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Die Krise der Kirche ist eine Krise der Theologie ist ...


nannyogg57

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vor 46 Minuten schrieb Flo77:

Davon mal ab, daß ich - wenig überraschend - zu 2. tendiere, wäre zum einen interessant welches Du für die wahrscheinlichste These hältst und was ich allerdings noch interessanterer finde die Frage wie sich die unvermischten Naturen in der hypostatischen Union gegenseitig beeinflusst haben und ob der Mensch Jesus eine Erinnerung an seine Existenz als Logos hatte.

 

Das war auch mehr oder weniger der Aufhänger meines Posts. Das finde ich nämlich auch sehr interessant und auch relevant, denn es bestimmt mitunter auch darüber, wie wir von Jesus denken. 

 

Ich nehme hier zwei Extreme wahr, die sich auf je einen Aspekt der Zwei-Naturen-Lehre stützen:

 

Die eine Richtung bezieht sich vor allem auf das "wahrer Mensch" des Chalcedonense. In deren Sicht - man korrigiere mich, ich bin kein Anhänger dieser Sichtweise - scheint mir Jesus wenig mehr als ein Mensch zu sein. Ein auf besondere Weise begnadeter Mensch, ja, aber ansonsten "in allem uns gleich, denn der Sünde". Um es etwas flapsig auszudrücken: Dieser Jesus konnte nichts Besonderes, zumindest nichts Menschenunmögliches (ehe er von Gott aus dem Tod erweckt wurde). Er dürfte also, wovon wir oft schon geredet haben, nicht die Gesetze der Natur durchbrechen. Die Wunder wären hier auch problematisch, ebenso wie etwa die Voraussagen seiner Passion oder der Zerstörung des Jerusalemer Temples (die muss man dann anders erklären und tut das in der modernen Exegese auch). 

 

Die andere Deutung akzentuiert vor allem die wahre Gottheit Jesu. Hier besteht natürlich die Gefahr in andere Irrtümer abzugleiten. Dieser Jesus wäre auch nur insofern Mensch als ein Gott Mensch sein kann, der sozusagen im Gewand menschlicher Erscheinung - sei es ein Leib aus Fleisch oder ein Scheinleib - ein menschliches Wesen nachahmt. Mit diesem auf Erden wandelnden Gottessohn lassen sich allerdings die Zeugnisse der Schrift über Wunder, göttliche Vollmacht und Voraussagungen leichter in Einklang bringen. Dieser Jesus kann gewissermaßen alles - nur tut er nicht alles, um sein Inkognito nicht hochgehen zu lassen. Das trifft vor allem auf die Evangelien der Synoptiker zu. Bei Johannes tritt Jesus recht "selbstbewusst", will sagen: wissend um sein Wesen und seine Sendung, auf. 

 

Was zu dem Punkt führt: Was wusste Jesus während seines Erdenwandels? Was wusste er über sich, über Gott, die Heilsgeschichte, die Zukunft? Hatte er tiefere Einsichten als ein "normaler Mensch"?

 

Ich kann das am ehesten - aber nicht ausführlich, dazu fehlt mir das Material - mit dem Ansatz der Scholastik beantworten, die jenseits der oben skizzierten Extreme ein Modell vorgelegt hat, wie sich göttliche und menschliche Natur in der Person Jesu Christi zueinander verhalten. In der Kurzfassung kann man sagen, dass diese Theologen (nicht auf eine bestimmte Schule beschränkt) davon ausgehen, dass Jesus sowohl die Fakultäten seiner menschlichen als auch seiner göttlichen Natur nutzen konnte. Damit suchen sie den Ausgleich zwischen einer reinen Vermenschlichung und einer absoluten Vergöttlichung. Und damit lassen sich auch gewisse Punkte (siehe oben) erklären. Man spricht da teilweise auch von der sog. idiomatischen Kommunikation (communicatio idiomatum), also dem Wechselverhältnis der Gottheit und Menschheit Jesus. 

 

Das führte jetzt alles etwas weit und übersteigt meine Kompetenz. Als Lesetipp könnte ich die sieben Quästionen des Hl. Bonaventura über das Wissen Christi empfehlen, das genau diese Fragen ausführlich behandelt. Die sind vor nicht allzu langer Zeit in deutscher Übersetzung erschienen. 

 

Kurzum: Wenn man der Linie der Scholastik folgt, dann wusste Jesus tatsächlich, wer er ist bzw. dass er der vom Vater vor aller Zeit gezeugte Sohn, das ewige Wort, der Logos ist. Und dann wird auch eine Amnesie infolge der Inkarnation unwahrscheinlicher, die ihn alle bisherigen Ereignisse der Heilsgeschichte vergessen ließ. Daher neige ich persönlich aus meiner Aufzählung auch am meisten Punkt 4 zu. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 2 Minuten schrieb phyllis:

Also in der theologischen Bestseller-Liste bei Amazon taucht er nirgends auf, im Gegensatz zu Bonhoeffer und Karl Barth. Man kann das natürlich abwinken und sagen das habe mit der Qualifikation der Autors und der Qualität seines Buches nix zu tun. Was auch stimmt. Aber wie die Liste eben zeigt - wer Antworten zu Sinnesfragen des Lebens heute auf religiösen Kanälen sucht der bestellt nicht bei Ratzinger.

 

Aber eigentlich provozierte mich ja bloss das "an den Lippen hängen" (Zitat von dir) zu einer Antwort. Das ist so typisch für Sekten. Vllt hast du es aber nicht so gemeint. Da wäre eine Erklärung dienlich.

 

Zu deinem letzten Post - Punkt 2 ist mmn der einzige plausible.

Was findest Du an Punkt 2 gut? "2. Es handelt sich bei diesen Stellen um keine auf den historischen Jesus zurückgehenden Logien. Die Autoren der Evangelien lassen Jesus das sagen. Zur Wahrnehmung der Autoren bzgl. Abraham und Moses siehe Punkt 1."

