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Russland und die Nato


Flo77

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2 hours ago, Mistah Kurtz said:

Ihr kommt schon wieder mit der moralischen Pauke. Maersheimer spricht nicht von Schuld, sondern davon, dass die Zuspitzung der Situation in der Ukraine - ich zitiere wörtlich "the West's Fault" ist. Das ist keine moralische Schuldzuweisung sondern im Sinne eines Fehlers, den der Westen in der Angelegenheit beging, zu verstehen.

ja logo, geschenkt. Dennoch bin ich für meine Fehler verantwortlich oder eben auch schuldig im moralischen, uu auch im strafrechtlichen Sinne. Die Ausführungen von Mearsheimer sind zumindest einseitig oder wie wir hier sagen - stark "biased". Kann mir vorstellen dass er mit amerikanischen Polikern und Diplomaten, deren Methoden und Entscheidungsfindungen stärker vertraut ist als mit russischen. Aber er schreibt im verlinkten Artikel so dass Putin wiederholt gewarnt hat, ignoriert wurde und am Schluss gar nicht anders konnte. Fehler findet er bei ihm keine. Dabei ist doch offensichtlich dass Putin beinahe jeden denkbaren Fehler gemacht hat, abgesehen von der Brutalität. Drohen statt Vertrauen schaffen. Feind unterschätzt. Eigene Power überschätzt. Und jetzt genau das kriegt was er vermeiden wollte, jene Menge Nato Militär an der Ostgrenze, Lenkwaffen, Bomber, was weiss ich alles noch. Internationale Isolation. Abhängigkeit von China. Und all das obwohl sich in Sachen Nato/Ukraine nichts tat und er dies wusste

 

2 hours ago, Mistah Kurtz said:

Ach ja, und was den finnisch-russischen Winterkrieg betrifft, auch da kann es nicht schaden mal die geschichtlichen Zusammenhänge auf Wikipedia durchzulesen. Dann geht das nicht so weit an dem vorbei, was damals geschah bzw zu diesem Krieg damals führte. Ich nehme an, dass zum Beispiel den wenigsten bewusst ist, dass der erste Akt dieses Konflikts von Finnland geschrieben wurde. Finnland begann 1918 in dem Versuch ein Großfinnland zu schaffen mit einem Angriffskrieg gegen die damalige russische Sowjetrepublik und versuchte das russische Karelien zu erobern. Bis in die 30er Jahre hinein geisterte der Gedanke eines Großfinnland durch die finnische Politik. Der Winterkrieg von 1939 war dann der 2. Akt, diesmal quasi als Antwort auf den ersten Akt von den Sowets als Angriffskrieg geschrieben.

ach da kann ich bis ins Jahr 1800 zurückgehen, als Finnland noch Teil von Schweden war. Das bringt uns auch nicht weiter. Darum mag ich auch diesen "Neo-Realismus" nicht. "Pacta sunt servanda" (xcuse my schullatein) sind unentbehrlich in jeder Zivilisation und sollten eben auch für Grossmächte gelten. Ansonsten gibts eine Watsche, was jetzt mit Russland ja passiert und was ich auch richtig finde. Aber meine Hauptsorge zz ist und bleibt die fehlenden Kontrollen über die Macht in Russland, die "checks and balances" die verhindern dass ein einzelner das ganze Land in eine Katastrophe führen kann.

bearbeitet von phyllis
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vor 6 Stunden schrieb phyllis:

Denn anderseits - wenn die Ukrainer nun irgend ein Friedensabkommen unterzeichnen, welchen Wert hat das schon wenn Putin wieder mal einen Anfall hat?

Eben, Putin hat sich für jegliche Art von Verhandlungen vollständig disqualifiziert. Es wäre absurd, ihm überhaupt noch irgendetwas zu glauben. Da geht nichts mehr.

 

Trotzdem liegt der Ball in seinem Spielfeld, sich einfach nur zurückzuziehen. Bei seinem Talent für absurde Darstellungen seines Tuns  sollte es ihm sogar gelingen, einen bedingungslosen Rückzug zu erklären. 

