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Das Aus für die Alte Messe(?)


Frank

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vor 16 Stunden schrieb phyllis:

Ja ok, aber dann sollte es nicht Naturrecht heissen.

 

"Natur" steht hier im Gegensatz zu "Konvention" bzw. menschlicher Festlegung.

 

Zitat

Genausogut könnte man sagen der Mensch darf nur vorwärts laufen weil dies Gotten Wille ist dass er nur so läuft. Seitswärts und rückwärts laufen wären schreckliche Todsünden. Und tanzen erst recht. :ninja:

 

Das wäre dann eigentlich naheliegend! 😀

 

Allgemein setzt die Idee des Naturrechts natürlich zumindest eine Art ideelles Sein voraus, ein reiner Naturalist wird sich mit dem Konzept schwertun.

 

Ansonsten ist natürlich zwischen rein "deskriptiven" Gesetzen zu unterscheiden, etwa wenn Tiere sich rein triebhaft und faktisch so und so verhalten - und andererseits "präskriptiven" Gesetzen im Sinne einer moralischen Forderung.

 

@Marcellinus

 

Du kannst allerdings davon ausgehen, dass die allermeisten Menschen implizit und pragmatisch ein "Naturrecht" bzw. moralischer Normen für einsichtig und gegeben halten, auch wenn sie teils unterschiedliche Vorstellungen von der konkreten Ausgestaltung haben.

 

Die allermeisten Menschen würden zum Beispiel sicherlich davon ausgehen, dass die Moral eines Adolf Hitlers der heute weithin anerkannten Moral tatsächlich unterlegen ist, dass unsere heutige Moral tatsächlich "richtiger" und besser ist. Oder dass es gerecht ist, wenn Nazi-Verbrecher unabhängig davon, ob sie positives Recht verletzt haben, zurecht als "Verbrecher" bezeichnet werden und zur Verantwortung gezogen werden sollen. Oder dass es unabhängig von positivem Recht Unrecht war, wenn die Mitglieder der Weißen Rose hingerichtet werden. Oder dass die Rassentrennung z.B. in den Südstaaten der USA ein Unrecht war, selbst wenn sie auf positivem Recht basierte. Auch finden die meisten Menschen, die nach allen üblichen Maßstäben schäbig behandelt werden, dies empörend und ungerecht.

 

Ohne eine geltende Sittlichkeit machen alle diese Werturteile keinen Sinn. Man könnte dann zwar zum Beispiel sagen, dass nach "unseren" moralischen Maßstäben ein bestimmter Völkermord schlecht war, nach den Maßstäben von Hitler aber gut. Da aber dann unsere moralischen Maßstäbe genau wie die von Hitler rein willkürliche Festlegungen sind, die höchstens etwas über das subjektive Empfinden des Festlegenden aussagen, ohne irgendeine Art von objektiver Verbindlichkeit, läuft das eigentlich auf ästhetische Differenzen des Empfindens hinaus: Mir persönlich gefällt etwas anderes, als das, was Hitler gefällt. Aus meiner Perspektive ist schlecht, was aus Hitlers Perspektive gut ist - aber beide Perspektiven sind gleichwertig oder genauer: völlig willkürlich. Die Frage, ob wir recht haben oder ob Hitler recht hatte, ist dann so gegenstandslos wie die, ob jemand recht hat, der sagt, dass Kaffee gut schmeckt oder jemand, der das Gegenteil behauptet. (Beide haben recht, wenn sie nur etwas über ihren persönlichen, Geschmack sagen; keiner von beiden hat recht, wenn er etwas über die Wirklichkeit selbst sagen möchte.)

 

Wie gesagt denken die allermeisten Leute "faktisch" offensichtlich so nicht.

Und spätestens dann  nicht mehr, wenn sie selbst betroffen sind. Praktisch alle Menschen, die Opfer eines brutalen Raubüberfalles oder einer Vergewaltigung werden, sagen sich nicht, dass ihre Empörung nur auf rein subjektiven Präferenzen beruht, die so willkürlich und so wenig rational gerechtfertigt sind wie die des Täters. Die meisten werden überzeugt sein, dass die Handlung des Täters tatsächlich verwerflich ist (und dass dies auch einsichtig ist).

 

Der Werterelativismus oder moralische Nihilismus oder Skeptizismus ist daher eine weitgehend "akademische" Position, die viele Leute zwar am grünen Tisch unterschreiben würden, an die im praktischen Leben aber so gut wie niemand glaubt. Die Überzeugung von verbindlichen moralischen Normen ist sicherlich eine anthropologische Grundkonstante, selbst wenn die Normen bis zu einem gewissen Grade abweichen*.

Das beweist natürlich  noch nicht, dass diese überzeugung auch wahr wäre; aber sie ist dem Menschen sicherlich viel näher als zum Beispiel die "naturrechtliche" Begründung der kath. Sexuallehre.

 

(* Bei aller Differenz der moralischen Systeme scheint es übrigens auch einige Grundkonstanten zu geben, die praktisch universal anerkennt sind (zum Beispiel das Verbot, das Vertrauen eines Freundes zu selbstsüchtigen Zwecken zu missbrauchen, gehört dazu, meine ich) - was allerdings natürlich auch noch kein Beweis für eine Geltung ist.)

bearbeitet von iskander
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vor 12 Minuten schrieb iskander:

Die allermeisten Menschen würden zum Beispiel sicherlich davon ausgehen, dass die Moral eines Adolf Hitlers der heute weithin anerkannten Moral tatsächlich unterlegen ist, dass unsere heutige Moral tatsächlich "richtiger" und besser ist. Oder dass es gerecht ist, wenn Nazi-Verbrecher unabhängig davon, ob sie positives Recht verletzt haben, zurecht als "Verbrecher" bezeichnet werden und zur Verantwortung gezogen werden sollen. Oder dass es unabhängig von positivem Recht Unrecht war, wenn die Mitglieder der Weißen Rose hingerichtet werden. Oder dass die Rassentrennung z.B. in den Südstaaten der USA ein Unrecht war, selbst wenn sie auf positivem Recht basierte. Auch finden die meisten Menschen, die nach allen üblichen Maßstäben schäbig behandelt werden, dies empörend und ungerecht.

