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Basiert die Ablehnung "widernatürlicher Akte" auf einem Fehlschluss?


iskander

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50 minutes ago, Studiosus said:

Und der Grund ist ganz einfach und ich klopfe mir da ausdrücklich selbst mit an die Brust: Die Praxis der meisten Gläubigen - ein paar eingestreute heiligmäßig lebende Personen gibt es immer wieder - fällt so weit hinter die Ansprüche des Evangeliums und der Kirche zurück, dass sie als Quelle der Lehrfortentwicklung gänzlich ungeeignet erscheint. [Von dieser Beobachtung gibt es seltene Ausnahmen, etwa dann, wenn sich die Kirche eine im Volk bereits geübte Verehrung oder Frömmigkeitspraxis zu eigen macht]. 


Mir scheint es weniger darum zu gehen, dass „sündige Volk“ als Maßstab zu nehmen, sondern darum, einen modernen Bezugsrahmen zu setzen. Die Frage ist doch, ob der Verstoß gegen ein „Askesegebot“ den gleichen Stellenwert haben soll, wie eben ein Gebot, bei dessen Nichtbeachtung es Opfer in der Gemeinde oder Gesellschaft gibt.

In vormodernen Dörfern waren z.B. Brandstiftung, Wilderei und Kindstötung die häufigsten Kapitalverbrechen, weil sie einerseits alle heimlich begangen wurden und zum anderen so ein offener Konflikt vermieden werden konnte. Brandstiftung war das Mittel der Schwachen und Besitzlosen gegen die Reichen und Mächtigen, Wilderei ein Ausweg aus dem Hunger und Kindstötung diente der Vertuschung der Folgen einer offiziell geächteten Sexualität.

Die Diskriminierung der unehelichen Kinder war eine völlig unnötige Grausamkeit, die sich indirekt aus der Ächtung fast jeglicher Sexualität ergab, in einer Gesellschaft, in der Heirat an diverse materielle und rechtliche Voraussetzungen gebunden war.

D.h. eine Gesellschaft, die wohlhabender ist und weniger soziale und rechtliche Restriktionen kennt, ist von vornherein weniger harsch und kennt meist weniger Gewalt und Verbrechen.

Außereheliche und ungewollte Schwangerschaften führen also zu unnötigen Härten, die durch Verhütung wesentlich effektiver vermieden werden können als durch vergebliche und unrealistische Mahnung zu einem asketischen Ideal.

Gerade die Missbrauchsdebatte hat ja gezeigt, zu welch absurden Diskrepanzen es zwischen Keuschheitsideal und Gerechtigkeit gegenüber den Opfern führt.

Deswegen muss sich die Kirche da gerade fragen, zu welchen Folgen ein unsinniges Gebot in der Gesamtheit einer Gesellschaft und für den Einzelnen führt.

Und muss sich fragen, ob es nicht moralisch verwerflich, die Ideale der wenigen Heiligen so sehr über das Wohlergehen der vielen zu stellen.

 

bearbeitet von Shubashi
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vor 3 Minuten schrieb Studiosus:

 

Nun, hier ist meine Ansicht, dass man dabei nicht leichtfertig vorgehen darf. Denn wie die Erfahrung zeigt ist ein einmal sozusagen durch Nachgiebigkeit entvalidiertes Ideal nicht oder nur noch unter höchster Kraftanstrengung wieder einzufangen. 

 

Deshalb teile ich ebenfalls die Bedenken hinsichtlich der Probleme, die viele Gläubige mit der normativen Sittenlehre haben, aber ich bin mir nicht sicher, ob dieser "Preis" gezahlt werden muss, um eine höherstehende Wahrheit zu bewahren, die von Gott selbst herkommt. 

Beantwortet das meine Frage?

 

Nimm die künstliche Verhütung. Die Königsteiner Erklärung (die für Dich wahrscheinlich ein Dokument des Teufels ist, weil sie "nur" vom Episkopat erstellt wurde und nicht von einem Vatikanischem Dikasterium), stellte klar, daß die Epikie in Gestalt der Gewissensentscheidung der Gläubigen in dieser Frage Vorrang vor der Entscheidung des Papstes hat. Es ist reine Spekulation ob die Bischöfe bereits wussten/ahnten in welche Richtung sich das ganze entwickeln würde, jedenfalls treffen vermutlich über 90% der Katholiken hierzulande eine Entscheidung gegen den Papst. Weltweit dürfte das Problem eher mit der Verfügbarkeit der Mittel denn mit dem gebildeten Gewissen zusammenhängen.

