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Reformstau in der römisch-katholischen Kirche - die alt-katholische Kirche als Ausweg?


Danny_S.

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vor einer Stunde schrieb Merkur:

Das kann man so allgemein nicht sagen.

 

Wie steht es um Wahrhaftigkeit und Geradlinigkeit?

 

Zitat

Ich würde sagen, es stimmt etwas nicht mit ihr, wenn die Früchte, die sie hervorbringt, schlecht sind.

 

Was ziemlich wahrscheinlich der Fall ist:

https://www.mykath.de/topic/35448-basiert-die-ablehnung-widernatürlicher-akte-auf-einem-fehlschluss/?do=findComment&comment=2514009

 

 

@Werner001

 

vor 49 Minuten schrieb Werner001:

Um das zu erkennen (das gestörte Verhältnis zu Sexualität) braucht man kein einschlägiges Fachstudium.

 

Das ist wohl wahr. Aber man braucht die Bereitschaft, die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, dass die Kirche etwas falsch machen könnte.

 

Zitat

Man kann ihm das nicht zum Vorwurf machen, jeder hat seine Traumata.

 

Bei Thomas ist es vermutlich eben die Tradition - so wie sie es letztlich auch bei Paul VI. war. Es gibt wenige Leute, die sich aus ihr (mehr oder weniger) gelöst haben, z.B. Abaelard. (Und dann gab es, glaube ich, sogar einen Papst, aber der war nur kurz an der Regierung und hatte damit keinen weiteren Einfluss.)

bearbeitet von iskander
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vor 8 Minuten schrieb Frank:

Die Frage ist dann halt: Was folgt aus dieser Analyse? Der Missionsbefehl unsrers Herrn bleibt ja. Und spirituelle Bedürfnisse der Menschen bleiben ja ebenfalls bestehen und nicht alle stillen diese über Esoterik-Messen. Kirche bleibt ja auch hier von vielen angefragt (bissl weniger als die Hälfte der Bevölkerung gehören den grossen Kirchen an; das sind 40Mio über den Daumen gepeilt 20Mio pro Konfession; die berühmten 10% zugrunde gelegt haben wir mindestens 2Mio Katholiken die ihe Kirche anfragen)

 

Ich denke, hier hat man komprimiert die Gründe, warum die Kirchen sich nicht von ihrem Volkskirchenbild verabschieden wollen. Es sind nicht die "spirituellen Bedürfnisse", die die Kirchen früher gefüllt haben, sondern schlicht soziale Kontrolle. Also sollte man auch heute nicht auf sie bauen. Wie hoch ist im Moment der Anteil derjenigen Kirchenmitglieder, die zumindest gelegentlich einen Gottesdienst besuchen? Sind es noch 5%? Bei den Evangelischen waren es zuletzt 3%. Da hast du deinen "spirituellen Bedürfnisse". Nicht einmal 3% der Bevölkerung. Vielleicht ist @Studiosus doch etwas realistischer. 

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@iskander

 

Um einmal so zu tun, als würde ich nicht von der Kirche als liebender Mutter ausgehen (was ich tue):

 

Institutionen können nicht lieben. Gott liebt. Menschen lieben andere Menschen (oder auch nicht). 

 

Und was schuldmindernde Faktoren im Hinblick auf die Sünde angeht, so gibt es da schon einige mögliche Hebelpunkte: Etwa das sehr gängige Beispiel der Masturbation bietet sich da an. Man kann und sollte vielleicht sagen, dass jede absichtsvolle Erweckung der Geschlechtslust, die nicht auf ihren natürlichen Zweck der Fortpflanzung abzielt, in sich schwer sündhaft ist. Kein Widerspruch von meiner Seite. Allerdings dürfte es bisweilen gerade im Jugendalter oder auch später aufgrund besonderer Umstände eine Art Habitualiserung der Selbstbefriedigung geben, die fast an suchtartiges Verhalten grenzt. Da kann man dann schon die absolute Freiheit der Handlung hinterfragen und womöglich eine situativ geminderte Schuld annehmen. 

