Moriz Geschrieben 20. Mai 2021 Melden Geschrieben 20. Mai 2021 vor 15 Minuten schrieb Werner001: Nun, das ist ja auch sehr verständlich. Isaac Newton zum Beispiel soll die Gravitation anhand eines fallenden Apfels entdeckt haben. Dabei ist doch allgemein bekannt, dass Äpfel typisch europäisch-privilegierte Früchte sind. Warum hat Newton nicht eine fallende Kokosnuss zum Vorbild genommen? Das zeigt doch seine rassistische und kolonialistische Denkweise. Außerdem war er ein alter weißer Cis-Mann, was seine Transphobie deutlich belegt. Dass es sich das Gesicht weiß puderte, um noch weißer zu erscheinen, verwundert da schon gar nicht mehr, und dass er Perücken trug, rundet die Abscheulichkeiten ab. Und so jemand soll der woken Jugend als Vorbild hingestellt werden? Das kann ja wohl nur ein Scherz sein! Ausserdem war er Sozialist. Oder So. Jedenfalls habe ich ein Bilderbuch ("Ein Apfel und Sir Isaak") aus dem VEB Postreiter-Verlag in Halle, printet in the GDR, in dem er ausgesprochen positiv dargestellt wird. Geht also gar nicht! Zitieren
Domingo Geschrieben 20. Mai 2021 Melden Geschrieben 20. Mai 2021 (bearbeitet) 48 minutes ago, Marcellinus said: Der Westen schafft sich ab! Nanana, bist du jetzt Rechtsradikaler geworden? Demnächst wirst Du noch behaupten, bald werde uns China oder Saudi Arabien erobern und man könne sich vorstellen, wie es dann um Schwule, Transmenschen, Frauenrechte usw. bestellt sein werde... bearbeitet 20. Mai 2021 von Domingo Zitieren
Marcellinus Geschrieben 20. Mai 2021 Melden Geschrieben 20. Mai 2021 vor 29 Minuten schrieb Domingo: vor einer Stunde schrieb Marcellinus: Der Westen schafft sich ab! Nanana, bist du jetzt Rechtsradikaler geworden? Demnächst wirst Du noch behaupten, bald werde uns China oder Saudi Arabien erobern und man könne sich vorstellen, wie es dann um Schwule, Transmenschen, Frauenrechte usw. bestellt sein werde... Fängst du jetzt auch schon an, inhaltliche Auseinandersetzungen durch politische Gesäßgeografie zu ersetzen? Entscheidend ist nicht, ob eine Aussage als rechts oder links betrachtet wird, sondern ob mehr dafür spricht als dagegen. Und nein, Saudi Arabien kann sich ja nicht mal selbst verteidigen, wenn es darauf ankommt, und China hat es nicht nötig, uns zu erobern. Es reicht, das, was bei uns noch etwas wert ist, aufzukaufen. Da sind sie schon dabei. 1 Zitieren
Domingo Geschrieben 20. Mai 2021 Melden Geschrieben 20. Mai 2021 1 minute ago, Marcellinus said: politische Gesäßgeografie 🤣 1 Zitieren
nannyogg57 Geschrieben 20. Mai 2021 Autor Melden Geschrieben 20. Mai 2021 vor 7 Stunden schrieb Shubashi: Inzwischen auch entlarvt: Der Kolonialismus in der Gravitationstheorie und der Eurozentrismus der Evolution. https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/britische-universitaeten-entkolonialisierung-der-naturwissenschaft-17346787.html Ich verstehe die Aufregung nicht. Dass auch naturwissenschaftlich denkende Menschen früherer Zeit dem damals verbreiteten Alltagsrassismus anhingen, verwundert nicht. Dass man das in unserer Zeit kritisch sehen muss, halte ich für selbstverständlich. Dass Kirchenväter und Kirchenlehrer Thesen verbreiteten, die frauenfeindlich sind, ist allgemein bekannt, und auch die Heilige Schrift ist an manchen Stellen frauenfeindlich. Das wird heute an der Uni kritisch gelesen, alles andere wäre absurd. Warum darf man Naturwissenschaftler nicht kritisch sehen? Nun gut, irgendjemand in Großbritannien wollte das offiziell regeln, und macht sich Gedanken, man müsse auch die Hintergründe bei Maßeinheiten beleuchten. Aber hier gleich zu befürchten, der Westen würde sich abschaffen? OMG. Ja klar, das ist der Untergang des Abendlandes. Witziger