuster, die man bei allen Sekten auch findet, wenn die Welt man wieder nicht wie prophezeit untergeht usw.

Mit vernunfterkanntem Glauben hat das jedenfalls nichts zu tun, es ist, ja, was ist es? Wie nennt man solches „die Offenbarung sagt eindeutige, dass nächste Woche die Wiederkunft Christi stattfindet, da gibt es keine Zweifel“?

 

Werner

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vor 1 Minute schrieb Werner001:

Wie nennt man solches „die Offenbarung sagt eindeutige, dass nächste Woche die Wiederkunft Christi stattfindet, da gibt es keine Zweifel“?

 

Bischoff-Botschaft?

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vor 8 Stunden schrieb Werner001:

Mir drängt sich eher der Eindruck auf, dass man antik-pagane Vorstellungen ins Christentum übernommen hat und anschließend mit aller Gewalt versucht, diese aus der Offenbarung zu deduzieren. Und jedesmal wenn sich eine weitere dieser Herleitungen nicht halten lässt, denkt man sich verzweifelt eine neue aus. So ist man bei der Homosexualität von Levitikus über Sodom auf Genesis gekommen, als nächstes kommt wahrscheinlich Paulus, ind wenn alles nicht hilft, sagt man halt, das müsse man gat nicht mit def Schrift begründen, man sei ja nicht bei den Protestanten, das sei einfach immerwährende unveränderliche Tradition.

Es sind letztlich genau die gleichen Argumentationsmuster, die man bei allen Sekten auch findet, wenn die Welt man wieder nicht wie prophezeit untergeht usw.

Mit vernunfterkanntem Glauben hat das jedenfalls nichts zu tun, es ist, ja, was ist es? Wie nennt man solches „die Offenbarung sagt eindeutige, dass nächste Woche die Wiederkunft Christi stattfindet, da gibt es keine Zweifel“?

 

Werner

 

Was mich verletzt und ärgert, weil ich auch homosexuelle Freunde habe, ist die Tatsache: @Studiosusund Konsorte aus den Freikirchen und Sekten machen Täterschutz (Moses, Paulus usw.) und die Opfer sind ihnen völlig egal. Dass in den vergangenen Jahren auch heute noch Homosexuelle in sehr christlichen afrikanischen Ländern usw. wegen den Bösartigkeiten eines Moses und Paulus sterben mussten, kümmert die moralischen geistlichen Krüppel überhaupt nicht. Das Wort Krüppel ist deftig. Aber wenn man keine moralischen Bedenken über das Unrecht hat, das Menschen wegen der Verweigerung einer entmythologischen Entwicklung erleiden müssen, dann ist man zum moralischen Krüppel geworden. Genauso wie die Bischöfe, die lange die Täter statt Opfer in Schutz genommen hatten. Einfach Bösartigkeit pur.

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Frage: Warum können Geistliche der drei monotheistischen Religionen für das Leid an Homosexuellen nicht haftbar gemacht werden? Sie sind ja für die Morde usw. an Homosexuellen letztlich mitverantwortlich. So hat einer gerade die Homosexualität als Krankheit bezeichnet. Wer da krank ist, ist die Frage?

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On 3/30/2021 at 1:08 PM, rorro said:

Ohne den Glauben ist diese Sexuallehre vollkommen unverständlich und nicht nachvollziehbar, da gebe ich Dir ja Recht.

Wieso das denn? Ich denke ich verstehe sie sehr gut, und auch die Absichten, historischen Entwicklungen und ideologischen Interessen dahinter. Und nein, ich glaube an keinen Gott. Auch umgekehrt harzt es - jemand der an den dreifaltigen Gott glaubt wird sie dann verstehen und akzeptieren? Sieht mir nicht danach aus, weder im RL noch hier im Forum.

 

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@rorro und @Studiosus:

 

Nun kann man vermutlich nicht ausschließen, dass die Kirche ihre Sexuallehre doch noch innerhalb einer absehbaren Zeit ändert, auch wenn es letztlich Spekulation bleibt. Immerhin gab es Änderungen dieser Lehre ja auch in der Vergangenheit.

Nehmen wir einmal für einen Moment - rein hypothetisch - an, irgendwann käme er doch zu Änderungen.