 

 

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vor 2 Stunden schrieb phyllis:

"Pacta sunt servanda" (xcuse my schullatein) 

 

🤔 So heißt es doch genau...

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vor 7 Stunden schrieb MartinO:

Ähm, sowohl Kanada als auch Mexiko haben Präsidenten bzw. Premiers, die wohl kaum Trumps Lieblingskandidaten waren (und zu seinen Zeiten gewählt wurden). Nur immer schön relativieren.

Du sagst also: Kanada oder Mexiko gehören aufgrund Differenzen zwischen deren Präsidenten und Trump (der nicht mehr im Amt ist) also den USA feindlich gesinnten Bündnissen an.

 

bearbeitet von bw83
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vor 39 Minuten schrieb bw83:

Du sagst also: Kanada oder Mexiko gehören aufgrund Differenzen zwischen deren Präsidenten und Trump (der nicht mehr im Amt ist) also den USA feindlich gesinnten Bündnissen an.

 

Welchem russlandfeindlichen Bündnis gehört die Ukraine an?

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vor 6 Stunden schrieb Thofrock:

Eben, Putin hat sich für jegliche Art von Verhandlungen vollständig disqualifiziert. Es wäre absurd, ihm überhaupt noch irgendetwas zu glauben. Da geht nichts mehr.

 

Trotzdem liegt der Ball in seinem Spielfeld, sich einfach nur zurückzuziehen. Bei seinem Talent für absurde Darstellungen seines Tuns  sollte es ihm sogar gelingen, einen bedingungslosen Rückzug zu erklären. 

 

 

Das ist ungefähr so unrealistisch wie, dass die Ukraine eine russische Herrschaft im gesamten Land anerkennen wurde.

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vor 9 Stunden schrieb bw83:

Ich finde die russischen Aktionen unter aller S... , aber sie waren erwartbar, wenn man die Augen nicht vor der bitteren Realität verschlossen hat.

Und der Ehrenmord an Aische war halt auch erwartbar, wenn man die Augen nicht vor der bitteren Realität verschlossen hat.

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vor 4 Minuten schrieb MartinO:

Welchem russlandfeindlichen Bündnis gehört die Ukraine an?

Es geht nicht um deine oder meine Wahrnehmung, sondern die von Russland. Die wird sich von unserer Wahrnehmung ebenso unterscheiden wie bspw. die chinesische Wahrnehmung.

 

Nun kann man, wie gestern gesagt, alles schlecht und falsch finden, was die Russen unter Putin da treiben oder man kann behaupten, es wäre Irrsinn, dass sich die Russen bedroht fühlen. Das ändert aber rein gar nichts an der russischen Wahrnehmung und den russischen Interessen und wenn man diese nicht berücksichtigt, dann kommt es unter hoher Wahrscheinlichkeit eben früher oder später zu großen Problemen - diese Wahrscheinlichkeit ist nun eingetreten.

 

Putin hat zigfach die russische Sicht öffentlich ggü. Politikern und Medien klargemacht. Das wurde nicht selten als Spinnerei oder gar als Vorwand abgetan, ernstgenommen aber meines Erachtens eher weniger. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass (Groß-) Mächte es in der Regel nicht einfach tatenlos und widerstandslos hinnehmen, von anderen (Groß-) Mächten in die Schranken gewiesen zu werden.

 

Man muss dabei auch Feinheiten beachten wie die Umstände, dass die Russen höchstwahrscheinlich (im Ggs. zu den USA) keine ausreichende Erkennung von Raketenabschüssen haben. Das spielt hier sicherlich auch mit hinein.

 

Es kann schon sein, dass die russische Vorgehensweise aus unserer Sicht eher 19. oder 20. Jahrhundert ist. Aber damit sollten ja nicht zuletzt die USA sehr gut umgehen können. Monroe-Doktrin lässt grüßen.

 

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vor 3 Minuten schrieb rince:

Und der Ehrenmord an Aische war halt auch erwartbar, wenn man die Augen nicht vor der bitteren Realität verschlossen hat.

