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Grundfunktion von Religion


Flo77

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Ich kriege die Postings aus dem Vatikan-Thread nicht als Eröffnungsposting herüberzitiert, aber die Frage, welche Funktion Religion tatsächlich erfüllt und wie weit man diesen Begriff fassen kann (muss?) finde ich eigentlich recht spannend.

 

Meiner Meinung nach kann man zwei Hauptfunktionen unterscheiden: anthropologisch-soziale und "transzendente".

 

Mit transzendenten Funktionen meine ich solche, wie z.B. das antike Prinzip des Do-ut-des oder die verschiedenen Vorstellungen von der Notwendigkeit der Erhaltung der Welt (Nahrung für die Sonne, etc.) oder auch die Erlösung durch Gott bzw. ein göttliches Prinzip. Diese Funktionen sind vom Inhalt der jeweiligen Religion gedacht und daher auch von Religion zu Religion sehr verschieden.

 

Die anthropologisch-sozialen Funktionen dagegen halte ich für sehr viel allgemeiner um nicht von anthropologischen Konstanten zu sprechen. Ihre originäre Funktion dürfte darin liegen einer Gesellschaft eine moralische Grundordnung und auch eine soziale Struktur zu geben. Die religiösen/weltanschaulichen Regeln, die Mythik, die gemeinsam vollzogenen Riten regeln über das gesetzte Recht hinaus den Umgang miteinander ebenso wie sie Gruppenidentität (ich weiß, ist völlig aus der Mode) stiften. Diese Funktionen sind universell, d.h. im Grunde unabhängig vom Inhalt der Religion bzw. im Inhalt der Religion extrahiert sich der "Common sense".

 

Interessant sind dann solche Konstellationen in denen sich der Common Sense von der Religion löst - bzw. in einer "Zivilreligion" aufgeht (oder wie es eine Lehrerin an der Schule meiner Kinder formulierte als die Diskussion aufkam ob unser Jüngster als Katholik in Ethik bleiben oder in den RU wechseln sollte: Die Inhalte sind gleich nur einmal mit und einmal ohne Gott).

In solchen Situationen erweisen sich Inhalte und Mythen auf einmal oft als sehr zäh. Die Kollision des Islam in den "integrierten" Migranten ist hierfür ein gutes Beispiel aber - sorry to say - auch der Synodale Weg.

bearbeitet von Flo77
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vor 1 Stunde schrieb Flo77:

Das sehen in den USA und auch beim HVD viele anders...

 

vor einer Stunde schrieb Marcellinus:

 

Ich weiß. Die haben ihre Religion eindeutig auf die falsche Art verloren. 

 

vor 57 Minuten schrieb Flo77:

Oder sie haben begriffen, daß "Religion" keineswegs etwas "Außerirdisches" ist.

 

vor 24 Minuten schrieb Marcellinus:

 

Oh, Religion ist etwas durch und durch "irdisches", auch wenn Religionen ständig etwas anderes behaupten. Aber darum geht es nicht. Kirchen dienen einem bestimmten Zweck. Sie sind, wie Max Weber so treffend sagte, Anstalten zur Verwaltung von Heilsgewißheiten. Atheistische Kirchen organisieren zu wollen, ist im besten Fall ein Hülle ohne Inhalt, ein Theaterspiel, im schlechtesten Fall der Versuch, eine vermeintlich säkulare Heilsgewissheit zu predigen. Das ist es übrigens genau, was man beim HVD beobachten kann. Allerdings denke ich, wir sind hier ein bißchen OT, aber wir können das gern in einem anderen Thread diskutieren. Wär zumindest mal ne Abwechslung. ;) 

 

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vor 1 Stunde schrieb Flo77:

aber die Frage, welche Funktion Religion tatsächlich erfüllt und wie weit man diesen Begriff fassen kann (muss?) finde ich eigentlich recht spannend.

 

Ist es auch! Vielleicht sollte man als erstes mit der Frage beginnen, ob wir uns auf eine gemeinsame Definition dessen einigen, was wir unter Religion verstehen. Zwei Dinge sind klar: Erstens gibt es so etwas wie Religionen. Zweitens gibt es (meines Wissens) keine allgemein verbindliche Definition von Religion. Je nachdem, wie jemand Religionen gegenüber eingestellt ist, dürfte die Definition unterschiedlich ausfallen.