 

(Der Kondomverbrauch am WJT mit B16 war soweit ich mich erinnere legendär.)

 

Aus meiner Perspektive gibt es zwei Ansätze damit umzugehen: eine großangelegte Mission um den Gläubigen die Grundlagen der Lehre einzuimpfen (was bei Erwachsenen schon sehr, sehr schwierig ist, wenn man sie erst von bestimmten Grundlagen überzeugen muss) oder die Revision in Anerkennung der faktischen Realität im der Hoffnung, daß der Allmächtige sich immer noch in der Geschichte seines Volkes ausdrückt und das nicht im Untergang der Kirche enden wird.

 

Ich halte ea jedenfalls für nahezu unmöglich die Katholische Sexualmoral in ihrer ganzen Härte von den Gläubigen on einer Gesellschaft quasi zu erzwingen, die völlig anders tickt und der die Voraussetzungen für eine breite soziale Kontrolle überhaupt nicht gegeben sind.

 

Und wenn man mal einen Blick im die Taufbücher wirft, war es mit der Durchsetzung der Moral ohnehin eher schwierig bestellt (man hat halt viele tote Kinder auf's allgemeine Gewissen geladen und die Existenz mancher jungen Frau ruiniert...)

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vor 5 Minuten schrieb Shubashi:

Mir scheint es weniger darum zu gehen, dass „sündige Volk“ als Maßstab zu nehmen, sondern darum, einen modernen Bezugsrahmen zu setzen.

 

Und woran soll sich dieser "moderne Bezugsrahmen" orientieren, wenn nicht an dem, was eben gegenwärtig Usus ist? Da kommen wir eben doch in meinen Augen wieder am Ausgangspunkt der Diskussion an: Der Brauch des Volkes heute als Fixpunkt für die Lehre der Kirche. 

 

Deine Darlegungen in allen Ehren aber sie bleiben zumeist, so zumindest mein Eindruck, auf der rein deskriptiven Ebene soziokultureller Zusammenhänge oder geschichtlicher Reminiszenzen stehen. Die vertikale Ebene, wenn Du so willst die Theonomie der Moral, oder auch ganz einfach die Rolle, die Gott in dieser ganzen Geschichte spielt, geht mir da vollständig ab. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 9 Minuten schrieb Shubashi:

 „sündige Volk“

"[...] Oh selige Jungfrau Maria,

du kennst mich als gerechten Mann,

zurecht kann ich mich meiner Tugend rühmen.

Oh allerseligste Jungfrau Maria,

du weißt um meine Reinheit, sie übersteigt weit jene der gewöhnlichen, vulgären, schwachen, unzüchtigen Menge.

[...]"

(Gebet des Frollo)

bearbeitet von Flo77
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@Shubashi

 

Damit wollte ich übrigens, nur um das ganz allgemein mal zu sagen, deine Darlegungen nicht in Zweifel ziehen. Und ich bin auch überzeugt, dass die meisten nichtgläubigen Menschen und solche Gläubige, die der "Weltvernunft" mehr Gewicht beilegen als Gott und Kirche, deine Herleitung überzeugender finden werden als die kirchenamtliche Position. 

 

Nur kann ich damit recht wenig anfangen. Die humaniora sind eben nicht alleiniger Schlüssel zur Beurteilung religiöser Fragen. 

bearbeitet von Studiosus
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16 minutes ago, Studiosus said:

Und woran soll sich dieser "moderne Bezugsrahmen" orientieren, wenn nicht an dem, was eben gegenwärtig Usus ist?


Verhütungsmittel sind schlicht eine technische Neuerung und ein pharmakologischer Fortschritt gewesen. Ein bisschen mehr Grips und Vorausschauen ist da zur Bewertung schon erforderlich - und wurde von etlichen theologischen „Eggheads“ ja auch ins Spiel gebracht.

„Papa hat immer recht“ und „was 2000 Jahre richtig war, kann nicht plötzlich falsch sein“ ist dann eine ziemlich lahme und stupide Reaktion. Und hat eben dazu geführt, dass die Gläubigen sich in Fragen ehelicher Moral sich in der überwältigenden Masse heute komplett von der Kirche distanziert haben.