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vor 1 Stunde schrieb Flo77:
vor 2 Stunden schrieb Die Angelika:

 

 Verstehe ich dich richtig?

Wenn ein alttestamentlicher Schreiber sagt, dass kriegerisches Morden von Gott so gewollt war, dann handelt es sich deiner Meinung nach um eine schriftlich niedergelegte Glaubenserfahrung und darf deshalb nicht als Bullshit bezeichnet werden. Ja?

 

Aus Sicht dieses Schreibers war es ein gottgewirktes Wunder. Wir würden das heute nicht mehr so verstehen, aber in den Zusammenhängen jener Zeit war das so. Die Idee des göttlichen Eingreifens in die Schlacht ist übrigens eine anthropologische Konstante, die überall auf der Welt bekannt ist (und noch in den Kanonensegnungen des 1. WK nachwirkte...). Es besteht meiner Meinung nach jedenfalls keinerlei Rechtfertigung den Schreiber post mortem zu beleidigen.

 

(Und nebenbei: ein Schlaganfall im Kreml, der die Implosion des putinschen Irrsinns bewirkt, hätte für mich durchaus den Rang eines göttlichen Wunders...)

 

Ich möchte diese Gedanken gerne noch weiterspinnen:

Nehmen wir an, wir seien im Jahr 2063. Wir nehmen weiters an, Russland habe die Ukraine im Krieg ausgelöscht.  Wir haben einen Russen, der diesen Kriegsausgang als wunderbare Glaubenserfahrung versteht und diese schriftlich niederlegt. Er deutet den Kriegsausgang als Wirken Gottes.  Das Auslöschen des ukrainischen Volkes deutet er als Eingreifen seines gerechten Gottes, der das ukrainische Volk ob seiner Gottlosigkeit gestraft hat. 

Selbstverständlich dürfen wir den Schreiber weder ante noch post mortem beleidigen, indem wir diese Deutung als Bullshit  pardon ich formuliere etwas wertneutraler, Irrsinn bezeichnen. Warum? Aus Pietätsgründen? 

 

Oder empfändest du den Begriff "Irrsinn", "Bullshit" oder wie auch immer auch als Beleidigung des Schreibers, wenn er 9/11 in lyrischer Form als gerechte Strafe Gottes an Amerikanern mit blasphemischem Lebenswandel besingt? Der fromme Schreiber hat das auch ganz persönlich als Eingreifen Gottes in die Weltgeschichte erfahren.

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vor 4 Stunden schrieb Studiosus:

 

Und auch mit Übersetzung sehe ich nicht das eingelöst, was in Aussicht gestellt wurde: Dieser Priester wurde sicher nicht für seinen "Einsatz für die Armen" sanktioniert (Wie übrigens genau? Exkommunikation? Entzug der Pfarrstelle? Das kann ich hier nicht exakt entnehmen), sondern weil er wahrscheinlich einer Spielart der "Befreiungstheologie" folgte, die Politik und Glaube auf unzulässige Weise verquickte. Das wird, ich vermute es, der wahre Grund sein. 

 

Für den Einsatz für die Armen wird in der Kirche Gottes niemand bestraft. Wohl aber für Häresie und Ungehorsam. Natürlich reden sich das nicht zuletzt die Betroffenen und ihre epigonalen Fackelträger lieber schön als der Wahrheit ins Auge zu sehen. 

Tatsächlich war der Auslöser ein Plakat vor der Kirche in Morro da Conceicao, das die Frage stellte, ob ein reicher und einflußreicher Kandidat die Anliegen der Leute in den Favelas vertreten würde. Auf Grund dieses Plakates, das von Gemeindemitgliedern gestaltet wurde, wurde Reginaldo suspendiert.

 

Sobrinho war selbst nicht neutral bei dieser Wahl, sein Kandidat, also der, der ihm mehr behagte, war derjenige, der kritisiert wurde. Außerdem wickelte er das Theologische Institut ab, das Dom Helder Camara gegründet hatte, und in dem auch Laien theologische Bildung erhielten. In Morro da Conceicao war es unter Sobrinho nicht erlaubt, dass Menschen ohne Schuhe die Kirche betraten. Das ist eine ziemlich seltsame Entscheidung, wenn man bedenkt, dass nicht jeder und jede in der Favela Schuhe besaß.

 

Aber klar, das ist nur Mimimimimi.

bearbeitet von nannyogg57
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@Studiosus: Ich denke mal, Drewermann hat auch den einen oder anderen Bestseller geschrieben. Das erhebt ihn wohl nach deiner Logik in den Rang eines Kirchenlehrers h.c.

 

Bohren wir mal richtig dicke Bretter: Am Anfang des 16. Jahrhunderts stammten ein Drittel der in Deutschland gedruckten Werke aus der Feder von Martin Luther. Dann muss er auch recht gehabt haben.

 

q.e.d.

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23 minutes ago, Gerhard Ingold said:

Was findest Du an Punkt 2 gut? "2. Es handelt sich bei diesen Stellen um keine auf den historischen Jesus zurückgehenden Logien. Die Autoren der Evangelien lassen Jesus das sagen. Zur Wahrnehmung der Autoren bzgl. Abraham und Moses siehe Punkt 1."

"Gut" in dem Sinne dass es mir weitaus am plausibelsten erscheint wie sich das damals zugetragen hat. Stell dir vor du würdest heute einen Bericht schreiben über eine Person die vor 30 Jahren gestorben ist, die du nie persönlich gesehen oder gekannt hast aber über die so alles mögliche erzählt wird.