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vor 4 Minuten schrieb Marcellinus:

 

Ist es auch! Vielleicht sollte man als erstes mit der Frage beginnen, ob wir uns auf eine gemeinsame Definition dessen einigen, was wir unter Religion verstehen. Zwei Dinge sind klar: Erstens gibt es so etwas wie Religionen. Zweitens gibt es (meines Wissens) keine allgemein verbindliche Definition von Religion. Je nachdem, wie jemand Religionen gegenüber eingestellt ist, dürfte die Definition unterschiedlich ausfallen.

Wenn man Religion als etwas mit unbedingtem "transzendentem" Bezug, d.h. Gott, Geist, göttliches Prinzip, Nirwana, etc. eingrenzt sicherlich.

 

Ich würde den Begriff sehr viel weiter fassen und jede Weltanschauung darunter nehmen, die aufgrund ihrer Verbreitung und ihrer Anhängerschaft geeignet ist, sowohl die anthropologisch-sozialen Funktionen zu übernehmen als auch ihren Anhängern eine "theoretische Rückanbindung" bzw. Rechtfertigung zu geben.

 

Martin Luther beschrieb "einen Gott haben" mit "sein Herz an etwas hängen". Dieses "Herz an etwas hängen" sehe ich nicht nur bei klassischen Religionen sondern auch an modernen Weltanschauungen, die auf "Gott" als Letztbegründung verzichten, dafür aber z.B. die Vernunft an seine Stelle setzen. Oder "das Klima" oder "die soziale Gerechtigkeit" oder was auch immer.

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Die Trennung zwischen anthropologisch-sozial und transzendent würde ich aufheben wollen, denn die Transzendenz, das Übersteigen oder Hinausreichen des Menschen über sich selbst mündet im ersten Aspekt im Sozialen. Da viele Menschen darin Erfüllung finden, zum Beispiel in der ehrenamtlichen Arbeit, holen wir die Transzendenz zu uns zurück. Uns zu übersteigen ist uns gegeben. Diese Übersteigung drückt sich für mich in Glaube, Liebe und Hoffnung aus.

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Die "Funktion" oder Absicht der von Jesus Christus gestifteten Kirche und damit der katholischen Religion ist die Rettung der Seelen. Das ist seit Stunde Null ihre vorzügliche Aufgabe und - wenn man vom instrumentellen Charakter der Kirche ausgeht - ihre eigentliche Funktion.

 

Alles andere, was sich im Laufe der Geschichte an Zusätzlichem darum oder über diese Funktion gelegt hat, mag schön und gut sein, es ist aber nicht die Kernfunktion. 

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vor 23 Minuten schrieb mysterium:

Die Trennung zwischen anthropologisch-sozial und transzendent würde ich aufheben wollen, denn die Transzendenz, das Übersteigen oder Hinausreichen des Menschen über sich selbst mündet im ersten Aspekt im Sozialen.

 

Damit würde unsere kleine Unterhaltung aber schon enden, bevor sie so richtig begonnen hat, denn daß es so etwas wie eine "Transzendenz" überhaupt gibt, ist durchaus Glaubenssache. 

 

vor 5 Minuten schrieb Studiosus:

Die "Funktion" oder Absicht der von Jesus Christus gestifteten Kirche und damit der katholischen Religion ist die Rettung der Seelen. Das ist seit Stunde Null ihre vorzügliche Aufgabe und - wenn man vom instrumentellen Charakter der Kirche ausgeht - ihre eigentliche Funktion.

 

Das Gleiche gilt für diese Position, denn es geht ja eben nicht um das Christentum allein, sondern um Religionen im allgemeinen. Sich über die "Rettung der Seelen" aus christlicher Sicht auszutauschen, dürfte es genügend andere Threads geben. 