Ein klasse Beitrag. Weiter so! Da können sich manche noch eine Scheibe von abschneiden!

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vor 26 Minuten schrieb bw83:

Es geht nicht um deine oder meine Wahrnehmung, sondern die von Deutschland. Die wird sich von unserer Wahrnehmung ebenso unterscheiden wie bspw. die chinesische Wahrnehmung.

 

Nun kann man, wie gestern gesagt, alles schlecht und falsch finden, was die Deutschen unter Hitler da treiben oder man kann behaupten, es wäre Irrsinn, dass sich die Deutschen bedroht fühlen. Das ändert aber rein gar nichts an der deutschen Wahrnehmung und den deutschen Interessen und wenn man diese nicht berücksichtigt, dann kommt es unter hoher Wahrscheinlichkeit eben früher oder später zu großen Problemen - diese Wahrscheinlichkeit ist nun eingetreten.

 

 Hitler hat zigfach die deutsche Sicht öffentlich ggü. Politikern und Medien klargemacht. Das wurde nicht selten als Spinnerei oder gar als Vorwand abgetan, ernstgenommen aber meines Erachtens eher weniger. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass (Groß-) Mächte es in der Regel nicht einfach tatenlos und widerstandslos hinnehmen, von anderen (Groß-) Mächten in die Schranken gewiesen zu werden

 

Es kann schon sein, dass die deutsche Vorgehensweise aus unserer Sicht eher 19.  Jahrhundert ist. Aber damit sollten ja nicht zuletzt die USA und Großbritannien sehr gut umgehen können. Monroe-Doktrin lässt grüßen.

 

Mitte September 1939...

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vor einer Stunde schrieb bw83:

Es geht nicht um deine oder meine Wahrnehmung, sondern die von Russland. Die wird sich von unserer Wahrnehmung ebenso unterscheiden wie bspw. die chinesische Wahrnehmung.

 

Nun kann man, wie gestern gesagt, alles schlecht und falsch finden, was die Russen unter Putin da treiben oder man kann behaupten, es wäre Irrsinn, dass sich die Russen bedroht fühlen. Das ändert aber rein gar nichts an der russischen Wahrnehmung und den russischen Interessen und wenn man diese nicht berücksichtigt, dann kommt es unter hoher Wahrscheinlichkeit eben früher oder später zu großen Problemen - diese Wahrscheinlichkeit ist nun eingetreten.

Wieso müssen wir eigentlich die Wahrnehmung der Russen berücksichtigen, während den Russen nicht zugemutet werden kann, unsere Wahrnehmung zu berücksichtigen?

 

Man könnte genauso gut sagen, dass der Ukrainekrieg nur ausgebrochen ist, weil Russland es nicht geschafft hat, der Wahrnehmung des Westens hinsichtlich seiner Interessen in Osteuropa genügend entgegenzukommen. Hätten sie berücksichtigt, wie die NATO ihre Interessen definiert, wären sie nicht einmarschiert.

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vor einer Stunde schrieb Aristippos:

Wieso müssen wir eigentlich die Wahrnehmung der Russen berücksichtigen, während den Russen nicht zugemutet werden kann, unsere Wahrnehmung zu berücksichtigen?

Weil die Vorstellung en vogue ist, dass „wir“ auf alles und jeden Rücksicht zu nehmen haben, aber nicht umgekehrt. So wie „wir“ allesamt Rassisten sind, und die anderen per se keine sein können. Und so weiter.

Das gute alte Herrenmenschentum halt, nur mit jetzt woker Dekoration.

 

Werner

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vor 1 Stunde schrieb Aristippos:

Wieso müssen wir eigentlich die Wahrnehmung der Russen berücksichtigen, während den Russen nicht zugemutet werden kann, unsere Wahrnehmung zu berücksichtigen?

Wahrscheinlich ist der Ivan (genau wie früher der Neger), im Gegensatz zu uns empathischen Super-Menschen, schlicht zu primitiv, so etwas zu machen.