Auch da muss sich das Lehramt fragen, ob diese Wirkung beabsichtigt oder sinnvoll ist.

bearbeitet von Shubashi
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Wie gesagt, da war zum wiederholten Male außer "die Erfindung von künstlichen Kontrazeptiva war ein Fortschritt der Technik und die Kirche hätte hier der Entwicklung folgen sollen" kein einziges Argument dabei, das man als theologisch betrachten oder auswerten könnte. 

 

Wir können uns von mir aus, obwohl mein Interesse daran begrenzt ist, gerne über den kulturellen Impact von Kondom und Pille unterhalten, aber das fördert ja die Auseinandersetzung mit der theologischen Frage um kein My.

bearbeitet von Studiosus
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1 minute ago, Studiosus said:

Wie gesagt, da war zum wiederholten Male außer "die Erfindung von künstlichen Kontrazeptiva war ein Fortschritt der Technik" kein einziges Argument dabei, das man als theologisch betrachten oder auswerten könnte. 

 

Wir können uns von mir aus, obwohl mein Interesse daran begrenzt ist, gerne über den kulturellen Impact vo von Kondom und Pille unterhalten, aber das fördert ja die Auseinandersetzung mit der theologischen Frage um kein My.


Mit Theologie kann ich auch nicht dienen, da in dieser Hinsicht denkbar ungebildet. Ich kann nur den Anspruch formulieren, den eine technische Innovation und deren gesellschaftliche Rezeption auch an die kirchliche Lehre stellt - das Problem quasi theologisch zu ignorieren, führt dann eben dazu, dass die Theologie dann allenfalls nur noch sehr begrenzt überhaupt gefragt wird.

(Und das eine Theologie ohne das lästige, dumme und widerspenstige „Volk Gottes“ wesentlich besser funktioniert, leuchtet mir sofort ein.)

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vor 3 Minuten schrieb Shubashi:

das Problem quasi theologisch zu ignorieren

 

Das ist ja so nicht richtig. Man wird schwer sagen können, die Kirche oder auch ganz konkret Papst Paul VI. hätten das Aufkommen künstlicher Verhütungsmittel ignoriert. Humanae vitae ist ja der Beweis, dass die Kirche alles andere getan hat, als das Problem zu ignorieren. Sie hat sich begründet dagegen entschieden, sie für katholische Gläubige zu erlauben. Das ist etwas anderes als Ignorieren. 

 

Aber ich verstehe, was Du sagen willst. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 9 Minuten schrieb Shubashi:

Und das eine Theologie ohne das lästige, dumme und widerspenstige „Volk Gottes“ wesentlich besser funktioniert, leuchtet mir sofort ein

 

Das ist jetzt deine Interpretation. 

 

Vielleicht könnte man sagen, es ist so ähnlich wie wenn die Regierung mit dem Volkswillen konfrontiert wird. Auch in Berlin würde man sich wohl, wenn man es denn könnte, lieber ein anderes Volk wählen. Nun sind beide, Politik und Theologie, allerdings auf dasjenige Volk zurückgeworfen, das sie nun einmal haben und müssen das Beste daraus machen. Dass dies nicht immer ohne enttäuschte Hoffnungen, Tränen und Frust abläuft, das dürfte auch klar sein. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 7 Minuten schrieb Studiosus:

Vielleicht könnte man sagen, es ist so ähnlich wie wenn die Regierung mit dem Volkswillen konfrontiert wird. Auch in Berlin würde man sich wohl, wenn man es denn könnte, lieber ein anderes Volk wählen. Nun sind beide, Politik und Theologie, allerdings auf dasjenige Volk zurückgeworfen, das sie nun einmal haben und müssen das Beste daraus machen. Dass dies nicht immer ohne enttäuschte Hoffnungen, Tränen und Frust abläuft, das dürfte auch klar sein. 

 

Nun wird sich das Volk, so hoffe ich, bald eine neue Regierung wählen. Bei Kirchens auf eine andere „Regierung“ zu hoffen, dürfte wohl vergeblich sein. Bleibt da höchstens die Alternative, sie zu verlassen. Was ja auch immer mehr tun. Und der Rest kündigt innerlich. 