 

Ist das wirklich so? Weite Teile der Arabischen Welt findet Hitlers Antisemitismus durchaus attraktiv. In der Frühzeit dieser Republik war eine Mehrheit durchaus der Ansicht, daß die allermeisten Nazis keine Verbrecher waren. Die Verfolgung und Bestrafung begann erst später. Vielmehr berichteten britische Besatzungsoffiziere, daß es bei den Wochenschauen im Kino regelmäßig Pfeifkonzerte gab, wenn von den Nazi-Verbrechen die Rede war, und Leute in meinem Alter kennen sicherlich noch das Reden der Generation ihrer Eltern, es sei "schließlich nicht alles schlecht gewesen". Ähnliches gilt vermutlich auch für die Rassentrennungspolitik in den Südstaaten der USA. Dies scheint mir also im Gegenteil ein recht gutes Beispiel für die Wandelbarkeit von Moralen. 

 

vor 18 Minuten schrieb iskander:

Der Werterelativismus oder moralische Nihilismus oder Skeptizismus ist daher eine weitgehend "akademische" Position, die viele Leute zwar am grünen Tisch unterschreiben würden, an die im praktischen Leben aber so gut wie niemand glaubt. Die Überzeugung von verbindlichen moralischen Normen ist sicherlich eine anthropologische Grundkonstante, selbst wenn die Normen bis zu einem gewissen Grade abweichen*. Das heißt wie gesagt nicht, dass diese Überzeugung berechtigt sein muss; aber sie ist dem Menschen sicherlich viel näher als zum Beispiel die "naturrechtliche" Begründung der kath. Sexuallehre.

 

Aus den oben genannten Gründen möchte ich dir also widersprechen. Es handelt sich nicht um einen "moralischen Nihilismus", sondern um die schlichte Erkenntnis, daß Werturteile in hohem Maße zeit- und gesellschaftsabhängig sind. Ja, daß die Existenz moralischer Normen eine anthropologische Grundkonstante menschlicher Gruppen zumindest einer bestimmten Größe sind, sehe ich auch so, nur eben nur die Existenz dieser Normen, nicht auch deren Inhalt. Mit anderen Worten: menschliche Gesellschaften bis zu einer gewissen Größe und bei einer gewissen Stabilität haben eine weitgehend verbindliche Moral. Nur ist die eben nicht festgelegt, sondern entwickelt sich im Laufe der Zeit mit den Veränderung dieser Gesellschaften. 

 

Ein Paradebeispiel habe ich selbst erlebt. Die Sexualmoral der 50er und 60er Jahre des letzten Jahrhunderts war ausgesprochen restriktiv. Es war zu dieser Zeit in weiten Teilen Westdeutschland (nur darüber kann ich reden) ziemlich ausgeschlossen, als unverheiratetes Paar irgendwo auch nur ein gemeinsames Hotelzimmer zu bekommen, von einer Wohnung gar nicht zu reden. Das war nicht nur dem Kuppeleiparagraph geschuldet, sondern entsprach dem moralischen Empfinden weiter Teile des Bürgertums. Wenn damals ein Mädchen schwanger wurde, war das eine Katastrophe, die mit der Trennung von den Eltern und der Einweisung in ein Heim für "gefallene Mädchen" enden konnte. Die Aufarbeitung dieses düsteren Kapitels unserer Vergangenheit, und der der beteiligten Kirchen, steht bis heute übrigens aus, und wird noch sehr bitter werden. 

 

In den 70 Jahren begann dieses sich zu ändern. Nicht nur das Verhalten der jungen Leute änderte sich, sondern auch die Reaktion der Elterngeneration. Hatten die Eltern vorher bei beginnenden sexuellen Kontakten, so sie nicht zu verhindern waren, auf schneller Heirat bestanden (ein Freund von mir ist zu diesem Zweck vorzeitig für volljährig erklärt worden), rieten die Eltern ihren Kindern nun, lieber mit der Eheschließung zu warten, und stattdessen ohne Trauschein zusammenzuleben, eine fast völlige Kehrtwende auf moralischem Gebiet. Mein Erklärung als Zeitzeuge: die Zahl der Kinder pro Familie war mittlerweile gesunken, die Ehe wurde für Mädchen nicht mehr als alleinige Zukunftsperspektive angesehen und daher bestanden die Eltern zunehmend auf einer Berufsausbildung. Mit der sinkenden Zahl der Kinder pro Familie stiegen die Investitionen pro Kind, und sollten nicht mehr durch zu frühe Eheschließung gefährdet werden.

 

Dieser Prozeß hat sich über Jahrzehnte hingezogen, und war nicht unbedingt eine Wechsel in den individuellen Wertvorstellungen, sondern ergab sich zum Teil durch den schleichenden Generationenwechsel. Von Jahrgang zu Jahrgang wurden dieser Wandel sichtbarer, und hat heute, 50 Jahre später, zu einer fast vollkommenen Umwertung der Werte geführt. Ich könnte das noch weiter ausführen, es ist schließlich meine Lebensgeschichte, aber ich hoffe, es wird auch so deutlich, wie sich aus ganz realen Gründen Wertvorstellungen ändern. Insofern vertrete ich durchaus einen Werterelativismus. Ich bin der festen Überzeugung, daß Wert immer abhängig sind von den gesellschaftlichen Verhältnissen. 

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@Marcellinus

 

Dass moralische Vorstellungen zum Teil divergieren oder sich ändern, bestreite ich ja gar nicht. Die Frage ist nur, ob es jenseits einzelner moralischer Überzeugungen eine "richtige", vernünftige Moral gibt, nach der der Mensch streben und die er zur Grundlage moralischer Entscheidungen machen sollte.

 

Und wie gesagt gehe ich davon aus, dass die allermeisten Leute genau dies (implizit) bejahen, und dass eine solche Haltung im Menschen verankert ist (was natürlich noch keine objektive Gültigkeit beweist).

Denn sonst wäre es eben sinnlos zu sagen, dass die Leute, die sich mit den Nazi-Verbrechern solidarisiert haben, Unrecht hatten. Man könnte dann höchstens sagen:
Aus unserer heutigen Perspektive hatten sie Unrecht. Aber das wäre nichtssagend und würde auf folgende Aussage hinauslaufen: Gemäß einer Perspektive, aus der die Leute damals Unrecht hatten, hatten sie Unrecht. Und selbst das könnte man nicht wirklich sagen, denn Moral wäre demnach nur "Zuschreibung von außen" (s.u.).

