Jump to content

Das Problem des Zustandes zwischen dem physischen Tod und der Auferstehung am Ende der Zeit


Danny_S.

Recommended Posts

Folgender Artikel ist zwar schon 30 Jahre alt; da jedoch in den vergangenen Jahren keine grundlegend neuen Erkenntnisse hinzugekommen sind, macht er uns auf ein weiteres Problem im Spannungsfeld zwischen den Glaubensvorstellungen der kath. Kirche und den Naturwissenschaften aufmerksam: https://www.spektrum.de/magazin/die-expansionsgeschwindigkeit-des-universums/820581

 

Nach katholischem Verständnis bedeutet der Tod die Trennung der immateriellen Seele vom physischen Körper; dem liegt das aristotelische Konzept des Hylemorphismus zugrunde, wonach die Seele die substanzielle Form des belebten Körpers bildet.
Leider ist die kirchliche Lehre hier alles andere als konsequent, denn nach Aristoteles sind Materie und Form zwei Aspekte der Wirklichkeit, die sich nicht voneinander separieren lassen. Da damit dann aber ein ewiges Leben ausgeschlossen wäre, wurde eine Anleihe bei Platon gemacht: An der Vorstellung, dass Materie und Form untrennbar sind, wird zwar weiterhin vom Grundsatz her festgehalten, allerdings wird beim Menschen eine Ausnahme gemacht: Hier, - und nur hier -, lässt sich die substanzielle Form des Körpers nicht nur von diesem ablösen, sondern sie vermag sogar ohne die zugehörige Materie weiter zu existieren. Ein solcher Zustand wird jedoch als unvollkommen angesehen. Eine Vollendung des Menschen findet erst am Ende der Zeit, nach der allgemeinen Auferstehung der Toten, statt.
Dass eine weitere Inkonsequenz darin liegt, dass jene Seelen, die bereits zur Anschauung Gottes gelangt sind, nach kirchlicher Lehre noch vor der allgemeinen Auferstehung vollendet sind, erwähne ich an dieser Stelle nur der Vollständigkeit halber.
Worauf ich hinaus möchte, ist etwas anderes: Das, was nach kath. Verständnis als Zwischenzustand betrachtet wird, in dem die Seele noch nicht vollendet ist, da sie ohne Körper auskommen muss, bezieht sich, wenn wir die Erkenntnisse der modernen Kosmologie ernstnehmen, auf einen zeitlichen Rahmen von mehreren Milliarden Jahren!

Ob die Expansion des Kosmos einmal zum erliegen kommt und sich die Bewegung umkeht, oder ob sie sich mit einer wachsenden Geschwindigkeit fortsetzt und das Universum mehr und mehr erkaltet, ist nach heutigem Stand der Wissenschaften unklar.


Dass da etwas nicht stimmen kann, haben freilich auch einige Theologen erkannt und in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts ein Konzept ausgearbeitet, das als »Auferstehung im Tode« bekannt geworden ist.
Interessant wird das Ganze, sobald die zeitliche Dimension ins Spiel gebracht wird.
Einige Vertreter dieses Ansatzes (Lohfink u.a.) postulieren nun: Wenn ein Mensch stirbt, gelangt er instantan ans Weltende. Das individuelle und das Weltgericht fallen damit zusammen.
Die radikalste Ausprägung habe ich unterdessen bei Ulrich Lüke vorfinden können. Lüke geht davon aus, dass Raum und Zeit eine Eigenschaft unseres materiell verfassten Universums sind. Er schließt daraus, dass es in einer transzendenten Dimension weder das eine noch das andere gibt, von daher würde die Person bei ihrem Tod ans Weltende gelangen, während in der Hinterbliebenenperspektive die Zeit noch Milliarden Jahre weiterläuft.
Ich weiß ehrlich gesagt nicht so recht, was ich davon halten soll.
Kann man sich das überhaupt vorstellen, dass es im Himmel keinerlei Zeit und damit auch keine Veränderung gibt? Das wäre ja todlangweilig, weil alles immer gleichbleibt!