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Wenn wir uns über Religionen verständigen wollen, ist die erste Tatsache, von der wir ausgehen müssen (wenn das Ganze überhaupt Sinn haben soll), daß es zwar viele Religionen gibt, jeder von uns aber höchsten einer angehört. Allen anderen Religionen stehen wir, ob Gläubige oder Nichtgläubige, als Außenstehende gegenüber. 

 

Diese Perspektive von Außenstehenden muß also die Grundlage der Betrachtungen sein, wenn man so will: als wenn es keine Götter gäbe, ein methodischer Naturalismus also (nicht zu verwechseln mit einem weltanschaulichen), was nicht zufällig auch die Position der positiven Wissenschaften ist. 

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vor 30 Minuten schrieb Marcellinus:

 

Damit würde unsere kleine Unterhaltung aber schon enden, bevor sie so richtig begonnen hat, denn daß es so etwas wie eine "Transzendenz" überhaupt gibt, ist durchaus Glaubenssache.

Das Problem, warum Diskussionen mit Dir in dieser Frage immer recht kurz sind, liegt denke ich, an der von Dir sehr knapp gefassten Definition von "Transzendenz". Du scheinst darunter ausschließlich göttliche - außerweltliche - Entitäten zu verstehen.

 

Auch diesen Begriff fasse ich sehr viel weiter, daß diese "Transzendenz" alles Nichtmaterielle umfasst, das zum Objekt einer wie auch immer gearteten Verehrung wird.

 

Das heißt auch "Werte", Gerechtigkeit, Liebe, Vernunft, Würde, Wert, etc. haben einen transzendenten im Sinne von "zu glaubenden" Charakter.

bearbeitet von Flo77
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vor 4 Minuten schrieb Flo77:

Das Problem, warum Diskussionen mit Dir in dieser Frage immer recht kurz sind, liegt an der von Dir sehr knapp gefassten Definition von "Transzendenz".

 

Zum Begriff "Transzendenz" zitiere ich mal Wiki: 

 

"Transzendenz beschreibt den Bezug auf einen Gegenstandsbereich, der jenseits möglicher Erfahrung bzw. vorfindbarer Wirklichkeit liegt. In Philosophie, Theologie und Religionswissenschaft wird damit auf ein metaphysisches Wesen des Wirklichen an sich selbst Bezug genommen, das sich in der philosophisch-theologischen Tradition mit dem Begriff eines göttlichen, unendlichen Grundes erfahrbarer, endlicher Wirklichkeit verbindet."

 

Entscheidend scheint mir der erste Satz! Transzendenz ist eben nicht identisch mit Nichtmateriell. Oder mit anderen Worten: Werte, Gefühle und Ideale sind genauso Teil dieser Welt wie ein Baum, ein Haus oder eine Katze. Das Gleiche gilt für Glaubensvorstellung. Sie sind ohne Zweifel empirische Tatsachen, die "Gegenstände" dieser Vorstellungen dagegen nicht. 

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Gerade eben schrieb Marcellinus:

 

Zum Begriff "Transzendenz" zitiere ich mal Wiki: 

 

"Transzendenz beschreibt den Bezug auf einen Gegenstandsbereich, der jenseits möglicher Erfahrung bzw. vorfindbarer Wirklichkeit liegt. In Philosophie, Theologie und Religionswissenschaft wird damit auf ein metaphysisches Wesen des Wirklichen an sich selbst Bezug genommen, das sich in der philosophisch-theologischen Tradition mit dem Begriff eines göttlichen, unendlichen Grundes erfahrbarer, endlicher Wirklichkeit verbindet."

 

Entscheidend scheint mir der erste Satz! Transzendenz ist eben nicht identisch mit Nichtmateriell. Oder mit anderen Worten: Werte, Gefühle und Ideale sind genauso Teil dieser Welt wie ein Baum, ein Haus oder eine Katze. Das Gleiche gilt für Glaubensvorstellung. Sie sind ohne Zweifel empirische Tatsachen, die "Gegenstände" dieser Vorstellungen dagegen nicht. 