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1 hour ago, Aristippos said:

Wieso müssen wir eigentlich die Wahrnehmung der Russen berücksichtigen, während den Russen nicht zugemutet werden kann, unsere Wahrnehmung zu berücksichtigen?

 

Man könnte genauso gut sagen, dass der Ukrainekrieg nur ausgebrochen ist, weil Russland es nicht geschafft hat, der Wahrnehmung des Westens hinsichtlich seiner Interessen in Osteuropa genügend entgegenzukommen. Hätten sie berücksichtigt, wie die NATO ihre Interessen definiert, wären sie nicht einmarschiert.

 

Das wurde in der Regel doch getan: in der Kuba-Krise haben die USA keinesfalls akzeptiert, dass Russland Nuklearraketen auf der Insel etabliert, egal, ob die Castro-Regierung als souverän galt.

Im Prinzip geht es hier letztlich um die These, ob in unserer Welt unipolar definiert werden kann, welche Souveränität zu akzeptieren ist, und welche nicht. 

Selbstverständlich war die ursprüngliche Idee des Völkerrecht nach Gründung der UN, dass die Souveränität aller Mitgliedsstaaten unbedingt zu respektieren ist, und das nur auf Grundlage eines Sicherheitsratsbeschlusses etwas anderes möglich ist.

Leider wurde dieses Prinzip im Kalten Krieg dann immer häufiger ignoriert, allerdings sowohl von westlicher als auch von östlicher Seite.

In so einer Situation wird das Völkerrecht dann durch die Realität geopolitischer Machtspiele ersetzt: jede Seite definiert Interessen und setzt sie, je nach Relevanz, auch aggressiv oder sogar mit militärischen Mitteln durch.

Solange es dabei die Realität verschiedener Herrschaftsformen, Bündnisse und Interessen gibt, muss die Diplomatie diese zur Grundlage nehmen, oder aber der Krieg wird quasi unvermeidlich als Element der politischen Konfliktregelung zurückkehren.

Nur ist Clausewitz Ideologie des 19.Jh. - die Schrecken der modernen Waffentechnik stürzen die Menschheit ohne Diplomatie sonst in eine Spirale der Eskalation, die alle vernichtet, nicht nur die jeweils Schwächeren.

bearbeitet von Shubashi
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vor 17 Stunden schrieb Mistah Kurtz:

 

Eigentlich mag ich solche Hick-Hacks nicht, aber in dem Fall muss ich mich doch, da ich es war, der John Mearsheimer ins Spiel bzw. ins Forum brachte, nochmals zu seiner Person zu Wort melden. Mearsheimer ist Politikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen. Damit ist schon gesagt, dass er als Wissenschaftler argumentiert. Was rorro über ihn schreibt, ist imo völlig daneben. Moral, und, noch weniger, moralisieren, haben in der wissenschaftlichen Betrachtungsweise keinen Raum. Mearsheimer beschreibt die Beziehungen von Gesellschaften und Staaten, einfach so, wie sie auf Basis des Blickwinkels der neorealitischen politikwissenschaftlichen Theorie funktionieren und ablaufen. Wenn rorro meint, Mearsheimer vertrete die Meinung, Rechte seien an Macht gebunden und "er schildert das so, als 'sei das ebenso' ohne die geringste Kritik daran", ja, dann muss ich sagen: das ist Wissenschaft. Wissenschaft moralisiert nicht, sondern beschreibt. Ich kritisiere in meiner Arbeit auch nicht rutschende Hänge, Felsstürze, Muren und Schlammlawinen. Ich beschreibe sie, arbeite an Maßnahmen, wie man sie verhindern oder schlimmeren Schäden vorbeugen kann.