finde ich, dass hier das Gegenteil von Identitätspolitik betrieben wird: Als aufrechter Europäer oder aufrechte Europäerin müsste man doch gezwungen sein, das metrische System als einziges zu verwenden. Alles andere ist kulturelle Aneignung ... Die Jugendlichen, mit denen ich zu tun haben, haben übrigens mit Identitätspolitik nichts am Hut. Weder haben sie Angst vor Überfremdung oder gar die Befürchtung, man könnte ihnen die Lederhosen klauen, noch haben sie ein Problem damit, alles auszuprobieren, was ihnen cool erscheint. Ich bin immer noch auf der Suche nach jemand identitätspolitisch Bewegten im RL. Zitieren
Marcellinus Geschrieben 20. Mai 2021 Melden Geschrieben 20. Mai 2021 vor 8 Minuten schrieb nannyogg57: Dass auch naturwissenschaftlich denkende Menschen früherer Zeit dem damals verbreiteten Alltagsrassismus anhingen, verwundert nicht. Dass man das in unserer Zeit kritisch sehen muss, halte ich für selbstverständlich. [...] Warum darf man Naturwissenschaftler nicht kritisch sehen? Das ist nicht der Punkt. Kritik ist der Motor von Wissenschaft, wenn diese Kritik auf Empirie beruht. Das Problem beginnt da, wo die berechtigte Kritik an den Alltagsvorurteilen von Wissenschaftlern zum Vorwand genommen wird, deren wissenschaftliche Erkenntnisse in Frage zu stellen. 1 2 Zitieren
nannyogg57 Geschrieben 20. Mai 2021 Autor Melden Geschrieben 20. Mai 2021 Wird das da tatsächlich gemacht oder wird da nicht einfach nur gesagt: "Auch Newton machte Fehler?" Und, btw., die extremen Beispiele, so man das dazuzählen will, sind fast alle aus den USA oder aus anderen Ländern. Ist das schon mal aufgefallen? Zitieren
Domingo Geschrieben 21. Mai 2021 Melden Geschrieben 21. Mai 2021 (bearbeitet) 1 hour ago, nannyogg57 said: Und, btw., die extremen Beispiele, so man das dazuzählen will, sind fast alle aus den USA oder aus anderen Ländern. Ja, eben... Oder was meintest Du? Edit: Falls Du meinst "andere Länder als Deutschland", dann sorry, das ist nicht sehr beruhigend. Ich zumindest fände es nicht sonderlich beruhigend, wenn solche Sachen "nur" in Frankreich oder Schweden oder Österreich stattfänden, aber nicht in Deutschland. bearbeitet 21. Mai 2021 von Domingo Zitieren
Dies ist ein beliebter Beitrag. Shubashi Geschrieben 21. Mai 2021 Dies ist ein beliebter Beitrag. Melden Geschrieben 21. Mai 2021 5 hours ago, nannyogg57 said: Und, btw., die extremen Beispiele, so man das dazuzählen will, sind fast alle aus den USA oder aus anderen Ländern. Das ist mir inzwischen auch aufgefallen - ich habe in britischen Zeitungen bisher nichts zu der in der Faz beschriebenen Diskussion gefunden. Aktuell geht es in Oxford wohl eher um die Entfernung einer Cecil-Rhodes-Statue aus der Öffentlichkeit. Auf der anderen Seite sehe ich an dieser Diskussion hier nichts aufgeregtes - ich persönlich möchte verstehen, wie sich neue Ideologien in einer wandelnden Welt etablieren. Ich halte das für ein enorm passendes Thema für ein religiöses Forum, denn ich glaube, dass mit dem Schwinden „klassischer“ Religionen andere Weltanschauungen deren Platz einnehmen, die möglicherweise noch viel irrationationaler, radikaler und gefährlicher sind als v.a. das Christentum, welches sich über die Jahrhunderte in der Auseinandersetzung mit Wissenschaft und Aufklärung in unsere modernen Gesellschaften eingelebt hat. Kulturalistisch-identitäre Ideologien halte ich jedenfalls für potentiell gefährlich, weil sie irrational und antiaufklärerisch sind und einen totalitären Weltdeutungsanspruch erheben. 4 Zitieren
