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Reformstau in der römisch-katholischen Kirche - die alt-katholische Kirche als Ausweg?


Danny_S.

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vor 7 Minuten schrieb Kara:

Verwerflich ist, wenn jemand zur Geburtenkontrolle abtreibt und das gleichzeitig (?) Heilzwecken dient? Das gibt doch überhaupt keinen Sinn. 

Wie vieles was die Kirche zum Komplex "Liebe, Sex und Leidenschaft" sagt. Dabei geht's beim Thema Abtreibung noch nicht einmal um Sex.

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Es verhält sich jedenfalls so, dass sehr lange das einzig legitime Motiv für den Geschlechtsakt der Wunsch nach Kindern (und die Verhinderung der Unzucht des Ehepartners) war. Die "natürliche Familienplanung" ist damit natürlich eo ipso illegitim, entsprechend galt sie Augustinus dann als "Zuhältermethode".

 

Mehr noch: Es wurde sogar päpstlicherseits gelehrt, dass selbst der Verkehr zur Kinderzeugung nicht ganz ohne Sünde sei.

So meinte Innozenz III. (zit. n. Deschner):  "[W]er wüßte nicht, daß das eheliche Beilager niemals ohne das Jucken des Fleisches, ohne die Glut der Unzucht, ohne den Schmutz der Libido vollzogen werden kann."

 

Ähnlich lautet eine Aussage, die allgemein Gregor dem Großen zugeschrieben wurde. ("Die Lust kann nie ohne Sünde sein. Der Psalmist war nicht aus Ehebruch oder Unzucht, sondern aus rechtmäßiger Ehe geboren worden, und doch hat er gesagt: 'In Sünden bin ich empfangen, in Schuld hat mich meine Mutter geboren' (Psalm 50,7).")

 

Die Lehre, dass das Ehepaar nicht unbedingt das Kind wollen muss, hat sich wohl mit Alfons von Liguori durchgesetzt; und die Erlaubtheit der "natürlichen Geburtenregelung" ist erst seit Pius XII., bestenfalls seit Pius XI. anerkannt.

Seit wann die sexuelle Lust nicht mehr per se ein Übel oder gar sündhaft ist, und seit wann die Gatten diese Lust sogar anstreben dürfen, weiß ich nicht, aber zumindest bei Pius XI. ist das schon so, und vermutlich war es auch schon einige Zeit früher so.

 

Woraus sich Folgendes ergibt: Wenn die "immer gleichbleibende" Lehre der Kirche als unveränderlich und als Dogma gilt, dann erfüllt nicht Humane vitae diese Bedingung. Viel eher hätten dann die oben genannten "alten" Lehren diese Bedingungen erfüllt: Dass der Geschlechtsverkehr nur um des Kinderwunsches willen statthaft ist, dass der Verkehr nie ganz frei von Sünde ist, und dass die NFP verboten ist.

 

@rorro

 

Zitat

Die "Moralüberzeugungen", wie Du es nennst, sind in einem inkarnatorischen Glauben eines auch äußerst immanenten Gottes integraler Bestandteil des Glaubens.

 

Welche denn? Die traditionellen oder die "neumodischen"?

 

Zitat

Nach der Königsteiner Erklärung kann man mit Rekurs auf dieselbe mit daher bischöflichem Segen zu den Piusbrüdern gehen, Nostra Aetate oder die konziläre Erklärung über die Religionsfreiheit ablehnen. Das Gewissen erlaubt das und man ist immer noch gut katholisch, wenn man das auch vor Gott verantworten kann. Den dt. Bischöfen sei Dank ist bspw. ein Schisma erlaubt. Das hat ja mal richtig gut geklappt.

