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Basiert die Ablehnung "widernatürlicher Akte" auf einem Fehlschluss?


iskander

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vor 1 Stunde schrieb Moriz:

Das gemeine an meinem sarkastischen Posting ist ja, daß Leute, die die kirchliche Sexualmoral ernst nehmen wollen, aber immer wieder daran scheitern, eigentlich jede Moral über den Haufe schmeißen könnten, denn sie landen ja sowieso in der Hölle. Schon alleine deswegen sind diese überstrengen Moralvorstellungen abzulehnen, denn öffnen logischerweise Tür und Tor für alle Sünden.

 

 

Wie kommst Du zu diesem Schluss? Wenn jemand die Sexualmoral der Kirche ernst nimmt, an ihr de facto scheitert (punktuell oder duchgängig), sein geschultes Gewissen ihn aber auch immer wieder zur Reue und dem Vorsatz führt, diese Sünde (welche auch immer das sei) nicht mehr zu begehen, dann sehe ich darin kein "höllenwürdiges" Verhalten, sondern genau das alte Spiel von Fallen und Aufstehen, das ich anderorts geschildert habe. Die Beichte erlaubt dem ernsthaft Bußfertigen immer wieder einen neuen Anfang. Warum sollte so jemand - wenn wir mal in dieser Diktion verbleiben - deshalb in die Hölle kommen? Was Du beschreibst ist eher die Desparation, die Verzweiflung an der Barmherzigkeit Gottes, die sich in der Vorstellung "man komme ja sowieso in die Hölle", manifestiert.

 

Ich sehe das im Falle derer, die sich trotz Hindernissen an der Morallehre der Kirche orientieren wollen, ohnedies etwas anders: Hier halte ich eher die von Theologen oder gutmeinenden Menschen vertretene Ansicht, dieses oder jenes sei keine Sünde, für fatal. Damit erklärt man den Kampf und die Anstrengung der Gläubigen, die unter vielen Opfern an der Sittenlehre festhalten wollen, im Letzten für unnötig und eigentlich im "ökonomischen" Sinne für dumm. Sie hielten sich unter Anstrengungen an die Lehre der Kirche, obwohl das gar nicht nötig wäre, da das, wogegen sie kämpfen, ja keine Sünde sei. Im Endeffekt ist das die Aufforderung zur Sünde (wenn man an der grundsätzlichen Autorität der Kirche, sich darüber zu äußern, was Sünde ist, festhält). 

bearbeitet von Studiosus
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vor 14 Minuten schrieb Studiosus:

Wenn jemand die Sexualmoral der Kirche ernst nimmt, an ihr de facto scheitert (punktuell oder duchgängig), sein geschultes Gewissen ihn aber auch immer wieder zur Reue und dem Vorsatz führt, diese Sünde (welche auch immer das sei) nicht mehr zu begehen, dann sehe ich darin kein "höllenwürdiges" Verhalten, sondern genau das alte Spiel von Fallen und Aufstehen, das ich anderorts geschildert habe. Die Beichte erlaubt dem ernsthaft Bußfertigen immer wieder einen neuen Anfang.

Und inwiefern dieses "alte Spiel" kein sündigen auf den Heiligen Geist sein soll, ist mir immer noch schleierhaft.

 

Die menschliche Person wird dämonisiert bzw. dekonstruiert um eine Abhängigkeit zu schaffen wie der Dealer den Junkie.

bearbeitet von Flo77
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vor 9 Minuten schrieb Flo77:

Und inwiefern dieses "alte Spiel" kein sündigen auf den Heiligen Geist sein soll, ist mir immer noch schleierhaft.

 

Deswegen habe ich mit Bedacht von einer ernsthaft bußfertigen Person in meinem Beitrag gesprochen. Echte Reue, echter Wille zur Umkehr. 

 

Wenn ich den Beichtstuhl gewissermaßen mit einer Drehtür gleichsetze und direkt nach der Absolution schon wieder daran gehe, die soeben gebeichtete Sünde zu wiederholen, dann hat das tatsächlich keinerlei Sinn und ist letztlich eine Karikatur des Sakraments. 