 

Wäre das für euch dann sehr enttäuschend bzw. würde dann für euch die Kirche insgesamt unglaubwürdig (etwa hinsichtlich ihres Menschenbildes)? Oder würdet Ihr Euch: "Na ja, die Kirche ist nicht fehlerfrei, die lehre war nicht dogmatisiert -  dann ist das halt so."

 

Die Frage ist ernst gemeint; mich würde interessieren, für wie "integral" in diesem Sinne konservative Katholiken die Sexuallehre halten.

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vor 42 Minuten schrieb iskander:

Die Frage ist ernst gemeint; mich würde interessieren, für wie "integral" in diesem Sinne konservative Katholiken die Sexuallehre halten.

Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie sich wesentlich ändert. Diese Lehre ist gewissermaßen der USP des Katholizismus. Die Wünsche nach Änderungen sind auch im wesentlichen ein Wohlstandsproblem, also vorherrschend in Gegenden, wo die Kirche nicht wächst, sondern schrumpft. Mit welchem Vorteil für die Kirche wäre eine Änderung verbunden? 

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vor 29 Minuten schrieb Merkur:

Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie sich wesentlich ändert. Diese Lehre ist gewissermaßen der USP des Katholizismus. Die Wünsche nach Änderungen sind auch im wesentlichen ein Wohlstandsproblem, also vorherrschend in Gegenden, wo die Kirche nicht wächst, sondern schrumpft. Mit welchem Vorteil für die Kirche wäre eine Änderung verbunden? 

 

Das Wohlstandsproblem ist nicht das Problem sondern die Bildung. Aber da Bildung immer auch mit Wohlstand zusammenhängt, ist es doch ein Wohlstandsproblem. Bildung war für die Religionen immer ein Nachteil. Sobald Menschen eigenständig zu denken beginnen, merken sie wie vieles eben sinnfrei ist.

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vor einer Stunde schrieb Merkur:

Die Wünsche nach Änderungen sind auch im wesentlichen ein Wohlstandsproblem [...]

 

Da könnte man den Spieß auch umdrehen: Die Akzeptanz der traditionellen Moral, oftmals wohl verbunden mit großer Heuchelei, ist ein "Armen-Problem"; und je mehr die Armut hoffentlich global zurückgeht, desto mehr wird die Akzeptanz dieser Moral zurückgehen. Ob es auf lange Sicht eine kluge Strategie ist, darauf zu setzen, dass große Teile der Weltbevölkerung arm (und oft eher bildungsfern) bleiben werden, ist zumindest offen.

 

Von meinem Gefühl her kann ich mir eigentlich selbst nicht vorstellen, dass diese Moral sich je ändern wird; irgendwie, so hat man den Gefühl, wurde sie fast zum "Markenkern" des Katholischen erhoben (was nicht gerade eine Auszeichnung ist). Rational gesehen allerdings halte ich es für gut möglich, dass sich etwas ändert, wenn man sich ansieht, wie sich die Kirche (bis in die hohe Hierarchie hinein) inzwischen gewandelt hat.

Die Position von Schockenhoff (den Text habe ich kürzlich erst entdeckt), wonach der Wandel auf der Ebene der Lehrschreiben schon eingesetzt habe, mag voreilig sein; trotzdem scheinen mir die Argumente Schockenhoffs auch nicht einfach aus der Luft gegriffen zu sein und könnten jedenfalls auf einen vorsichtigen Wandel hindeuten. Zumindest wird man wohl sagen können, dass mit dem jetzigen Papst die klassischen Sexualmoral eine viel kleinere Bedeutung erfährt als früher. Das könnte einen allmählichen Rückzug einleiten.

 

Oder vielleicht auch nicht. (Man hatte ja wohl auch gemeint, dass es mit dem II. Vaticanum und Paul VI. in der Frage der Empfängnisverhütung einen Wandel geben würde, und es gab doch keinen. Ich würde auch erst an eine Veränderung "glauben", wenn sie ganz eindeutig feststünde.)