 

Es ist sogar noch viel schlimmer. Die Bischöfe haben im Wesentlichen ja nur gesagt, dass der einzelne Gläubige seinem eigenen Gewissen folgen darf. Papst Franziskus hingegen hat gesagt, dass Theologen (!) in aller Öffentlichkeit das Verbot der künstlichen Verhütung ablehnen und gegen es argumentieren dürfen:

 

"Doubts about the permanence of the church’s doctrine were raised last year, however, when the Pontifical Academy for Life released "Etica Teologica della Vita" ("Theological Ethics of Life"), a volume, in Italian, of more than 500 pages that brings together papers from a seminar along with the text that served as the basis for discussion. Some of the senior Catholic theologians contributing to the discussion suggest that the use of contraceptives in some circumstances may not be wrong.
Conservative Catholics gathered at a conference in Rome last December to respond to the publication. [...]
Where does that leave Pope Francis? When asked by a journalist whether he was open to a reevaluation of church doctrine regarding contraceptives, he replied that the question was “very timely.” And he implied that it would be wrong to forbid theologians from discussing any topic, because “you cannot do theology with a ‘no’ in front of it.” Referring specifically to the publication of "Etica Teologica della Vita," he said: “Those who participated in this congress did their duty, because they have sought to move forward in doctrine.”"

https://www.japantimes.co.jp/opinion/2023/03/15/commentary/world-commentary/catholic-church-contraceptives/

bearbeitet von iskander
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vor 24 Minuten schrieb iskander:

Woraus sich Folgendes ergibt: Wenn die "immer gleichbleibende" Lehre der Kirche als unveränderlich und als Dogma gilt, dann erfüllt nicht Humane vitae diese Bedingung. Viel eher hätten dann die oben genannten "alten" Lehren diese Bedingungen erfüllt: Dass der Geschlechtsverkehr nur um des Kinderwunsches willen statthaft ist, dass der Verkehr nie ganz frei von Sünde ist, und dass die NFP verboten ist.

Wie immer gleichbleibend und unveränderlich die Lehre ist, hat Papst Franziskus ja an der Todesstrafe praktiziert. [Klick]

bearbeitet von Frank
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vor 1 Stunde schrieb rorro:

 

Du darfst echt froh sein nicht so zu sein wie ich.

Bin ich auch. Meine Fehler reichen für eine Einzelperson wirklich, da brauch ich das nicht auch noch obendrauf 

 

Werner

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vor 28 Minuten schrieb iskander:

So meinte Innozenz III. (zit. n. Deschner):  "[W]er wüßte nicht, …

Der hatte da sicher einen großen Erfahrungsschatz 😂

 

Werner

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vor 30 Minuten schrieb iskander:

Gregor dem Großen zugeschrieben wurde. ("Die Lust kann nie ohne Sünde sein. Der Psalmist war nicht aus Ehebruch oder Unzucht, sondern aus rechtmäßiger Ehe geboren worden, und doch hat er gesagt: 'In Sünden bin ich empfangen, in Schuld hat mich meine Mutter geboren' (Psalm 50,7).")

Vielleicht hätte ihm mal jemand das Konzept der Erbsünde erklären sollen. Oder wurde das erst später erfunden?

 

Werner

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vor 16 Minuten schrieb Werner001:

Vielleicht hätte ihm mal jemand das Konzept der Erbsünde erklären sollen. Oder wurde das erst später erfunden?

 

Werner

 

Da diese Lehre ja von Augustinus stammt, und der einige Zeit vorher gelebt hat, würde es zeitlich passen. Indes galt ja die sexuelle Lust (oder notfalls ersatzweise die Disposition zu ihr) während des Geschlechtsverkehrs als der Mechanisms, mit dem die Erbsünde erst übertragen wurde. Leider kann ich auf die Schnelle nicht sagen, ob diese Lehre dann später allgemein anerkannt war, aber ich meine, dass das so war.

 

Für jeden unbefangenen Beobachter stellt es sich so dar, dass das Verhältnis des Katholizismus zur Sexualität von Anfang an vergiftet war und bis heute der alte Ungeist nachwirkt.

 

vor 27 Minuten schrieb Werner001:

Der hatte da sicher einen großen Erfahrungsschatz 😂

 

Werner

 

Das mag sein, aber das ficht die "Konservativen" so wenig an, wie wenn der Leiter der Familienkongregation unter JPII ebenso wie JPIIs Kardinalstaatsekretär offenbar zahlreiche homosexuelle Kontakte hatten. Hauptsache, die Lehre selbst bleibt erhalte und der offizielle Rigorismus unangetastet. ;)

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"Non possumus! Wir können nicht", rief Papst Impotenz III. verzagt aus und legte die Bittgesuche der Pfarrer zur Seite, die sich eine Frau nehmen wollten.

bearbeitet von Studiosus
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vor 45 Minuten schrieb iskander:

Leider kann ich auf die Schnelle nicht sagen, ob diese Lehre dann später allgemein anerkannt war, aber ich meine, dass das so war.