 

Das ist vor allem auch Sache der Beichtväter. Hier sollte man Extreme (ich persifliere: "Dafür kommst Du in die Hölle" oder "Ach, das ist doch überhaupt nicht schlimm") möglichst meiden. 

 

bearbeitet von Studiosus
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vor 26 Minuten schrieb Studiosus:

Die Leute werden, was nicht schön, aber realistisch ist, zu vielen satellitenartig verteilten Orten gehen müssen, um voll zu praktizieren.

 

Das muss ja nicht unbedingt schlecht sein, oder? Ich bin neulich über 200 Kilometer gefahren um an einer Heiligen Messe im tridentinischen Ritus teilhaben zu können. Man muss doch heute schon ggf. weitere Strecken zu verschiedenen Orten in Kauf nehmen. Ich versuche das positiv zu sehen.

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vor 3 Minuten schrieb Guppy:

 

Das muss ja nicht unbedingt schlecht sein, oder? Ich bin neulich über 200 Kilometer gefahren um an einer Heiligen Messe im tridentinischen Ritus teilhaben zu können. Man muss doch heute schon ggf. weitere Strecken zu verschiedenen Orten in Kauf nehmen. Ich versuche das positiv zu sehen.

Nun, 200 km sprich 2-2,5 Stunden für 40 Minuten? Bei den aktuellen Energiepreisen? Nun ja.

 

Viel interessanter ist: Was bleibt Dir davon? Außer der Imagination eines göttlich vermeintlich wohlgefälligen Werkes? Wo ist Deine Gemeinde jenseits der Kirchentüren?

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vor 13 Minuten schrieb Guppy:

Das muss ja nicht unbedingt schlecht sein, oder? 

 

Nein, nicht unbedingt. Für Leute, die wenig mobil sind, ist es natürlich schlecht, wenn die Kirche vom Ort abwandert. Dann stellt sich nicht die Frage heute lateinisch oder byzantinisch, sondern dann gibt es eben gar keinen Gottesdienst. 

 

vor 13 Minuten schrieb Guppy:

Ich bin neulich über 200 Kilometer gefahren um an einer Heiligen Messe im tridentinischen Ritus teilhaben zu können. Man muss doch heute schon ggf. weitere Strecken zu verschiedenen Orten in Kauf nehmen. Ich versuche das positiv zu sehen.

 

Ich sehe das auch eher sportlich. Und ich denke, Gläubige mit "Sonderinteressen" auf liturgischem oder sonstigem Gebiet sind da den in der Pfarrei praktizierenden Gläubigen was diese Entwicklung angeht schon ein wenig voraus. Wenn man etwas Spezielles will, dann muss man immer schon reisen. Heute teilweise wieder mehr als vor einigen Jahren, aber das war in diesen Kreisen immer Standard. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 25 Minuten schrieb Studiosus:

Um einmal so zu tun, als würde ich nicht von der Kirche als liebender Mutter ausgehen (was ich tue):

 

Institutionen können nicht lieben. Gott liebt. Menschen lieben andere Menschen (oder auch nicht). 

 

Ich meine das in einem analogen Sinne: Dass die Leute, die die Kirche führen, die Menschen lieben oder ihnen zumindest Gutes wollen, und dass die Kirche (auch als Organisation) sich so verhält, dass man das auch merkt.

 

Zitat

Und was schuldmindernde Faktoren im Hinblick auf die Sünde angeht, so gibt es da schon einige mögliche Hebelpunkte: Etwa das sehr gängige Beispiel der Masturbation bietet sich da an. Man kann und sollte vielleicht sagen, dass jede absichtsvolle Erweckung der Geschlechtslust, die nicht auf ihren natürlichen Zweck der Fortpflanzung abzielt, in sich schwer sündhaft ist. Kein Widerspruch von meiner Seite. Allerdings dürfte es bisweilen gerade im Jugendalter oder auch später aufgrund besonderer Umstände eine Art Habitualiserung der Selbstbefriedigung geben, die fast an suchtartiges Verhalten grenzt.