 

Ja der hielt mal die Klappe weit offen auf irgend so einem Hügel. Was politisches dazu noch. Die Fans kreischten. So schafft man sich eben Feinde. So wurde halt gekreuzigt - ääh ok hallo Gegenwart - sagen wir totgefahren und verlocht. 3 Tage später fand man ein leeres Grab. Wird so erzählt in der Kneipe. Ein paar abgedrehte Weiber wollen ihn sogar lebend gesehen haben. Und übers Wasser soll er auch mal gelaufen sein. Hip gell?  OK Gerhard. Schreib was das die Leser fesselt und sie zu Fans dieses Typen macht. Mach mal was geiles aus dieser Hügelrede. Hier so ein paar Tips. Kriegste locker 1000 Followers auf Instagram wenn du es nicht verpampelst.

 

So entstand das Evangelium. Die Kommunikationskanäle waren natürlich verschieden, die Methoden dürften sich von den heutigen kaum unterscheiden. Das römische Reich war eine Hochkulturinsel, in der Ideen rasch verbreitet werden konnten.

bearbeitet von phyllis
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vor 6 Minuten schrieb nannyogg57:

@Studiosus: Ich denke mal, Drewermann hat auch den einen oder anderen Bestseller geschrieben. Das erhebt ihn wohl nach deiner Logik in den Rang eines Kirchenlehrers h.c.

 

Bohren wir mal richtig dicke Bretter: Am Anfang des 16. Jahrhunderts stammten ein Drittel der in Deutschland gedruckten Werke aus der Feder von Martin Luther. Dann muss er auch recht gehabt haben.

 

q.e.d.

 

Du kannst so oft q. e. d. schreiben, wie Du willst. 

 

Das war nicht mein Argument. Ich komme genau von der anderen Seite: Nicht weil Ratzinger hohe Auflagen erzielte, ist er als authentischer Theologe zu betrachten, sondern da er ein authentischer Theologe war, der etwas Relevantes auf hohem Niveau und in ansprechender Form zu sagen hatte, wurde er viel gelesen und weit rezipiert. 

 

[Im Übrigen war es im 16. Jahrhundert kein Kunststück in einer Welt, die durch und durch religiös geprägt war, als Theologe hohe Publizität zu erreichen. Auch hier ist Luther Nutznießer seiner Umstände.]

 

Du kannst gerne darüber streiten, was zuerst da war, Huhn oder Ei, aber das dann bitte alleine. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 32 Minuten schrieb phyllis:

 

Aber eigentlich provozierte mich ja bloss das "an den Lippen hängen" (Zitat von dir) zu einer Antwort. Das ist so typisch bei Sekten. Vllt hast du es aber nicht so gemeint. Da wäre eine Erklärung dienlich.

 

Mit an den Lippen hängen meinte ich eigentlich nicht viel mehr als dass, wenn Ratzinger sprach (etwa bei seinen berühmten wöchentlichen Katechesen), die Menschen still wurden und mit großer Aufmerksamkeit den Ausführungen dieses weisen, sehr spirituellen und hoch gebildeten Mannes lauschten. Als solcher war er auch über die Kirchenbubble hinweg anerkannt. Ratzinger wollte man zuhören, weil man - anders als bei anderen - wusste, dass hier etwas für den eigenen Glauben Wertvolles oder zumindest intellektuell-sprachlich Ansprechendes kommt. 

 

An einen Sektenguru habe ich dabei ehrlicherweise weniger gedacht. 

bearbeitet von Studiosus
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20 minutes ago, nannyogg57 said:

In Morro da Conceicao war es unter Sobrinho nicht erlaubt, dass Menschen ohne Schuhe die Kirche betraten.

Das ist total strange. In heidnische Tempel geht man nur wenn man die Schuhe auszieht. Aus Respekt.

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vor 39 Minuten schrieb Studiosus:

 

Du kannst so oft q. e. d. schreiben, wie Du willst. 

 

Das war nicht mein Argument. Ich komme genau von der anderen Seite: Nicht weil Ratzinger hohe Auflagen erzielte, ist er als authentischer Theologe zu betrachten, sondern da er ein authentischer Theologe war, der etwas Relevantes auf hohem Niveau und in ansprechender Form zu sagen hatte, wurde er viel gelesen und weit rezipiert. 

 

[Im Übrigen war es im 16. Jahrhundert kein Kunststück in einer Welt, die durch und durch religiös geprägt war, als Theologe hohe Publizität zu erreichen. Auch hier ist Luther Nutznießer seiner Umstände.]

 

Du kannst gerne darüber streiten, was zuerst da war, Huhn oder Ei, aber das dann bitte alleine. 

Und?

 

Menschen hingen auch an den Lippen von Drewermann ... vielleicht, weil auch er authentisch war.

 

Natürlich war Ratzinger authentisch und, btw., persönlich ein netter Mensch. Habe ich schon mal erwähnt, dass er seinerzeit mein Bischof war? Und natürlich habe auch ich die Verkaufszahlen seiner Bücher in die Höhe getrieben. Ich habe mir dagegen nie einen Drewermann gekauft.

 

Dass das Papsttum die Verkaufszahlen von Ratzingers Bücher in die Höhe getrieben haben dürfte, das halte ich für wahrscheinlich. Aber warum nur haben die Leute die Bücher von Luther oder Drewermann gekauft? Hmm ...

 

Im übrigen: Bevor Luther die Theologie revolutionierte, war das Fach zur Lachnummer verkommen. Nicht einmal Bischöfe oder Päpste gaben sich mit dem Studium desselben ab, es galt schlicht und ergreifend als Zeitverschwendung für Viele.

 

Kommentare zu Petrus Lombardus zu studieren war nicht jedermanns Sache. Dass man die Bibel lesen soll, wenn man Exegese unterrichtet, das war so eine Neuerung, auf die der Mönch aus Wittenberg kam.

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vor einer Stunde schrieb phyllis:

Allerdings sind sämtliche religiöse Schriften jener Zeit (bis auf die Bibel) längst ins Reich der Märchen und Fabeln abgewandert. Warum die Bibel nicht auch? Was macht sie qualitativ besser?