Jede Veränderung deutet doch auf die Existenz von Zeit hin.
Mal abgesehen davon: Wie kann der Kosmos bereits vollendet sein, wenn er sich noch auf dem Wege zur Vollendung hin befindet?
Wie denkt ihr über diese Problematik?
War sie euch überhaupt bewusst gewesen?

Dazu passt auch das Wort von Alfred Loisy: „Jesus verkündete das Reich Gottes; gekommen ist die Kirche.“


Sorry, dass ich so weit ausholen musste, aber die Thematik ist nun einmal komplex; - und dennoch hochinteressant.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ohne mich da jetzt umfassend äußern zu wollen, möchte ich anmerken, dass die Seelen-Lehre des Aristoteles aus meiner Sicht problematisch ist, jedenfalls in ihrer originalen Ausformung. Ob die kath. Lehre wesentlich diesen Vorstellungen in ihrer originären Form verpflichtet ist, kann ich nicht sagen, bezweifle es aber. Eine "Zukunft" ohne Zeit scheint mir ebenfalls ein schwer fassbarer Gedanke zu sein.

bearbeitet von iskander
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 10 Stunden schrieb Danny_S.:

Nach katholischem Verständnis bedeutet der Tod die Trennung der immateriellen Seele vom physischen Körper

 

Ja

 

Zitat

dem liegt das aristotelische Konzept des Hylemorphismus zugrunde

 

Nein. Wer behauptet das? Hast du Paulus überhaupt gelesen?

 

Aristoteles wurde in der Westkirche erst um das Jahr 1100 n.Chr. bekannt (und im Osten war er nie relevant). Er hat mit der Eschatologie nicht wirklich viel zu tun.

 

Zitat

Leider ist die kirchliche Lehre hier alles andere als konsequent, denn nach Aristoteles

 

siehe oben. Ich weiß nicht, wem Du da aufgesessen bist, ist auf jeden Fall BS.

 

Zitat

Dass eine weitere Inkonsequenz darin liegt, dass jene Seelen, die bereits zur Anschauung Gottes gelangt sind, nach kirchlicher Lehre noch vor der allgemeinen Auferstehung vollendet sind, erwähne ich an dieser Stelle nur der Vollständigkeit halber.

 

Daran ist nichts inkonsequent, da Du "Vollendung" nicht verstanden hast.


 

Zitat

Worauf ich hinaus möchte, ist etwas anderes: Das, was nach kath. Verständnis als Zwischenzustand betrachtet wird, in dem die Seele noch nicht vollendet ist, da sie ohne Körper auskommen muss, bezieht sich, wenn wir die Erkenntnisse der modernen Kosmologie ernstnehmen, auf einen zeitlichen Rahmen von mehreren Milliarden Jahren!

 

Die Seele ist nicht vollendet, weil sie ohne Körper auskommen muß? Echt jetzt? Wer sagt das?

 

Zitat

Dass da etwas nicht stimmen kann, haben freilich auch einige Theologen erkannt

 

:lol: (Oder hat das eher doch was mit Unglauben zu tun, weil sie Gott zuwenig zutrauen?)

 

Wir sind zeit- und raumgebundene Wesen und können daher aus dieser Dimension nicht wirklich kongruent rausdenken. Auch jegliche Wertung wie "langweilig" ist schon eine zeitliche und daher fehl am Platz. 

 

Zitat

Dazu passt auch das Wort von Alfred Loisy: „Jesus verkündete das Reich Gottes; gekommen ist die Kirche.“

 

Hat er zwar in einem vollkommen anderen Kontext gebracht und hatte mit dem obigen nichts zu tun aber ja, er hat das geschrieben.
 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 1 Stunde schrieb rorro:

Aristoteles wurde in der Westkirche erst um das Jahr 1100 n.Chr. bekannt (und im Osten war er nie relevant). Er hat mit der Eschatologie nicht wirklich viel zu tun.