 

Und fleißig wie ich bin, habe ich nachrecherchiert. Ich zitiere Ranke-Heinemann:

 

"Die Verbindung von Sexualität und Erbsünde und dieses Herabziehen des Geistes durch die Geschlechtslust waren für Augustinus die Hauptgründe gewesen, seine Lehre von den Ausgleichsgütern, derentwegen die Ehe entschuldbar wird, zu entwickeln. Thomas übernahm diese Lehre. [...] Zum Vergleich zieht Thomas das Essen und Trinken heran: Da damit keine derartig vehemente Lust verbunden sei, daß sie den Vernunftgebrauch aufsauge, so bedarf das Essen und Trinken auch keines entsprechenden Gegengewichts. Im Unterschied zu Essen und Trinken ist nämlich »die Geschlechtskraft, durch die die Erbsünde übertragen wird, infiziert und korrumpiert« (Suppl. q. 49 a. 1 ad 1). Thomas erscheint »das Widerstreben des Fleisches gegen den Geist, das sich zumal in den Zeugungsgliedern bemerkbar macht, als eine größere Strafe denn Hunger und Durst, da diese rein körperlich sind, jene auch geistig« (De malo 15 2 ad 8). Sogar der Jesuit Fuchs findet diese Sicht des Thomas »etwas einseitig« (Die Sexualethik des Thomas von Aquin, 1949, S. 40)."

 

Vor allem interessant für unsere Fragestellung ist, dass offenbar auch Thomas an der augustinischen Lehre festhält, dass es die sexuelle Lust (bzw. die Disposition zu ihr) sei, die die Erbsünde übertrage:


"Wenn die Geschlechtslust die Erbsünde überträgt, so heißt das nicht, daß jemand, der nichts empfindet, auch nichts überträgt. Die Kinder der Frigiden wären sonst ohne Erbsünde. Aber die Theologen haben auch daran gedacht. Thomas führt aus: »Wenn durch die Kraft Gottes jemandem geschenkt wird, daß er beim Zeugungsakt keine ungeordnete Lust empfindet, dann würde er trotzdem die Erbsünde auf das Kind übertragen.« Denn es handelt sich bei der Geschlechtslust, die die Überträgerin der Erbsünde ist, nicht um die aktuelle (im Augenblick der Zeugung empfundene), sondern um die habituelle (im Zustand des Menschen begründete) Geschlechtslust, und die ist bei allen Menschen gleich (S. Th. I/II q. 82 a. 4 ad 3). Also auch die Frigiden haben keine Chance, sie sind nämlich sozusagen latent lustvoll, sie neigen zur geistabsorbierenden Lust, und das genügt; daran kann auch die Gabe Gottes, die ihnen die konkrete geistverdunkelnde Lust beim Zeugungsakt erspart, nichts ändern."

 

Aus diesem Grund lehnte Thomas auch die Unbefleckte Empfängnis Mariens ab:

 

"Daß einzig Marias Eltern hier eine Ausnahme sind, wurde erst 1854 im Dogma von der Unbefleckten Empfängnis Mariens festgestellt. Gemäß Thomas galt die Erbsündenlosigkeit nur für Jesus, nicht für Maria. Er meint: Da jeder eheliche Akt eine »Verderbnis« und »Befleckung« (pollutio) des Mutterschoßes bedeutet, fand bei Maria »aus dem Grund der Reinheit und der Nichtbeschmutzung« kein Eheverkehr bei der Empfängnis Jesu statt (In Matth, I [19: 247]). Nach Thomas ist nur Jesus rein, d. h. ohne geschlechtliche Infektion empfangen, ohne sich die Ansteckung der Erbsünde beim elterlichen Zeugungsakt zuzuziehen. Der Thomasexperte und Jesuit Josef Fuchs meint dazu: »Wie Thomas diese >Unreinheit< des Geschlechtlichen versteht, läßt sich nicht genau feststellen« (1. c., S. 52). Die Theologen neigen dazu, vor allem beim Fürsten der Theologen, bei Thomas von Aquin, alles zum Guten hin zu interpretieren. Und wenn das nicht mehr möglich ist, dann betonen sie lieber, sie verstünden Thomas nicht, als daß sie klar sagten, Thomas rede Unsinn und sei dem Unsinn des anderen großen Theologen, nämlich des Augustinus, anheimgefallen."