Aber die Möglichkeit scheint mir wenigstens realistisch genug zu sein, um die Frage zu stellen, wie die Anhänger dieser Lehre auf eine hypothetische künftige Änderung reagieren würden....

bearbeitet von iskander
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vor 10 Stunden schrieb Flo77:

 

Wenn man sieht, dass bisher von der katholischen Kirche die Täter statt die Opfer von fehlgeleiteter Sexualität geschützt wurden, dann zeigt das auf eine kranke Moral hin. Und zwar eine kranke Moral bis in die Spitzen der katholischen Kirche hinauf.

 

So gesehen hat die Kirche schon lange einen Weg der A-Moral gewählt und hat den Weg für freiheitlichere Sexualität gegenüber den Menschen blockiert. Wenn Offiziere unfähig waren und sind, nach der Vorgabe der eigenen Sexuallehre zu leben, ist es ein Unrecht, "Soldat*innen mehr Lasten aufzulegen, als die Offiziere zu tragen vermögen.

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vor 2 Stunden schrieb Gerhard Ingold:

 

Wenn man sieht, dass bisher von der katholischen Kirche die Täter statt die Opfer von fehlgeleiteter Sexualität geschützt wurden, dann zeigt das auf eine kranke Moral hin. Und zwar eine kranke Moral bis in die Spitzen der katholischen Kirche hinauf.

 

Das rückt die Kirche natürlich in gar kein gutes Licht, aber in diesem Punkt ist ihr Verhalten vermutlich auch nicht so ungewöhnlich. In Institutionen neigt man wohl häufig dazu, den Dreck unter den Teppich zu kehren, wenn es keine geeigneten und effektiven Strukturen gibt, um das zu verhindern. Der Klerikalismus hier aber vielleicht einer der negativen Faktoren, die diese Reaktion noch befördern.

 

@Flo77

 

Mal schaun, ob sich da wirklich was tut. Letztlich kann in der kath. Kirche eben nur Rom entscheiden.

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vor 2 Stunden schrieb iskander:

 

Das rückt die Kirche natürlich in gar kein gutes Licht, aber in diesem Punkt ist ihr Verhalten vermutlich auch nicht so ungewöhnlich. In Institutionen neigt man wohl häufig dazu, den Dreck unter den Teppich zu kehren, wenn es keine geeigneten und effektiven Strukturen gibt, um das zu verhindern. Der Klerikalismus hier aber vielleicht einer der negativen Faktoren, die diese Reaktion noch befördern.

 

@Flo77

 

Mal schaun, ob sich da wirklich was tut. Letztlich kann in der kath. Kirche eben nur Rom entscheiden.

 

Dass das bei gottlosen Menschen (nicht atheistischen Menschen) der Fall ist, ist tatsächlich nicht ungewöhnlich. Gottlose Menschen beichten vielleicht aber sie haben die Hausaufgaben nicht gemacht. Beichten bedingt nach dem Vorbild der Legende über den Zöllner Zachäus (Lukas 19,1ff) ein Ordnen der Unrechts. Dieser Zöllner sagte, "was ich zu viel genommen habe, werde ich zurückgeben." Das hatte ihm Jesus in der Legende nicht aufgenötigt. Es war der Zöllner selbst, der sein Unrecht eingesehen hatte und es entsprechend in Ordnung bringen wollte.

Er wischte also nichts unter den Teppich wie es der Papst Ratzinger, Bischof Meiser usw. bei Missbrauchsfällen gemacht hatten.

Einer meiner theologischen Lehrer hatte vor Jahrzehnten ein Buch mit dem Titel "Atheismus in der Christenheit" verfasst. Es ging darin nicht um Atheismus (Verneinung eines Gottes) sondern um praktisch gelebte Gottlosigkeit.

 

Das Christentum ist durch das gelebte Gegenteil von Schutz der Schwächsten stinkend geworden.

(Schutz der Schwächsten im Sinne Mt.9,13, dass die Kranken oder Schwache die Hilfe nötig haben.)

 

Da segnet man Schiffe, sogar Waffen usw. aber wenn zwei Männer und zwei Frauen miteinander ihr Leben teilen wollen, verweigert man dazu den Segen. Man sagt, die Sexualität zwischen Männern und Frauen sei Widernatürlich.