rince Geschrieben 21. Mai 2021 Melden Geschrieben 21. Mai 2021 (bearbeitet) vor 6 Stunden schrieb nannyogg57: Und, btw., die extremen Beispiele, so man das dazuzählen will, sind fast alle aus den USA oder aus anderen Ländern. Ist das schon mal aufgefallen? Weil ja auch noch nie irgendwelcher Unsinn mit zeitlicher Verzögerung aus den USA am Ende hier übernommen wurde... Ich kann mich lebhaft an das ungläubige Feedback in einem gemischten Kurs (m/w/d) vor 15 Jahren erinnern, als erlärt wurde, dass man bei den Amis nicht mehr 'Policeman' sagen soll, weil einige überempfindlichen Frauen sonst Schnappatmung bekommen... Da sagten alle (auch die Frauen): na, denen geht es einfach zu gut und sie haben wohl keine wirklichen Probleme. Schon damals wurde die Unsinnigkeit und Erfolglosigkeit derartiger sprachpolizeilicher Versuche am Beispiel Nigger - Negro - Black - Afroamerican erläutert... PoC geb es seinerzeit noch nicht bearbeitet 21. Mai 2021 von rince 1 Zitieren
Domingo Geschrieben 21. Mai 2021 Melden Geschrieben 21. Mai 2021 (bearbeitet) 7 hours ago, Marcellinus said: Das Problem beginnt da, wo die berechtigte Kritik an den Alltagsvorurteilen von Wissenschaftlern zum Vorwand genommen wird, deren wissenschaftliche Erkenntnisse in Frage zu stellen. 6 hours ago, nannyogg57 said: Wird das da tatsächlich gemacht oder wird da nicht einfach nur gesagt: "Auch Newton machte Fehler?" Wozu wird an naturwissenschaftlichen Fakultäten darauf hingewiesen, dass Newton wohl rassistische und imperiaistische Neigungen hatte, als ob die mit seiner Physik irgendetwas zu tun hätten? Wieso wird Quote den Studenten nahegelegt, von der Verwendung von Begriffen wie „Gründungsvater“ und „Genie“ abzusehen wo sie doch zweifelsohne auf Newton voll und ganz zutreffen? Da liegt es schon nahe, anzunehmen, dass hierdurch Newtons Wissenschaft als solche in Frage gestellt werden soll - vielleicht auch nur, indem all diese Dinge (seine politischen und gesellschaftlichen Ansichten, seine Theorien, seine Persönlichkeit im allgemeinen) durcheinandergeworfen werden. Oder aber es handelt sich bloß um leeres "virtue-signaling", um seine moralische Autorität als Institution aufrecht zu erhalten und von den nächsten BLM-Kravallen verschont zu bleiben... bearbeitet 21. Mai 2021 von Domingo Zitieren
rince Geschrieben 21. Mai 2021 Melden Geschrieben 21. Mai 2021 vor 6 Stunden schrieb nannyogg57: Wird das da tatsächlich gemacht oder wird da nicht einfach nur gesagt: "Auch Newton machte Fehler?" Erfolgreich war seine Suche nach dem Stein der Weisen ja nicht. Dass jeder Fehler macht ist eine eher triviale Erkenntnis. Trotzdem bleibt der Herr ein Genie. Und Menschen Dinge vorzuhalten, die damals 'normal' waren, halte ich weiterhin für bequemen Moralismus. Zitieren
Dies ist ein beliebter Beitrag. Shubashi Geschrieben 21. Mai 2021 Dies ist ein beliebter Beitrag. Melden Geschrieben 21. Mai 2021 (bearbeitet) 8 hours ago, nannyogg57 said: Dass auch naturwissenschaftlich denkende Menschen früherer Zeit dem damals verbreiteten Alltagsrassismus anhingen, verwundert nicht. Dass man das in unserer Zeit kritisch sehen muss, halte ich für selbstverständlich. Beim Durchlesen ist mir ein weiteres Problem mit dieser Sichtweise aufgefallen: ihr Anachronismus. Für mich wäre z.B. die erste spannende Frage, was überhaupt „Alltagsrassismus“ in einer Zeit wie der Newtons bedeutet, in der es im Alltag der meisten Menschen überhaupt keine Begegnung mit anderen Kulturen gab, der Begriff „Rasse“ überhaupt erstmals in naturphilosophischen Texten auftaucht und eine Theorie von „Farbe“ (also auch „Hautfarbe“) erst entsteht. So etwas „selbstverständlich“ kritisch sehen zu „müssen“ hat für mich v.a. zwei Implikationen: 1. Ich bemühe mich gar nicht erst, das Ausgangsproblem als eine Fragestellung zu formulieren - ich „weiß“ ja schon die Antwort. 