 

Immerhin wurde wohl eine auf seine Philosophie zurückgehende Formel von der Kirche ausdrücklich anerkant:

 

"The General Council of Vienne (1311-1312) stated:

 

“In order that all may know the truth of the faith in its purity and all error may be excluded, we define that anyone who presumes henceforth to assert defend or hold stubbornly that the rational or intellectual soul is not the form of the human body of itself and essentially, is to be considered a heretic.”

 

This formula has always been understood in relation to Thomistic-Aristotelian metaphysics and cosmology, which views all physical substances as coming into being through the union of substantial form and primary matter."

https://waragainstbeing.com/parti/article13/

 

Wobei die genaue Interpretation wahrscheinlich nicht festgelegt ist. Man kann da wohl durchaus auch in einer Weise interpretieren, die die Schwierigkeiten der aristotelisch- thomistischen Sichtweise meidet. (Siehe Josef Seifert: Leib und Seele.)

 

 

vor 1 Stunde schrieb rorro:

Die Seele ist nicht vollendet, weil sie ohne Körper auskommen muß? Echt jetzt? Wer sagt das?

 

Zumindest ist der "Mensch" - wenn man diesen Begriff hier überhaupt anwenden kann - laut Thomas v. Aquin unvollständig, wenn er nur alles separierte Seele existiert. Ich habe jetzt keine Zeit, aber wenn man beispielsweise *thomas aquinas soul after death incomplete* bei Google eingibt, sollten geeignete Treffer kommen.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Thomas v. Aquin, der vielleicht bedeutendste Kirchenlehrer der Geschichte, hat versucht, den aristotelischen Hylemorphismus mit der kath. Theologie zu vereinen, was jedoch nicht unbedingt gut gelungen ist, aber die Theologie bis heute prägt.

 

Wenn wir unvoreingenommen an die Sache herangehen, stellen wir fest, dass bereits die Verkündigung Jesu von einer nahenden Parusie geprägt ist.
Einige frühe Christengemeinden nahmen dies zum Anlass, weltliche Tätigkeiten wie die tägliche Arbeit einzustellen, da sie davon ausgingen, dass eine Vollendung von Gottes Reich unmittelbar bevorstünde. Paulus musste sie bekanntlich ermahnen: Nur derjenige habe ein Anrecht auf Nahrung, der auch arbeite.
Die Parusieverzögerung war eines der größten Probleme der jungen Kirche und ich wage zu behaupten, dass es mit Blick auf die Erkenntnisse der Kosmologie bis heute nicht zufriedenstellend gelöst ist: Aus einigen wenigen, sind nun Milliarden von Jahre geworden!
Die moderne Theologie hat versucht, sich dadurch aus der Schlinge zu ziehen, indem sie dazu tendierte, den Tod des Individuums mit dem Weltende gleichzusetzen.
Dass daraus ganz erhebliche Folgeprobleme resultieren, lässt sich nicht leugnen:
Wenn Jesus von der Vollendung des Reiches Gottes sprach, bezog er sich dabei auf eine postmortale Existenz? Dies ist sehr schwer vorstellbar, wenn wir berücksichtigen, dass seine Zuhörer von der Vorstellung eines nachtodlichen Schattenreiches, der Scheol, geprägt waren.
Ich würde eher sagen, er bezog sich auf unseren materiell verfassten Kosmos. Dies hätte dann allerdings die wenig erfreuliche Konsequenz, dass wir annehmen müssen, Jesus habe sich geirrt, denn auch nach 2000 Jahren ist das Weltende noch immer nicht eingetreten, und nichts, aber auch gar nichts, deutet darauf hin, dass dies in absehbarer Zeit geschehen wird, ganz im Gegenteil (siehe den zu Anfang verlinkten Artikel). Insofern passt auch das Wort von Alfred Loisy sehr gut in diesen Kontext.
Eine zweite Frage, die wir uns stellen müssen, lautet: Wie kann eine einzelne Person in der Gemeinschaft mit Gott vollendet sein, wenn der gesamte Kosmos noch nicht vollendet ist, wenn es noch immer Menschen gibt, die zu Opfern von Kriegen, Gewalt, Krankheiten und und Seuchen werden?