Das hängt davon ab, was man unter Bibel und "qualitativ besser" versteht. Das hängt von der eigenen Voreingenommenheit und Bildung ab. Meine katholische Voreingenommenheit und Missbildung verstellte mir lange Zeit den Blick auf DIE Bibel, darauf, dass das AT DIE genuin jüdische Bibel ist. Das AT lag immer schon Schwarz auf Weiß vor meinen Augen, aber ich hatte auch immer schon die christliche Interpretationen im Ohr. Erst als ich genug Abstand von der Kirche gewonnen hatte, las ich zum ersten mal das ganze AT. Im Anfang schuf Gott nicht Himmel und Erde sondern Himmel und Land. Es geht dem Volksgott des Judentums nie um "die Erde" und die "Menschheit", sondern immer um sein Volk in seinem Land. Das ist eigentlich so offensichtlich wie nur was, und durchgängig im AT, aber ich realisierte es nicht. Oder nimm "Adam und Eva im Paradies" als weiteres Beispiel: Es gibt im ganzen hebräischen AT keinen einzigen Vers in dem Adam und Eva zusammen auftauchen, und vom Paradies ist auch keine Silbe zu lesen. Das zu realisieren dauerte gefühlt eine Ewigkeit und nochmals eine, bis ich verstand warum das so ist.

 

Ich kann dir nur sagen, warum ich das AT als qualitativ besser erachte. Da ist zum einen, dass im AT Glaube nicht statisch dargestellt wird, sondern als eine dynamische spirituelle Entwicklung (Polytheismus, Monolatrie, Monotheismus). Zum anderen die erbarmungslose Selbstkritikfähigkeit des jüdischen Glaubens, ohne welche diese dynamisch-kraftvolle Entwicklung nie stattgefunden hätte. Weiters würde ich den Mut nennen an dem eigenen Gott bis zur Verzweiflung zu zweifeln, und doch den Glauben immer wieder neu finden zu können. Da steckt so viel lebendiger Glaube darin, dass ich beim Lesen oft ergriffen werde, wie beim Hören guter Musik, und eine Gänsehaut bekomme oder mir die Tränen kommen, wegen der poetischen Schönheit, oder mich wegen des umwerfenden jüdischen Humors mit dem das Leben dort zuweilen beschrieben wird, vor Lachen wegschmeiße.   

 

Das alles ist derart spannend, unterhaltsam und literarisch genial geschrieben, dass ich es nicht nur emotional sondern auch intellektuell nachvollziehen und so ein Menschenleben lang spirituell mitwachsen kann - auch als Christ, weil ich mir meiner geistlichen Wurzeln bewusst werde und der Tatsache, dass da noch Luft nach oben ist, weil der Himmel im Gegensatz zum Land unendlich ist.  

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vor 1 Stunde schrieb Die Angelika:

 

Ich möchte diese Gedanken gerne noch weiterspinnen:

Nehmen wir an, wir seien im Jahr 2063. Wir nehmen weiters an, Russland habe die Ukraine im Krieg ausgelöscht.  Wir haben einen Russen, der diesen Kriegsausgang als wunderbare Glaubenserfahrung versteht und diese schriftlich niederlegt. Er deutet den Kriegsausgang als Wirken Gottes.  Das Auslöschen des ukrainischen Volkes deutet er als Eingreifen seines gerechten Gottes, der das ukrainische Volk ob seiner Gottlosigkeit gestraft hat. 

Selbstverständlich dürfen wir den Schreiber weder ante noch post mortem beleidigen, indem wir diese Deutung als Bullshit  pardon ich formuliere etwas wertneutraler, Irrsinn bezeichnen. Warum? Aus Pietätsgründen? 

 

Oder empfändest du den Begriff "Irrsinn", "Bullshit" oder wie auch immer auch als Beleidigung des Schreibers, wenn er 9/11 in lyrischer Form als gerechte Strafe Gottes an Amerikanern mit blasphemischem Lebenswandel besingt? Der fromme Schreiber hat das auch ganz persönlich als Eingreifen Gottes in die Weltgeschichte erfahren.

Geschichte wird immer von den Siegern geschrieben.

 

Es wird niemand Lebenden geben, der den Schreiber beleidigen könnte... Und wenn es wieder jemanden gibt, dann könnte man sich mal darüber unterhalten, was im Russland der letzten 1000 Jahre so unglaublich schief gelaufen ist und ob die Russen es hätten besser wissen KÖNNEN (ich pers. denke nämlich, daß es in der Antike überhaupt kein breites Bewusstsein oder ein ebenso breites Informationsangebot um einen anderen Schluss als den in der Schrift niedergelegten zu finden.

 

Allerdings egal wie das Urteil der Nach- oder Parallelwelt ausfällt: Ausfällig zu werden befriedigt vielleicht die persönliche Eitelkeit. An den Geschehnissen ändert es genau 0,0.

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vor 1 Stunde schrieb Studiosus:

 

Mit an den Lippen hängen meinte ich eigentlich nicht viel mehr als dass, wenn Ratzinger sprach (etwa bei seinen berühmten wöchentlichen Katechesen), die Menschen still wurden und mit großer Aufmerksamkeit den Ausführungen dieses weisen, sehr spirituellen und hoch gebildeten Mannes lauschten. Als solcher war er auch über die Kirchenbubble hinweg anerkannt. Ratzinger wollte man zuhören, weil man - anders als bei anderen - wusste, dass hier etwas für den eigenen Glauben Wertvolles oder zumindest intellektuell-sprachlich Ansprechendes kommt. 

 

An einen Sektenguru habe ich dabei ehrlicherweise weniger gedacht. 