 

(Fettung von mir)

 

Wenn man aber nicht die Masturbation zu der "absoluten Ausnahmesünde" machen will, dann wird man allerdings die von mir gefetteten Wörter in der Tat sehr beachten müssen, und Fälle, in denen die subjektive Schuld tatsächlich bedeutend gemindert sind, werden die Ausnahme bleiben müssen.

 

Dieser Punkt wird übrigens auch von Pius XII. in ähnlicher Weise nachdrücklich betont. Pius bezieht sich offenbar (auch) auf die Masturbation, wenn er schreibt:

 

"Wir weisen also die Behauptung derer als irrig zurück, welche die Niederlagen in den Jahren der Pubertät für unvermeidbar halten, für Dinge, die es nicht verdienen, daß man von ihnen viel Aufhebens macht, als wären sie keine schwere Schuld, weil die Leidenschaft, wie jene hinzufügen, die Freiheit, die für die sittliche Verantwortlichkeit einer Handlung notwendig ist, gewöhnlich aufhebe."

 

(Zit. n. Pfürtner. Pfürtner selbst kommeniert: "Nirgends wird der Reifeprozeß zur genitalen Sexualität als positives Ereignis benannt, dessen man sich zuerst und vor allem dankbar freuen sollte. Statt dessen findet sich eine Verbalisation mit rein negativen Besetzungen: «die Niederlagen in den Jahren der Pubertät», «die Leidenschaft», die nicht «unvermeidbar» wäre, die «schwere Schuld», wenn man ihr erliegt, und die Aufforderung, von den Pubertätsvorgängen eben doch «viel Aufhebens» zu machen." [...] )

 

Damit bleibt also genau das bestehen, was ich in meinem letzten Beitrag gesagt habe.

bearbeitet von iskander
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vor 6 Minuten schrieb iskander:

Damit bleibt also genau das bestehen, was ich in meinem letzten Beitrag gesagt habe

 

Natürlich. Von der Kirche wirst Du nie - mit Ausnahme vielleicht der ehelichen Sexualität - hören, dass ein freier, fast (im philosophischen Sinne) natürlich-naiver Umgang mit der Geschlechtlichkeit, sei sie allein oder mit anderen praktiziert, etwas Wertvolles, Wünschenswertes oder gar moralisch Zulässiges sei. 

 

Die Kirche geht immer von der gestalteten Sexualität mit Blick auf ein konkretes menschliches Gegenüber aus. Und den genuinen Ort der Sexualität erkennt sie im Rahmen der Ehe. 

 

Damit sind die entscheidenden Pflöcke eingeschlagen und eigentlich alles gesagt. Oder ein ofenfrisches Zitat von Norbert Lüdecke zu klauen: Das Leitbild der Kirche mit Blick auf die Sexualität ist "heteronormativ koital". Ich würde ergänzen: eingefasst von der Ehe. Alles, was sich jenseits dessen abspielt, verfehlt diese Zielvorstellung. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 1 Minute schrieb Studiosus:

 

Natürlich. Von der Kirche wirst Du nie - mit Ausnahme vielleicht der ehelichen Sexualität - hören, dass ein freier, fast (im philosophischen Sinne) natürlich-naiver Umgang mit der Geschlechtlichkeit, sei sie allein oder mit anderen praktiziert, etwas Wertvolles, Wünschenswertes oder gar moralisch Zulässiges sei. 

 

Die Kirche geht immer von der gestalteten Sexualität mit Blick auf ein konkretes menschliches Gegenüber aus. Und den genuinen Ort der Sexualität erkennt sie im Rahmen der Ehe. 

Und was denkst DU darüber?

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vor 13 Minuten schrieb iskander:

So "kennt" und "liebt" die Kirche den Menschen.

Sie liebt ihn, weil sie nicht möchte, dass er verdammt wird, so weit so gut.