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 11 Minuten schrieb Danny_S.:

Die moderne Theologie hat versucht, sich dadurch aus der Schlinge zu ziehen, indem sie dazu tendierte, den Tod des Individuums mit dem Weltende gleichzusetzen.

Interessante Theorie, aber das ist in dieser Form sicher nicht katholisches Lehrgut.

 

Von der Kirche wurde die Frage, was mit jenen passiert, die zwischen der Auferstehung und der Parusie versterben mit dem Konzept des zweifachen Gerichts beantwortet: Jeder Mensch erfährt in der Stunde seines Todes ein direktes persönliches Gericht, das die körperlose Seele in die Verdammung, ins (vorrübergehende) Purgatorium oder in den Himmel versetzt.

 

Am jüngsten Gericht werden die körperlosen Seelen mit ihren verklärten Körpern vereint und ihrer endgültigen Bestimmung (Himmel oder Hölle) zugeteilt. Bisher sind nur Elia, Christus und die Theotokos bereits in ihren verklärten Leibern in den Himmel eingegangen.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 15 Minuten schrieb Danny_S.:

Thomas v. Aquin, der vielleicht bedeutendste Kirchenlehrer der Geschichte, hat versucht, den aristotelischen Hylemorphismus mit der kath. Theologie zu vereinen, was jedoch nicht unbedingt gut gelungen ist, aber die Theologie bis heute prägt.

 

Welche Texte von Thomas von Aquin hast Du denn gelesen, um so ein Urteil abgeben zu können?

 

vor 15 Minuten schrieb Danny_S.:

Wenn wir unvoreingenommen an die Sache herangehen, stellen wir fest, dass bereits die Verkündigung Jesu von einer nahenden Parusie geprägt ist.

 

Das wird oftmals so gesehen, ist aber nicht die einzige Interpretationsmöglichkeit.

 

Zitat

Einige frühe Christengemeinden nahmen dies zum Anlass, weltliche Tätigkeiten wie die tägliche Arbeit einzustellen, da sie davon ausgingen, dass eine Vollendung von Gottes Reich unmittelbar bevorstünde. Paulus musste sie bekanntlich ermahnen: Nur derjenige habe ein Anrecht auf Nahrung, der auch arbeite.

 

Ist das Deine Interpretation mit dem Einstellen der Arbeiten wegen der Parusie oder hast Du das irgendwo gelesen? Und wenn ja, wo?

 

Zitat

Die Parusieverzögerung war eines der größten Probleme der jungen Kirche und ich wage zu behaupten, dass es mit Blick auf die Erkenntnisse der Kosmologie bis heute nicht zufriedenstellend gelöst ist: Aus einigen wenigen, sind nun Milliarden von Jahre geworden!

 

Womöglich war es ja keine "Parusieverzögerung", sondern Fehlinterpretation Jesu?

 

Zitat

Die moderne Theologie hat versucht, sich dadurch aus der Schlinge zu ziehen, indem sie dazu tendierte, den Tod des Individuums mit dem Weltende gleichzusetzen.

 

Nein.

 

Zitat

Wenn Jesus von der Vollendung des Reiches Gottes sprach, bezog er sich dabei auf eine postmortale Existenz? Dies ist sehr schwer vorstellbar, wenn wir berücksichtigen, dass seine Zuhörer von der Vorstellung eines nachtodlichen Schattenreiches, der Scheol, geprägt waren.

 

Wenn man die Makkabäerbücher wegläßt, mag das stimmen. Nun glaubten aber eben auch die Pharisäer an die Auferstehung. Was nun?