 

Mearsheimer analysiert beispielsweise in seinen Arbeiten zum Agieren der Großmächte auf der Weltbühne, dass diese ständig getrieben werden die eigenen Hegemonialansprüche zu verteidigen oder gar auszubauen. Aus diesem Grund, meint er, sehen sich diese Mächte auch ständig gezwungen ihre militärische Schlagkraft zu erhalten, ja, auch auszubauen. Und aus diesem Grund wird eine Hegemonialmacht - wie es die USA derzeit exemplarisch sind, im südostpazifischen Raum ist natürlich vorrangig China zu nennen - auch stets danach streben, die eigenen Machtansprüche aggressiv zu vertreten, insbesondere gegenüber Mächten, die aktuell als schwächer gesehen werden, die aber möglicherweise in Zukunft mindestens regional zu einer Konkurrenz heranwachsen könnten. Mearsheimer geht es nicht um eine moralische Wertung eines solchen Verhaltens, er beschreibt es nur mit, könnte man sagen, klinischem Interesse. Weder propagiert er eine Welt, in der die Mächtigen die Ohnmächtigen niedertrampeln, noch ist er der Proponent von "frauenfeindlichen Weltbildern", in dem die Frauen selber schuld sind, wenn sie Opfer von Übergriffen wie "Vergewaltigung, Verstümmelung oder Femizid" werden. So etwas zu behaupten, ist absurd und bezeugt nur, dass man keine Ahnung von Mearsheimers wissenschaftlichem Œuvre hat. 

 

Mearsheimer ist Wissenschaftler, nicht Moraltheologe. Er überlässt es uns, wie wir die von ihm beschriebenen Phänomene bewerten. Er hat zum Beispiel eine sehr lesenswerte Arbeit verfasst mit dem Titel "Why Leaders Lie: The Truth About Lying in International Politics". Es ist schon lange her, dass ich das Buch gelesen habe, ich muss mich, wenn ich dazu jetzt etwas schreibe, auf mein Gedächtnis verlassen. Eine der bemerkenswertesten Aussagen in dem Buch ist, dass politische Führer untereinander bzw. zwischenstaatlich verhältnismäßig wenig lügen. Natürlich kommt auch das vor, es gibt genügend Beispiele dafür. Aber mehr noch als einander belügen sie uns, ihre eigenen Staatsbürger, die Leute, die sie wählen (im Falle von Demokratien) und die sie vertreten. Mearsheimer argumentiert mit vielen historischen Beispielen und Belegen, dass ausgerechnet demokratische Staatsführer ihre Bürger häufig belügen*, und zwar im speziellen, wenn es um unbequeme außenpolitische Entscheidungen geht. Tokin-Zwischenfall zu Zeiten von Lyndon B. Johnson, zu Zeiten von Bush sen. die Brutkasten-Lüge, unter Bush jun. die "bulletproof"-Evidenz, dass Osama bin Laden und Saddam Hussein miteinander in Bündnis stünden, der ebenso sichere Nachweis von Massenvernichtswaffen im Irak, unter Clinton, Schröder, Fischer und Scharping die Lügen vor dem Kriegseintritt der NATO und Deutschlands in den Jugoslawienkrieg usw. usf. Mearsheimer beschäftigt sich in dem Buch nicht um die moralische Dimension des Lügens, sondern wie diese Lügen als Instrumente der Außenpolitik genutzt werden. Er beschreibt, könnte man sagen, rutschende Hänge, Berge der Politik, die ins Tal stürzen, als Wissenschaftler nach Möglichkeit leidenschaftslos, distanziert, beobachtend und analysierend.

 

Das, liebe Freunde, nennt sich Wissenschaft. Wenn ihr diese Vorgänge moralisch bewerten wollt, aufgelöst in Tränen der Trauer, dann wendet euch an den heutigen Journalismus, der mittlerweile die Predigt von der Kanzel ersetzt. Aber lasst die Wissenschaft damit in Ruhe. Wir sind, wenn wir es vermögen, in unserer Arbeit notwendig so kaltblütig wie Reptilien. 

 

* In dem Zusammenhang: es gibt vom früheren Präsident der Europäischen Kommission, Jean Claude Juncker, einen sehr ehrlichen und erhellenden Ausspruch: "Wenn es ernst wird, muss man lügen."  Juncker hat diesen erstaunlich offenherzigen Satz 2011 bei einer Preisverleihung in der bayerischen Landesvertretung gesagt. Als Wissenschaftler bzw. - auf den Inhalt meines Postings bezogen - Politikwissenschaftler nimmt man diese Haltung als Faktum zur Kenntnis; darüber empören kann man sich privat.