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vor 10 Minuten schrieb Studiosus:

Dass dies nicht immer ohne enttäuschte Hoffnungen, Tränen und Frust abläuft, das dürfte auch klar sein. 

Nun haben wohl weder Du noch ich, Gewissensbisse, wenn es die geplatzten Hoffnungen, Tränen und Frustrationen der Regierenden sind, die passieren.

 

Warum sollte der Vatikan nicht weinen dürfen?

 

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vor 7 Minuten schrieb Marcellinus:

 

Nun wird sich das Volk, so hoffe ich, bald eine neue Regierung wählen. Bei Kirchens auf eine andere „Regierung“ zu hoffen, dürfte wohl vergeblich sein. Bleibt da höchstens die Alternative, sie zu verlassen. Was ja auch immer mehr tun. Und der Rest kündigt innerlich. 

 

Genau, da wollte ich auch noch drauf hinaus: Der Staat, Regierungen kommen und gehen in Demokratien ja zum Glück, hat natürlich den angeborenen Vorteil, dass man aus ihm nicht so leicht - außer durch Auswandern oder Aufgabe der Staatsbürgerschaft - austreten kann. Meine Taufe und alles, was mit Kirche zu tun hat, kann ich recht folgenlos ignorieren. Es gibt sogar formale Austrittsmöglichkeiten per administrativem Akt in einigen Ländern. Wenn ich den Staat ignoriere und z. B. meiner Steuerpflicht nicht nachkomme, stehen bald Beamte vor meiner Haustüre und weisen mich hoffentlich freundlich, aber mit Nachdruck auf meine Verpflichtungen hin. 

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vor 1 Minute schrieb Flo77:

Warum sollte der Vatikan nicht weinen dürfen?

 

 

Weil der Papst Franziskus so ein netter älterer Herr ist, der immer so gütig lächelt. Willst Du ihm das wirklich antun? 

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vor 1 Minute schrieb Studiosus:

Meine Taufe und alles, was mit Kirche zu tun hat, kann ich ignorieren. Wenn ich den Staat ignoriere und z. B. meiner Steuerpflicht nicht nachkomme, stehen bald Beamte vor meiner Haustüre. 

Weshalb ich die Verfassung unseres Staates auch weit ernster nehme, als die irgendeiner Kirche.

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vor einer Stunde schrieb Studiosus:

Wenn Polizisten an einer Kreuzung stehen und einmal anfangen, bei Autofahrern, die anderen die Vorfahrt nehmen, beide Augen zuzudrücken, dann wird sich das herumsprechen und die sichere Befahrung dieser Kreuzung ist Geschichte, weil keiner mehr die eigentlich geltenden Verkehrsregeln beachtet (nun mag einer einwenden: Dann baut halt nen Kreisverkehr. So einfach ist die Sache nicht, wenn diese Kreuzung vom ursprünglichen Stadtplaner vorgesehen war und die Infrastruktur auf sie angewiesen ist). 

Die Kalenderreform wäre auch ein gutes Beispiel. Wenn ein Kalender sich durchgesetzt hat, heißt das noch lange nicht, dass man ihn übernehmen muss, wie die Orthodoxen und Altkalendarier zeigen. Auf diese Weise kann man sein Profil schärfen.

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vor 3 Minuten schrieb Merkur:

Die Kalenderreform wäre auch ein gutes Beispiel. Wenn ein Kalender sich durchgesetzt hat, heißt das noch lange nicht, dass man ihn übernehmen muss, wie die Orthodoxen und Altkalendarier zeigen. Auf diese Weise kann man sein Profil schärfen.

 

Und Kalender, sicher liturgisch von höchster Relevanz, haben jetzt was genau mit verbindlichen Lehren den Glauben und die Moral betreffend zu tun? Ich will das nicht abweisen, aber wir sollten schon aufpassen, dass wir hier die Kategorien nicht durcheinander mischen. 

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vor 8 Minuten schrieb Studiosus:

 

Weil der Papst Franziskus so ein netter älterer Herr ist, der immer so gütig lächelt. Willst Du ihm das wirklich antun? 

Ich hatte eher P6 - B16 und die vatikanische Hofkamarilla im Kopf. Gut, P6 bis B16 sind bereits abgegeben an die nächste Instanz - möge Gott sich ihrer Erbarmen, was sie im Fegefeuer erwartet haben mag.