 

Ranke-Heinamenn tritt dann auch der Meinung entgegen, dass Thomas ein unbefangenes oder gar positives Verhältnis zur Sexualität gehabt habe:


"Hier eine kleine Aufstellung von des hl. Thomas unheiligen Wortprägungen für den ehelichen Geschlechtsakt, die nach Josef Fuchs »überraschen können« (1. c., S. 50), die allerdings nur den überraschen, der nicht sehen will, daß die gesamte katholische Sexualmoral von Anfang an fehlgelaufen ist: »Schmutzigkeit« (immunditia), »Befleckung« (macula), »Abscheulichkeit« (foeditas), »Schändlichkeit« (turpitudo), »Entehrung« (ignominia). Die Kleriker wahren durch ihren Zölibat laut Thomas »die körperliche Reinheit« (Stellen bei Fuchs, S. 50 f.). Fuchs fügt entschudigend hinzu: »Thomas stand... in einer langen Tradition... So konnte er nicht leicht eine freiere Lehre vortragen« (ebd., S. 51). Niemand muß Unsinn nachreden, und inzwischen ist die Tradition, verstärkt durch Thomas, noch länger, und der Unsinn wird immer noch nachgeredet, und die freiere Lehre wird immer noch schwieriger durch das immer noch größere Gewicht der Tradition.

Und hier noch einige Umschreibungen des ehelichen Aktes durch den hl. Thomas, der »doctor angelicus«, engelgleicher Lehrer, genannt wird: »Entartung« (deformitas), »Krankheit« (morbus), »Verderben der Unversehrtheit« (corruptio integritatis) (S.Th. I q. 98 a. 2), Grund für »Widerwillen« und »Abscheu« (repugnantia). Solchen Widerwillen gegen die Ehe »wegen des ehelichen Aktes« empfinden laut Thomas die zum Priester Geweihten, weil er, der eheliche Akt nämlich, »die geistlichen Akte behindert« und der »größeren Ehrbarkeit« im Weg steht (S.Th. Suppl. q. 53 a. 3 ad 1)."

 

Zugegeben, das ist polemisch, aber es ist nicht unverständlich, wenn jemand das polemisch kommentiert...

 

Und das obige ist wie gesagt im Wesentlichen die "klassische" Lehre, und wenn eine Lehre den Anspruch erheben kann, "stets" von der Kirche geglaubt worden und daher "unfehlbar" zu sein, dann ist es sicherlich viel eher ebendiese Lehre als die "Neuerungen" aus der Zeit des Alfons von Liguori (hauptsächlich 18. Jh.) oder aus der Zeit von Pius XII. (20. Jh.).

 

Wie ich schon sagte (und Ranke-Heinemann zurecht feststellt): Das Verhältnis des Christentums und insbesondere des Katholizismus zu menschlichen Sexualität ist von der Wurzel her vergiftet, und für jeden Außenstehenden und auch für jeden nicht vollständig "lehramtstreuen" Katholiken ist das auch offenkundig.

 

bearbeitet von iskander
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vor 33 Minuten schrieb Studiosus:

"Non possumus! Wir können nicht", rief Papst Impotenz III. verzagt aus und legte die Bittgesuche der Pfarrer zur Seite, die sich eine Frau nehmen wollten.

 

Dann sagte er die Unwahrheit, selbst nach "innerkatholischer" Lehre.

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Am 2.8.2023 um 17:31 schrieb Studiosus:

Nur zum Beispiel Taizé: Man sollte nicht unterschätzen, dass auch die Leute, die auf Taizé "abfahren", natürlich nicht alterslos sind. Wer in den 70er, 80er oder 90er Jahren als Kind oder Jugendlicher nach Taizé gefahren ist, der ist natürlich heute auch in gesetzterem Alter. 