 

Zitat

Ich würde eher sagen, er bezog sich auf unseren materiell verfassten Kosmos.

 

Soso.

 

Zitat

Dies hätte dann allerdings die wenig erfreuliche Konsequenz, dass wir annehmen müssen, Jesus habe sich geirrt, denn auch nach 2000 Jahren ist das Weltende noch immer nicht eingetreten, und nichts, aber auch gar nichts, deutet darauf hin, dass dies in absehbarer Zeit geschehen wird, ganz im Gegenteil (siehe den zu Anfang verlinkten Artikel).

 

Wieso sollten naturwissenschafliche Ergebnisse darauf hindeuten?

 

Zitat

Insofern passt auch das Wort von Alfred Loisy sehr gut in diesen Kontext.

 

Wie gesagt: seine Aussage hat mit Deinem Thema nichts zu tun.

 

Zitat

Eine zweite Frage, die wir uns stellen müssen, lautet: Wie kann eine einzelne Person in der Gemeinschaft mit Gott vollendet sein, wenn der gesamte Kosmos noch nicht vollendet ist, wenn es noch immer Menschen gibt, die zu Opfern von Kriegen, Gewalt, Krankheiten und und Seuchen werden?

 

Wieso nicht? Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Darf keiner Party machen, solange noch ein Mensch auf der Welt leidet? War Jesu Teilnahme auf der Hochzeit in Kana ein Fehler, weil bestimmt irgendwo jemand hungerte?

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 10 Minuten schrieb Flo77:

Bisher sind nur Elia, Christus und die Theotokos bereits in ihren verklärten Leibern in den Himmel eingegangen.

 

Henoch auch. Als erster übrigens.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 6 Minuten schrieb rorro:

Henoch auch. Als erster übrigens.

Wobei Henoch und Elia ja irgendwo den Limbus patrum herausfordern, aber wer wird schon so kritisch sein.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 15 Minuten schrieb Flo77:

Wobei Henoch und Elia ja irgendwo den Limbus patrum herausfordern, aber wer wird schon so kritisch sein.

 

Wenn sie gestorben sind, dann vielleicht (und es gibt ja noch Karsamstag). Doch sind sie das?

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 2 Stunden schrieb Danny_S.:

Aus einigen wenigen, sind nun Milliarden von Jahre geworden!

 

Na ja, das gilt erst mal für den Kosmos - und nicht für die Menschheit. Mit der Menschheit (oder auch der gesamten Biosphäre) kann es sehr viel früher aus sein. Und es gilt selbst für den Kosmos auch nur, wenn unsere heutigen Modelle die Zukunft korrekt voraussagen (was nicht zwingend daraus folgt, dass sie die Vergangenheit und Gegenwart korrekt beschreiben), und wenn wir beispielsweise auch ein "göttliches Eingreifen" ausschließen - was im Rahmen einer theologisch-religiösen Weltanschauung vielleicht nicht gerade zwingend ist.

 

Zitat

Thomas v. Aquin, der vielleicht bedeutendste Kirchenlehrer der Geschichte, hat versucht, den aristotelischen Hylemorphismus mit der kath. Theologie zu vereinen, was jedoch nicht unbedingt gut gelungen ist, aber die Theologie bis heute prägt.

 

Ich muss zugeben, dass mir schon der aristotelische Hylemorphismus, wenn er auf Lebewesen angewandt wird, dunkel erscheint. Natürlich kann man "Form" eines "Dinges" - im Sinne seiner inneren und äußeren Struktur - gedanklich von dem Stoff unterscheiden, aus dem dieses Ding besteht. Die "Beschaffenheit" etwa eines Hammers kann begrifflich von der Materie, aus der der Hammer besteht, unterschieden werden.