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vor 7 Minuten schrieb Flo77:

Ich hatte eher P6 - B16 und die vatikanische Hofkamarilla im Kopf.

 

Gut, die kann man natürlich auch nehmen. Tote wehren sich bekanntlich nicht mehr. 

 

Allerdings hätte ich in den letzten 11 Jahren auch nicht bemerkt, dass Franziskus Humanae vitae (oder Ordinatio sacerdotalis, oder...) hätte kippen wollen. Im Gegenteil, er betont ja selbst in nach meiner Einschätzung Grenzfällen wie Amoris Laetitia die Übereinstimmung mit der Lehre seiner Vorgänger und pflegt eher einen pastoralen Ansatz. 

 

Und ich gehe davon aus, er hätte es getan, wenn es a. möglich wäre und b. er es tatsächlich wollen würde. Dass er recht kompromisslos durchsetzt, was er für richtig hält, das beweist dieses Pontifikat. Besonders eingeschüchtert wirkt er auf mich nicht, weshalb ich die journalistisch aufbereitete Fama vom reformbereiten Franziskus "dem die Hände gebunden sind" nicht so wirklich glaube. Einem Papst sind nie die Hände gebunden, weil ihm niemand die Hände binden kann (zumindest rein rechtspositivistisch betrachtet). 

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vor einer Stunde schrieb Studiosus:

Der Brauch des Volkes heute als Fixpunkt für die Lehre der Kirche. 

Kann "das ganze Volk Gottes" irren?

 

vor 51 Minuten schrieb Studiosus:

Wie gesagt, da war zum wiederholten Male außer "die Erfindung von künstlichen Kontrazeptiva war ein Fortschritt der Technik und die Kirche hätte hier der Entwicklung folgen sollen" kein einziges Argument dabei, das man als theologisch betrachten oder auswerten könnte. 

Nach B16 muß der Glaube vernünftig sein in dem Sinne, daß er der Wissenschaft nicht allzu sehr widersprechen darf (jaja, ich weiß, die Auferstehung...).

Hier wurde schon wiederholt dargelegt, daß im Aristotelischen Weltbild die Pollution als Vergeudung von Homunkuli betrachtet werden kann. Im aktuellen Weltbild ist diese Sicht allerdings nicht mehr haltbar.

Ein anderer Punkt ist: Wenn sich die Theologie immer weiter von der Realität abkoppelt, dann wird sie immer irrelevanter. Sie wird zunehmend zu einer 'interessanten Philosophie' für Interessierte ohne Bezug zum Leben der gläubigen Menschen.

Entweder, die Theologie hat was mit dem Leben der Menschen zu tun, oder sie ist irrelevant.

 

vor 21 Minuten schrieb Studiosus:

Und Kalender, sicher liturgisch von höchster Relevanz, haben jetzt was genau mit verbindlichen Lehren den Glauben und die Moral betreffend zu tun? Ich will das nicht abweisen, aber wir sollten schon aufpassen, dass wir hier die Kategorien nicht durcheinander mischen. 

Die Kalenderreform ist zwar kein theologisches Thema, hat dafür umso mehr mit dem täglichen Leben der Menschen zu tun.

 

(Der Rest, auf den ich antworten wollte, steht auf der vorherigen Seite. Kommt demnächst.)

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vor 21 Minuten schrieb Moriz:

Kann "das ganze Volk Gottes" irren?

 

 

Du setzt es ja zurecht in Anführungszeichen. Also dass das gesamte Volk Gottes, dazu gehört nicht nur ein die Regionen, sondern auch die Epochen überbrückender Konsens, dafür wäre, künstliche Verhütungsmittel zuzulassen, das denke ich nicht. Also ist insofern die Berufung auf das ganze Volk Gottes mehr Theologenprosa als Faktum. 