Wiki in Ehren, aber Werte, Ideale, etc. (die Gefühle würde ich hier kategorisch ausklammern, da sie tatsächlich Realität sind) existieren nur, weil irgendjemand an sie glaubt oder es innerhalb der Gruppe eine Übereinkunft über ihre Existenz und ihr Wesen gibt. Daher können sowohl die Inhalte dieser Begriffe von Gemeinschaft zu Gemeinschaft unterschiedlich sein als sie auch gar nicht notwendigerweise in einer Gemeinschaft existieren müssen.

 

Gefühle wie gesagt sind ein Sonderfall, da sie eine Realität innerhalb der Psyche beschreiben und als Ausdruck unserer Bedürfnisse (auch diese sind Realität) zum Handeln führen und dadurch einen sichtbaren Ausdruck annehmen. Insofern ist die "Liebe" in meiner Aufstellung missverständlich, da dieser Begriff sowohl für das Gefühl als auch für das Konzept gleichermaßen verwendet wird.

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@Marcellinus

 

Ich gebe Dir recht, dass wirklich religiöse Funktionen im eigentlichen Sinne nicht das Thema sind. Zumindest wenn man die Frage des Threads gewissermaßen auf Soziologie und ein paar Phrasen nicht näher definierter "Transzendenz" herunter bricht. 

 

Wenn man Religion unter diesen Gesichtspunkten betrachtet, dann kommt man - jetzt doch vor meinem Hintergrund als Christ in Europa gesprochen - irgendwo bei einer Art altbackenem Josephinismus heraus: Religion müsse, damit der aufgeklärte und allmächtige Staat sie toleriert, einen gewissen Nutzen für die Gesamtgesellschaft haben. Die Priester sollen Schulen betreiben, Arme versorgen und staatstragend-konform sein. Solange sie das sind, kann geduldet werden, dass sie auf der Kanzel von so etwas Irrationalem wie Gott reden und ihren Kult durchführen. 

 

Das ist - es mag nicht verwundern - kein Ansatz den ich gut heiße. Wie ich im Übrigen keinen Missbrauch von Religion gut heiße, der nicht die Inhalte der Religion selbst zum Ziel hat, sondern die Hülse Religion verwendet, um andere Absichten zu fördern. Sei es, um einen gesellschaftlichen Kitt zu ersetzen, der heute fehlt oder in völkischer Absicht, weil Blut und Boden heute als Ideologie nicht mehr wohlgelitten ist (zurecht). Wenn Religion nicht mehr um der Religion willen betrieben wird, dann ist die Gefahr ihres Missbrauchs sehr hoch. 

bearbeitet von Studiosus
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Ich denke, wir müssen aufpassen, daß wir nicht das, was Religion nach Ansicht Einzelner sein sollte, mit dem verwechseln, was Religion ist. Mehr dazu morgen. Jetzt geht's erst mal ins Bett. ;)

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vor 7 Minuten schrieb Studiosus:

Religion müsse, damit der aufgeklärte und allmächtige Staat sie toleriert, einen gewissen Nutzen für die Gesamtgesellschaft haben.

Andersherum wird ein Schuh draus: Die Religion ist das, was dem Staat überhaupt erst seine Legitimation verleiht. Ohne gemeinsamen Glauben, gemeinsame Werte und gemeinsame Mythik ist nunmal kein Staat zu machen.

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vor 8 Minuten schrieb Flo77:

Andersherum wird ein Schuh draus: Die Religion ist das, was dem Staat überhaupt erst seine Legitimation verleiht. Ohne gemeinsamen Glauben, gemeinsame Werte und gemeinsame Mythik ist nunmal kein Staat zu machen.

 

Das ist die Grundannahme des Böckenförde-Diktums. Und das hat auch einiges für sich. Ob das gewisse Spielarten des aufgeklärten Absolutismus und heutige politische Wortgeber auch so sehen oder gesehen hätten, bleibt offen. 

 

Wenn ich nur in Deutschland und Deutschlands politischer Realität bleibe, dann frage ich mich, ob z. B. gemeinsamer Glaube noch ein staatstragender Faktor ist. Deutschland ist ohnedies seit dem späten 16. Jahrhundert keine Nation mit gemeinsamem Glauben im engeren Sinne mehr. Wie weniger noch in unserer Zeit. Was wäre da der gemeinsame Glaube? Der Glaube der Mehrheit? Das wäre mittlerweile nach statistischen Erhebung der Nichtglaube oder die Konfessionslosigkeit. 