Aber:

Die Vorstellung, wann jemand verdammt wird, geht auf schwer emotional Gestörte und Psychopathen der Antike zurück. Wenn man das vielleicht mal anpassen würde… es gibt Dinge, die heute kein Thema mehr sind, dafür anderes, heute Wichtiges, worauf die Kirche nichts zu sagen weiß.

Und da liegt der Hund begraben, deswegen verliert die Kirche ihre gesellschaftliche Relevanz. 
 

Werner

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vor 8 Minuten schrieb Flo77:

Und was denkst DU darüber?

 

Das denke ich auch. Ich halte persönlich wenig von der Verkitschung oder Romantisierung der Sexualität, wie sie heute üblich ist. Die Sexualität, die Lust hat, wie jeder starke menschliche Trieb, auch destruktive Potenziale. Gerade darum ist es wichtig, dass Sexualität gestaltet und in geregelte Bahnen geleitet wird. Und deshalb ist der Ruf nach sexueller Freiheit ein in meinen Augen sehr ambivalenter. 

 

Und wenn es einem möglich ist, kann es auch ein guter Weg sein, Sexualität nicht auszuleben und ihre Potenziale zu sublimieren, auf eine höhere Ebene zu lenken. 

 

Kurzum: Ich bin hier eher auf der Seite des Augustinus als auf der des Oswalt Kolle. 

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vor 18 Minuten schrieb Flo77:

Nun, 200 km sprich 2-2,5 Stunden für 40 Minuten? Bei den aktuellen Energiepreisen? Nun ja.

 

Viel interessanter ist: Was bleibt Dir davon? Außer der Imagination eines göttlich vermeintlich wohlgefälligen Werkes? Wo ist Deine Gemeinde jenseits der Kirchentüren?

 

Ich würde zu nem Nightfever genauso weit fahren, gäbe es das in meiner Stadt nicht 😉. Gut, das geht dann zwar auch 4 Stunden, aber ich verstehe @Guppy da trotzdem gut. Ab und zu braucht man etwas, das einen zutiefst beglückt, das Herz berührt und intensive Gotteserfahrungen schenkt...

 

Ich denke mal, dass sie das nicht jeden Sonntag macht 😉

 

Abgesehen davon ist die örtliche Gemeinde nicht jedem so wichtig. Mir auch nicht. Obwohl ich 9 von 10 x hier in die Kirche gehe.

 

 

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vor 14 Minuten schrieb Studiosus:

Und wenn es einem möglich ist, kann es auch ein guter Weg sein, Sexualität nicht auszuleben und ihre Potenziale zu sublimieren, auf eine höhere Ebene zu lenken. 

 

Mit Verlaub, das halte ich für ausgemachten Blödsinn, auch, aber nicht nur weil die, die davon am meisten reden (Anwesende ausgenommen), auf zwei Seiten gleichzeitig vom Pferd fallen. Zum einen, weil die Praxis zeigt, daß es mit dem Nicht-Ausleben der Sexualität in der Regel nicht so weit her ist (gerade mit kirchlicher Scheinheiligkeit auf diesem Gebiet hat die Öffentlichkeit so ihre Erfahrungen gemacht), zum anderen, weil man auf die „höhere Ebene“ meist vergeblich wartet.

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vor 28 Minuten schrieb Marcellinus:

 

Mit Verlaub, das halte ich für ausgemachten Blödsinn, auch, aber nicht nur weil die, die davon am meisten reden (Anwesende ausgenommen), auf zwei Seiten gleichzeitig vom Pferd fallen. Zum einen, weil die Praxis zeigt, daß es mit dem Nicht-Ausleben der Sexualität in der Regel nicht so weit her ist (gerade mit kirchlicher Scheinheiligkeit auf diesem Gebiet hat die Öffentlichkeit so ihre Erfahrungen gemacht), zum anderen, weil man auf die „höhere Ebene“ meist vergeblich wartet.

 

Ich schrieb ja explizit, es "kann" ein Weg sein. Diese Art, mit der eigenen Körperlichkeit und Sexualität umzugehen, muss einem natürlich auch irgendwo entsprechen. Wenn es einem zutiefst widerstrebt und man zur Bekämpfung der sexuellen Bedürfnisse zu viel Aufwand betreiben muss, sodass alles andere hintan steht, dann ist es wahrscheinlich nicht der richtige Weg.