Nunja - der Überlieferung nach behauptete meine Urgroßmutter mal etwas ähnliches über einen aus dem südöstlichen Ausland stammenden Politiker, der auch eine Zentralfigur für Massenevents hatte.

 

Vielleicht hat mir das die Idee, daß mir ein (Seelen-)Führer etwas Sinnvolles erzählen könnte, etwas abgewöhnt.

 

Aber ich habe ohnehin grundsätzlich ein Problem mit menschlichen Autoritäten und Machtgefügen. Ich halte sie für notwendig soweit es darum geht Ordnung und Struktur aufrecht zu erhalten, aber im übrigen halte ich es mit dem Rabbi in Anatevka: Der Herr, segne und behüte den Zaren, er behalte ihn - ganz weit fort von uns.

bearbeitet von Flo77
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5 minutes ago, Flo77 said:

Es wird niemand Lebenden geben, der den Schreiber beleidigen könnte...

Es geht nicht um den Schreiber, sondern um den Inhalt seines Geschreibsels. Auch wenn es nüchtern betrachtet absoluter Bullshit ist, darf man es nicht so bezeichnen? Blasphemie oder sowas?

 

Man kann Mythen Legenden usw. die vor 4000 Jahren entstanden und vermutlich etwa 1000 Jahre später erstmals niedergeschrieben wurden ja durchaus für interessant halten, schonmal um sich ein Bild über den Zustand der Menschen und Gesellschaften dieser Zeit machen zu können. Aber ehren? Hochschätzen? Wieso das denn?

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1 hour ago, Weihrauch said:

Ich kann dir nur sagen, warum ich das AT als qualitativ besser erachte. Da ist zum einen, dass im AT Glaube nicht statisch dargestellt wird, sondern als eine dynamische spirituelle Entwicklung (Polytheismus, Monolatrie, Monotheismus). Zum anderen die erbarmungslose Selbstkritikfähigkeit des jüdischen Glaubens, ohne welche diese dynamisch-kraftvolle Entwicklung nie stattgefunden hätte. Weiters würde ich den Mut nennen an dem eigenen Gott bis zur Verzweiflung zu zweifeln, und doch den Glauben immer wieder neu finden zu können. Da steckt so viel lebendiger Glaube darin, dass ich beim Lesen oft ergriffen werde, wie beim Hören guter Musik, und eine Gänsehaut bekomme oder mir die Tränen kommen, wegen der poetischen Schönheit, oder mich wegen des umwerfenden jüdischen Humors mit dem das Leben dort zuweilen beschrieben wird, vor Lachen wegschmeiße.  

Freut mich für dich, aber ich würde dir trotzdem empfehlen, mal den Gilgamesh zu lesen (ich glaube das halbe AT wurde von dort abgekupfert). Oder auch Hindu-Mythen. Oder die Analekten von/über Konfuzius.

 

Keine Angst ich will dir nicht den Glauben vermiesen. Ist ja nur ein Meinungsaustausch hier. All die erwähntem Schriften und Mythen finde ich hochinteressant als Zeugen der damaligen Zeit. Aber halt etwa gleich relevant für die Gegenwart wie eine Anleitung zum Schutz vor Dinosauriern. Konfuzius mal ausgenommen, aber das führt total ins OT.

 

bearbeitet von phyllis
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vor einer Stunde schrieb phyllis:

Freut mich für dich, aber ich würde dir trotzdem empfehlen, mal den Gilgamesh zu lesen (ich glaube das halbe AT wurde von dort abgekupfert). Oder auch Hindu-Mythen. Oder die Analekten von/über Konfuzius.

Klar, die andere Hälfte vom AT wurde vom vom Atramhasis, und die dritte Hälfte vom Enuma Elish abgekupfert. Was dachtest du denn, an was ich die Bibel gemessen habe, um dir deine Frage nach der besseren Qualität der Bibel im Gegensatz zu sämtlichen religiösen Schriften jener Zeit zu beantworten?

 

vor einer Stunde schrieb phyllis:

Keine Angst ich will dir nicht den Glauben vermiesen.

Das ist wirklich nett von dir. Natürlich habe ich nicht sämtliche religiösen Schriften jener Zeit gelesen, aber doch einiges mehr und noch aus anderen Kulturen als denen, die du hier aufgezählt hast. Keine Angst, ich will dir deine Vorurteile über mich auch nicht vermiesen. Ist ja nur ein Meinungsaustausch hier.

 

vor einer Stunde schrieb phyllis:

All die erwähntem Schriften und Mythen finde ich hochinteressant als Zeugen der damaligen Zeit. 

Das haben wir gemeinsam.

vor einer Stunde schrieb phyllis:

Aber halt etwa gleich relevant für die Gegenwart wie eine Anleitung zum Schutz vor Dinosauriern. Konfuzius mal ausgenommen, aber das führt total ins OT.

Wieso das? Zum Schutz vor religösen Menschen wird sich doch da etwas finden lassen. Die sind ja noch nicht ausgestorben und stellen zuweilen eine reale Bedrohung dar, wenn ich mich nicht irre. 

 

Ausgerechnet Konfuzius? Das I Ging oder Laotse hätte ich noch einigermaßen nachvollziehen können, aber Konfuzius? Ne. 

 

bearbeitet von Weihrauch
Nachtrag zum Nachtrag von phyllis
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vor 5 Stunden schrieb Weihrauch:

Deine Anführungszeichen beim Wort "verstehen" zeigen mir, dass du verstehen nicht mit einverstanden sein gleichsetzt.

 

Das nicht, aber es gibt Dinge, die mir so fremd sind, dass ich sie höchstens mit erheblichen Einschränkungen verstehe.

 

vor 5 Stunden schrieb Weihrauch:

Welche Tradition meinst du?