 

Beide Perspektiven bzgl. der Verbrechen- die damalige und die heutige -  könnten dann ohnehin gültig nur etwas über das Empfinden der jeweiligen urteilenden Menschen aussagen. Niemals könnte man etwa zum Urteil gelangen: "Die Taten der Nazis waren schlecht". Man könnte nur sagen: Die meisten Menschen heute empfinden diese Taten als abstoßend, und viele damals haben sie als begrüßenswert empfunden.

 

Zu sagen, dass das eine Empfinden "richtiger" als die andere sei, wäre dann aber verfehlt, denn in sich selbst wären die Taten der Nazis ethisch neutral, so wie alles in sich selbst ethisch neutral wäre. Jegliche moralische Qualität würde den Handlungen (allen Handlungen) stets nur von außen zugeschrieben werden, und alle Zuschreibungen wären "gleichwertig". Oder genauer: Sie wären gleichwertig, sofern der Zuschreibende nur sein subjektives Empfinden zum Ausdruck bringen möchte; ansonsten wären solche Zuschreibungen aber falsch, weil gegenstandslos.

(So wie dem Kaffee der gute oder schlechte Geschmack auch nur von außen zugeschrieben wird; der Kaffee "an sich" schmeckt weder gut noch schlecht. Man kann nur sagen, dass er einem selbst bzw. Dritten gut oder schlecht schmeckt.)

 

Aber das ist nicht das, was wir mit moralischen Urteilen normalerweise ausdrücken. Wenn wir sagen, dass eine Handlung "gut" oder "schlecht" ist, dann meinen wir normalerweise, dass die Handlung tatsächlich gut oder schlecht ist, dass ihr selbst eine bestimmte moralische Qualität eigen ist. Wenn ich sage, dass es verwerflich ist, einen Menschen zum Spaß umzubringen, dann will ich damit nicht in erster Linie etwas darüber aussagen, was unsere (heutige) Gesellschaft für richtig hält, und ich möchte damit auch nicht allein sagen, dass ich das rein subjektiv als abstoßend empfinde, sondern dass es in der Tat verwerflich ist. Und zumindest im konkreten, realen Fall, mit dem sie konfrontiert sind, dürften die meisten Leute das ebenso halten - sonst wäre es zum Beispiel völlig sinnlos, irgendeiner Person moralische Vorwürfe zu machen, jemanden moralisch zu verurteilen, zu loben usw.

 

Die Ablehnung einer verbindlichen objektiven Moral läuft dann eben darauf hinaus, dass alle "gängigen" moralischen Urteile, mit denen wir einer Handlung eine sittliche Qualität zuschreiben, falsch weil gegenstandslos sind und erst dann richtig sein können, wenn sie so redefiniert werden, dass mit ihnen nur noch etwas über den eigenen Geschmack oder den einer Gesellschaft behauptet werden soll.

 

Das ist eine Perspektive, die wie gesagt viele Leute in der Theorie, weniger aber in der Praxis als annehmbar erachten.

 

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5 hours ago, Marcellinus said:

Am Ende ist Naturrecht eine philosophische Fantasievorstellung, der Wunsch, so etwas wie ein absolutes und ewiges „Gutes“ möge es geben, immer natürlich unter der Voraussetzung, dieses Absolute entspreche den eigenen Wunschträumen. Anderenfalls wäre es eine echte Plage. ;)

 

Nichts wäre schrecklicher, als wenn es eine objektive Moral gäbe - zumindest, wenn sie diejenige des biblischen Gottes wäre. Dann müssten wir alltestamentliche Massaker als "objektiv gut" betrachten, weil sie eben von Gott angeordnet wurden und die obkjektive Moral ist ja nach der Sicht der chr. Apologeten genau das, was Gott für moralisch hält.

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vor einer Stunde schrieb Domingo:

 

Nichts wäre schrecklicher, als wenn es eine objektive Moral gäbe - zumindest, wenn sie diejenige des biblischen Gottes wäre. Dann müssten wir alltestamentliche Massaker als "objektiv gut" betrachten, weil sie eben von Gott angeordnet wurden und die obkjektive Moral ist ja nach der Sicht der chr. Apologeten genau das, was Gott für moralisch hält.

MIt der Bibel irgend etwas begründen zu wollen ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Ich bin davon überzeugt, dass die christlichen Moralvorstellungen nicht der Bibel entstammen. Die alttestamentarischen Massaker kommen - soweit ich weiß - in den einschlägigen Moralbegründungen nicht vor.

bearbeitet von Merkur
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vor 1 Stunde schrieb iskander:

Dass moralische Vorstellungen zum Teil divergieren oder sich ändern, bestreite ich ja gar nicht. Die Frage ist nur, ob es jenseits einzelner moralischer Überzeugungen eine "richtige", vernünftige Moral gibt, nach der der Mensch streben und die er zur Grundlage moralischer Entscheidungen machen sollte.

Mal angenommen, es gäbe sie, wie sieht sie aus? Wenn sie nicht völlig unabhängig von menschlichen moralischen Vorstellungen erkennbar ist, ist sie völlig wertlos, wenn sie etwas ist, auf das sich Menschen einigen, ist sie nicht unabhängig von menschlichen Moralvorstellungen, sondern schlicht positives Recht.

 

Die Gravitation zum Beispiel existiert, sie existiert völlig unabhängig von menschlichen Vorstellungen und sie ist eindeutig erkennbar, selbst wenn man die physikalischen Gesetze dahinter nicht kennt.

 

Ein Naturrecht müsste wie die Gravitation eindeutig erkennbar und unabhängig von menschlichen Vorstellungen sein, aber so etwas existiert nicht

 

Werner

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vor 1 Stunde schrieb iskander:

Dass moralische Vorstellungen zum Teil divergieren oder sich ändern, bestreite ich ja gar nicht. Die Frage ist nur, ob es jenseits einzelner moralischer Überzeugungen eine "richtige", vernünftige Moral gibt, nach der der Mensch streben und die er zur Grundlage moralischer Entscheidungen machen sollte.

 

Dazu komme ich gleich. Nur so viel schon mal vor ab: bisher hat mir keiner eine solche "objektiv richtige" Moral zeigen können. Merkwürdigerweise stimmten die genannten Beispiele immer mit den moralischen Vorstellungen derjenigen überein, die sie vorbrachten.