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Auf einen Beitrag von @rorro aus einem anderen Thread antworte ich hier, weil meine ausführliche Antwort hier einfach deutlich besser passt:

 

  

Am 18.4.2021 um 23:26 schrieb rorro:

Das ist mein letzter Beitrag zu dem Thema. Ich habe keine Lust hier auf einer Anklagebank zu sitzen. [...]

Wenn wir durch Ihn also so erschaffen wurden, daß es mehr als einen Zweck für eine lebenserhaltende Maßnahme gibt - Essen dient ja auch dem Genuß und nicht nur der Nahrungsaufnahme, aber letzteres eben auch immer, Bulimiker ausgenommen - dann bedeutet das mitnichten, daß wir diese willkürlich trennen sollen.

Klar, wir können nach jedem leckeren Essen kotzen und uns irgendwann für die Nährstoffe bspw. Astronautennahrung reinpfeifen, das geht. Ich kenne allerdings niemanden, der das für "natürlich" hielte.

Noch einmal, wie schon früher erwähnt: daß gerade die lebenserhaltenden und lebensspendenden Vollzüge bei uns so angelegt sind, daß wir dabei Genuß und Lust empfinden können, ist ein Geschenk Gottes!

Und dann den Genuß zu isolieren und alles weitere bestmöglich zu verhindern (ein Art genußvolle Bulimie) ist genau das Gegenteil dessen, was ich anfangs schrieb: daß es nicht um Dich geht.

 

Du brauchst Dich nicht auf der "Anklagebank" zu fühlen, aber Du mögest mir schon bitte zugestehen, dass ich Dich darauf aufmerksam mache, wenn Du eben sehr allgemein antwortest und auf konkrete Kritik nicht eingehst; zumal wenn Du mir immer wieder mangelnde Kompetenz vorwirfst, statt eine konkrete Antwort zu geben. Immerhin, eine konkretere Antwort hast Du jetzt ja nachgeholt.

 

Dazu meine Replik: Wenn der Mensch Essen erbricht, dann ist das Essen verdorben. Die Magensäure schädigt die Zähne und das Erbrechen wird als unangenehm erlebt. Gäb es es jedoch alle diese Nachteile nicht, wäre der Sinn eines entsprechenden Verbotes schwer zu begründen.

Wenn es einen essbaren Kaugummi geben sollte, auf dem der Mensch zu seinem Vergnügen herumkauen kann, ohne ihn gleich zu essen, und jemand würde genau das dann tun und den Kaugummi erst bei späterer Gelegenheit essen: Was wäre daran verwerflich, solange das hygienisch unbedenklich wäre und niemandem schaden würde?

 

Was sollte denn überhaupt dagegen sprechen, biologische Funktionen zu hemmen oder zu trennen, sofern das niemandem irgendwie schadet? Die einzige Antwort darauf könnte doch in der Behauptung liegen, dass die faktische Biologie mit ihren natürlichen Funktionen den Willen Gottes eins zu eins abbilden würde. Genau so, wie Gott die (normale, gesunde) Natur gemacht hat, ist sie richtig uns soll sie auch bleiben!

Das glaubt aber kein Mensch, auch kein Katholik! Wie ich schon geschrieben hatte:

 

Zitat

Denn (praktisch) kein Christ hat ja etwas dagegen, wenn wir unsere Körper "wider die Natur" mit Kleidern bedecken, und keiner argumentiert, dass Gott uns ein dichtes Fell gegeben hätte, wenn es nicht sein Wunsch wäre, dass wir uns ständig unsere nackten Körper präsentieren. Kein Christ hat etwas gegen das Schneiden von Nägeln, Haaren und Bärten. Keiner hat etwas gegen schmerzlindernde Medikamente, obwohl dabei die "natürliche Funktion" der betroffenen Nerven unterbunden wird. Keiner hat etwas gegen Chemotherapie, obwohl dabei die natürliche Funktion (auch von gesunden!) Zellen, sich zu teilen, gehemmt wird. Niemand hat etwas gegen Kunsthaut z.B. für Brandopfer oder gegen die "Zweckentfremdung" von Körper-Gewebe, wenn es aus medizinischen Gründen verpflanzt wird.