Aber wir haben es da natürlich mit Abstraktionen zu tun. Real gibt es nur das "eine" Ding; und seine "Beschaffenheit" und sein "Stoff" sind sozusagen Teilaspekte, die wir zwar begrifflich hervorheben, aber nicht von dem "Ding" abtrennen können. Jede "reale" Form/Struktur findet sich immer nur "in" der Materie, und jede "reale" Materie hat irgendeine "Struktur" oder "Beschaffenheit", wenigstens im weitesten Sinne. (Allerdings kann ein materielles "etwas" seine "Form" oder Beschaffenheit natürlich verändern.)

 

So weit, so gut. Was soll es nun aber heißen, dass die Seele die "Form" des Leibes wäre?

 

Die "Form" des Körpers im obigen Sinne wäre sozusagen doch seine äußere und innere "physische" Struktur - und also gerade nicht etwas "Psychisches", sondern vielmehr etwas anatomisches, physiologisches, chemisches und physikalisches.

Eine "Form" im gerade erläuterten Sinne kann als solche auch keine psychischen Regungen haben und also beispielsweise auch nichts "empfinden" oder "wollen", einfach schon, weil eine solche "Form" eine Abstraktion darstellt.

 

Und die Erklärung, dass die Seele "Form" des "belebten" Leibes sei, bringt uns hier nicht weiter, denn der belebte "Leib" soll ja gerade der "beseelte" Leib sein, und die Erläuterung, dass die Seele die "Form" des beseelten Leibes sei, wäre zirkulär und nichtssagend.

 

Man würde aber in jedem Fall meinen, dass die Seele nach der gerade kritisierten Auffassung so wenig vom Körper "abtrennbar" ist wie etwa die "Gestalt" oder "Beschaffenheit" eines Hammers von dem Stoff, der den Hammer ausmacht. So, wie bei der Zerstörung des konketen Hammers die "reale" Form des Hammers nicht mehr existiert, müsste dann die reale Seele des Menschen mit seinem Tod aufhören.

 

Laut Heinzmann ist die Lehre von Thomas v. Aquin dann auch mit Widersprüchen behaftet (Anmerkungen in Klammern von mir).

 

"Die forma wird [im Tode] nicht vernichtet, aber sie fällt gewissermaßen zurück ins Prinzipsein, 80 [wird also zu etwas Abstraktem?] da das von dem Prinzip anima Konstituierte, der Mensch, nicht mehr ist. Es fehlt diesem Prinzip unter dem Gesichtspunkt des forma-Seins die Aktualität [also die reale Existenz?], weil ja der Leib die Aktualität [das konkrete Sein?] der Seele ist. In der Auferstehung der Toten als der erneuten Aktualisierung der anima qua forma, wird die anima vom Prinzipsein wieder zu menschlicher Wirklichkeit erweckt [ein reales Ding wird zu einem Prinzip und und von einem Prinzip dann wider zu einem realen Ding?]. Das führt dann zur immortalitas hominis [Unsterblichkeit des Menschen]; es ist keine neue creatio [Schöpfung], sondern perfectio creaturae [Vervollkommnung des Erschaffenen]. Die einzelnen Aussagen, die Thomas über diesen in jeder Hinsicht defizienten Zustand macht, sind teilweise nur schwer miteinander in Einklang zu bringen. Wie soll man es verstehen, wenn er der anima separata [die körperlose Seele] das Personsein ebenso abspricht wie das Menschsein und das Ich-Bewußtsein 81 und doch von ihr sagt, sie sei der visio beatifica teilhaftig? Konkret besagt das, und so steht es bei Thomas, daß man etwa zu Petrus nur beten kann mit dem Blick auf sein irdisches Leben oder in der Hoffnung auf die Auferstehung. 82 Die Aporie, die sich in diesen und anderen nur schwer harmonisierbaren Gedanken des Thomas ausdrückt, ist als solche eine Aussage, die man stehenlassen sollte."