 

vor 1 Stunde schrieb iskander:

Und wie gesagt gehe ich davon aus, dass die allermeisten Leute genau dies (implizit) bejahen, und dass eine solche Haltung im Menschen verankert ist (was natürlich noch keine objektive Gültigkeit beweist).

Denn sonst wäre es eben sinnlos zu sagen, dass die Leute, die sich mit den Nazi-Verbrechern solidarisiert haben, Unrecht hatten. Man könnte dann höchstens sagen:
Aus unserer heutigen Perspektive hatten sie Unrecht. Aber das wäre nichtssagend und würde auf folgende Aussage hinauslaufen: Gemäß einer Perspektive, aus der die Leute damals Unrecht hatten, hatten sie Unrecht. Und selbst das könnte man nicht wirklich sagen, denn Moral wäre demnach nur "Zuschreibung von außen" (s.u.).

 

Ja, das ist richtig. Die allermeisten Menschen halten ihre eigene Moral auch für die einzig mögliche. Die eigenen Maßstäbe prinzipiell auch an das Verhalten von Menschen anzulegen, die unter ganz anderen Umständen lebten, ist eher der Normalfall als die Ausnahme.

 

vor 1 Stunde schrieb iskander:

Beide Perspektiven bzgl. der Verbrechen- die damalige und die heutige -  könnten dann ohnehin gültig nur etwas über das Empfinden der jeweiligen urteilenden Menschen aussagen. Niemals könnte man etwa zum Urteil gelangen: "Die Taten der Nazis waren schlecht". Man könnte nur sagen: Die meisten Menschen heute empfinden diese Taten als abstoßend, und viele damals haben sie als begrüßenswert empfunden.

 

So ist es. Wir empfinden die Taten der Nazis als schlecht. Hier in Deutschland ist das heute die Standardmeinung. Viele empfinden auch die Taten der Kommunisten unter Stalin schlecht. Das ist in Rußland aber durchaus nicht die Standardmeinung. 

 

vor 1 Stunde schrieb iskander:

Zu sagen, dass das eine Empfinden "richtiger" als die andere sei, wäre dann aber verfehlt, denn in sich selbst wären die Taten der Nazis ethisch neutral, so wie alles in sich selbst ethisch neutral wäre. Jegliche moralische Qualität würde den Handlungen (allen Handlungen) stets nur von außen zugeschrieben werden, und alle Zuschreibungen wären "gleichwertig". Oder genauer: Sie wären gleichwertig, sofern der Zuschreibende nur sein subjektives Empfinden zum Ausdruck bringen möchte; ansonsten wären solche Zuschreibungen aber falsch, weil gegenstandslos.

(So wie dem Kaffee der gute oder schlechte Geschmack auch nur von außen zugeschrieben wird; der Kaffee "an sich" schmeckt weder gut noch schlecht. Man kann nur sagen, dass er einem selbst bzw. Dritten gut oder schlecht schmeckt.)

 

Solange du das alles aus der Perspektive der Moral betrachtest, kommst du zu diesem Urteil, aber das liegt an der Perspektive. Ethik ist noch mal eine andere Sache, denn Ethik ist ein akademisches Fach, das versucht, für Moral rationale Begründungen zu liefern. Da die Suche nach solchen Begründungen aber immer erst einmal Relativierung bedeutet, es aber bis heute nicht gelungen ist, Moral absolut zu begründen, kommst du so nicht weiter. 

 

vor 1 Stunde schrieb iskander:

Aber das ist nicht das, was wir mit moralischen Urteilen normalerweise ausdrücken. Wenn wir sagen, dass eine Handlung "gut" oder "schlecht" ist, dann meinen wir normalerweise, dass die Handlung tatsächlich gut oder schlecht ist, dass ihr selbst eine bestimmte moralische Qualität eigen ist. Wenn ich sage, dass es verwerflich ist, einen Menschen zum Spaß umzubringen, dann will ich damit nicht in erster Linie etwas darüber aussagen, was unsere (heutige) Gesellschaft für richtig hält, und ich möchte damit auch nicht allein sagen, dass ich das rein subjektiv als abstoßend empfinde, sondern dass es in der Tat verwerflich ist. Und zumindest im konkreten, realen Fall, mit dem sie konfrontiert sind, dürften die meisten Leute das ebenso halten - sonst wäre es zum Beispiel völlig sinnlos, irgendeiner Person moralische Vorwürfe zu machen, jemanden moralisch zu verurteilen, zu loben usw.

 

Die Ablehnung einer verbindlichen objektiven Moral läuft dann eben darauf hinaus, dass alle "gängigen" moralischen Urteile, mit denen wir einer Handlung eine sittliche Qualität zuschreiben, falsch weil gegenstandslos sind und erst dann richtig sein können, wenn sie so redefiniert werden, dass mit ihnen nur noch etwas über den eigenen Geschmack oder den einer Gesellschaft behauptet werden soll.

 

Das ist eine Perspektive, die wie gesagt viele Leute in der Theorie, weniger aber in der Praxis als annehmbar erachten.

 

Somit kommen wir zu etwas Grundsätzlicherem. Moral ist aus meiner Sicht ein Set von im Unterbewusstsein verankerten Handlungsnormen, erworben per Erziehung. Diese Handlungsnormen werden von unserem Gehirn vollkommen automatisch angewendet, und bestimmen unseren Wertungen in sozialen Fragen. Die Fähigkeit, ein solches Set von sozialen Handlungsnormen anzunehmen und zu benutzen, haben die Menschen im Laufe ihrer hunderttausende von Jahre langen Entwicklung erworben. Da diese unterbewußten Handlungsnormen automatisch funktionieren, haben wir in der Regel auch keine Distanz dazu. Moral funktioniert nur, weil die, die sie verwenden, sie für die einzig richtige und mögliche halten. 

 

Die Fähigkeit, eine Moral zu besitzen und für absolut zu halten, ist uns angeboren, eine bestimmte Moral dagegen nicht. Der Grund ist ganz einfach: Moral funktioniert nur dann, wenn sie einerseits ein relatives Beharrungsvermögen hat, sich notfalls aber auch neuen Bedingungen anpassen kann. Das hat Jahrhunderttausende gut funktioniert, solange die Menschen Gruppen gebildet haben, die nie größer waren als 50 bis 100 Personen. 