Ebenfalls hat niemand etwas dagegen, z.B. Speichel- oder Blutproben zu nehmen, obwohl der entnommene Speichel oder das Blut dadurch daran gehindert wird, seine natürliche Funktion zu erfüllen. (Die entnommenen Erythrozyten können dann beispielsweise nicht mehr ihrem "natürlichen Zweck" nachkommen, Sauerstoff innerhalb des menschlichen Organismus zu transportieren.)

 

Es ist z.B. ein prinzipieller sinnvoller Mechanismus, dass wir Schmerz spüren, wenn wir uns eine Verletzung zuziehen - aber heißt das, dass es Gottes Wille entspricht, dass wir in jedem einzelnen Fall bei jeder Verletzung unbedingt den vollen natürlichen Schmerz spüren müssen? Darf der Mensch in diesen natürlichen Zusammenhang also nicht mit Schmerzmitteln eingreifen und somit eine natürliche biologische Funktion hemmen oder ausschalten? Sind Schmerzmittel gegen den Willen Gottes, nach der Devise: Hätte Gott es gewollt, dass wir (z.B. bei einer OP) den Schmerz so einfach unterdrücken können, dann hätte er die Natur auch entsprechend eingerichtet!?

 

Es ist doch absurd, die faktische Biologie (selbst wo sie "im Prinzip" sinnvoll ist) so einfach und so komplett mit dem Willen Gottes zu identifizieren und sie gegen vernünftige menschliche Eingriffe abzuschirmen!!

Kein Mensch tut das normalerweise; keiner hat normalerweise etwas gegen Eingriffe in die biologische Natur, solange die Eingriffe unschädlich sind (oder solange der Nutzen den Schaden überwiegt und der Betroffene einwilligt). Niemand bezweifelt normalerweise, dass die Vernunft über dem Naturhaften steht und nicht umgekehrt. Daher nochmals meine Frage an Dich, und falls Du nicht antworten möchtest, an alle anderen mit Deiner Meinung:

 

1) Warum ist das gerade im Bereich der Sexualität alles angeblich ganz anders?

 

Des Weiteren trennt der Mensch doch auch bei der natürlichen Familienplanung sexuellen Genuss und Zeugung; nur tut er das nicht im einzelnen Akt, sondern durch sein Gesamt-Verhalten: Er achtet darauf, dass er den Genuss bekommt, dass dadurch jedoch kein Leben entstehen kann. Aber solange ein Zweck legitim ist und eine Methode unschädlich, ist die Wahl der Methode doch erst einmal ethisch neutral. Das ist doch zumindest außerhalb der Sexuallehre allgemein akzeptiert! Daher erneut die Frage:

 

2) Wieso sollte das gerade im Bereich der Sexualität ganz anders sein?

 

Und noch eine Frage: Empfängnisverhütende Mittel sind ja selbst dann nicht erlaubt, wenn eine Fruchtbarkeit ausgeschlossen ist. Sagen wir also, die Frau hat Eierstöcke und Gebärmutter entfernt, und der Mann soll mithilfe eines Kondoms eine Sperma-Probe abgeben (z.B. wg. eines Vaterschafts-Tests). Dann ist das ja auch nicht erlaubt. Es geht gar nicht darum, dass der Akt fruchtbar ist; es geht darum, dass wenigstens ein fruchtbarer Akt simuliert wird. (Und man sage nicht, dass Gott durch ein Wunder ja Eierstöcke und Uterus nachwachsen lassen kann; wenn er das kann, kann er auch ein Kondom durchlöchern.) Dass der Geschlechtsverkehr hier so aussehen muss, als ob er fruchtbar wäre, scheint hier ein reiner Selbstzweck zu sein. Daher die Frage:

 

3) Wie nun soll diese Norm sinnvoll begründet werden?

 

Und noch etwas: Wenn Gott wirklich selbst in Fällen, in denen eine Zeugung von Kindern definitiv nicht angezeigt ist, sich wünschen sollte, dass eine sexuelle Betätigung nur so stattfinden darf, dass Kinder entstehen könn(t)en, dann wäre das so wenig rational nachvollziehbar, wie wenn Gott wollte, dass der Mensch auch dort Schmerzen erlebt, wo das gar nicht sinnvoll ist. Es wird damit Gott unterstellt, dass er die faktische Natur und ihre Funktionen auch dort zur Norm erhebt, wo es dazu gar keinen vernünftigen Grund gibt.

bearbeitet von iskander
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vor 15 Stunden schrieb iskander:

Was sollte denn überhaupt dagegen sprechen, biologische Funktionen zu hemmen oder zu trennen, sofern das niemandem irgendwie schadet? Die einzige Antwort darauf könnte doch in der Behauptung liegen, dass die faktische Biologie mit ihren natürlichen Funktionen den Willen Gottes eins zu eins abbilden würde. Genau so, wie Gott die (normale, gesunde) Natur gemacht hat, ist sie richtig uns soll sie auch bleiben!