 

Freilich fahren viele Pfarreien mit ihren Kindern und Jugendlichen im Rahmen der Jugendarbeit nach Taizé. Ob diese Jugendlichen dann auch unbedingt im normalen Angebot der Pfarrei - auch wenn es ein Taizé-Gottesdienst ist - "hängen bleiben", das ist nochmal eine andere Frage. Man mag mich lynchen, aber meiner Beobachtung nach lebt Taizé auch viel vom Eventcharakter und der Gemeinschaft auf dem Hügel. Inwieweit sich dieser Impuls im Alltag durchträgt, kann man wohl nicht allgemeingültig sagen. Müsste ich schätzen, dann würde ich sagen, 1-2 von 10 bleiben wohl auch ohne das Rahmenprogramm von Taizé kirchlich aktiv bis ins Erwachsenenalter. Es könnten auch mehr oder weniger sein. 

 

Taizé ist hier natürlich nur Platzhalter, man könnten auch fragen, welchen bleibenden Effekt Ministrantenwallfahrten nach Rom oder gerade aktuell die Weltjugendtage haben. 

 

Ich kenne beispielsweise etliche heute erwachsene Menschen, die als Kinder und Jugendliche (auch mehrmals) mit den Ministranten nach Rom oder nach Taizé gefahren sind, heute aber mit dem Glauben und erst recht mit der Kirche nur noch sporadischen oder keinen Kontakt mehr haben. 

Zu Taizé vielleicht noch folgende Beobachtung:  Seit dem Jahr 1978 führt die Communauté de Taizé in verschiedenen europäischen Städten jedes Jahr zum Jahreswechsel sogenannte „Euopäische Jugendtreffen“ durch. Die Teilnehmerzahlen waren in den ersten Jahren zwischen 15.000 und 20.000, dann etwas steigend. Wohl auch mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und den politischen Veränderungen in den osteuropäischen Staaten stieg die Teilnehmerzahl in den frühen 90er Jahren bis über 100.000 Teilnehmer, um dann allmählich wieder abzunehmen. In dem letzten Jahren vor Corona hat sich die Teilnehmerzahl wieder auf ca. 15.000 Teilnehmer eingependelt. 

 

Man kann es nüchtern an den Zahlen ablesen: Auch hier hat das grundsätzliche „Interesse“, die schlichte „Neugierde“ in den letzten Jahren vor Corona doch stark abgenommen gegenüber den Zahlen der 80er und 90er Jahren. 

 

Man kann es es drehen und wenden wie man möchte: Die „Säkularisierung“ Europas schreitet unaufhaltsam voran, die Zeit der Volkskirchen ist endgültig abgelaufen, die an der soziologischen Gestalt der Volkskirche orientierte Seelsorge bricht auf breiter Front zusammen. Wie die Kirche der Zukunft in Europa aussehen wird, weiß keiner, aber die Kirche wird nicht mehr die soziologische Gestalt der Volkskirche haben. 

bearbeitet von Cosifantutti
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vor 19 Stunden schrieb rorro:

 

Ob der gelehrte Inhalt von HV fehlbar ist, ist übrigens Gegenstand akademischer Diskussion (weil Papst Paul VI. da ja nichts Besonderes verkündet hat oder einen jahrhundertelangen Disput final geklärt hat - er hat einfach gelehrt, was vorher auch gelehrt wurde). Daher könnte der Inhalt als Gegenstand beständiger Lehre des ordentlichen Lehramtes auch ggf. Unfehlbarkeit beanspruchen - aber das ist ein andere Diskussion.

 

Unter dem gegenwärtigen Papst und der aktuellen Besetzung der Glaubenskongregation ist wohl nicht zu erwarten, dass HV formell zu einer „unfehlbaren Lehre“ der Kirche deklariert wird. 

bearbeitet von Cosifantutti
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vor 15 Minuten schrieb Cosifantutti:

Man kann es es drehen und wenden wie man möchte: Die „Säkularisierung“ Europas schreitet unaufhaltsam voran, die Zeit der Volkskirchen ist endgültig abgelaufen, die an der soziologischen Gestalt der Volkskirche orientierte Seelsorge bricht auf breiter Front zusammen. Wie die Kirche der Zukunft in Europa aussehen wird, weiß keiner, aber die Kirche wird nicht mehr die soziologische Gestalt der Volkskirche haben. 

 

Das ist auch meine Überzeugung. 