 

Mit der Seßhaftwerdung, und vor allem mit der Gründung von Städten, hörte das auf zu funktionieren. Dort kamen, vor allem aufgrund des Handels, Menschen mit ganz unterschiedlichen Moralen zusammen. Das war der Augenblick, in dem Gesetze erfunden wurden, Gesetze, die nicht mehr vorschrieben, was moralisch geboten, sondern klar aufschrieben, was verboten war. Seitdem ist es nicht mehr vorrangig von Bedeutung, wie man etwas moralisch beurteilt, sondern ob es gegen geltende Gesetze verstößt. (Und wie die zustanden kommen, ist noch einmal ein ganz anderes Thema).

 

Das heißt nicht, daß es keine Moral mehr gibt. Sie entwickelt sich meiner Ansicht nach in allen menschlichen Gesellschaften, die nur lange genug sozial hinreichend stabil sind. Nur ist es genau das, was seit mindesten 200 Jahren nicht mehr gilt, wenn nicht länger. Und so haben wir die paradoxe Situation, daß uns unser Gefühl sagt, daß alle Menschen eine Moral haben sollten (und zwar unsere eigene), wir daher auch felsenfest überzeugt sind, daß es nur eine "richtige, objektive" Moral geben kann, wir auch instinktiv jeden, der sich nicht nach unserer Moral verhält, für unmoralisch halten, wir aber, wie die ersten Stadtbürger in der Jungsteinzeit, gleichzeitig feststellen müssen, daß es in der Praxis nicht nur eine Moral gibt, sondern viele, und wir mit einer moralischen Beurteilung von Handlungen weder in der Gegenwart noch in der Vergangenheit wirklich weiterkommen.

 

Wenn wir es nicht schaffen, uns von unseren Instinkten zu distanzieren, daß es nur eine Moral geben kann, unsere eigene, dann bleibt uns nur die Wahl, alle Menschen, die anderen Handlungsnormen folgen, für unmoralisch zu halten, oder uns nach anderen Handlungsmaßstäben umsehen. 

 

Kleiner Nachtrag: da ich ahne, daß dich meine Darstellung nicht glücklich macht, soviel noch. Natürlich kann man die Ansicht vertreten, daß das Verhalten der Nazis "unmoralisch" war, nur was ist damit gewonnen? Die Nazis waren Verlierer, und daher hat sich, wenn auch erst nach Jahrzehnten, in Deutschland die Vorstellung durchgesetzt, sie seien "unmoralisch", "verwerflich" gewesen. Aber was hilft uns das? Die Stalinisten gehörten zu den Siegermächten des WWII. War ihr Verhalten also in Ordnung? In ihrem Lande sieht man das bis heute so, desgleichen die Maoisten in China. 

 

Was kritisieren wir also an den Nazis? Daß sie den Krieg verloren haben? Finden wir am Nazismus nichts anderes zu kritisieren als Moral? Moral ist ein Gefühl, und Gefühle helfen hier offensichtlich nicht weiter, besonders, wenn es Gefühle sind, die nur für kleine Menschengruppen gemacht sind, und uns eine absolute Geltung vorgaukeln, die sie in der Wirklichkeit nicht haben. Moral ist etwas Nützliches, wenn es um die Reglung unseres Verhaltens in kleinen, stabilen Gruppen, in unserer Nachbarschaft geht. In der Politik wie der Geschichte hat sie nichts zu suchen. 

 

 

bearbeitet von Marcellinus
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vor 11 Minuten schrieb Werner001:

Ein Naturrecht müsste wie die Gravitation eindeutig erkennbar und unabhängig von menschlichen Vorstellungen sein, aber so etwas existiert nicht

 

Das erinnert stark an bestimmte Erscheinungsformen religiösen Denkens. Was richtig ist, findet man nicht mühsam und irrtumsanfällig selbst heraus, sondern es wird einem unzweideutig präsentiert.

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vor 8 Minuten schrieb Merkur:

Das erinnert stark an bestimmte Erscheinungsformen religiösen Denkens. Was richtig ist, findet man nicht mühsam und irrtumsanfällig selbst heraus, sondern es wird einem unzweideutig präsentiert.

Was ich selber herausfinden und für mich als richtig annehme ist aber kein Naturrecht, sondern gesetztes Recht.

Aber wenn es dich glücklich macht, diese Art positives Recht „Naturrecht“ zu nennen, werde ich dich sicher nicht daran hindern.

Wir müssten uns dann allerdings zumindest soweit einig sein, dass Behauptungen des kirchlichen Lehramtes, dieses oder jenes entspräche oder widerspreche dem „Naturrecht“, weder mit meiner noch mit deiner Definition zusammenpassen

 

Werner

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vor 4 Minuten schrieb Werner001:

Was ich selber herausfinden und für mich als richtig annehme ist aber kein Naturrecht, sondern gesetztes Recht.

Den Zusammenhang verstehe ich nicht. Um bei deinem Beispiel von der Gravitation zu bleiben. Wäre die Gravitation (wenn sie ein Rechtssatz wäre) für Newton gesetztes Recht (weil er es selbst herausfinden mußte) und für die nachfolgenden Generationen Naturrecht (weil sie es nur zu übernehmen brauchen)?

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vor einer Stunde schrieb Werner001:

Wenn sie nicht völlig unabhängig von menschlichen moralischen Vorstellungen erkennbar ist, ist sie völlig wertlos,

 

Das "völlig" ist etwas heftig - was wäre mit einer bedingten Erkennbarkeit?

 

Zitat

Ein Naturrecht müsste wie die Gravitation eindeutig erkennbar und unabhängig von menschlichen Vorstellungen sein, aber so etwas existiert nicht

 

Oder zumindest grundsätzlich und mit einer gewissen Unabhängigkeit erkennbar. Und davon gehen viele Leute aus, und auch davon, dass es vernünftige Begründungen gibt, jedenfalls in einem gewissen Rahmen.

Wenn man denn zum Beispiel wie die amerikanische Unabhängigkeitsbewegung oder die französische Revolution davon ausgeht, dass es angemessen ist, allen Menschen aufgrund ihrer Vernunftbegabung die gleichen Rechte zuzubilligen (was seinerseits natürlich nicht unbedingt eine allgemein akzeptiere Selbstverständlichkeit ist), dann lässt sich m.E. durchaus schlüssig argumentieren, dass ein Widerspruch besteht, wenn dann zugleich manchen Menschen einfach aufgrund ihrer Hautfarbe fast alle Rechte abgesprochen werden.