Das glaubt aber kein Mensch, auch kein Katholik!

Was ist denn daran so unglaubwürdig? Als Grundsatz, von dem man Ausnahmen zulassen kann, halte ich diese Annahme für gut vertretbar. 

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@Merkur

 

vor 4 Stunden schrieb Merkur:

Was ist denn daran so unglaubwürdig? Als Grundsatz, von dem man Ausnahmen zulassen kann, halte ich diese Annahme für gut vertretbar. 

 

Aber doch nur, weil die Natur weitgehend so beschaffen ist, dass sie dem Wohl des Menschen dient.

Dort aber, wo dies nicht unmittelbar der Fall ist und es dem Menschen mithilfe technischer Veränderungen besser geht, greifen wir doch ständig und selbstverständlich in die Natur ein. Oder bist Du (Dauer-)Nudist und isst Dein Steak roh und lässt Du Deine Haare und Nägel so lange wachsen, "wie die Natur es möchte"? ;)

 

Dass wir den gesunden Menschen nicht einfach mal so zum Spaß nebenswirkungsreiche Medikamente (wie z.B. Zytostatika) verabreichen: Liegt das nun daran, dass solche Medikamente "unnatürlich" sind, weil der menschliche Körper sie nicht von sich aus herstellt?

Oder liegt es nicht viel eher daran, dass es unvernünftig (schädlich für den Menschen) wäre, das zu tun, während es durchaus vernünftig sein kann, solche Medikamente Krebspatienten zu geben Krebspatienten zu geben?

 

Was ist unser Leitmotiv im Umgang mit der biologischen Natur? Das "Naturhafte" oder das "Sinnvolle"? Normalerweise das Naturhafte doch nur dann, wenn und soweit es auch sinnvoll ist!

bearbeitet von iskander
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vor einer Stunde schrieb iskander:

Aber doch nur, weil die Natur weitgehend so beschaffen ist, dass sie dem Wohl des Menschen dient.

 

Genauer gesagt: Die Natur ist einfach nur, für uns Menschen mal gut und mal schlecht. Wo sie für uns gut ist, freuen wir uns, wo nicht, versuchen wir, die Folgen für uns abzumildern. 

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vor 18 Stunden schrieb iskander:

@Merkur

Was ist unser Leitmotiv im Umgang mit der biologischen Natur? Das "Naturhafte" oder das "Sinnvolle"? Normalerweise das Naturhafte doch nur dann, wenn und soweit es auch sinnvoll ist!

Die Natur und damit das Naturhaft hat aber den Vorteil, dass sie - wie Marcellinus bereits angemerkt hat - einfach nur da ist, wogegen der Sinn von etwas erst ermittelt werden muss. Bei der Suche nach dem Sinn kann es hilfreich sein, sich an der Natur zu orientieren.

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vor 2 Stunden schrieb Merkur:

Die Natur und damit das Naturhaft hat aber den Vorteil, dass sie - wie Marcellinus bereits angemerkt hat - einfach nur da ist, wogegen der Sinn von etwas erst ermittelt werden muss. Bei der Suche nach dem Sinn kann es hilfreich sein, sich an der Natur zu orientieren.

 

Natur ist das, was da ist. Sinn ist das, was wir hinzufügen.

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vor 28 Minuten schrieb Marcellinus:

 

Natur ist das, was da ist. Sinn ist das, was wir hinzufügen.

Genau. Sollte man sich nicht zuerst darüber im klaren sein, was man hinzufügen will, bevor man sich daran orientiert?

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vor 1 Stunde schrieb Merkur:
vor 2 Stunden schrieb Marcellinus:

Natur ist das, was da ist. Sinn ist das, was wir hinzufügen.