 

Und man kann ja die Gegenprobe machen: Gehöre ich zum Volk Gottes, das heute auf dem Weg ist? Ich hoffe doch stark Ja. Bin ich dafür, Humanae vitae zu revidieren oder lebe ich bereits so als sei es revidiert? Nein. Also ist die Haltung des Volkes hier schonmal nicht univok. Und ich bin zwar im Guten wie im Schlechten einzigartig, aber ich vermute das sehen bei einer Milliarde Katholiken auch noch andere so oder so ähnlich. Und ein Konsens ist in Glaubensfragen ist eben doch noch einmal etwas anderes als eine reine Mehrheitsbeschaffung wie man sie aus politischen Zusammenhängen kennt (das ist auch der Grund, warum viele Menschen bereits jetzt mit dem weltweiten Synodalen Prozess unzufrieden sind, obwohl dort "abgestimmt" wird). 

bearbeitet von Studiosus
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vor 12 Stunden schrieb Studiosus:

Paul VI. hätte die Beschlüsse des Vierten Laterankonzils aufheben oder lehren können, dass die Erbsünde eine überholte Theologenmeinung sei oder er hätte die Jungfräulichkeit Mariens zur Diskussion freigeben können. Das alles hätte - bis auf die Fachleute und die ohnehin immer nörgelnden Traditionalisten - niemanden länger als 2 Wochen interessiert. Aber sobald der Papst den Leuten etwas unfein ausgedrückt an den "Sex" geht, steht im wahrsten Sinne des Wortes die Kirche Kopf und es kommt zum großen Aufstand vor allem der Laien, aber auch der Priester und Theologen. 

 

Da frage ich mich doch: Was sagt dieser Befund über die Kirche, ihren Glauben und vor allem ihre Gläubigen aus? 

Offensichtlich nicht die hohe Theologie. Was ich für ganz normal halte. Den 'einfachen Gläubigen' interessiert die Theologie nur insoweit, als sie sein Leben betrifft. Und das finde ich auch ganz richtig so.

Es hätte einen Aufstand gegeben, wenn der Papst den Rosenkranz verboten hätte.

 

vor 2 Stunden schrieb Studiosus:

Ich will das gerne exemplifizieren: Wieviele getaufte und auch am Leben der Kirche nach ihren Maßgaben partizipierende Katholiken lügen, stehlen, betrügen, brechen die Ehe, sind unkeusch, morden vielleicht sogar, lassen es an den christlichen Tugenden überhaupt mangeln usw.? Ich glaube, die Zahl wird nicht gering sein.

Den entscheidenden Unterschied sehe ich darin, daß es jedem Menschen einsichtig ist ('Naturrecht'?), daß lügen, stehlen, betrügen, Ehebruch oder gar Mord schlecht sind - und sie sind sich ihrer Sündhaftigkeit darin bewusst. Beim Verständnis der Unkeuschheit ist das anders.

 

[Funfakt: Wenn ich mich recht erinnere, dann sagt das Gebot "Du sollst kein falsches Zeugnis geben wider deinen Nächsten", es verbietet also nicht jede Unwahrheit sondern nur die, die einem anderen schadet.]

 

 

 

vor 1 Stunde schrieb Studiosus:

Wenn Polizisten an einer Kreuzung stehen und einmal anfangen, bei Autofahrern, die anderen die Vorfahrt nehmen, beide Augen zuzudrücken, dann wird sich das herumsprechen und die sichere Befahrung dieser Kreuzung ist Geschichte, weil keiner mehr die eigentlich geltenden Verkehrsregeln beachtet (nun mag einer einwenden: Dann baut halt nen Kreisverkehr. So einfach ist die Sache nicht, wenn diese Kreuzung vom ursprünglichen Stadtplaner vorgesehen war und die Infrastruktur auf sie angewiesen ist). 

Besseres Beispiel: Falschparken. Das wird in vielen Straßen in Grenzen tolieriert. Und wehe, wenn es dann doch mal Knölchen gibt! Hierzustadt werden gerade etliche Knöllchen wieder eingesammelt, stand in der Zeitung...

 

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vor 4 Minuten schrieb Studiosus:

sondern auch die Epochen überbrückender Konsens

Das funktioniert nicht, weil es Fragen gibt, die sich unsereren Vorgängern nicht gestellt haben. Und sei es die der 'künstlichen Emfpängnisverhütung' mit einfachen, sicheren und verfügbaren Methoden.

 

vor 6 Minuten schrieb Studiosus:

Und ein Konsens ist in Glaubensfragen ist eben doch noch einmal etwas anderes als eine reine Mehrheitsbeschaffung wie man sie aus politischen Zusammenhängen kennt. 