Das manche Menschen diesen Widerspruch nicht erkennen, muss nicht unbedingt heißen, dass er nicht besteht oder schlichtweg unerkennbar wäre. Nicht alle Menschen müssen zu allen Zeiten und unter allen Bedingungen etwas erkennen, damit es grundsätzlich erkennbar ist. Deshalb würde ich annehmen, dass etwa die Abschaffung der Sklaverei nicht genauso "willkürlich" und "vernunftlos" ist wir ihre Einführung.

 

Oder nimm beispielsweise die Beschneidung der Frau. Aus der von Dir vertretenen Sichtweise ergibt sich nicht den geringste Grund, etwas gegen sie zu tun. Es gibt keinen vernünftigen Grund, wenn Menschenrechts-Organisationen sich bemühen, in den entsprechenden Ländern gegen sie einzutreten, so wenig wie es je einen vernünftigen Grund gab, etwas gegen die Apartheid zu tun. Zwischen moralischen Systemen, die entsprechende Zustände fördern und solchen, die sie bekämpfen, gibt es dann keinen Wertunterschied (und wenn es doch einen gäbe, wäre er nicht erkennbar). Es gibt höchstens einen Unterschied des subjektiven Geschmacks. Wie gesagt: Das kann man so sehen, muss man aber nicht.

 

 

@ Marcellinus

 

Bevor das jetzt zu einer sehr grundsätzlichen Diskussion kommt, möchte ich mich auf die Anmerkung beschränken, dass einerseits Fragen der Genese (historische Entstehung von moralischen Überzeugungen) und Geltung zu unterscheiden wären, zum zweiten, dass ich gar nicht groß für oder gegen eine verbindliche Moral argumentieren möchte, sondern einfach darauf hinweisen, dass bei fast allen Menschen die pragmatische Überzeugung besteht, dass es objektive moralische Normen gibt, auch wenn sie zur Toleranz neigen. Das unbeschadet der Tatsache, dass es eben inhaltlich zum Teil divergierende Ansichten gibt. Selbst wenn Menschen unterschiedliche Moral-Vorstellungen haben und diskutieren, gibt es meistens zumindest die Einigkeit, dass es moralische Normen gibt und eine womöglich die eine oder die andere Seite recht hat (oder dass die Wahrheit ganz woanders liegt).

 

Natürlich kann man auch von "Moral" sprechen, wenn Menschen sich einfach auf Regeln einigen, aber eigentlich ist das eine Äquivokation. Denn es lässt sich dann nicht sagen, dass es "moralisch verpflichtend" sei, diesen Regeln zu folgen. Wenn ein Raubmörder den gesellschaftlichen Regeln nicht folgt, tut er nichts "Böses". Man "darf" ihn natürlich dann trotzdem bestrafen, aber das liegt daran, dass man im Prinzip alles "darf", weil es keine Einschränkungen für das "dürfen" gibt. Die Gesellschaft "darf" dann auch einen Unschuldigen verurteilen, selbst wenn es gegen ihre eigenen Regeln ist, weil sie nicht "verpflichtet" ist, ihre eigenen Regeln ernst zu nehmen. Niemand ist überhaupt zu irgendetwas verpflichtet - man ist höchstes in der Praxis "gut beraten", gewissen Vorgaben zu folgen, oder diese zumindest nur dann zu brechen, wenn es keiner merkt. Der Raubmörder, der erwischt wird, handelt nicht "unmoralisch", es sei denn in einem völlig belanglosen Sinne, sondern bestenfalls ungeschickt.

 

Denn "Pflichten" bzw. "moralische Regeln" oder auch "Rechte" sind in so einem System einfach "Spielregeln" - nicht mehr und nicht weniger. Und das moralische Prinzip, dass man sich aus Gründen der Fairness an Spielregeln halten sollte, ist dann selbst nur eine weitere willkürliche Spielregel, weshalb diese Spielregeln eben niemals eine "echte" Verbindlichkeit haben können.

Und natürlich ist es dann erst recht sinnlos, Systeme moralisch zu vergleichen und etwa zu sagen, dass ein System moralischer als das andere wäre, oder dass die Rettung der Opfer des Nationalsozialismus "besser" sei als ihre Vernichtung. Man kann höchstens sagen: Mir gefällt das besser.

 

Deshalb auch "moralischer Nihilismus". Natürlich anerkennt auch der moralische Nihilismus, dass in Gesellschaften Konventionen herrschen können, aber das ist dann auch alles. Ob diese Sichtweise überzeugt, muss jeder für sich entscheiden.

 

Was den Umgang mit anderen moralischen Systemen angeht, so kann dieser je nach dem von Toleranz bis hin zur Intoleranz reichen. Das liegt an der Natur der Moral. Eine menschenrechtlich fundierte Moral etwa wird einiges, aber nicht schlichtweg alles tolerieren.

Lehnt man eine verbindliche Moral ab, dann muss man sich über solche Fragen im Prinzip keine "moralischen" Gedanken mehr machen, sondern kann tolerant oder intolerant sein, wie man es möchte. Eine moralische Verpflichtung, mit dem anderen und seinen Vorstellungen so und so umzugehen, existiert ja nicht. Man kann dem anderen dann auch nie ein "Unrecht" antun, denn ein solches gibt es ja nie (in einem relevanten Sinne).

bearbeitet von iskander
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vor 37 Minuten schrieb Werner001:

Wir müssten uns dann allerdings zumindest soweit einig sein, dass Behauptungen des kirchlichen Lehramtes, dieses oder jenes entspräche oder widerspreche dem „Naturrecht“, weder mit meiner noch mit deiner Definition zusammenpassen

 

Das kirchliche "Naturrecht" im Hinblick auf die Sexualität ist nichts weiter als der Versuch, in einer völlig untauglichen Weise aus der Biologie den Willen Gottes herzuleiten.

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Am 30.7.2021 um 07:20 schrieb Lothar1962:

Ich habe das mal gefettet. Natürlich wurde das 5. Gebot nicht geändert, aber die Morallehre wurde auf die ersten 40 bzw. 80 Tage nach der Empfängnis ausgedehnt, nicht aufgrund von theologischen Argumenten, sondern aufgrund von "lebenswissenschaftlichen" (Dein Wort) Argumenten. Die ja Deiner Meinung nichts mit dem Willen und den Geboten Gottes zu tun haben sollten.