2. Ich verfalle der distanzlosen Hybris, dass immer genau „jetzt“ die einzig makellose genau richtige Antwort auf alle moralischen Fragen existiert - und das ich jeweils Teil der einzig wirklich bescheidwissenden Generation auf dem Planeten bin. Nur galt das vermutlich jeweils für alle Generationen vor uns auch - also ist dieser kritiklos feste Glaube an die jeweilige untadelige Rechtschaffenheit der eigenen Zeitgeister nicht möglicherweise die Hauptursache der jeweils eigenen Fehler? Vermutlich wird uns die folgende Welt genauso verachten, wie wir es mit den Sklavenhändlern, Kolonialisten und vielen Naturtheoretikern der Vergangenheit tun. Wäre da ein bisschen mehr Skepsis gegenüber der eigenen moralisierenden Selbstgewissheit nicht ein besserer Weg zur Weisheit als nur immer wieder unsere Großartigkeit im Vergleich zur Nichtswürdigkeit der Ahnen zu betonen? bearbeitet 21. Mai 2021 von Shubashi 7 3 Zitieren
Die Angelika Geschrieben 23. Mai 2021 Melden Geschrieben 23. Mai 2021 Am 21.5.2021 um 00:05 schrieb nannyogg57: Ich verstehe die Aufregung nicht. Dass auch naturwissenschaftlich denkende Menschen früherer Zeit dem damals verbreiteten Alltagsrassismus anhingen, verwundert nicht. Dass man das in unserer Zeit kritisch sehen muss, halte ich für selbstverständlich. Dass Kirchenväter und Kirchenlehrer Thesen verbreiteten, die frauenfeindlich sind, ist allgemein bekannt, und auch die Heilige Schrift ist an manchen Stellen frauenfeindlich. Das wird heute an der Uni kritisch gelesen, alles andere wäre absurd. Warum darf man Naturwissenschaftler nicht kritisch sehen? Nun gut, irgendjemand in Großbritannien wollte das offiziell regeln, und macht sich Gedanken, man müsse auch die Hintergründe bei Maßeinheiten beleuchten. Aber hier gleich zu befürchten, der Westen würde sich abschaffen? OMG. Ja klar, das ist der Untergang des Abendlandes. Witziger finde ich, dass hier das Gegenteil von Identitätspolitik betrieben wird: Als aufrechter Europäer oder aufrechte Europäerin müsste man doch gezwungen sein, das metrische System als einziges zu verwenden. Alles andere ist kulturelle Aneignung ... Die Jugendlichen, mit denen ich zu tun haben, haben übrigens mit Identitätspolitik nichts am Hut. Weder haben sie Angst vor Überfremdung oder gar die Befürchtung, man könnte ihnen die Lederhosen klauen, noch haben sie ein Problem damit, alles auszuprobieren, was ihnen cool erscheint. Ich bin immer noch auf der Suche nach jemand identitätspolitisch Bewegten im RL. Ist die Verwendung von Ziffern auch kulturelle Aneignung? Ich habe bei dem Begriff irgendwie nen Knoten im Kopf. Wann ist etwas nicht erlaubte kulturelle Aneignung und wann ist es erlaubte Einordnen in die eigene Kultur? Dürfen Europäer Blues komponieren oder ist das anmaßend? Zitieren
Moriz Geschrieben 23. Mai 2021 Melden Geschrieben 23. Mai 2021 vor 8 Minuten schrieb Die Angelika: Dürfen Europäer Blues komponieren Können Europäer Blues komponieren? Zitieren
GermanHeretic Geschrieben 23. Mai 2021 Melden Geschrieben 23. Mai 2021 Apropos Risiken: https://thinkscotland.org/2021/05/scottish-universities-must-protect-free-speech-on-campus/ Zitieren
Marcellinus Geschrieben 23. Mai 2021 Melden Geschrieben 23. Mai 2021 vor einer Stunde schrieb Moriz: vor einer Stunde schrieb Die Angelika: Dürfen Europäer Blues komponieren Können Europäer Blues komponieren? Ist Bob Dylan Europäer? Zitieren
Werner001 Geschrieben 23. Mai 2021 Melden Geschrieben 23. Mai 2021 vor 1 Stunde schrieb Die Angelika: Ist die Verwendung von Ziffern auch kulturelle Aneignung? Ich habe bei dem Begriff irgendwie nen Knoten im Kopf. Wann ist etwas nicht erlaubte kulturelle Aneignung und wann ist es erlaubte Einordnen in die eigene Kultur? Dürfen Europäer Blues komponieren oder ist das anmaßend? Die einzig verwerfliche kulturelle Aneignung besteht darin, jeden modischen Blödsinn aus den USA unkritisch zu übernehmen. Und damit meine ich nicht die Bekleidungsmode. Werner 2 Zitieren