Genau. Sollte man sich nicht zuerst darüber im klaren sein, was man hinzufügen will, bevor man sich daran orientiert?

Richtig! Aber dann müßte man zugeben, daß „Sinn“ keine objektive Gegebenheit ist, sondern eine subjektive Einstellung. 

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@Merkur

@Marcellinus

 

Am 21.4.2021 um 15:43 schrieb Merkur:

Bei der Suche nach dem Sinn kann es hilfreich sein, sich an der Natur zu orientieren.

 

Ja klar: Wenn wir wissen, dass ein bestimmter Stoff, sagen wie ein Vitamin, dem menschlichen Körper gut tut, dann betrachten wir es als vernünftig, uns den Stoff zuzuführen. Eventuell werden wir dann z.B. sogar Nahrungsmittel mit diesem Stoff anreichern, auch wenn dies "unnatürlich" in dem Sinne ist, dass wir in die Natur eingreifen.

Ist ein Stoff hingegen schädlich (wie z.B. ein Stoff, mit dem pflanzen Fressfeinde abwehren), dann betrachten wir es normalerweise als unvernünftig, ihn uns zuzuführen. Wir werden ihn dann vielleicht sogar aus einem entsprechenden Lebensmittel entfernen oder "herauszüchten", auch wenn das ebenfalls ein Eingriff in die Natur ist ("wider die Natur", könnte man im Anschluss an die kirchliche Diktion sagen).

 

Wir berücksichtigen die biologische Natur also durchaus - aber nicht in dem Sinne, dass wir das Natürliche einfach zum Ideal erklären würden, sondern in dem Sinne, dass wir uns fragen, was der menschlichen Natur gut bekommt.

Das ist zumindest dann immer so, wenn keine Konflikt-Situation besteht, wenn also insbesondere Dritte (etwa andere Menschen oder Tiere) nicht geschädigt werden.

 

Das normierende Ziel ist hier das Wohlergehen des Menschen, nicht die "Unberührtheit" des biologisch Gegebenen im Sinne eines Selbstzwecks.

 

Wie gesagt: Wir denken alle so, egal ob wir Theisten, Agnostiker oder Atheisten sind; und wenn man davon ausgeht, dass Gott das Wohl des Menschen möchte und der Mensch dementsprechend mithilfe seiner Vernunft sein Leben gestalten darf, dann ist diese Sicht auch aus theistischer Sicht konsequent.

 

In diesem Sinne würde die ethische Norm bei der Empfängnisverhütung lauten: Zumindest solange nicht Dritte (etwa ein Embryo) geschädigt werden, ist Empfängnisverhütung dann zu befürworten, wenn es sinnvoll ist, dass kein Kind entsteht; unverhüteter Verkehr hingegen ist dann zu befürworten, wenn die Zeugung eines Kindes als sinnvoll erachtet wird.

 

Die kirchl. Logik hingegen geht etwa so:

 

"Wenn Menschen Geschlechtsverkehr haben, dann ist es auch sinnvoll, dass ein Kind entstehen können soll."

Oder doch nicht und stattdessen:

"Wenn Menschen Geschlechtsverkehr haben, dann mag es zwar sinnvoll sein, wenn kein Kind entsteht; aber der Geschlechtsverkehr muss doch so ablaufen, dass trotzdem ein Kind entstehen kann/könnte, auch wenn das keinen Sinn ergibt."

 

Begründung? Das Biologisch-Naturhafte wird mit dem göttlichen Willen identifiziert und wird zum Selbstzweck, der für "unberührbar" erklärt wird. Gott will es angeblich, auch wenn es keinen Sinn macht und man keinen vernünftigen Grund für den angeblichen göttl. Willen angeben kann.

 

Wie gesagt: Nur im Bereich der Sexualität wird so argumentiert, nirgendwo sonst!!

 

All das hat seine Wurzeln in der Überzeugung, dass Sexualität ein Übel ist, das nur um der Kinder willen gerechtfertigt werden kann. Deshalb auch die Betonung, dass bei der natürlichen Familienplanung jeder Akt "offen für das Leben" sei, obwohl das ganze Verhalten dabei so gestaltet ist, dass es nicht offen für das Leben, in keinem sinnvollen, realen und relevanten Zusammenhang. Aber auf diese Weise kann ein zölibatär lebender Papst sich selbst einreden, dass die Sexualität hier doch irgendwie auf die Weitergabe des Lebens "hingeordnet" bleibe - und anderes könnte er mit der Sexualität kaum seinen Frieden schließen.