 

Ja aber da wird eben kein Gebot abgeschafft oder geändert. Aus "Du sollst nicht morden" wird nicht auf einmal "Du sollst morden" oder "Du darfst ruhig morden". Das Gebot Gottes bleibt bestehen und ändert sich auch nicht durch "Lebenswissenschaften".

 

Am 30.7.2021 um 07:20 schrieb Lothar1962:

Seither nicht, aber vorher. Es gab irgendwann keine Empfängnisverhütung, nun gibt es sie. Humanae Vita hat sie in die Morallehre einbezogen, obwohl das vorher nicht der Fall war.

 

Ja klar, aber welche "neuen" Erkenntnisse der "Lebenswissenschaften" gibt es denn nun seit Humanae Vitae, die es erforderlich machen würden die Morallehre der Kirche in Bezug auf Empfängnisverhütung "weiterzuentwickeln" (Bischof Bode)?

 

Welche Ergebnisse der "Lebenswissenschaft" widersprechen dem, was Humnae Vitae und die Kirche seit Jahrzehnten dazu lehrt? Und in wie fern sollte deshalb die Lehre dazu "weiterentwickelt" werden?

 

Darum ging es doch.

 

Am 30.7.2021 um 07:20 schrieb Lothar1962:

Falls Du gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften meinst...

 

Nein das meine ich natürlich nicht. Wo verurteilt Gott gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften? Wenn eine Tochter mit ihrer Mutter in einer Lebensgemeinschaft lebt, ist daran nichts Sünde. Die Bibel selbst berichtet von solchen Gemeinschaften, z.B. Ruth und Noomi. Die Jünger Jesu lebten wie Brüder in einer gleichgeschlechtlichen Gemeinschaft. Wird das irgendwo in der Bibel verurteilt?

 

Bitte konkret bleiben. Es geht nicht um das gemeinsame Leben von Menschen des gleichen Geschlechts. Das war niemals und ist niemals Sünde. Darum geht es hier nicht.

 

Es geht darum, dass Menschen die natürliche Sexualität zwischen Mann und Frau ablehnen und in "entehrende", widernatürliche Begierde zum gleichen Geschlecht entbrennen, wie Paulus es in der Bibel schreibt. Dieses ist eine Folge der Auflehnung des Menschen gegen seinen Schöpfer, es ist schwere Sünde und Gott ein Gräuel. All dieses steht in der Bibel an mehreren Stellen im AT wie im NT.

 

Ich habe bisher kein wirkliches Argument dafür gehört, dass die klaren Aussagen der Bibel und die Lehre der Kirche seit 2000 Jahren heute auf einmal ihre Gültigkeit verlieren sollten.

 

Ausser eben, dass manche es einfach so wollen, weil es nicht mehr "modern" ist, also der heutigen, säkularen Welt angepasst und angebidert.

 

 

 

 

 

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vor 41 Minuten schrieb Guppy:

Ich habe bisher kein wirkliches Argument dafür gehört, dass die klaren Aussagen der Bibel und die Lehre der Kirche seit 2000 Jahren heute auf einmal ihre Gültigkeit verlieren sollten.

Erstens höst du Argumenten nicht zu und zweitens haben sich die angeblich klaren Aussagen der Lehre der Kirche in 2000 Jahren mehrfach gewandelt.

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Zum Nebenthema "Naturrecht" vielleicht noch diese Anmerkung:

 

Das Thema ist ähnlich "weltanschaulich" wie die Frage, ob es Gott gibt. Eine Diskussion wird vermutlich also zu nichts führen. Wenn man diese Frage nicht ohnehin in der Kategorie "Glaubensfrage" verbuchen möchte, wäre wohl eine sehr umfangreiche philosophische Analyse oder Diskussion erforderlich (und da müsste man dann vermutlich erst grundlegende Fragen der Art klären, was denn das menschliche Erkenntnisvermögen überhaupt zu erreichen vermag, wo seine Grenzen liegen, was das Verhältnis von Philosophie und unterschiedlichen Wissenschaften ist, welche gültigen Erkenntnisweisen es überhaupt gibt usw.).

Das heißt, dass diese Frage hier kaum im Sinne eines breiten Konsenses beantwortet werde wird, so wenig wie die nach der Existenz Gottes.

 

Was sich empirisch feststellen lässt ist, dass die allermeisten Menschen zumindest "faktisch" davon ausgehen, dass Handlungen eine sittliche Qualität haben (die mehr ist als eine Zuschreibung von außen).

Ebenfalls lässt sich feststellen, dass es oft unterschiedliche Vorstellungen darüber gibt, was denn nun moralisch erstrebenswert ist, abhängig von Zeit und Umständen. (Wenn man einmal davon absieht, dass oft einer bestimmten Klasse von Menschen einfach ihre Zugehörigkeit zur Gemeinschaft von Rechtsträgern in willkürlicher Weise einfach abgesprochen wurde/wird, scheint es allerdings auch Grundkonstanten zu geben, die ziemlich allgemein anerkannt sind.)

 

Aus all dem folgt m.E. weder eindeutig unmittelbar, dass es eine natürliche Moral gibt, noch dass es keine gibt; wir sprechen darüber, was die Menschen faktisch denken, und daraus folgt nicht, dass sie recht haben oder wer dort, wo es Divergenzen gibt recht hat.

 

Dass die meisten Leute davon ausgehen oder zumindest vermuten, dass ihre moralischen Überzeugungen richtig sind, ist allerdings naheliegend; eine Überzeugung zu haben, heißt die Überzeugung für wahr zu halten (und alle logisch damit unvereinbaren für falsch zu halten).

Ist man hingegen der Auffassung dass Handlungen an sich weder gut noch böse sind, so hält man dann eben diese Überzeugung für wahr (und alle inhaltlichen moralischen Überzeugungen, wie die meisten Menschen sie zumindest praktisch haben, für falsch).

Darüber hinaus gehe ich aber davon aus, dass nahezu alle Menschen ihre moralischen Vorstellungen, selbst wenn sie ihnen jede objektive Gültigkeit absprechen, dennoch "pragmatisch" irgendwie für sinnvoll und vernünftig halten - sonst hätten sie diese Vorstellungen nicht.