Die Angelika Geschrieben 23. Mai 2021 Melden Geschrieben 23. Mai 2021 Ich versuche gerade meinen Knoten im Kopf aufzudröseln... Also bisher dachte ich immer, dass Fortschritt etwas damit zu tun habe, dass man sich Dinge auch aus anderen Kulturen aneignet. Unsere Zahlen kommen aus dem Arabischen, Kaffee - , da denken ich heute an österreichische Kaffeehäuser, aber eigentlich haben die Österreicher sich den Kaffee auch nur kulturell angeeignet und dann schlichtweg nach persönlichem Gusto anders weiterentwickelt. Wo wären wir heute in der Medizin ohne Aneignungen aus anderen Kulturen? Wo in der Musik? Wo in der Mode? Dürfen nur Griechen Dramen schreiben und aufführen oder dürfen das auch andere? Oder haben sich die Griechen das vielleicht auch schon von woanders kutlurell angeeignet? Und überhaupt! Der Döner ist die unverfrorenste Aneignung deutscher Wurstsemmeln, gewissermaßen eine getürkte Wurstsemmel. 😉 Darf man eigentlich noch das Wort "getürkt" verwenden oder ist man damit fremden, respektive türkenfeindlich? 1 Zitieren
Marcellinus Geschrieben 23. Mai 2021 Melden Geschrieben 23. Mai 2021 (bearbeitet) vor 56 Minuten schrieb Die Angelika: Darf man eigentlich noch das Wort "getürkt" verwenden oder ist man damit fremden, respektive türkenfeindlich? Wer kennt denn die Redewendung überhaupt noch? bearbeitet 23. Mai 2021 von Marcellinus Zitieren
Flo77 Geschrieben 23. Mai 2021 Melden Geschrieben 23. Mai 2021 Es soll auch die Redewendung "einen Polnischen machen" geben, die auch als "einen Franzosen machen" mit gleicher Bedeutung existieren soĺl. Beide Wendungen beziehen sich auf den "französischen Abgang", d.h. das Verlassen einer Veranstaltung ohne Verabschiedung. Aber vielleicht sollten in Restaurants und bei diplomatischen oder sonstigen Essen auch kein "Russischer Dienst" ("Service á la Russe") mehr angeboten werden. Ist im Fast Food-Segment ja eh völlig out. Zitieren
Flo77 Geschrieben 23. Mai 2021 Melden Geschrieben 23. Mai 2021 Ich denke die Frage nach der Identität ist auch eine Frage nach der Bedeutung des Klischees für unsere Kommunikation. Das "Zigeuner"-Thema ist da ein ganz gutes Beispiel. In meiner Kindheit war der Begriff keiner lebenden Person zugeordnet. Wahlweise beschrieb er gut gewürzte Gerichte mit Paprikaschotenstreifen oder einen Volksmusikstil für den Heimatfilm oder aber einen einen Lebensstil, der so weit von der Realität entfernt war, wie das Leben mittelalterlicher Hansekaufleute. Ein Begriff der Projektion und der Assoziation der ein bestimmtes Lebensgefühl ausdrücken sollte, aber von der Überzeichnung und letztlich der Realitätsferne bestimmt waren. Alexandras "Zigeunerjunge", Lilo Pulvers "Piroschka", Bizets "Carmen" oder der "Zigeunerbaron" leben davon. Ich habe allerdings auch nie ernsthaft einen gedanklichen Zusammenhang zwischen den Zigeunern, die in seltenen Erzählungen der Alten an Ortsrändern campierten und dieser Klischees herstellen können. Daß das eine mit den anderen einen konkreten Zusammenhang stehen soll war und ist für mich völlig absurd. Klischees sind wohl mit dem Vorurteil verwandt, aber im Gegensatz zu letzteren sind erstere stark vereinfacht, stark überzeichnet und eher Comic-haft abstrahiert. Es sind erzähltechnische Topoi, wie der "alte, weise Asiate", die "verhuschte Blondine", der "humorlose Deutsche", der "arbeitsscheue Italiener", die "jüdische Mamme" und wie sie alle heißen. Quasi "Witzfiguren" im eigentlichen