 

 

Würde Mearsheimer bspw. in dem von mir verlinkten Interview nicht subjektiv(!) bewerten (bspw. wer für welche Entwicklung verantwortlich wäre), gäbe ich Dir Recht. Das er das aber explizit tut, hat er den deskriptiven wissenschaftlichen Teil verlassen.

 

Natürlich darf er bewerten, doch diese Bewertung halte ich bloß für daneben.

bearbeitet von rorro
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vor 1 Stunde schrieb Aristippos:

Wieso müssen wir eigentlich die Wahrnehmung der Russen berücksichtigen, während den Russen nicht zugemutet werden kann, unsere Wahrnehmung zu berücksichtigen?

 

Man könnte genauso gut sagen, dass der Ukrainekrieg nur ausgebrochen ist, weil Russland es nicht geschafft hat, der Wahrnehmung des Westens hinsichtlich seiner Interessen in Osteuropa genügend entgegenzukommen. Hätten sie berücksichtigt, wie die NATO ihre Interessen definiert, wären sie nicht einmarschiert.

Die Antwort ist doch einfach. Das, was du beschreibst, kann eines Kompromisses nicht ferner sein. Das ist das Problem. 

 

Im Grunde führt deine These, oder wie man es nennen mag, am Ende dazu, dass "der Westen" tun und lassen kann, was er möchte. Denn in deinem Beitrag ist nirgends etwas davon zu sehen, dass auch andere Entitäten Interessen haben könnten. Das ist eben realitätsfern.

 

"Der Westen" darf sich also ausbreiten, wie er möchte und der Rest hat das einfach so zu akzeptieren. Die Interessen "des Westens" zählen, andere Interessen zählen nichts.  Das ist die Quintessenz deines Beitrags. 


Warum sind die Interessen des Westens mehr wert als die der Russen?

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vor 2 Stunden schrieb bw83:

Ein klasse Beitrag. Weiter so! Da können sich manche noch eine Scheibe von abschneiden!

 

Kannst Du auch argumentativ darauf eingehen? rince beschreibt bloß, dass ein Hirn mit verachtenswerten Vorstellungen und einer Historie von Lügen kein Verständnis erwarten darf. Dafür nutzt er ein Beispiel.

Wenn Du das doof findest, dann kannst Du vielleicht erst einmal darlegen, warum dieses schlecht ist und/oder warum auf politischer Ebene solche Hirne anders zu bewerten sind.

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vor 4 Minuten schrieb rorro:

 

Kannst Du auch argumentativ darauf eingehen? rince beschreibt bloß, dass ein Hirn mit verachtenswerten Vorstellungen und einer Historie von Lügen kein Verständnis erwarten darf. Dafür nutzt er ein Beispiel.

Wenn Du das doof findest, dann kannst Du vielleicht erst einmal darlegen, warum dieses schlecht ist und/oder warum auf politischer Ebene solche Hirne anders zu bewerten sind.

Ich finde das doof, weil sein Niveau unter aller Kanone ist. Ich werde für Repliken auf Niveaulosigkeiten keine Zeit mehr verschwenden, sondern wenn überhaupt selbst nur sarkastischen, ironischen oder zynischen Blödsinn antworten. Das dürfte dann ja soweit passen.

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vor 31 Minuten schrieb Werner001:

Weil die Vorstellung en vogue ist, dass „wir“ auf alles und jeden Rücksicht zu nehmen haben, aber nicht umgekehrt. So wie „wir“ allesamt Rassisten sind, und die anderen per se keine sein können. Und so weiter.

Das gute alte Herrenmenschentum halt, nur mit jetzt woker Dekoration.

 

Werner

Schlichtweg falsch. Warum suhlst du dich im Opfer-Schlamm? Einfach mal die Sachlage umkehren?

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@phyllis @rince

Natürlich ist das eine Art Faustrecht, aber das Völkerrecht besitzt nun mal außerhalb des UN-Sicherheitsrates keine wirksam rechtsetzende Instanz.