 

Das hat nichts mit falschem Pessimismus oder "Unheilsprophetie" zu tun, aber ich denke, wenn man sich die Zahlen, Fakten und Prognosen nüchtern vorlegt, dann kann man nur zu diesem Schluss kommen. Die Volkskirche ist tot - sie weiß es nur noch nicht. Bzw. die Verantwortlichen versuchen noch unter Aufbringung und Verschleiß (!) von Mensch und Material, so weiterzumachen wie in der Blütezeit der Volkskirche. Das wird zunehmend schwerer. Lösungsansätze gehen dahin, immer größere Seelsorgegebiete und pastorale Räume zu schaffen und die immer weniger Priester und Laienmitarbeiter darauf zu verteilen. Das sind Verzweiflungsmaßnahmen, aber keine "Visionen" für die Zukunft der Kirche im Westen, die realistisch wären. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 14 Minuten schrieb iskander:

Wie ich schon sagte (und Ranke-Heinemann zurecht feststellt): Das Verhältnis des Christentums und insbesondere des Katholizismus zu menschlichen Sexualität ist von der Wurzel her vergiftet, und für jeden Außenstehenden und auch für jeden nicht vollständig "lehramtstreuen" Katholiken ist das auch offenkundig.

Das Verhältnis ist schwierig, aber es wird abgemildet durch eine ebensolange Tradition des Ignorierens und Umdeutens, was in der Praxis zu durchaus vertretbaren Ergebnissen geführt hat. Der Protestantismus hat sich in dieser Hinsicht schwerer getan (und tut es zum Teil heute noch).

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Die katholische Kirche kennt den Menschen gut. Sie ist seit 2000 Jahren für und mit Menschen tätig. Daher stimmt zwar der Eindruck, dass sie - wohlgemerkt nicht nur auf dem Gebiet des Sextum - hohe Ansprüche formuliert, aber gleichzeitig hält sie auch genügend Heilmittel vor, um mit dem Scheitern an diesen Ansprüchen umzugehen. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 4 Minuten schrieb Merkur:

Das Verhältnis ist schwierig, aber es wird abgemildet durch eine ebensolange Tradition des Ignorierens und Umdeutens, was in der Praxis zu durchaus vertretbaren Ergebnissen geführt hat.

 

Wenn das beste an einer Lehre ist, dass sie ignoriert wird, stimmt etwas nicht mit ihr, oder? ;)

 

Zitat

Der Protestantismus hat sich in dieser Hinsicht schwerer getan (und tut es zum Teil heute noch).

 

Ja, weil er mehr oder weniger die gleichen antiken und mittelalterlichen Wurzeln hat, mit Augustinus und allem drum und dran.

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Zitat

... Daher stimmt zwar der Eindruck, dass sie - wohlgemerkt nicht nur auf dem Gebiet des Sextum - hohe Ansprüche formuliert, aber gleichzeitig auch genügend Heilmittel vorhält, um mit dem Scheitern an diesen Ansprüchen umzugehen.

 

Wie kommst du darauf, dass diese Ansprüche hoch seien? Ich finde sie vor allem mißverständlich formuliert und ohne klare Zielvorgaben. Es fehlt insbesondere an leicht verständlichen Hilfestellungen, wie man auf die richtige Weise an ihnen scheitert.

bearbeitet von Merkur
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vor 2 Minuten schrieb iskander:

 

Wenn das beste an einer Lehre ist, dass sie ignoriert wird, stimmt etwas nicht mit ihr, oder? ;)

Das kann man so allgemein nicht sagen. Ich würde sagen, es stimmt etwas nicht mit ihr, wenn die Früchte, die sie hervorbringt, schlecht sind.

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vor 41 Minuten schrieb iskander:

Ranke-Heinamenn tritt dann auch der Meinung entgegen, dass Thomas ein unbefangenes oder gar positives Verhältnis zur Sexualität gehabt habe:

Um das zu erkennen (das gestörte Verhältnis zu Sexualität) braucht man kein einschlägiges Fachstudium.

Man kann ihm das nicht zum Vorwurf machen, jeder hat seine Traumata. Das Problem ist, dass die Kirche seine daraus resultierenden Ansichten als angebliche  göttliche Meinung in ihre Lehre übernommen hat, nur weil er vielleicht zu irgendwelchen theologischen Themen ein paar schlaue Sachen von sich gegeben hat und deswegen für besonders  erleuchtet gehalten wurde (von manchen wohl auch noch wird)

 

Werner

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vor 44 Minuten schrieb Studiosus:

Die Volkskirche ist tot - sie weiß es nur noch nicht.