 

Ich glaube eben an den Menschen (auch den gefallenen) und seine Fähigkeit zur Umkehr. Ich kann mir etwa sehr gut Fälle vorstellen, in denen auf eine bereute und sakramental gebeichtete Sünde eine längere Phase folgt, in der diese Sünde erfolgreich gemieden werden kann. Wenn nach längerer Zeit hier wieder etwas vorfällt, dann macht das nicht die ernsthafte Absicht, in welcher die Beichte abgelegt wurde, zunichte. Und das konterkariert auch nicht das Sakrament. Der Mensch ist leider Gewohnheitstier und Wiederholungstäter. Beichtväter hören bei ihren Beichtkindern meist wenig originelle oder neue Sünden, dagegen meist mehr vom immer selben. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 2 Minuten schrieb Studiosus:

 

Deswegen habe ich mit Bedacht von einer ernsthaft bußfertigen Person in meinem Beitrag gesprochen. Echte Reue, echter Wille zur Umkehr. 

 

Wenn ich den Beichtstuhl gewissermaßen mit einer Drehtür gleichsetze und direkt nach der Absolution schon wieder daran gehe, die soeben gebeichtete Sünde zu wiederholen, dann hat das tatsächlich keinerlei Sinn und ist letztlich eine Karikatur des Sakraments. 

Aber genau DAS passiert doch.

 

Wenn man es ganz genau nimmt und jede sexuelle Regung als Sünde versteht, fällt der Poenitent unweigerlich früher oder später automatisch.

 

Für mich war jede Beichte ein Quell stetiger Frustration, weil sich ganz gleich, was ich zu beichten hatte, NIE etwas änderte. Es war nie Erlösung, es war nie Befreiung, nie Rettung aus dem ganzen Elend. Und wenn dann höchstens für 10 Minuten bis ich wieder im Auto saß. Ich konnte und kann den Ansprüchen der Kirche nicht genügen. Und werde es auch nie. Für andere mag die Idee des ständig wiederholbaren Neuanfang ein nettes Konzept sein - für mich ist es Selbstbetrug.

 

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vor 13 Minuten schrieb Flo77:

Für mich war jede Beichte ein Quell stetiger Frustration

 

vor 13 Minuten schrieb Flo77:

Für andere mag die Idee des ständig wiederholbaren Neuanfang ein nettes Konzept sein

 

So unterschiedlich sind die Zugänge. Für Dich mag das nichts "bringen". Für andere schon. Deshalb würde ich davor warnen, die eigenen Sicht absolut zu setzen. Wenn Dir die Beichte keinen Nutzen bringt, dann musst Du sie eben lassen. Wenn ich oder andere durch sie Stärkung erfahren, dann sollen wir eben beichten gehen. 

 

Ich habe Vorbehalte, hier über mein "Sündenleben" und meine Beichtpraxis zu berichten, da ja immer alles direkt zerfleischt wird. Deshalb beschränke ich mich auf die allgemeine Aussage, dass ich durchaus eine steigende Resilienz gegen bestimmte Sünden nach der Beichte wahrnehme. Und sei es nur, dass es mir gelingt, sie für einen bestimmten Zeitraum erfolgreich zu unterlassen. Der übersteigerten Vorstellung, die zwar die ideale Absicht ist, aber die sich nur selten mit der Realität vereinbaren lässt, ganz sicher nie mehr diese oder jene Sünde zu begehen, bin ich hingegen nicht erlegen. Das führt nämlich in der Tat zu Frustration. 

 

Ebenso sollte man vermeiden, sozusagen sich selbst auf die Schulter zu klopfen, wenn man über längere Zeit von einer Sünde absteht. Damit schreibt man sich nämlich selbst den Erfolg zu und missachtet die Gnade Gottes, aus der allein wir leben und die uns hilft, uns zu bessern. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 17 Minuten schrieb Flo77:

Aber genau DAS passiert doch.

 

Wenn man es ganz genau nimmt und jede sexuelle Regung als Sünde versteht, fällt der Poenitent unweigerlich früher oder später automatisch.

 

Für mich war jede Beichte ein Quell stetiger Frustration, weil sich ganz gleich, was ich zu beichten hatte, NIE etwas änderte. Es war nie Erlösung, es war nie Befreiung, nie Rettung aus dem ganzen Elend. Und wenn dann höchstens für 10 Minuten bis ich wieder im Auto saß. Ich konnte und kann den Ansprüchen der Kirche nicht genügen. Und werde es auch nie. Für andere mag die Idee des ständig wiederholbaren Neuanfang ein nettes Konzept sein - für mich ist es Selbstbetrug.

 

Wenn man dann noch bedenkt, dass diese ganze neurotische Leib- und Sexualfeindlichkeit ihre Wurzeln in der Gnosis, bei den Manichäern etc hat, alles Bewegungen, die die Kirche als häretisch ansieht, wird es noch komplett irrsinnig.