 

Das wusste übrigens auch schon Paulus. Dieser wünschte zwar, alle lebten ehelos wie er selbst, aber er sah durchaus die Gefahr, dass manche, denen das nicht gegeben war, "entbrennen" könnten, sich vor Lust verzehren würden. Diesen hat er die Möglichkeit zur Ehe konzediert (Ehelosigkeit bei Paulus hat natürlich noch einmal besondere Hintergründe, die in seiner Person selbst aber auch in der Naherwartung begründet liegen). 

 

Später entwickelt sich, insbesondere in den monastischen Bewegung in Ost und West, die Keuschheit um des Himmelreiches willen zu einem Leitmotiv. Der Kampf gegen die eigene böse Lust, zu lernen das Fleisch gering zu achten, das sind ur-mönchische Themen (übrigens auch außerhalb des Christentums). Heute würde man vielleicht eher von Selbstüberwindung sprechen, mittels derer sich diese Männer und Frauen frei machen wollten für das, wonach sie gestrebt haben: Gott. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 33 Minuten schrieb Studiosus:

Die Sexualität, die Lust hat, wie jeder starke menschliche Trieb, auch destruktive Potenziale. Gerade darum ist es wichtig, dass Sexualität gestaltet und in geregelte Bahnen geleitet wird.

Da sind wir uns mal wieder erstaunlich einig. Man kann, wenn man seinen Hormonen allzu freien Lauf lässt, verdammt viel Unheil anrichten.

Die Frage ist allerdings, wie stark müssen die Bahnen geregelt werden. Die klassische Antwort der Kirche (gar nicht ausleben, nur zur Erhaltung der Art notgedrungen unvermeidbar) geht mir da aber viel  zu weit. Und sie ist, entgegen anderslautender Behauptungen, auch nicht 'logisch' herleitbar.

Die Maxime 'nicht schaden' dürfte manchmal schon schwer genug fallen.

 

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vor 1 Stunde schrieb Studiosus:

Natürlich. Von der Kirche wirst Du nie - mit Ausnahme vielleicht der ehelichen Sexualität - hören, dass ein freier, fast (im philosophischen Sinne) natürlich-naiver Umgang mit der Geschlechtlichkeit, sei sie allein oder mit anderen praktiziert, etwas Wertvolles, Wünschenswertes oder gar moralisch Zulässiges sei. 

 

Die Kirche geht immer von der gestalteten Sexualität mit Blick auf ein konkretes menschliches Gegenüber aus. Und den genuinen Ort der Sexualität erkennt sie im Rahmen der Ehe. 

 

Damit sind die entscheidenden Pflöcke eingeschlagen und eigentlich alles gesagt. Oder ein ofenfrisches Zitat von Norbert Lüdecke zu klauen: Das Leitbild der Kirche mit Blick auf die Sexualität ist "heteronormativ koital". Ich würde ergänzen: eingefasst von der Ehe.  Alles, was sich jenseits dessen abspielt, verfehlt diese Zielvorstellung.

 

Alles schön und gut (oder auch nicht, je nach Blickwinkel). Aber ich meinte eigentlich vor allem diese meine Aussage:

 

"Demnach bleibt es eben im Regelfall bei dem, was ich gesagt hatte: Der (konservativ) gläubige Katholik muss damit rechnen - wenn nicht davon ausgehen -, dass er wegen einer Lustempfindung, in die er für einen Moment eingewilligt (Jone: 'mag sie auch noch so kurz und unbedeutend sein'), für alle Ewigkeit in die Hölle kommt, falls er zur Unzeit stirbt.

 

So 'kennt' und 'liebt' die Kirche den Menschen."

 

Der letzte Satz ist zugebenermaßen meine sarkastische Kommentierung, aber der Rest ist eine nüchterne Feststellung, die sich aus den dargelegten Quellen und Grundsätzen ergibt. Und sie ist entsetzlich.