 

Bei gemeinsamen Werten würden wohl auch die Nichtgläubigen mitgehen, nur dass diese sich wahrscheinlich dagegen verwahren, dass Werte und Religion eine Einheit darstellen. Werte gibt es, wie man nicht müde wird zu betonen, ja auch (oder vielleicht sogar besser) ohne religiösen Überbau. 

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1 hour ago, Studiosus said:

Wenn man Religion unter diesen Gesichtspunkten betrachtet, dann kommt man - jetzt doch vor meinem Hintergrund als Christ in Europa gesprochen - irgendwo bei einer Art altbackenem Josephinismus heraus: Religion müsse, damit der aufgeklärte und allmächtige Staat sie toleriert, einen gewissen Nutzen für die Gesamtgesellschaft haben. Die Priester sollen Schulen betreiben, Arme versorgen und staatstragend-konform sein. Solange sie das sind, kann geduldet werden, dass sie auf der Kanzel von so etwas Irrationalem wie Gott reden und ihren Kult durchführen.

"Alles für das Volk; nichts durch das Volk". Es widerstrebt mir zwar es zuzugeben aber ich wäre längst ein Fan davon wenn ich nicht wüsste dass es regelmässig schief geht. Und es ehrt dich natürlich wenn du das nicht gutheisst.

 

Die Frage nach der Grundfunktion von Religionen ist mmn in einem Wort beantwortet. Gehorsam. Nix ist wichtiger als das. Wer nicht spurt, wird gehenkt, verbrannt, geköpft, gesteinigt, exkommuniziert oder der wahre Glauben abgesprochen. Die Sanktion  hängt lediglich von der Machtstellung der jeweiligen Religion ab.

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vor 8 Stunden schrieb Studiosus:

Die "Funktion" oder Absicht der von Jesus Christus gestifteten Kirche und damit der katholischen Religion ist die Rettung der Seelen. Das ist seit Stunde Null ihre vorzügliche Aufgabe und - wenn man vom instrumentellen Charakter der Kirche ausgeht - ihre eigentliche Funktion.

 

Alles andere, was sich im Laufe der Geschichte an Zusätzlichem darum oder über diese Funktion gelegt hat, mag schön und gut sein, es ist aber nicht die Kernfunktion. 


Und in der Hinsicht: Religion ist die Suche des Menschen nach Gott, eine Bewegung vom Menschen zu Gott hin, durch Halten bestimmter Gebote und Regelwerke, mit der die menschliche Gemeinschaft gleichsam reguliert wird. Im Christentum ist die Transzendenz in und durch Christus in unsere Welt hineingebrochen, die Begegnung mit Gott ist nichts Jenseitiges mehr, sondern in unserer Welt möglich. 

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vor 5 Stunden schrieb phyllis:

Wer nicht spurt, wird gehenkt, verbrannt, geköpft, gesteinigt, exkommuniziert oder der wahre Glauben abgesprochen.


Das ist natürlich unangemessen verzerrt. Eine Exkommunikation wird nur festgestellt; dass jemand sich außerhalb der Gemeinschaft gestellt hat (Ex Communio). Es ist eine objektive Feststellung einer subjektiven Entscheidung. Wenn Du aus einer WG ausziehst, bist Du auch Ex Communio, Schuld daran ist aber nicht derjenige, der feststellt, dass Du ausgezogen bist. Im Christlichen ist Glaube immer etwas, das in Gemeinschaft vollzogen wird, ein „Wir“: wir glauben an die eine, heilige, apostolische und katholische Kirche, Glaube an die Eine Kirche, Glaube an die Heiligkeit der Kirche, Glaube an die Apostolizität der Kirche und Glaube an die Katholizität der Kirche. Das alles wird im Wir glauben bekannt. Wenn nun jemand sagt ich glaube aber anders, hat er die Communio, die Gemeinschaft verlassen.