Wenn das wenigstens aus dem Evangelium käme, dann wäre es zwar immer noch nicht gut, aber wenigstens verständlich. Aber zentrale Gedanken häretischer Bewegungen zu eigenen zentralen Gedanken zu machen, zeigt, dass mit dem real existierenden Christentum  etwas grundsätzlich nicht stimmt. Zum Glück gibt es ja einzelne Teilstränge des Christentums, wo man sich ernsthaft bemüht, solche offensichtlichen Fehlbewegungen zu korrigieren. Rom gehört natürlich nicht dazu, da suhlt man sich lieber in selbstzufriedener Rechthaberei, man bildet sich ja ein, den Heiligen Geist gepachtet zu haben. 

 

Werner

bearbeitet von Werner001
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Naja, so einfach ist das nicht. 

 

Wenn der Herr selbst - im Evangelium, nicht in einer gnostischen Geheimschrift oder den Nuntii Vaticani Protokollnummer 12345 - sagt, wer eine Frau nur lüstern anblickt, der habe in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen oder der dazu rät, ein Glied, das zum Bösen verführt, auszureißen, dann ist das nicht einfach mit Gnosis, Manichäismus oder den Neurosen bestimmter Kirchenväter zu erklären. 

 

Dass das bisweilen metaphorische Sprache ist, die durch ihre Übertreibung einen ethischen Punkt machen will, ist bekannt, steht jedoch nicht im Widerspruch zum vorher Gesagten. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 14 Minuten schrieb Werner001:

Wenn man dann noch bedenkt, dass diese ganze neurotische Leib- und Sexualfeindlichkeit ihre Wurzeln in der Gnosis, bei den Manichäern etc hat, alles Bewegungen, die die Kirche als häretisch ansieht, wird es noch komplett irrsinnig.

Im Prinzip ja, aber...

 

Ich beschäftige mich im Moment mal wieder detaillierter mit der Didache (je näher an die Ursprünge umso besser).

 

Auch für diese Gemeinde ist die porneia ein Problem. Ebenso wie die Genüsse des Leibes und die Lüsternheit. Interessanterweise wird als Begründung diese Versuchungen zu meiden nicht mit Reinheit oder Sünde argumentiert sondern es geht um die Vermeidung des Ehebruchs.

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vor 6 Minuten schrieb Flo77:

(je näher an die Ursprünge umso besser).

 

Ist das tatsächlich so? Ich glaube, da spielt recht viel Verklärung des in der zeitgenössischen Kirche Lebenden mit, der sehnsüchtig auf ein vorkonstantinisches, "reines" Christentum zurück schaut. 

 

Die Kirche ist allerdings ein lebendiger Organismus, der Fortschritt kennt. Daher halte ich die Gleichung älter/ursprünglicher = automatisch besser nicht für zutreffend. 

 

 

bearbeitet von Studiosus
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vor 52 Minuten schrieb Studiosus:

Echte Reue, echter Wille zur Umkehr. 

Die ist aber, wie bei wiederverheirateten Geschiedenen, bei "Verhütenden" nicht zu erwarten. Denn Mann zieht ihn ja nicht im Affekt vorzeitig raus.

Ganz im Gegensatz zu vielen anderen Sünden, die einfach auf menschlicher Schwäche beruhen. Paulus beschreibt diese menschlichen Schwächen sehr schön: "Denn das Gute, was ich tun will, das tue ich nicht; und das Schlechte, was ich nicht tun will, daß tue ich."

Aber wenn schon vor hundert Jahren 95% der ansonsten kirchentreuen Katholiken wider den Katechismus verhütet haben (hier beziehe ich mich auf die von @iskander genannten Daten), dann sehe ich da weder echte Reue noch echten Willen zur Umkehr. Und dann kann man, konsequent weitergedacht, auch seine Kinder verprügeln, seinen Chef bestehlen und seine Schwiegermutter umbringen. Denn schlimmer wäre das auch nicht, nach römisch-katholischer Todsündenlehre.

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vor 8 Minuten schrieb Flo77:

Im Prinzip ja, aber...

 

Ich beschäftige mich im Moment mal wieder detaillierter mit der Didache (je näher an die Ursprünge umso besser).