 

Übrigens, Du schreibst ja:

 

Zitat

Alles, was sich jenseits dessen abspielt, verfehlt diese Zielvorstellung.

 

Nehmen wir an, ich gebe Dir ein Buch, damit Du es liest (oder lesen kannst, wenn Du es lesen möchtest). Nehmen wir weiter an, Du benutzt dieses Buch dann (auch), um beispielsweise eine Unterlage für einen Brief zu haben. Hättest Du dann, indem Du das Buch als Schreibunterlage benutzt, meine "Zielvorstellung" erfüllt? Sicher nicht! Hättest Du aber gegen meine "Zielvorstellung" gehandelt, oder gegen meinen Wunsch? Auch nicht.

Selbst wenn ich Dein Vorgesetzter wäre und von Dir verlangen würde (und legitimerweise verlangen könnte), dass Du das Buch liest, das ich Dir gebe, würde sich am Gesagten nichts ändern.

Anders wäre es, wenn Du auf ihm einen Brief schreibst, obwohl Du den Auftrag hättest, es gerade in diesem Moment zu lesen. Aber selbst in diesem Fall wäre nicht die Tatsache kritikwürdig, dass Du das Buch als Schreibunterlage nutzt, sondern dass Du es nicht (zur angemessenen Zeit) liest.

 

Wenn ich mich selbst zitieren darf:

 

"[...] Die hier dargelegten Schwierigkeiten [mit der kirchlichen Argumentation zur Sexuallehre] werden immer wieder durch eine undifferenzierte Sprechweise oberflächlich verhüllt. Man denke an Formulierungen im Stil von:

 

'Dieser und jener Akt ist sündig, denn er widerspricht dem natürlichen Zweck der Sexualität.'

 

Ein solcher Satz ist kaum mehr als eine nichtssagende Aneinanderreihung von Worten, wenn nicht klar wird, was damit gemeint ist: Was ist hier 'die Sexualität'? Die von Gott gegebene sexuelle Anlage oder der einzelne sexuelle Akt? Was ist der 'natürliche Zweck der Sexualität'? Die Absicht, die Gott im Sinn hatte, als er die menschliche Sexualität erschuf? Oder ein angeblicher göttlicher Wille derart, dass Gott von jedem einzelnen sexuellen Akt möchte, dass durch ihn Kinder entstehen (können), und dass er jeden Akt, der diese Bedingung nicht erfüllt, ablehnt?

 

Es entsteht der Verdacht, dass viele dieser schwammigen, diffusen Formulierungen deshalb so verbreitet sind, weil man insgeheim ahnt, dass im Fall einer genaueren Analyse schnell das Ende der Fahnenstange erreicht wäre."

 

https://www.mykath.de/topic/35448-basiert-die-ablehnung-widernatürlicher-akte-auf-einem-fehlschluss/page/21/#comment-2502856

 

(Den Ausdruck "widerspricht dem natürlichen Zweck der Sexualität" kann man getrost durch "verfehlt diese Zielvorstellung" ersetzen. Es kommt auf das gleiche heraus.)

 

Die Kirche muss im Grunde wissen, dass ihre Argumente Pseudo-Argumente sind, die einer rationalen Prüfung nicht standhalten - was wohl auch der Grund ist, dass diese Argumente nie ernsthaft ausgeführt, sondern nur schlagwortartig gegeben werden. (Wer auch nur geringfügig bezweifelt, dass diese Argumente einer rationalen Prüfung nicht standhalten, sei herzlich eingeladen, etwas auf den gerade verlinkten Beitrag, wo ich das im Detail darlege, zu erwidern.)

 

Und genau hier zeigt sich m.E. auch eine gewisse Menschenfeindlichkeit. Man hält gegen die Vernunft an schikanösen Lehren fest, weil man sich selbst nicht eingestehen will, sich im große Stile geirrt zu haben.

bearbeitet von iskander
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@Studiosus

 

Zitat

Die Sexualität, die Lust hat, wie jeder starke menschliche Trieb, auch destruktive Potenziale. Gerade darum ist es wichtig, dass Sexualität gestaltet und in geregelte Bahnen geleitet wird.