Sinne. Klischees sind manchmal freundlich, häufiger lächerlich, auch durchaus bösartig. Daß müssen sie auch sein, da die Eindimensionalität notwendig ist, damit das Klischee funktioniert. Ich bestreite nicht, daß das Klischee negatives Potential in sich trägt und zu propagandistischen Zwecken missbraucht werden kann. Übrigens auch, wenn die Propaganda "ehrenwerte" Ziele verfolgt. Wie z.B. die "armen Kinder in Afrika" auf den Plakaten der Welthungerhilfe in den 1980ern. Das Klischee ist ein zweischneidiges Schwert dem meiner Meinung nach eher mit emotionalem Abstand, Selbstironie und Selbstbewusstsein begegnet werden sollte als mit der beleidigten Leberwurst. Mich regen diese ganzen Disclaimer von wegen "wir beschreiben nur unsere eigenen Erfahrungen und natürlich sind eure Erfahrungen andere, bla blubb" auf. Für mich sind sie der Ausdruck einer zunehmenden Infantilität, daß dem Medienempfänger das Wissen um diese Selbstverständlichkeit nicht mehr abverlangt werden könne. Vielleicht nur die Fortführung der Erkenntnis, daß Leute zu doof sind zu wissen, daß Kaffee heiß aus der Maschine kommt, Haustiere nicht in Mikrowelle gehören und man die Finger nicht in schließende Automatiktüren steckt. Darauf ein Osculum Nigrum. 2 Zitieren
nannyogg57 Geschrieben 23. Mai 2021 Autor Melden Geschrieben 23. Mai 2021 vor 10 Stunden schrieb Werner001: Die einzig verwerfliche kulturelle Aneignung besteht darin, jeden modischen Blödsinn aus den USA unkritisch zu übernehmen. Und damit meine ich nicht die Bekleidungsmode. Werner Dem kann ich nur zustimmen. Oder, wie es irgendwo im NT steht: "Prüfet alles und das Gute behaltet." Zitieren
Shubashi Geschrieben 24. Mai 2021 Melden Geschrieben 24. Mai 2021 10 hours ago, Flo77 said: Ich denke die Frage nach der Identität ist auch eine Frage nach der Bedeutung des Klischees für unsere Kommunikation. Ich denke, Klischees als vereinfachte Bilder sind schlicht eine Notwendigkeit, da unsere menschliche Aufnahmefähigkeit zu begrenzt ist, und die Vereinfachung und das Vorurteil da einfach eine Überlebenstechnik sind. Leider ist unsere Wissenschaft so eurozentrisch wie eh und je, weswegen es es wenige Untersuchungen zur Klischeebildung in anderen Kulturen zu geben scheint. Was ich zur Auffassung der „anderen“ in Japan und China weiss, legt allerdings nahe, dass dort genauso Klischees von „anderen“ gepflegt wurden, wie es bei uns üblich war und ist. Je mehr diese „Klischees“ verpönt sind, desto mehr werden sie meiner Meinung nach durch etwas anderes ersetzt, nur dürfte das der Realität genauso wenig nahe kommen. In anderen Threads wird gerade darüber nachgedacht, wie hartnäckig Internetgerüchte und Fake News sind - diese treten dann eher an die Stelle des Klischees als irgendetwas kompliziert-differenziertes, das sich nur mühselig empirisch ermitteln ließe. Internet und soziale Medien sind insofern die überlegene „Wunschmaschine“, sie produzieren quasi per Knopfdruck jeden beliebigen Unsinn, an den wir gerne glauben möchten. Zitieren
Domingo Geschrieben 24. Mai 2021 Melden Geschrieben 24. Mai 2021 8 hours ago, Shubashi said: Leider ist unsere Wissenschaft so eurozentrisch wie eh und je, weswegen es es wenige Untersuchungen zur Klischeebildung in anderen Kulturen zu geben scheint. Hast Du das untersucht? Ich frage deswegen, weil ich schon ein paarmal erlebt habe, dass sogar ein Professor sagt, es gebe kaum Literatur zu Thema X (wo er kein Experte ist), und dann gehe ich auf "Google scholar" oder Ähnliches und finde heraus, dass X in Wahrheit ein großes Forschungsfeld darstellt mit mehr Literatur, als ich in einer Lebenszeit lesen kann. 1 Zitieren
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