 

Auch für diese Gemeinde ist die porneia ein Problem. Ebenso wie die Genüsse des Leibes und die Lüsternheit. Interessanterweise wird als Begründung diese Versuchungen zu meiden nicht mit Reinheit oder Sünde argumentiert sondern es geht um die Vermeidung des Ehebruchs.

Das Thema Ehebruch, kann man ja noch halbwegs (wenn man die kirchlichen Übertreibungen mal außer Acht lässt) nachvollziehen.

Aber: Was hat Homosexualität oder Selbstbefriedigung damit zu tun? Was hat Empfängnisverhütung damit zu tun?


Werner

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vor 5 Minuten schrieb Studiosus:

Die Kirche ist allerdings ein lebendiger Organismus, der Fortschritt kennt.

Jaja, außer es soll etwas geändert werden. Dann kommt gleich das Geschwätz von der seit den Aposteln getreulich überlieferten Lehre

 

Werner

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vor 6 Minuten schrieb Studiosus:

Naja, so einfach ist das nicht. 

 

Wenn der Herr selbst - im Evangelium, nicht in einer gnostischen Geheimschrift oder den Nuntii Vaticani Protokollnummer 12345 - sagt, wer eine Frau nur lüstern anblickt, der habe in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen oder der dazu rät, ein Glied, das zum Bösen verführt, auszureißen, dann ist das nicht einfach mit Gnosis, Manichäismus oder den Neurosen bestimmter Kirchenväter zu erklären. 

 

Dass das bisweilen metaphorische Sprache ist, die durch ihre Übertreibung einen ethischen Punkt machen will, ist bekannt, steht jedoch nicht im Widerspruch zum vorher Gesagten. 

Die erste Referenz hat allerdings drei Pointen:

 

Das Problem ist der Ehebruch. Es geht nur um das Rechtsgut der Ehe.

 

Dann die grundsätzliche Frage, ist das Wort authentisch? Bergpredigt und Feldrede sind keine Dokumentationen sondern katechetische Kompilationen.

 

Und noch viel entscheidender: für mich (und ich denke auch für Werner) spielt dieses Gebot überhaupt keine Rolle, da es mir nicht im Traum einfiele eine Frau lüstern anzusehen. Nebenbei spielt es daher wohl auch für die allermeisten Frauen keine Rolle.

 

Was sagt uns das jetzt: Christus stand voll in der eschotologischen Naherwartung, er war Orientale mit Temperament, ein Freund guter Mahlzeiten, impulsiv und gelernter Jude.

Worauf zielte er also mit diesen Berkungen ab? Selbstverstümmelung lehnt die Katholika streng ab, freiwillige Kastraten wurden nicht in den Klerus aufgenommen.

 

Der Satz vom Ehebruch im Herzen oszilliert zwischen der Frage nach dem Frauenbild Jesu (sein Männerbild scheint mir ein wenig von "Mädels bedeckt euch, Männer sind S......" zu haben) und darauf aufbauend ging es an dieser Stelle um Sex, um Besitz oder um etwas ganz anderes.

 

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vor 9 Minuten schrieb Flo77:

Was sagt uns das jetzt: Christus stand voll in der eschotologischen Naherwartung, er war Orientale mit Temperament, ein Freund guter Mahlzeiten, impulsiv und gelernter Jude.

 

Da beginnt bereits das Problem. Das passiert immer dann, wenn man den historischen Jesus, den die moderne Bibelwissenschaft rekonstruiert, und den Christus des Glaubens, den die Kirche verkündet, gewissermaßen in Eins fallen lässt. 

 

Auf den "historischen Jesus" mag Obiges mehr oder weniger so zutreffen. Das ist dann aber nicht der verkündete Christus, der hier nicht nur als zeitgebundenes Individuum, sondern vor allem auch als göttlicher Nomothet des Neuen Bundes spricht. 

 

Diese Sichtweisen und die daraus abzuleitenden Folgerungen lassen sich kaum widerspruchsfrei versöhnen. Relevant für die Debatte über die kirchliche Sittenlehre dürfte ferner allein der verkündigte Christus sein. 

 

Auch ist der "historische Jesus" der Exegeten nicht identisch mit der menschlichen Natur Christi. Das aber nur am Rande.

bearbeitet von Studiosus
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vor 2 Minuten schrieb Studiosus:

 

Da beginnt bereits das Problem. Wenn man den historischen Jesus, den die moderne Bibelwissenschaft rekonstruiert, und den Christus des Glaubens, den die Kirche verkündet, gewissermaßen in Eins fallen lässt. 