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vor 9 Stunden schrieb Studiosus:

Wenn ich nur in Deutschland und Deutschlands politischer Realität bleibe, dann frage ich mich, ob z. B. gemeinsamer Glaube noch ein staatstragender Faktor ist.

Ja und Nein.

 

Der Glaube an die Verfassung als quasi-göttliche Offenbarung eint die Nation zumindest formal, aber im Prinzip hast Du recht damit, daß es "die eine" deutsche Identität nicht mehr gibt. Und diese vielbeschworene Vielfalt betrachte ich tatsächlich als Stabilitätsrisiko. Es ist in keinem Land der Welt bisher gelungen eine "bunte Mischung" zusammenzuhalten.

 

Und dazu kommt noch etwas anderes: wir hier sind gewohnt, daß die Verfassung sprich die weltliche Ordnung unsere christlich-humanistischen Werte - aber das funktioniert immer weniger. Unsere Verfassung ist nicht vom Himmel gefallen, sie kann durch interessierte Mehrheiten selbstverständlich geändert werden und sie wird ja schon jetzt nicht mehr durch die traditionelle Brille gelesen, sondern durch eine "moderne".

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Eine Definition von Religion haben wir also noch immer nicht. Aber vielleicht sollte das auch nicht verwundern. Als etwas, das sich historisch entwickelt hat, entzieht es sich jeder absoluten Definition. Ich will trotzdem mal einen Versuch machen.

 

Menschen sind stammesbildende und geschichtenerzählende Primaten. Die Geschichten, auf denen unsere Stämme beruhen, bezeichnen wir als Weltanschauungen, und die Religionen sind ein Teil davon. Am nächsten kommt man der Sache wohl, wenn man unter Religion den Glauben an übernatürliche Akteuere versteht, von denen die Menschen sich Hilfe, Schutz und nicht zuletzt Welterklärung erwarten.

 

Ich weiß, daß ich damit Weltanschauungen wie den Kommunismus oder den Buddhismus aus dem erlauchten Kreis der Religionen ausschließe, aber ich denke, es hat mehr Vor- als Nachteile.

 

Wenn man die Religionen, die es gegeben hat oder noch gibt, als soziale Systeme versteht und aus großer historischer Distanz betrachtet, wie das zB der Historiker Yuval Harari tut, dann kann man allgemein sagen, daß Religionen aus zwei Aspekten bestehen:

 

1. dem Glauben an übernatürliche Akteure (meistens eine Art Eltern-Gestalten), von denen die Menschen sich Hilfe, und Schutz versprechen, und die der Welt Struktur und Ordnung geben.

 

2. Normen, Wertvorstellungen und Handlungsanweisungen für die Menschen und ihre Gesellschaften, die aus diese Ordnung und aus dem Willen und den Absichten und Zielen der übernatürlichen Akteure bindend folgen.

 

Dieses Muster finden wir in den allermeisten polytheistischen und monotheistische Kulte. Der Buddhismus macht in sofern eine Ausnahme, weil er eigentlich als Philosophie begonnen hat, in der Götter ebenso erlösungsbedürftig sind wie die Menschen, in dem allerdings mittlerweile Buddha und die verschiedenen Bodhisattvas zu übernatürlichen Helfern der Menschen aus dem Kreislauf der Wiedergeburten geworden sind, Göttern nicht unähnlich.

 

Dem Kommunismus fehlt dagegen dieses Element des oder der übernatürlichen Akteure. Seine Ordnung ist abstrakt, Naturgesetzen nicht unähnlich, und fällt für mich damit eher unter die Kategorie der politischen Ideologien.