 

Nach meinem Kenntnisstand hat man im Christentum lange Zeit in nahezu allen Konfessionen die Bibel im großen und ganzen als historisches Buch gedeutet und etwa die im AT beschriebenen Ereignisse - etwa Kriege, Landnahme, Exil usw. - entsprechend wörtlich verstanden. So vertrat beispielsweise selbst Pius XII. noch die Lehre vom Monogenismus, nahm also die Geschichte von Adam als erstem Menschen wörtlich:

 

"Darum können Gläubige sich nicht der Meinung anschließen, nach der es entweder nach Adam hier auf Erden wirkliche Menschen gegeben habe, die nicht von ihm, als dem Stammvater aller auf natürliche Weise abstammen, oder dass Adam eine Menge von Stammvätern bezeichne, weil auf keine Weise klar wird, wie diese Ansicht in Übereinstimmung gebracht werden kann mit dem, was die Quellen der Offenbarung und die Akten des kirchlichen Lehramts über die Erbsünde sagen; diese geht hervor aus der wirklich begangenen Sünde Adams, die durch die Geburt auf alle überging und jedem einzelnen zu eigen ist[12]."

https://www.stjosef.at/dokumente/humani_generis.htm

 

 

bearbeitet von iskander
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vor 11 Stunden schrieb nannyogg57:

Tatsächlich war der Auslöser ein Plakat vor der Kirche in Morro da Conceicao, das die Frage stellte, ob ein reicher und einflußreicher Kandidat die Anliegen der Leute in den Favelas vertreten würde. Auf Grund dieses Plakates, das von Gemeindemitgliedern gestaltet wurde, wurde Reginaldo suspendiert.

 

Sobrinho war selbst nicht neutral bei dieser Wahl, sein Kandidat, also der, der ihm mehr behagte, war derjenige, der kritisiert wurde. Außerdem wickelte er das Theologische Institut ab, das Dom Helder Camara gegründet hatte, und in dem auch Laien theologische Bildung erhielten. In Morro da Conceicao war es unter Sobrinho nicht erlaubt, dass Menschen ohne Schuhe die Kirche betraten. Das ist eine ziemlich seltsame Entscheidung, wenn man bedenkt, dass nicht jeder und jede in der Favela Schuhe besaß.

 

Aber klar, das ist nur Mimimimimi.

 

Lernen musst du noch viel, mein junger Padawan.

Das müssen wir alle. 😏

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vor 7 Stunden schrieb iskander:

 

Das nicht, aber es gibt Dinge, die mir so fremd sind, dass ich sie höchstens mit erheblichen Einschränkungen verstehe.

 

 

Nach meinem Kenntnisstand hat man im Christentum lange Zeit in nahezu allen Konfessionen die Bibel im großen und ganzen als historisches Buch gedeutet und etwa die im AT beschriebenen Ereignisse - etwa Kriege, Landnahme, Exil usw. - entsprechend wörtlich verstanden. So vertrat beispielsweise selbst Pius XII. noch die Lehre vom Monogenismus, nahm also die Geschichte von Adam als erstem Menschen wörtlich:

 

"Darum können Gläubige sich nicht der Meinung anschließen, nach der es entweder nach Adam hier auf Erden wirkliche Menschen gegeben habe, die nicht von ihm, als dem Stammvater aller auf natürliche Weise abstammen, oder dass Adam eine Menge von Stammvätern bezeichne, weil auf keine Weise klar wird, wie diese Ansicht in Übereinstimmung gebracht werden kann mit dem, was die Quellen der Offenbarung und die Akten des kirchlichen Lehramts über die Erbsünde sagen; diese geht hervor aus der wirklich begangenen Sünde Adams, die durch die Geburt auf alle überging und jedem einzelnen zu eigen ist[12]."

https://www.stjosef.at/dokumente/humani_generis.htm

 

 

Genau mit diesem Umstand tun sich alle heutige Kirchen schwer. Sie tun so, als hätte man die Bibel schon immer mit kritischen Augen gelesen.

 

Aber als ich mich mit brasilianischen Situation der landlosen Kleinbauern auseinanderzusetzen begann, wurden mir die Zusammenhänge zu 5.Mose 20,10ff bewusst: "Wenn du vor eine Stadt ziehst, um gegen sie zu kämpfen, so sollst du ihr zuerst den Frieden anbieten. 11 Antwortet sie dir friedlich und tut dir ihre Tore auf, so soll das ganze Volk, das darin gefunden wird, dir fronpflichtig sein und dir dienen. 12 Will sie aber nicht Frieden machen mit dir, sondern mit dir Krieg führen, so belagere sie. 13 Und wenn sie der HERR, dein Gott, dir in die Hand gibt, so sollst du alles, was männlich darin ist, mit der Schärfe des Schwerts schlagen. 14 Nur die Frauen, die Kinder und das Vieh und alles, was in der Stadt ist, die ganze Beute, sollst du unter dir austeilen und sollst essen von der Beute deiner Feinde, die dir der HERR, dein Gott, gegeben hat."

 

Und diese bösartige, niederträchtige, genozide Anweisung muss man immer immer im Zusammenhang mit 3.Mose 25,1 lesen: "Also sprach der Herr auf dem Berg Sinai." 

 

Darum nenne ich Moses nicht nur einen Mörder, wie es 2.Mose 2,1ff beschreibt, sondern auch einen Volksverführter. Ob diese Moses-Figur nun eine Legendenfigur eines Legendenschreibers war, ist ohne Bedeutung. Von Bedeutung ist nur, was das Volk Israel im Namen Gottes für Unrecht an Urvölkern, an Sklaven, an Schwulen usw. begangen hat und was das Christentum und der Islam von diesem Volksverführer abgekupfert haben. 