 

Für mich ist interessant, dass manche Menschen nicht einfach der Moral ihrer Zeit folgen, sondern diese (m.E. zum Teil überzeugend) infrage stellen - etwa die ersten Leute, die sich gegen den Mainstream ihrer damaligen Zeit für die Abschaffung der Sklaverei eingesetzt haben. (Es gibt aber natürlich auch "Negativ-Beispiele" für moralische Bewertungen, die vom allgemeinen Konsens abweichen.)

Das zeigt zumindest, dass Menschen nicht alle immer nur zwingend reproduzieren müssen, was ihnen ihre Zeit vorgibt, sondern sich auch selbständig mit ethischen Fragen auseinandersetzen können. Für die Frage der "Richtigkeit" ist damit allerdings nichts beweisen:

Man kann zum Beispiel die Abschaffung der Sklaverei als echten moralischen Fortschritt begreifen (die Menschen haben besser erkannt, was moralisch und was unmoralisch ist); oder natürlich kann man auch sagen, dass sowohl Anhänger wie Gegner der Sklaverei Unrecht hatten, wenn sie moralisch argumentiert haben, weil die Sklaverei in sich selbst weder einen sittlichen Wert noch einen sittlichen Unwert hat und letztlich nur eine Geschmacksfrage ist. Da wird man wie gesagt nicht weiterkommen.

 

Für die Praxis ist ohnehin weniger von Bedeutung, welche theoretischen Überzeugungen die Menschen im Hinblick auf "meta-ethische" Fragen haben, sondern welche Moral sie ganz "pragmatisch" akzeptieren.

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vor 9 Minuten schrieb iskander:

Was sich empirisch feststellen lässt ist, dass die allermeisten Menschen zumindest "faktisch" davon ausgehen, dass Handlungen eine sittliche Qualität haben (die mehr ist als eine Zuschreibung von außen).

Ebenfalls lässt sich feststellen, dass es oft unterschiedliche Vorstellungen darüber gibt, was denn nun moralisch erstrebenswert ist, abhängig von Zeit und Umständen.

Damit hast du es doch schon! Einerseits gehen die allermeisten Menschen davon aus, daß es eine verbindliche Moral gibt, andererseits läßt sie sich in der Praxis nicht nachweisen. Es spricht also viel dafür, daß es eine solche universelle Moral nicht gibt (denn sonst müßte sie ja überall zu sehen sein), und dafür gibt es auch einen guten Grund, nämlich das, was du "abhängig von Zeit und Umständen" nennst. Handlungsnormen einer Gesellschaft müssen sich an geänderte Umstände anpassen können, sonst hat die Gesellschaft, in der sie gelten, keine Überlebenschance.

 

Damit ist die Vorstellung, es gäbe trotzallem eine universelle, unwandelbare und ewig gültige Moral, eine schlichte Illusion, ein Wunschtraum. Und wie kommt es dazu? Auch ganz einfach: Moral ist nichts anderes als per Erziehung erworbenen und ins Unterbewusstsein abgesunkene Handlungsnormen. Sie funktionieren nur, wenn sie unmittelbar wirken, unmittelbar unsere Gefühle von Zustimmung oder Ablehnung auslösen. Damit aber haben wir keine Distanz mehr zu ihnen, erscheinen sie uns unveränderlich. Bis zu dem Augenblick, indem wir mit ihnen in Konflikt geraten. Auch das mag der eine oder andere von uns schon erlebt haben. Und auf einmal erscheint etwas nicht mehr so endgültig, wie wir bis zu dem Augenblick geglaubt haben. Bis sich eine neue Moral findet, und die Illusion geht von vorn los. ;)

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Kleiner Nachtrag: Naturrecht ist eine Weltanschauung, oder ein Teil davon. Festzustellen, daß das, was darunter bisher verstanden wird, nicht existiert, ist es nicht. 

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vor 2 Stunden schrieb rorro:

Wäre es möglich, dass es nicht in jedem Thread früher oder später um Sex geht?

In diesem Fall nicht. Das Naturrecht wäre nicht so unbeliebt, wenn die katholische Sexualmoral nicht damit begründet werden würde.

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Auch wenn es nicht zur Diskussion um das Naturrecht passt, stelle ich doch die Frage, ob jemand von euch schon Auswirkungen von "Traditionis custodes" in den Diözesen/Bistümern feststellen konnte.  

 

 

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vor 35 Minuten schrieb Merkur:
vor 3 Stunden schrieb rorro:

Wäre es möglich, dass es nicht in jedem Thread früher oder später um Sex geht?

In diesem Fall nicht. Das Naturrecht wäre nicht so unbeliebt, wenn die katholische Sexualmoral nicht damit begründet werden würde.

 

Eine wenig glaubwürdige Erklärung. Wer nicht katholisch ist, dem kann die katholische Sexualmoral egal sein, und das ist allein in unserem Land die überwiegende Mehrheit. (BTW selbst der Mehrzahl der Katholiken ist die katholische Sexualmoral egal, und das schon seit Jahrzehnten). 

 

Das Naturrecht ist eine philosophische Konstruktion zur Letztbegründung von Moral. »Der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir« (Immanuel Kant). Insofern ist es von Bedeutung, und das ist der Grund, es zu diskutieren. Nicht alles hat mit den zugegeben etwas merkwürdigen Vorstellungen der kath. Kirche von Sex zu tun. ;)

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vor 45 Minuten schrieb Merkur:

In diesem Fall nicht. Das Naturrecht wäre nicht so unbeliebt, wenn die katholische Sexualmoral nicht damit begründet werden würde.

 

Ging es hier nicht um die Alte Messe? 

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vor 12 Minuten schrieb Chrysologus:

Da scheitn jemand eine us-amerikanische Nationalkirche zu wollen klick - Einheit mir dem römischen Bsischof sieht anders aus.

Wahrscheinlich einer von denen, die die wilde Panik vor der deutschen Nationalkirche schüren..

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vor 20 Minuten schrieb laura:
vor 33 Minuten schrieb Chrysologus:

Da scheitn jemand eine us-amerikanische Nationalkirche zu wollen klick - Einheit mir dem römischen Bsischof sieht anders aus.

Wahrscheinlich einer von denen, die die wilde Panik vor der deutschen Nationalkirche schüren..

Natürlich - er mach tdas auch keienswegs, weil er sich selbst darstellen und gewissen Medien gefallen will.

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