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Wenn die folgenden 2 Aussagen hinreichend definieren, was wir unter Religion verstehen (und bisher hat mir keiner widersprochen):

 

Erstens der Glaube an übernatürliche Akteure, von denen die Menschen sich Hilfe und Schutz versprechen, und die der Welt eine Ordnung geben, und

zweitens Normen und Werte, die aus dieser Ordnung und aus Willen, Absichten und Zielen dieser übernatürlichen Akteure zwingend folgen,

 

dann haben wir damit auch eine Erklärung für den zunehmenden Bedeutungsverlust der beiden, ehemals großen christlichen Konfessionen in westlichen Gesellschaften:

 

Die Menschen versprechen sich Hilfe zunehmend von Naturwissenschaft, Medizin und Technik, und allgemeinen Schutz gegen die Unbilden des Lebens vom Staat. Es gibt Krankenversicherungen, Arbeitslosenversicherungen, sogar Lebensversicherungen, und auch wenn letztere uns nicht das Leben garantieren können, so doch das wirtschaftliche Überleben unserer Angehörigen.

 

Und selbst gegen die Unwägbarkeiten von Naturkatastrophen helfen eben technische Frühwarnsysteme sicherer als Gebete, eine Erfahrung die die Menschen schon angesichts des großen Erdbebens von Lissabon 1755 machten (damals leider noch ohne technische Hilfe), was die erste große geistige Säkularisierungswelle der Neuzeit auslöste.

 

Weil das Vertrauen in Hilfe und Schutz durch Götter letzthin erheblich nachgelassen hat, die Menschen auf der Suche nach Erklärung und damit Ordnung dieser Welt eher bei den Naturwissenschaften als bei der Theologie fündig werden, haben auch religiöse Normen an Einfluß verloren. Paradigmatisch dafür ist Paulchens Pillenenzyklika, die selbst bei gläubigen Kirchenmitgliedern vor allem Kopfschütteln hervorgerufen hat. Selbst konservative Christen tolerieren längst lieber unverheiratetes Zusammenleben ihrer Sprößlinge als allzu frühe Heirat.

 

Diese beiden Punkte, der geschwundene Glaube, der christliche Gott sei irgendeine Hilfe, daraus folgend der Zweifel an der von den Kirchen gepredigten Vorstellung von der Ordnung dieser Welt und den Werten, denen man für ein gelungenes Leben zu folgen hätte, das sind aus meiner Sicht die eigentlichen Gründe für den Bedeutungsverlust der christlichen Kirchen in der westlichen Welt.

 

Damit ist auch klar, worum es im Synodalen Weg der kath. Kirche geht. Nicht um einen Rückgewinn an Bedeutung dieser Kirche - denn weder geht es überhaupt um die Frage, wie und ob der christliche Gott wieder von mehr Menschen als Hilfe empfunden werden könnte (den meisten Außenstehenden ist diese innerkirchliche Veranstaltung schlicht egal), noch um die Gültigkeit katholischer Normen, denn die Beteiligten sind sich ja nicht einmal darüber einig, was das ist - sondern ausschließlich um die Machtverteilung innerhalb der Kirche, streng genommen also nur um die Frage, wie der immer kleiner werdenden Kuchen unter den Hauptamtlichen verteilt wird.

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Am 9.3.2023 um 23:15 schrieb Marcellinus:

Damit ist auch klar, worum es im Synodalen Weg der kath. Kirche geht. Nicht um einen Rückgewinn an Bedeutung dieser Kirche - denn weder geht es überhaupt um die Frage, wie und ob der christliche Gott wieder von mehr Menschen als Hilfe empfunden werden könnte (den meisten Außenstehenden ist diese innerkirchliche Veranstaltung schlicht egal), noch um die Gültigkeit katholischer Normen, denn die Beteiligten sind sich ja nicht einmal darüber einig, was das ist - sondern ausschließlich um die Machtverteilung innerhalb der Kirche, streng genommen also nur um die Frage, wie der immer kleiner werdenden Kuchen unter den Hauptamtlichen verteilt wird.

 

Wäre es nicht auch möglich, dass manche Leute die derzeitige Situation aus echter und ethisch motivierter Überzeugung für problematisch halten und glauben, dass Veränderungen eher dem Willen Gottes entsprechen und dem Menschen besser gerecht werden als die jetzige Situation?

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vor 38 Minuten schrieb iskander:

Wäre es nicht auch möglich, dass manche Leute die derzeitige Situation aus echter und ethisch motivierter Überzeugung für problematisch halten und glauben, dass Veränderungen eher dem Willen Gottes entsprechen und dem Menschen besser gerecht werden als die jetzige Situation?