 

Auf den "historischen Jesus" mag Obiges mehr oder weniger so zutreffen. Das ist dann aber nicht der verkündete Christus, der hier nicht nur als zeitgebundenes Individuum, sondern vor allem auch als göttlicher Nomothet des Neuen Bundes spricht. 

 

Diese Sichtweisen und die daraus abzuleitenden Folgerungen lassen sich kaum widerspruchsfrei versöhnen. 

Das hört sich jetzt an wie: wer Jesus wirklich war, ist uns egal, uns interessiert nur, was wir uns selbst ausgedacht haben, wie er unsere Meinung nach hätte sein sollen

 

Werner

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vor 24 Minuten schrieb Studiosus:

 

Ist das tatsächlich so? Ich glaube, da spielt recht viel Verklärung des in der zeitgenössischen Kirche Lebenden mit, der sehnsüchtig auf ein vorkonstantinisches, "reines" Christentum zurück schaut. 

 

Die Kirche ist allerdings ein lebendiger Organismus, der Fortschritt kennt. Daher halte ich die Gleichung älter/ursprünglicher = automatisch besser nicht für zutreffend. 

 

 

Oh, ich verkläre da gar nichts.

 

Ich halte nur vieles von dem, was damals im Handgepäck gelehrt wurde für sinnvoller als die heutigen Supertankerladungen.

 

Das fängt übrigens beim Credo an.

Ich ziehe das Nicäno-Konstantinopolitanum (sine filioque) nicht in Zweifel, aber meinen Glauben drückt das Romanum weitaus besser aus. Eben weil es mehr Weite erlaubt.

 

Und wo wir bei der Didache sind: ich lese sie als Empfehlungen. Es macht Spaß den Text auseinanderzunehmen und zu schauen, was davon kann ich in meinem Leben tun. Es hat ein wenig von einem Gefühl von Bullerbü. Ja, der Autor beschreibt den "Weg des Todes" im Kontrast zum "Weg des Lebens", aber im Gegensatz zu einem nachtridentischen Katechismus habe ich nicht das Gefühl zu etwas gezwungen zu werden.

 

(Zumal die Anweisungen so "offen" formuliert sind, daß ich sie in meine Realität holen kann, ohne das Gefühl zu bekommen, ich zöge einen Panzer nebst Garotte an.)

bearbeitet von Flo77
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vor 5 Minuten schrieb Studiosus:

Diese Sichtweisen und die daraus abzuleitenden Folgerungen lassen sich kaum widerspruchsfrei versöhnen. 

Mit anderen Worten: Die Dreifaltigkeit ist ein Mysterium.

 

Da Gott "Wahrer Mensch" geworden ist, gehören die menschlichen Eigenschaften (bis auf die Sünde) zwingend zum Christus dazu, der uns verkündet wird.

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vor 1 Minute schrieb Werner001:

Das hört sich jetzt an wie: wer Jesus wirklich war, ist uns egal, uns interessiert nur, was wir uns selbst ausgedacht haben, wie er unsere Meinung nach hätte sein sollen

 

Werner

 

Das mag sich so anhören, aber eigentlich geht es eher darum: Die Frage, wer Jesus "wirklich" war, beantwortet uns nicht die Phantomgestalt des "historischen Jesus", den sich die Bibelwissenschaftler aus tausend Indizien zusammengebaut haben, sondern die authentische Botschaft der Kirche, wie sie im Neuen Testament niedergelegt ist. 

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Gerade eben schrieb Moriz:

Mit anderen Worten: Die Dreifaltigkeit ist ein Mysterium.

 

Da Gott "Wahrer Mensch" geworden ist, gehören die menschlichen Eigenschaften (bis auf die Sünde) zwingend zum Christus dazu, der uns verkündet wird.

 

Auch hier die Anmerkung aus meinem vorherigen Beitrag: Das bibelwissenschaftliche Konstrukt "historischer Jesus" ist nicht identisch mit der menschlichen Natur Christi. 

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Gerade eben schrieb Studiosus:

 

Das mag sich so anhören, aber eigentlich geht es eher darum: Die Frage, wer Jesus "wirklich" war, beantwortet uns nicht die Phantomgestalt des "historischen Jesus", den sich die Bibelwissenschaftler aus tausend Indizien zusammengebaut haben, sondern die authentische Botschaft der Kirche, wie sie im Neuen Testament niedergelegt ist. 

Also eine Buchreligion und keine Begegnungsreligion.

