Shubashi Geschrieben 17. Juli 2023 Melden Share Geschrieben 17. Juli 2023 Ich versuche mal, ein etwas allgemeineres Thema zu klären, das in meinen Augen über die bloße Politik hinausgeht: freie Kommunikation und Diskussion, ihre Vor- und Nachteile, und mögliche Alternativen dazu - ließe sie sich überhaupt wieder verbieten oder gar abschaffen? Meine erste These dazu ist: - Moderne Kommunikation ist v.a. ein Ergebnis des technischen Fortschritts. Internet, WWW oder soziale Medien bedingen andere und schnellere Formen der Kommunikation, sie sind aber, wie fast jede Erfindung ambivalent, dadurch beunruhigend und benötigen Zeit und soziale Anpassungen, um mit stabilen Gesellschaften kompatibel zu werden. Rückgängig zu machen ist technischer Fortschritt idR nicht. Meine zweite These: - Auch Demokratien müssen sich an diese Form der neuen technischen Möglichkeiten anpassen, aber im Gegensatz zu Tyranneien oder totalitären Regimen ist ihnen der Weg in eine reine autoritär-hierarchische Nutzung verwehrt. Kommunikation und Diskussion ist nämlich das Lebensblut einer demokratisch-pluralistischen Gesellschaft. Auch wenn tendenziell in freien Gesellschaften der unverantwortliche Gebrauch neuer Techniken wahrscheinlich ist, können sie mit ihrem demokratisch-rechtsstaatlichen Instrumentarium zu einer fortschrittlich-verantwortungsbewussten Nutzung kommen, die sie letzlich stärkt. Auf den Gebrauch der für sie essentiellen Rechte -Meinungs- und Pressefreiheit, sowie vertraulicher wie freier Nutzung als auch der offenen allgemeinen Debatte- kann die Demokratie dabei nicht verzichten. Please debate! 2 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Dies ist ein beliebter Beitrag. GermanHeretic Geschrieben 17. Juli 2023 Dies ist ein beliebter Beitrag. Melden Share Geschrieben 17. Juli 2023 Zu These 1: Ja. Rückgängigmachen direkt nicht, aber warte mal, wenn der Strom für zwei Tage ausfällt. Auch wenn Kommunikation dann das geringste Problem sein wird. Zu These 2: Ja, ABER: Unsere Demokratien versuchen es. Nicht direkt, weil da die Verfassungen entgegenstehen, aber hintenrum. Beispiele: 1. Die EU plant einen zentralen DNS-Server, der für Anbieter innerhalb der EU ein verpflichtender Standard sein soll. Da wird nichts eingeschränkt, jeder kann einen alterntiven DNS einstellen - wenn er denn weiß, wie das geht, und da ist schon Ende. Auf diese Art kann die EU zentral für bestimmt 95% der Bürger unliebsame Webseiten aus dem Angebot entfernen. 2. Das Beobachten unliebsamer Meinungen wird an NGOs ausgegliedert. Niemand hat die Absicht, Denunziantum staatlich zu organisieren, nö, lassen wir privat erledigen. 3. Klar darf man seine Meinung äußern, man muß halt nur mit den Konsequenzen leben. Wie Mobbing bis zum Jobverlust oder Ausgrenzung von Angeboten. Das alles macht mir mehr Sorge als ein totalitärer Staat im eigentlichen Sinne, wo die Konsequenz in #3 der Abtransport darstellt. Das alles ist subtiler und perfider, denn kaum einer merkt's und man kann nicht wirklich glaubhaft machen, daß Art 20 (4) GG langsam mal greifen müßte. 2 2 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Shubashi Geschrieben 17. Juli 2023 Autor Melden Share Geschrieben 17. Juli 2023 (bearbeitet) 34 minutes ago, GermanHeretic said: ….Das alles ist subtiler und perfider, denn kaum einer merkt's und man kann nicht wirklich glaubhaft machen, daß Art 20 (4) GG langsam mal greifen müßte. Deswegen muss über die Regeln von Meinungsfreiheit und Kommunikation der Rechtsstaat entscheiden, nicht irgendwelche NGOs, Internetkonzerne, Leitartikler oder Politiker, sondern ordentliche Gerichte. Mir macht v.a. Sorge, wenn das Hufeisen ganz rechts und ganz links der Meinung ist, man müsse Gerichte oder ganze Parlamente mal wieder auf Linie bringen, weil die einfach nicht meinen wollen, was in der Parteielite gerade angesagt ist. bearbeitet 17. Juli 2023 von Shubashi 2 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Marcellinus Geschrieben 17. Juli 2023 Melden Share Geschrieben 17. Juli 2023 Das größte Mißverständnis scheint mir zu sein, Demokratie sei ein Dauerzustand und beruhe auf größerer Intelligenz und moralischen Integrität der Regierenden. Vielmehr sind die meisten Regierenden (neben ihrem eigenen Vorteil) vor allem am Regieren interessiert. Alles was dem förderlich ist, fördern sie, was das behindert, versuchen sie zu vermeiden. Dazu gehören Pressefreiheit, Unabhängigkeit der Gerichte, Kontrolle durch Parlament und Öffentlichkeit und Mangel an Geld. Letztere läßt sich am leichtesten beheben, durch Schuldenaufnahme, Steuererhöhung oder einfach durch die Druckmaschinen. Mit dem Geld kann man dann Gefälligkeiten erweisen und Gefolgsleute in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Medien platzieren. Hat man dann noch genügend Zeit, infiziert diese Art von Günstlingswirtschaft immer weitere Teile von Staat und Gesellschaft. Deutschland hat über 70 Jahre Zeit gehabt. 2 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
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