 

Wenn dem so ist, dann stellt sich doch die Frage, warum nicht. Oder anders formuliert: wie blind muß man sein?

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vor 24 Minuten schrieb Marcellinus:

 

Wenn dem so ist, dann stellt sich doch die Frage, warum nicht. Oder anders formuliert: wie blind muß man sein?

 

Keine Ahnung, ich unterstelle denen, die versuchen noch eine Art Volkskirche Light am Leben zu erhalten, beste Absichten. 

 

Allerdings ist das ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen, zumindest auf längere Sicht. Aber es ist bequemer, als klare Schnitte zu machen und sich als Institution einzugestehen, dass sie sich aus der Fläche zurückziehen wird müssen. 

 

Ich kann nur für mich reden: Ich würde mich nicht in die Situation begeben, mich als Priester in einem Mega-Seelsorgeraum verheizen zu lassen. 

 

Meine Vermutung wie es mit der katholischen Kirche in Deutschland und Europa perspektivisch weitergehen wird: Die Kirche wird wieder zu einer vorwiegend urbanen Religion, zumindest was die Praxis anbelangt. In den Städten wird sich Kirche wohl länger halten können als auf dem Land. Die Leute werden, was nicht schön, aber realistisch ist, zu vielen satellitenartig verteilten Orten gehen müssen, um voll zu praktizieren. In den Dörfern, vor allem den kleinen, mag die Kirche als Gebäude zwar noch im Ort bleiben, aber das Leben wird dort wahrscheinlich ausziehen. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 51 Minuten schrieb Studiosus:

Die Volkskirche ist tot - sie weiß es nur noch nicht.

Ich hab hab im privaten Umfeld den ein oder die andere pastoral Mitarbeitende oder ehrenamtlich Engagierte. Die Fragen bei der Analyse immer: "Volkskirche? Was ist das?"

Wenn man damit meint den Zustand meint, den wir bis in die 90er hatten, das Verkündigung ganz selbstverständlich im Kinderzimmer statt fand, die Mehrheit der Bevölkerung einer christlichen Konfession angehört und zumindest die beiden grossen ganz selbstverständlich gesellschaftlichen gestaltenden Einfluss hatte - Die so verstandene Volkskirche ist tot und das weiss sie auch. 

 

Die Frage ist dann halt: Was folgt aus dieser Analyse? Der Missionsbefehl unsrers Herrn bleibt ja. Und spirituelle Bedürfnisse der Menschen bleiben ja ebenfalls bestehen und nicht alle stillen diese über Esoterik-Messen. Kirche bleibt ja auch hier von vielen angefragt (bissl weniger als die Hälfte der Bevölkerung gehören den grossen Kirchen an; das sind 40Mio über den Daumen gepeilt 20Mio pro Konfession; die berühmten 10% zugrunde gelegt haben wir mindestens 2Mio Katholiken die ihe Kirche anfragen)

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vor 3 Stunden schrieb Studiosus:

Die katholische Kirche kennt den Menschen gut. Sie ist seit 2000 Jahren für und mit Menschen tätig. Daher stimmt zwar der Eindruck, dass sie - wohlgemerkt nicht nur auf dem Gebiet des Sextum - hohe Ansprüche formuliert, aber gleichzeitig hält sie auch genügend Heilmittel vor, um mit dem Scheitern an diesen Ansprüchen umzugehen. 

 

Ob die Kirche den Menschen "kennt" weiß ich nicht. Dass sie ihn "liebt", würde ich bezweifeln. Gut behandeln tut sie ihn jedenfalls nicht. Die Kirche formuliert zahlreiche sinnlose Verbote, die niemand begründen kann, auch hier nicht. Und dabei denke ich noch nicht einmal an die traditionelle Sexuallehre, sondern nur an die "modernistische", heute offiziell gültige.

 

Und nachdem die Kirche den Menschen dann eine schwere imaginäre Schuld auferlegt hat, findet sie Mittel, ihn von dieser imaginären Schuld  zu befreien.