 

Deshalb auch die Verurteilung aller "vollendeter" extra-vaginaler sexueller Akte (z.B. Masturbation, Oralverkehr usw.):

Die von der Kirche gelieferte Begründung überzeugt nur denjenigen, der ohnehin schon überzeugt ist, dass die Kirche recht hat (siehe Anfang des Threads). Die Antwort ist auch hier: Man "erträgt" die Sexualität kirchlicherseits nur, weil und so lange sie mit der Zeugung von Kindern in Zusammenhang gebracht werden kann.

 

Es wäre redlich, wenn man zugeben würde, dass es so ist; wenn man vielleicht auch wieder zur Lehre zurückkehren würde, dass die Sexualität ein Übel ist, das nur um der Kinder willen toleriert werden kann. Dann müsste man nicht immer neue Kapriolen schlagen. Diese Kombination aus verbaler Überhöhung und Heiligsprechung der Sexualität, die letztlich doch nur dazu dient, sie der menschlichen Verfügung maximal zu entziehen, und einer konkreten Moral, die äußerst lustfeindlich ist und auch in der offenen Lustfeindlichkeit früherer Zeiten ihre historische Wurzel hat, ist einfach unredlich. Es ist eine Selbsttäuschung.

 

 

bearbeitet von iskander
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vor 56 Minuten schrieb iskander:

@Merkur

@Marcellinus

Es wäre redlich, wenn man zugeben würde, dass es so ist; wenn man vielleicht auch wieder zur Lehre zurückkehren würde, dass die Sexualität ein Übel ist, das nur um der Kinder willen toleriert werden kann. ...

Das sehe ich auch so. Die neuere Ansicht über das bedingungslose Sich-Schenken usw. halte ich auch für abwegig und nicht zu Ende gedacht. Der Versuch, den traditionellen Argwohn gegenüber der Sexualität durch eine mystische Überhöhung zu ersetzen, wird auf die Dauer nicht funktionieren. Es ist leicht festzustellen, dass die Wirklichkeit anders ist.

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Am 22.2.2021 um 20:18 schrieb iskander:

1) Sexualität hat die "Zielsetzung" der Fortpflanzung.

Dieser zitierte Satz ist schlicht eine Behauptung.

Man kann diese Behauptung natürlich unterfüttern ... aber richtig einsichtig wird sie dadurch nicht.

Es stimmt zwar: Ohne Fortpflanzung würde das höhere Leben (auch das menschliche) auf dem Planeten absterben.

Aber: Was spricht dagegen, dass Gott es nicht genauso will? Vielleicht liebt er Planeten mit vielerlei ausgestorbenen Arten?
Irgendwann wird unser Planet sowieso ohne Menschen auskommen müssen. 

Damit wäre die Behauptung, Sexualität hätte Fortpflanzung zum Ziel sehr fragwürdig.

 

Hat Gott überhaupt Ziele? Und zwar auch noch solche, die wir Menschen verstehen? Und auch noch in Worte fassen können?

 

Naheliegender aber scheint mir zu sein:

Erlauben wir uns doch, ganz menschlich und anthropomorph davon auszugehen, dass Gott Fortpflanzung will, und dass er zu diesem Zweck den Akt des Fortpflanzens mit Lustgewinn belohnt.

 

Aber dann ist Fortpflanzung zwar EIN Ziel der Sexualität, aber eben EIN Ziel unter vielen anderen.

Die Sexualwissenschaftler erzählen von einigen weiteren Zielen.

Lustgewinn, Identitätsbildung, Beziehungsaufbau, Spieltrieb, Neugierdebefriedigung, Expression von Liebe ...

 

Damit aber wird die Usprungsthese "Sexualität hat die Zielsetzung der Fortpflanzung" ziemlich breit aufgefächert.

Und mit einer so weit aufgefächerten These lässt sich kaum noch etwas begründen.

 

 

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