 

Nur, dass es sich zumindest dem Anschein nach wohl so verhält, dass gerade eine Moral im Sinne der Kirche, die Freisetzung der destruktiven Potentiale zu begünstigen scheint:

 

"[...] Since then, most researchers have found similarly (e.g., Ward & Kruttschnitt, 1983). The upbringing of sex offenders was usually sexually repressive, often they had an overtly religious background and held rigid conservative attitudes toward sexuality (Conyers & Harvey, 1996; Dougher, 1988); their upbringing had usually been ritualistically moralistic and conservative rather than permissive."

 

Ebensowenig scheint diese Art von Moral für den Einzelnen gute Früchte zu zeitigen:

 

"All clinicians interviewed unanimously supported the hypothesis of this research as fact [...] These medical doctors, psychologists, psychiatrists, and sex therapists acknowledged that they each have treated numerous cases of people suffering damage from the strict observance of sexual orthodoxy in Protestant, Catholic, and Jewish denominations. Anxiety, fear, and guilt tend to be the major symptomatology in Catholics. Clinicians do not appear to value religion less--quite the contrary. However, they do universally reject the needless suffering and damage they view in Catholics and especially all the defense mechanisms religious people use to deny or repress this pathology."

 

Zu den Quelle siehe hier.

 

Was auch nicht verwundert: Statt die Sexualität in einer vernünftigen Weise zu kultivieren, wird sie von bestimmten Formen der "Moral" radikal unterdrückt. Um nochmals Pfürtner zu zitieren.

 

"Im Grunde besagte das entworfene [kirchliche] Leitbild, der Jugendliche solle bis zur Eheschließung ungeschlechtliches Wesen sein und jeden sexuellen Impuls als Sünde fliehen, bekämpfen oder - wenn nicht unterdrückbar - ihn wenigstens mit festem Willen ablehnen. Zu welchem Krampf und welcher Akrobatik hat das aber immer wieder geführt? Mit einer derartigen Projektion ging man selbstredend gründlich an den psychodynamischen Gegebenheiten jugendlicher Sexualität vorbei, machte die Pubeszenten, zumal die männlichen, in Scharen zu Schuldigen, strapazierte ihr ohnehin in diesem Alter bedrohtes Selbstvertrauen und trieb viele aus der Sakraments- oder sogar aus der Kirchengemeinschaft heraus. Verschärft wurde dieser Konflikt im Falle von Verlobten, die in ihrem moralischen und religiösen Gewissen aufgerufen wurden, sich einerseits vor der Ehe aller direkt oder indirekt gewollten sexuellen Regung zu enthalten, andererseits sich aber für die Ehe-und Geschlechtsgemeinschaft vorbereiten und nach der Trauung liebende Ehegatten sein sollten."

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vor einer Stunde schrieb Studiosus:

Das denke ich auch. Ich halte persönlich wenig von der Verkitschung oder Romantisierung der Sexualität, wie sie heute üblich ist. Die Sexualität, die Lust hat, wie jeder starke menschliche Trieb, auch destruktive Potenziale. Gerade darum ist es wichtig, dass Sexualität gestaltet und in geregelte Bahnen geleitet wird. Und deshalb ist der Ruf nach sexueller Freiheit ein in meinen Augen sehr ambivalenter. 

Verkitschung? So wie Liebesheirat? So schön mit dem weißen Kleid und den Treueschwüren und der Kutsche und den Tauben und dem Schleier (der in 99% der Fälle völlig fehl am Platze ist). Daß ich nicht lache.

 

Da waren die knallharten Ehevertragsverhandlungen früherer Zeiten ja ehrlicher.

(Wenn auch am Ziel vorbei, denn Sex hatten die Leute trotzdem mit wem sie wollten und nicht unbedingt mit wem sie verheiratet waren, aber egal.)