 

Oh, edle Motive gibt es im Dutzend billiger!

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vor 3 Minuten schrieb Marcellinus:

 

Oh, edle Motive gibt es im Dutzend billiger!

 

Ich sehe das ein wenig anders als Du (dass ich nichts vom Synodalen Weg halte, dürfte bekannt sein): Ich sehe darin weniger einen Konflikt um "Macht", sondern ich denke hier nehmen einfach die Laien ihre Chance wahr, eine Kirche die an verschiedenen Fronten kämpft und geschwächt ist (Stichwort Mißbrauch, Skandale etc.) so umzubauen, dass sie darin bequem leben können. Deshalb räumen sie auch alles ab, was am katholischen Glauben irgendwie störend oder herausfordernd sein könnte. Mittelbar hat das tatsächlich auch mit Macht zu tun. Erst wenn auch die Laien mitreden dürfen und nicht mehr der Episkopat in der Hauptsache bestimmt, wird die laikale Vision von Kirche realistisch. 

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vor 39 Minuten schrieb Studiosus:

 

Ich sehe das ein wenig anders als Du (dass ich nichts vom Synodalen Weg halte, dürfte bekannt sein): Ich sehe darin weniger einen Konflikt um "Macht", sondern ich denke hier nehmen einfach die Laien ihre Chance wahr, eine Kirche die an verschiedenen Fronten kämpft und geschwächt ist (Stichwort Mißbrauch, Skandale etc.) so umzubauen, dass sie darin bequem leben können. Deshalb räumen sie auch alles ab, was am katholischen Glauben irgendwie störend oder herausfordernd sein könnte. Mittelbar hat das tatsächlich auch mit Macht zu tun. Erst wenn auch die Laien mitreden dürfen und nicht mehr der Episkopat in der Hauptsache bestimmt, wird die laikale Vision von Kirche realistisch. 

Nun: Dein Kommentar hat mit "Grundfunktion von Religion" nichts zu tun. Du verfestigst hier nur die Sicht, was katholisch ist, katholisch zu sein hat und nicht verändert werden dürfe.

 

Religiöse sehen hinter ihrem Verständnis, nicht handelnde Menschen als Ursache einer Religion, sondern einen in Raum und Zeit hineinwirkenden Gott. Damit meinen sie einen Gott,  der von außen kommend, in Raum und Zeit hinein geredet und der Gesetze erlassen haben soll. Gesetze, die für Bundesgenossen verbindlich gehalten werden müssen.

1. Mose 17 ist für dieses angebliche Hineinwirken Gottes typisch. Nach der Legende war hier nicht Abraham der Wirkende.

Und hier ist dann auch meine Kritik an der Abraham-Legende: Psychisch kranke Menschen, die Stimmen hören und auch optische Erfahrungen machen, erleben das ähnlich wie Abraham. Für Religiöse ist das natürlich ein Sakrileg Abraham, Moses, Jesus, Mohammed, Joseph Smith usw. auf die Stufe von psychopathologisch erkrankten Menschen zu stellen. Ihr ganzes Selbstverständnis würde zusammenbrechen, wenn sie hinter der Religion nur noch psychopathologisches Wirken durch charismatische Menschen  sehen würden.

Doch: Die Grundfunktion der Religion ist unbewusstes oder bewusstes Verführen von Menschen.

Charismatische Führer, die keine psychopathologische  Grundkenntnisse hatten, fühlten sich von einer von außen kommenden Macht geleitet. Bei Moses und Jesus kamen dann noch Magier-Fähigkeiten dazu. Typisch in den Moses Legenden, wo Moses seinen Stab auf die Erde warf und daraus eine Schlange wurde, die die Schlangen der ägyptischen Magier gefressen hat. Oder bei Jesus, der wie der Magier Dynamo über das Wasser gewandelt sein soll.

Solche Magier-Tricks machten damals wie heute Eindruck. Mit einem Gott oder Teufel haben sie nichts zu tun.

 

Ich sehe das alles natürlich total falsch. 😁

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