 

Dieses Unrecht an Urvölkern Südamerikas, Nordamerikas, Australiens, Neuseelands, Afrikas usw. sollte alle Juden, Christen und Muslime erschüttern. Sie sollten merken, was für Unfug in ihren unheiligen Schriften steht und was für Unrechte von diesen Schriften ausgegangen sind. Dann müsste ihnen auch das "Heil"-Geschwafel suspekt vorkommen. Obschon es auf den Bäumen - Religionen - auch gute Früchte gibt, sind die Religionen doch bis in die Wurzeln krank und damit in der Krise. 

bearbeitet von Gerhard Ingold
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vor 7 Stunden schrieb iskander:

Nach meinem Kenntnisstand hat man im Christentum lange Zeit in nahezu allen Konfessionen die Bibel im großen und ganzen als historisches Buch gedeutet ...

Lange Zeit hatte man im Christentum noch gar kein historisches Bewusstsein im heutigen Sinne. Können wir uns darauf einigen, dass man vom Wahrheitsgehalt der Inhalte des Buches überzeugt war, und zwar nicht nur im großen und ganzen, sondern so pauschal, dass daraus irgendwann ein hermeneutisches Dogma geworden ist.  

 

vor 7 Stunden schrieb iskander:

... und etwa die im AT beschriebenen Ereignisse - etwa Kriege, Landnahme, Exil usw. - entsprechend wörtlich verstanden.

Als der Mythos von der Wahrheit der Bibel in der christlichen Welt war, hatte man sich den Blick auf die Mythen in und außerhalb der Bibel verstellt, denn der Wahrheitsgehalt aller nichtkanonischen Heiligen Schriften wurde mit dem Argument bestritten, dass es keine anderen Götter gibt, und Mythen daher nicht wahr sind. Stichwort: Mythos oder Wahrheit?

 

Das babylonische Exil ist eine Tatsache, manche Schlachten und Kriege die in der Bibel erwähnt werden sind historisch, aber je weiter man in der erzählten Zeit zurückgeht, erkennt man, dass immer weniger historischen Tatsachen geschildert werden. Der Übergang ist fließend. Es ist so, als ob sich langsam ein mythologischer Nebel über die Geschichte ausbreitet, der aus der Geschichte Geschichten macht. Die Urgeschichte schließlich ist ein reiner Mythos mit hohem Wahrheitsgehalt. Aber den Wahrheitsgehalt kann man mit einer solchen hermeneutischen Vorgabe über die Bibel im Kopf natürlich nicht mehr erkennen. Wenn man die Urgeschichte wörtlich verstanden wissen will, ist man hermeneutisch auf dem Holzweg. Das ist so, als wenn jemand allen anderen vorschreiben wollte, dass man Rilke wörtlich verstehen müsse. Was dann bei der Exegese herauskommt ist per Definition "die Wahrheit". Die angelegte Hermeneutik passt nicht zur Textgattung, Textsorte.

 

vor 8 Stunden schrieb iskander:

So vertrat beispielsweise selbst Pius XII. noch die Lehre vom Monogenismus, nahm also die Geschichte von Adam als erstem Menschen wörtlich:

Wörtlich ist völlig unmöglich, bei dem hebräischen, griechischen, lateinischen Bibelmischmasch in der katholischen Kirche. Adam kommt im hebräischen Original in Gen 2 und 3 kein einziges Mal vor. Da ist lediglich vom Mensch oder Mann die Rede. In der Septuaginta dagegen steht der männliche Name Adam 19mal. Was heißt da Bibel wörtlich nehmen, wenn man sich nicht mal auf eine Sprache festlegt und sich nach Gusto mal hier und mal da bedient?

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vor 12 Minuten schrieb Weihrauch:

 

Lange Zeit hatte man im Christentum noch gar kein historisches Bewusstsein im heutigen Sinne. Können wir uns darauf einigen, dass man vom Wahrheitsgehalt der Inhalte des Buches überzeugt war, und zwar nicht nur im großen und ganzen, sondern so pauschal, dass daraus irgendwann ein hermeneutisches Dogma geworden ist.  

 

Als der Mythos von der Wahrheit der Bibel in der christlichen Welt war, hatte man sich den Blick auf die Mythen in und außerhalb der Bibel verstellt, denn der Wahrheitsgehalt aller nichtkanonischen Heiligen Schriften wurde mit dem Argument bestritten, dass es keine anderen Götter gibt, und Mythen daher nicht wahr sind. Stichwort: Mythos oder Wahrheit?

 

Das babylonische Exil ist eine Tatsache, manche Schlachten und Kriege die in der Bibel erwähnt werden sind historisch, aber je weiter man in der erzählten Zeit zurückgeht, erkennt man, dass immer weniger historischen Tatsachen geschildert werden. Der Übergang ist fließend. Es ist so, als ob sich langsam ein mythologischer Nebel über die Geschichte ausbreitet, der aus der Geschichte Geschichten macht. Die Urgeschichte schließlich ist ein reiner Mythos mit hohem Wahrheitsgehalt. Aber den Wahrheitsgehalt kann man mit einer solchen hermeneutischen Vorgabe über die Bibel im Kopf natürlich nicht mehr erkennen. Wenn man die Urgeschichte wörtlich verstanden wissen will, ist man hermeneutisch auf dem Holzweg. Das ist so, als wenn jemand allen anderen vorschreiben wollte, dass man Rilke wörtlich verstehen müsse. Was dann bei der Exegese herauskommt ist per Definition "die Wahrheit". Die angelegte Hermeneutik passt nicht zur Textgattung, Textsorte.

Das ist, wie wenn man hinter Hänsel und Gretel einen hohen Wahrheitsgehalte sehen wollte.

 

Oder habe ich Dich falsch verstanden.

vor 12 Minuten schrieb Weihrauch:

Wörtlich ist völlig unmöglich, bei dem hebräischen, griechischen, lateinischen Bibelmischmasch in der katholischen Kirche. Adam kommt im hebräischen Original in Gen 2 und 3 kein einziges Mal vor. Da ist lediglich vom Mensch oder Mann die Rede. In der Septuaginta dagegen steht der männliche Name Adam 19mal. Was heißt da Bibel wörtlich nehmen, wenn man sich nicht mal auf eine Sprache festlegt und sich nach Gusto mal hier und mal da bedient?