 

Und auch nicht einmal ist eine wirklich zuverlässig funktionierende Lösung. Nimm für einen Moment an, jemand begeht eine "sexuelle Sünde". Und da hierzu ja jede noch so kurze und unbedeutende Lustempfindung und jeder lustvolle Gedanke (außerhalb des ehelichen Verkehrs) zählt, sofern nur eine "Zustimmung" erfolgt ist, dürfte das eine erhebliche Anzahl von Menschen betreffen. Und jede dieser sexuellen Sünden gilt nach überkommener und Lehre als objektiv "schwerwiegend".

 

Aber es gibt doch die Beichte!

 

Nimm an, jemand stirbt während einer solchen "Sünde" oder kurz danach - noch bevor er beichten konnte oder bevor er eine "vollkommene Reue" erwecken konnte (letztes dürfte ja auch schwer auf Knopfdruck möglich sein). Dann ist die entsprechenden Person "verdammt in alle Ewigkeit", und zwar wörtlich. Wegen einer kurzen Lustempfindung, die nicht entschieden genug abgelehnt wurde.

 

Jetzt kommt natürlich der Einwand: Es kann ja auch schwerwiegende schuldmindernde Umstände geben! Dann kommt die betreffende Person ja vielleicht doch nicht in die Hölle!

 

Unwissenheit könnte solch ein schuldmindernder Umstand sein, aber das bringt uns nicht allzu weit:

 

KKK, 1859: "Selbstverschuldete Unwissenheit und Verhärtung des Herzens [Vgl. Mk 3,5—6; Lk 16,19—31] mindern die Freiwilligkeit der Sünde nicht, sondern steigern sie."

 

KKK 1860: Unverschuldete Unkenntnis kann die Verantwortung für ein schweres Vergehen vermindern, wenn nicht sogar aufheben. Aber von niemandem wird angenommen, daß er die sittlichen Grundsätze nicht kennt, die in das Gewissen jedes Menschen eingeschrieben sind." 

 

Mit starker Schuldminderung wegen Unkenntnis ist da also nicht viel, schon gar nicht für den Katholiken, der die Gebote der Kirche kennt (oder kennen könnte, wenn er denn wollte)!

 

Dann bliebe noch die zweite Möglichkeit der Schuldminderung, nämlich eine stark eingeschränkte Fähigkeit zur Selbstkontrolle. Wenn man aber nicht behaupten will, dass "sexuelle Sünden" sich radikal von allen anderen "schweren Sünden" unterscheiden, dann wird man bei einem gesunden Menschen die Fähigkeit zur Selbstkontrolle bejahen müssen - ganz so, wie man ja auch im Zusammenhang mit allen anderen schweren Sünden im Normalfall  ja auch die Fähigkeit zur Selbstkontrolle und die Zurechnungsfähigkeit bejaht.

Und entsprechend wurde das doch auch immer gesehen. So heißt es beispielsweise bei Jone:

 

"Auch jene, bei denen der Trieb abnorm hochgradig gesteigert ist (hyperaesthetia sexualis), können und müssen sich beherrschen. Geistesstörungen können allerdings die Verantwortlichkeit mindern oder ganz aufheben. [...]"

 

Demnach bleibt es eben im Regelfall bei dem, was ich gesagt hatte: Der (konservativ) gläubige Katholik muss damit rechnen - wenn nicht davon ausgehen -, dass er wegen einer Lustempfindung, in die er für einen Moment eingewilligt (Jone: "mag sie auch noch so kurz und unbedeutend sein"), für alle Ewigkeit in die Hölle kommt, falls er zur Unzeit stirbt.

 

So "kennt" und "liebt" die Kirche den Menschen.

 

Genau auf dieses Problem hatte ich Dich, wenn ich mich recht entsinne, übrigens in der Vergangenheit schon hingewiesen. Und Du hattest nicht geantwortet. Das verstehe ich auch. Es gibt keine Antwort.

bearbeitet von iskander
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vor 4 Minuten schrieb Frank:

"Volkskirche? Was ist das?"

Wenn man damit meint den Zustand meint, den wir bis in die 90er hatten ...

 

In den 1890ern? :D Ich denke, du meinst die 60er. In den 70ern begann die Austrittswelle, und ist bis heute nicht abgeebbt. 

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