 

Ich gehe jetzt einmal davon aus, dass diese Darstellung einigermaßen akkurat ist. Mir kommt das alles sehr dunkel vor, vor allem wohl, weil ich wie gesagt schon den Grundgedanken nicht für luzide halte. Wenn man die Formen von der Seele als Form(prinzip) des Leibes in einer verständlichen Weise denken möchte, scheinen mir die Überlegungen von Seifert (s.o.) sinnvoller.

 

bearbeitet von iskander
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Am 6.8.2023 um 23:17 schrieb Danny_S.:

Lüke geht davon aus, dass Raum und Zeit eine Eigenschaft unseres materiell verfassten Universums sind. Er schließt daraus, dass es in einer transzendenten Dimension weder das eine noch das andere gibt, von daher würde die Person bei ihrem Tod ans Weltende gelangen, während in der Hinterbliebenenperspektive die Zeit noch Milliarden Jahre weiterläuft.

Das ist die einzige Vorstellung, zu der ich irgendwie einen Zugang habe. Raum und Zeit existieren "im Jenseits" "in der Ewigkeit" (wir sprechen davon, als wäre es eine bestimmte Zeit, bzw. ein bestimmter Ort) nicht mehr. Tatsächlich vorstellen kann ich mir da natürlich nicht! Wie auch?

 

Allerdings finde ich die Formulierung, dass man bei seinem Tod "ans Weltenende gelangt", auch eher unglücklich. Es klingt eben ganz stark danach, dass wir dann an diesen konkreten Punkt in der Zeit - eben dem Ende - gelangen. Das ist Unsinn, wenn keine Zeit mehr existiert. Wenn man diesen Begriff allerdings als bildhafte Umschreibung versteht von etwas, das wir uns nicht vorstellen oder begreifen können, ist es okay.

 

Am 6.8.2023 um 23:17 schrieb Danny_S.:

Kann man sich das überhaupt vorstellen, dass es im Himmel keinerlei Zeit und damit auch keine Veränderung gibt? Das wäre ja todlangweilig, weil alles immer gleichbleibt!

Jede Veränderung deutet doch auf die Existenz von Zeit hin.

Dazu vorab was Persönliches: Als Jugendliche fand ich den Gedanken an ein "ewiges Leben" (auch wenn ich das immer als etwas wundervolles vermittelt bekommen habe) fürchterlich. Meine größte Hoffnung war, dass es nach meinem Tod ein Ende haben würde. Die Vorstellung, dass es dann irgendwie weitergehen würde, auch wenn das in der Herrlichkeit Gottes wäre, war unerträglich. Da schwang aber gleichzeitig die Gewissheit und das Vertrauen mit, dass Gott mir das nicht zumuten würde. 😉

 

Aber deine Beschreibung, ohne Zeit gibt es keine Veränderung, das wäre todlangweilig, ist vielleicht einfach zu sehr im zeitlichen Denken verhaftet. Es ist irgendwie, als würde die Zeit noch existieren, aber eben nicht mehr fortschreiten. Wenn Zeit und Raum nicht mehr existieren, existiert vielleicht auch dieses Problem, dass du da siehst nicht mehr. Vielleicht kann man sich das statt als stillstand, eher wie eine Art "Gleichzeitigkeit" von allem vorstellen.

 

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ist eigentlich noch die These aktuell, nach der die erste Erschaffung des Menschen sich auf sein geistiges/ideales/ideelles Dasein bezieht und erst die zweite auf die materielle?

bearbeitet von Flo77
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Join the conversation

You can post now and register later. If you have an account, sign in now to post with your account.

Gast
Auf dieses Thema antworten...

×   Du hast formatierten Text eingefügt.   Formatierung jetzt entfernen

  Only 75 emoji are allowed.

×   Dein Link wurde automatisch eingebettet.   Einbetten rückgängig machen und als Link darstellen

×   Dein vorheriger Inhalt wurde wiederhergestellt.   Clear editor

×   You cannot paste images directly. Upload or insert images from URL.

×
×
  • Neu erstellen...