 

Was erklären könnte, weshalb ich in der Kirche Jesus nie begegnet bin - Phantome sind nicht so mein Fachgebiet.

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vor 20 Minuten schrieb Flo77:

Also eine Buchreligion und keine Begegnungsreligion.

 

Was erklären könnte, weshalb ich in der Kirche Jesus nie begegnet bin - Phantome sind nicht so mein Fachgebiet.

 

Verhindert das die Begegnung mit Christus? 

 

Mir war nur die Unterscheidung dieser zwei Konzepte wichtig. 

 

Wo begegnest Du dem "historischen Jesus" (den es als einheitliches, festes Konzept ja nicht mal gibt) denn? In Herders Kommentar zum Neuen Testament? Bei Shalom Ben Chorin? 

 

Also da kann ich mehr mit dem anfangen, was die Kirche verkündet. 

bearbeitet von Studiosus
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Gerade eben schrieb Studiosus:

 

Verhindert das die Begegnung mit Christus? 

 

Mir war nur die Unterscheidung dieser zwei Konzepte wichtig. 

 

Wo begegnest Du dem "historischen Jesus" (den es als einheitliches, festes Konzept ja nicht mal gibt) denn? In Herders Kommentar zum Neuen Testament? 

 

Also da kann ich mehr mit dem anfangen, was die Kirche verkündet. 

Wenn Christus nicht geboren und gestorben ist, wenn er nicht begraben wurde und nicht auferstanden ist, wenn er nicht durch das Heilige Land gewandert ist und gepredigt hat - wenn er am Ende nur ein von der Kirche erdachtes Märchen ist, dann kann man auch Thor und Odin oder Krishna oder Buddha verehren. Die Kirche kann schlecht die Historizität der Evangelien strikt bejahen und auf der anderen Seite die Historie in die Tonne treten.

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vor 16 Minuten schrieb Studiosus:

die authentische Botschaft der Kirche, wie sie im Neuen Testament niedergelegt ist. 

Zwischen dem, was die Kirche heute so lehrt, und dem Neuen Testament erkenne ich deutliche Diskrepanzen.

Was die „authentische Botschaft der Kirche“ angeht: ich habe nicht den geringsten Schimmer, was das eventuell sein könnte

 

Werner

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vor 11 Minuten schrieb Flo77:

Wenn Christus nicht geboren und gestorben ist, wenn er nicht begraben wurde und nicht auferstanden ist, wenn er nicht durch das Heilige Land gewandert ist und gepredigt hat - wenn er am Ende nur ein von der Kirche erdachtes Märchen ist, dann kann man auch Thor und Odin oder Krishna oder Buddha verehren. Die Kirche kann schlecht die Historizität der Evangelien strikt bejahen und auf der anderen Seite die Historie in die Tonne treten.

 

Das tut sie doch überhaupt nicht? (Und ich habe so auch nicht argumentiert) 

 

Sie hält lediglich fest, dass die Heilige Schrift, namentlich die Evangelien, es ist, die zuverlässig Leben, Taten und Predigt Jesu Christi - als wahrer Mensch und wahrer Gott - überliefert. Ja, auch in ganz handfestem, historischem Sinne. 

 

Und in diese Kerbe schlage auch ich, wenn ich darauf hinweise, dass das Konzept "historischer Jesus" nicht identisch ist mit der Darstellung der menschlichen Natur Christi in den Evangelien. Was heute unter dem Rubrum "historischer Jesus" läuft, ist eine mehr oder weniger runde Rekonstruktion der Bibelwissenschaft, die aber nur bedingt mit dem übereinstimmt, was die Evangelien und in ihrer Spur die Kirche über diesen Jesus sagen. 

 

 

bearbeitet von Studiosus
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vor 26 Minuten schrieb Studiosus:

Auch hier die Anmerkung aus meinem vorherigen Beitrag: Das bibelwissenschaftliche Konstrukt "historischer Jesus" ist nicht identisch mit der menschlichen Natur Christi. 

Aber wenn das bibelwissenschaftliche Konstrukt des historischen Jesus nicht zur verkündigten menschlichen Natur des Christus passt, dann muß man schon mal genau hinschauen, wo der Haken ist und darf nicht einfach davon ausgehen, daß die heutigen Bibelwissenschaftler da wohl falsch liegen müssen. Vielleicht lagen ja auch die früheren Dogmatiker falsch und wir verbreiten immer noch ein 'falsches' Gottesbild.

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