Es geht nicht um eine Mehrheitsmeinung wie in der Demokratie, sondern um einen weitestgehenden Konsens. Den man aber nicht so auslegen darf, daß es niemanden gäbe, der das anders sähe. Steht nicht im letzten verkündeten Dogma, daß "das ganze Volk Gottes glaubt", daß Maria leiblich in den Himmel aufgenommen wurde? Sind da etwa alle, jeder einzelne gefragt worden und es gab keine einzige Gegenstimme? Oder stellte J23 damit einfach nur fest, daß dieser Glaube extrem weit verbreitet ist? (Ohne  darüber diskutieren zu wollen, ob das jetzt 95%, 99% oder 99,9999% aller Gläubigen meint.)

 

vor 1 Stunde schrieb Flo77:

[Bezüglich künstlicher Verhütung] jedenfalls treffen vermutlich über 90% der Katholiken hierzulande eine Entscheidung gegen den Papst.

[Böse gesagt: Wenn ich mich so umschaue, dann betrifft das 90% der Messbesucher nicht mehr  :evil: ]

 

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vor 11 Minuten schrieb Moriz:

Steht nicht im letzten verkündeten Dogma, daß "das ganze Volk Gottes glaubt", daß Maria leiblich in den Himmel aufgenommen wurde? Sind da etwa alle, jeder einzelne gefragt worden und es gab keine einzige Gegenstimme? Oder stellte J23 damit einfach nur fest, daß dieser Glaube extrem weit verbreitet ist? (Ohne  darüber diskutieren zu wollen, ob das jetzt 95%, 99% oder 99,9999% aller Gläubigen meint.)

 

Der Witz dabei, wenn ich das so schnippisch sagen darf: "Das Volk" (also die Laien und alle niederen Kleriker) wurde in Vorbereitung auf die Verkündung des Dogmas sowieso nicht befragt, sondern Pius XII. hat, wenn man so will, "sein Volk" befragt: die Bischöfe. In der katholischen Kirche beginnt der Mensch eben teilweise noch heute erst mit der Bischofsweihe. 

 

Und was auch zu bedenken ist: Diese Befragung im Vorfeld ist eine kluge Sache und brüskiert den Weltepiskopat nicht. Notwendig wäre sie allerdings nicht gewesen. Spätestens seit dem I. Vatikanum wissen wir, dass der Papst auch gut und gerne ex sese, aus sich heraus, und nicht ex consensu Ecclesiae, aufgrund der Zustimmung der Kirche, infallibel lehren kann. 

 

Aber was die Figur des Konsens des Volk Gottes oder auch den sensus fidei fidelium anbetrifft, so hast Du natürlich recht. Das sind zwar starke Bilder, aber in der Praxis kann man sich darauf weder für die Befürwortung noch für die Ablehnung einer Lehre wirklich berufen, zumindest nicht im Rahmen eines förmlichen Verfahrens. In der Regel werden solche Umfragen unter den Bischöfen, die aus Rom kommen, nämlich nicht öffentlich gemacht. Also kann man am Ende Tages gut behaupten, dieses oder jenes sei allgemein akzeptiert oder abgelehnt worden. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 15 Minuten schrieb Moriz:

Das funktioniert nicht, weil es Fragen gibt, die sich unsereren Vorgängern nicht gestellt haben. Und sei es die der 'künstlichen Emfpängnisverhütung' mit einfachen, sicheren und verfügbaren Methoden.

 

Das ist natürlich sowohl richtig als auch falsch. Sicher hat Thomas von Aquin nicht über die Pille von Bayer nachgedacht, aber die unterliegenden moralphilosophischen Grundlagen (Ist es sittlich zulässig, die Empfängnis durch Hilfsmittel - logischerweise im 13. Jahrhundert keine pharmazeutischen im engeren Sinne - zu unterbinden?) lagen freilich auch ihm vor. Und so verhält es sich mit vielen modern anmutenden Themen, die bei Licht betrachtet doch immer nur mehr vom Gleichen sind.

 

Wir mögen heute zum Mond fliegen und mit der KI kommunizieren, aber wesenhaft verändert hat sich der Mensch in den letzten Jahrtausenden nicht mehr. "Der kleine Gott der Welt bleibt stets vom selben Schlag und ist so wunderlich als wie am ersten Tag." 

bearbeitet von Studiosus
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