 

vor einer Stunde schrieb Studiosus:

Und wenn es einem möglich ist, kann es auch ein guter Weg sein, Sexualität nicht auszuleben und ihre Potenziale zu sublimieren, auf eine höhere Ebene zu lenken. 

Grundgütiger. Liest Du selbst, was Du schreibst?

 

Ja, es gibt Leute, die kommen mit ihrer Sexualität oder ihren Lüsten nicht klar (so wie Paulus und Augustinus z.B.) und die fallen dann gerne von einem Extrem ins andere. Mag ja sein, daß für diese Charaktere eine drastische Regulierung ihrer sexuellen Aktivität einen therapeutischen Wert hat. Daraus allerdings ein allgemeines Prinzip zu formulieren hat soziopathische Züge.

 

vor einer Stunde schrieb Studiosus:

Kurzum: Ich bin hier eher auf der Seite des Augustinus als auf der des Oswalt Kolle. 

Neurotiker unter sich.

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@iskander

 

Zitiere bitte nicht so oft Pfürtner. Es fällt mir zunehmend schwer, hier nicht meine Meinung zu dieser Personalie einzustellen. Das würde jedoch wieder viele empören. 

 

Führe mich daher nicht in Versuchung. 

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vor 8 Minuten schrieb Studiosus:

 

Wenn es hilft, Neurotiker zu sein, um heilig zu werden, dann nehme ich auch das gerne noch mit. 

Wenn man Neurotiker sein muss, im heilig zu werden, verzichte ich. Dann ist der Himmel ein Irrenhaus und ich ziehe die Gottferne vor.

 

Werner

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vor einer Stunde schrieb iskander:

" Zu welchem Krampf und welcher Akrobatik hat das aber immer wieder geführt? Mit einer derartigen Projektion ging man selbstredend gründlich an den psychodynamischen Gegebenheiten jugendlicher Sexualität vorbei, machte die Pubeszenten, zumal die männlichen, in Scharen zu Schuldigen, strapazierte ihr ohnehin in diesem Alter bedrohtes Selbstvertrauen und trieb viele aus der Sakraments- oder sogar aus der Kirchengemeinschaft heraus. "

Been there, done that.

 

Ich könnte jetzt noch ein paar nette "Andeutungen" machen, wie sich diese Moral (in einem im übrigen liberalen Umfeld) auswirken kann und welche Ausprägungen das mit sich bringen kann, aber wie Studiosus hier ja schon eindruckvoll vom Stapel gelassen hat: die Lehre der Kirche interessiert sich nunmal nicht für den Menschen. Der ist für sie nur Mittel zum Zweck (welcher auch immer das sein mag).

 

Die Frage, warum man sich mit einem Gott abgeben sollte, der sie Menschen erschafft, damit sie etwas anderes werden, als das, als was sie geschaffen sind, getraut man sich ja schon fast nicht mehr zu stellen. Und nein, ich möchte auch keine Antwort darauf, die ohnehin wieder auf die Arroganz der Erleuchteten und Gottgleichen hinausläuft - und sie merken es in ihrer tief imaginierten Demut nicht einmal).

bearbeitet von Flo77
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vor 10 Minuten schrieb Studiosus:

 

Wenn es hilft, Neurotiker zu sein, um heilig zu werden, dann nehme ich auch das gerne noch mit. 

Oh, ich kann Dir eine gute Psychiatrie empfehlen.

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vor 3 Minuten schrieb Flo77:

Die Frage, warum man sich mit einem Gott abgeben sollte…

Was hat Gott denn mit der Kirche zu tun?

 

Werner

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vor 14 Minuten schrieb Flo77:

Die Frage, warum man sich mit einem Gott abgeben sollte, der sie Menschen erschafft, damit sie etwas anderes werden, als das, als was sie geschaffen sind, getraut man sich ja schon fast nicht mehr zu stellen. Und nein, ich möchte auch keine Antwort darauf, ...

 

Aber vielleicht eine Antwort darauf, warum sich Menschen solch einen Gott ausdenken?

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