Adam ist meines Wissens mit Mann identisch. Im Original soll Männin und nicht Eva stehen. 

 

Verändert das etwas an der katholischen Lehre der Erbsünde. 

"Durch einen einzigen Menschen kam die Sünde in die Welt und durch die Sünde der Tod und auf diese Weise gelangte der Tod zu allen Menschen, weil alle sündigten" (Römer 5,12ff). 

 

Da hat Paulus die Legende wörtlich verstanden und daraus hat die katholische Kirche die Erbsünde konstruiert.

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vor 1 Stunde schrieb Gerhard Ingold:

Dieses Unrecht an Urvölkern Südamerikas, Nordamerikas, Australiens, Neuseelands, Afrikas usw. sollte alle Juden, Christen und Muslime erschüttern. Sie sollten merken, was für Unfug in ihren unheiligen Schriften steht und was für Unrechte von diesen Schriften ausgegangen sind. Dann müsste ihnen auch das "Heil"-Geschwafel suspekt vorkommen. Obschon es auf den Bäumen - Religionen - auch gute Früchte gibt, sind die Religionen doch bis in die Wurzeln krank und damit in der Krise. 

 

Ich finde diese Stellen aus dem AT auch gruselig, aber ich weiß nicht, ob sie wirklich eine solch große Bedeutung entfaltet haben. Das Vorgehen, dass man mit Gewalt gegen andere vorgeht, ist uralt und universal verbreitet. Das haben die Assyrer, die Babylonier, die Ägypter, die Griechen, die Perser, die Römer, die Kelten, die Germanen, die Wikinger, die Hunnen, die Mongolen usw. nicht anders getan, um nur einige Beispiele zu nennen; in anderen Zeiten und auf anderen Kontinenten ist es nicht besser. Ich gehe davon aus, dass die Religion hier oftmals eher zur Rationalisierung dient.

 

Zitat

Aber als ich mich mit brasilianischen Situation der landlosen Kleinbauern auseinanderzusetzen begann, wurden mir die Zusammenhänge zu 5.Mose 20,10ff bewusst:

 

Es dürfte aber sehr wenige Christen geben, die im 20. Jh. ernsthaft argumentieren, dass man Kleinbauern schlecht behandeln darf, weil im 5. Buch Mose ein imperiales Vorgehen gegen politische Feinde gebilligt wird.

 

Es ist grundsätzlich ja gut, wenn man die negativen Seiten und Folgen der Religion reflektiert; aber womöglich schreibst Du der Religion in manchen Kontexten etwas zu viel Bedeutung zusprichst, und anderen Faktoren etwas zu wenig. 😉

 

@Weihrauch

 

Das lasse ich mal so sehen. Beim für mich relevanten Punkt - nämlich, dass man die Bibel früher häufig problematisch interpretiert hat und wir das heute nicht mehr angemessen finden, sind wir uns ja einig.  

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Ich denke mal, der liebende, gute Gott ist eine recht moderne Erfindung. Viele Jahrhunderte glaubte man im Christentum an den eifersüchtigen, gewaltbereiten, strafenden, gnadenlosen Gott des Alten Testaments. Anders ist die Geschichte des Christentums nicht erklärbar

 

Werner

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vor 4 Minuten schrieb iskander:

 

Ich finde diese Stellen aus dem AT auch gruselig, aber ich weiß nicht, ob sie wirklich eine solch große Bedeutung entfaltet haben. Das Vorgehen, dass man mit Gewalt gegen andere vorgeht, ist uralt und universal verbreitet. Das haben die Assyrer, die Babylonier, die Ägypter, die Griechen, die Perser, die Römer, die Kelten, die Germanen, die Wikinger, die Hunnen, die Mongolen usw. nicht anders getan, um nur einige Beispiele zu nennen; in anderen Zeiten und auf anderen Kontinenten ist es nicht besser. Ich gehe davon aus, dass die Religion hier oftmals eher zur Rationalisierung dient.

 

 

Es dürfte aber sehr wenige Christen geben, die im 20. Jh. ernsthaft argumentieren, dass man Kleinbauern schlecht behandeln darf, weil im 5. Buch Mose ein imperiales Vorgehen gegen politische Feinde gebilligt wird.

 

Es ist grundsätzlich ja gut, wenn man die negativen Seiten und Folgen der Religion reflektiert; aber womöglich schreibst Du der Religion in manchen Kontexten etwas zu viel Bedeutung zusprichst, und anderen Faktoren etwas zu wenig. 😉

 

Tatsächlich kann ich den Beweis nicht erbringen, dass das Christentum und der Islam beim Imperialismus und Kolonialismus vom Judentum beeinflusst worden worden sind.

 

Vielmehr musste ich in Betracht ziehen, wie andere Aussagen der Legendenfigur Moses das Christentum und den Islam beeinflusst haben.

 

Da landete ich unweigerlich bei 3.Mose 20,13, wo Moses befiehlt, die gleichgeschlechtlich Liebenden zu töten. 

 

Hier ist eine Beeinflussung durch die Legendenfigur nicht abzustreiten. Das gilt selbstredend auch für die Sklaverei. 

 

So erscheint es mir nicht abwegig, dass das Christentum und der Islam die jeweils Nichtgläubigen als minderwertige Heiden betrachtet haben, wie das auch in den Legenden Moses sichtbar wird.

vor 4 Minuten schrieb iskander:

@Weihrauch

 

Das lasse ich mal so sehen. Beim für mich relevanten Punkt - nämlich, dass man die Bibel früher häufig problematisch interpretiert hat und wir das heute nicht mehr angemessen finden, sind wir uns ja einig.  

 

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