Deshalb sind auch Vergleiche mit innerstaatlichem Recht sinnlos, es sei denn, man würde Libyen oder Somalia heranziehen.

Die Welt als ganzes ist leider immer noch auf dem Niveau eines „failed state“, in dem die reale Rechtsetzung an die Fähigkeit der tatsächlichen Machtausübung gebunden ist. West wie Ost haben in etlichen Fällen so einseitig ihre Interessen durchgesetzt, weswegen es lange dauern dürfte, eine allgemein akzeptierte gemeinsame Grundlage der Kooperation zu finden.

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vor 2 Minuten schrieb Shubashi:

@phyllis @rince

Natürlich ist das eine Art Faustrecht, aber das Völkerrecht besitzt nun mal außerhalb des UN-Sicherheitsrates keine wirksam rechtsetzende Instanz.

Deshalb sind auch Vergleiche mit innerstaatlichem Recht sinnlos, es sei denn, man würde Libyen oder Somalia heranziehen.

Die Welt als ganzes ist leider immer noch auf dem Niveau eines „failed state“, in dem die reale Rechtsetzung an die Fähigkeit der tatsächlichen Machtausübung gebunden ist. West wie Ost haben in etlichen Fällen so einseitig ihre Interessen durchgesetzt, weswegen es lange dauern dürfte, eine allgemein akzeptierte gemeinsame Grundlage der Kooperation zu finden.

 

Es fehlt schlicht eine weltweites Gewaltmonopol, und es ist auch nicht zu sehen, wie es entstehen sollte, ohne noch mehr Gewalt zu erzeugen als jetzt schon. Innerhalb der meisten Staaten ist Rechtsetzung übrigens auch in hohem Maße an tatsächliche Macht gebunden, wie man immer wieder mit Bedauern feststellen muß. Illusion der Gerechtigkeit. 

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42 minutes ago, Werner001 said:

Weil die Vorstellung en vogue ist, dass „wir“ auf alles und jeden Rücksicht zu nehmen haben, aber nicht umgekehrt. So wie „wir“ allesamt Rassisten sind, und die anderen per se keine sein können. Und so weiter.

Das gute alte Herrenmenschentum halt, nur mit jetzt woker Dekoration.

 

Werner

 

Ich denke, solche Überlegungen spielen bei geopolitischen Auseinandersetzungen kaum eine Rolle, allenfalls eine propagandistische.

Warum handelt die NATO z.B. gegenüber Russland nicht so wie gegenüber Serbien? Weil es unpopulär wäre oder weil Russland Atommacht ist?

Warum wurde Kim Jong Un von Mr Trump hofiert statt bombardiert?

Weil Mr Trump antiasiatischen Rassismus ablehnte oder weil Nordkorea Atomwaffen besitzt?

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vor 9 Minuten schrieb bw83:

Warum sind die Interessen des Westens mehr wert als die der Russen?

 

Die Interessen des Westens sind deswegen mehr wert, weil Russland -mehrfach gezeigt in den letzten Jahren - eine territoriale expansive Politik betreibt (Eroberung zur Ausdehnung des eigenen Territoriums), Menschenrechte zunehmend missachtet, offizielle Zensur betreibt, politische Gefangene anhäuft etc.

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vor 20 Minuten schrieb bw83:

Ich finde das doof, weil sein Niveau unter aller Kanone ist. Ich werde für Repliken auf Niveaulosigkeiten keine Zeit mehr verschwenden, sondern wenn überhaupt selbst nur sarkastischen, ironischen oder zynischen Blödsinn antworten. Das dürfte dann ja soweit passen.

 

Jeder ist für sein Ansehen selbst verantwortlich.

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vor 19 Minuten schrieb bw83:

Schlichtweg falsch. Warum suhlst du dich im Opfer-Schlamm? Einfach mal die Sachlage umkehren?

Nein, ich bin kein Opfer. Wir sind die Klugen. Die Klugen sind keine Opfer. Sie geben als Klügere immer nach. Die armen Opfer sind die, die immer Recht bekommen!

 

Werner

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