iskander Geschrieben 16. Januar Melden Share Geschrieben 16. Januar (bearbeitet) Ausgehend von den Diskussionen zwischen @Marcellinus und mir möchte ich hier etwas zur Thematik von Logik und Begründung schreiben, was vielleicht zu einer weiteren Klärung dienen kann. Zuerst etwas Grundsätzliches zur Logik. Man unterscheidet insbesondere drei Arten des Schließens: Deduktive Schlüsse: Beispiele: 1) Wenn es kräftig regnet, wird die Straße nass. (Prämisse) 2) Es regnet kräftig. (Prämisse) 3) Also wird die Straße nass. (Konklusion) 1) Wenn Glas Strom leiten würde, müsste jetzt diese Lampe leuchten. (Prämisse) 2) Diese Lampe leuchtet aber nicht. (Prämisse) 3) Also leitet Glas keinen Strom. (Konklusion) Deduktive Schlüsse sind im formalen und weiteren Sinne immer dann gültig, wenn unter der Annahme, dass die Prämissen wahr sind, auch die Konklusion wahr ist. In diesem formalen Sinne wäre daher auch der folgenden Schluss gültig: 1) Alle Dackel können fliegen. (Prämisse) 2) Alle Dackel sind Hunde. (Prämisse) 3) Manche Hunde können fliegen. (Konklusion) Im engeren und materialen Sinne ist ein Schluss hingegen nur dann gültig, wenn er nicht nur formal gültig ist, sondern wenn wir zusätzlich auch von der Wahrheit der Prämissen ausgehen dürfen. Denn nur wenn wir wissen, dass ein Schluss formal gültig ist und die Prämissen wahr sind, wissen wir auch, dass die Konklusion wahr ist. Um mithilfe der Logik Erkenntnisse gewinnen zu können, braucht man also immer schon Prämissen, deren Wahrheit man vernünftigerweise unterstellen darf. Beispielsweise sagt die Logik nichts darüber aus, ob die Straße tatsächlich immer nass wird, wenn es kräftig regnet, und auch nicht darüber, ob es jetzt tatsächlich regnet. Wenn ich aber davon ausgehen kann, dass beides stimmt, darf ich auch davon ausgehen, dass die Straße tatsächlich nass wird. Deduktive Schlüsse machen eine eigentlich schon vorhandene Information gewissermaßen insofern nur besser zugänglich. Induktive Schlüsse: Das sind Schlüsse aus einer beobachtbaren Regelmäßigkeit auf das Unbekannte. Anders als deduktive Schlüsse generieren sie tatsächlich neue Informationen, sind dafür aber mit Unsicherheiten behaftet. Das heißt: Selbst wenn wir absolut sicher wüssten, dass die Prämissen wahr sind, könnten wir nie ganz sicher sein, dass auchdie Konklusion wahr ist. Beispiele: 1) Bisher war es immer so, dass am Samstag Mittag die Innenstadt überfüllt ist. (Prämisse) 2) Heute ist Samstag Mittag. (Prämisse) 3) Also ist die Innenstadt heute überfüllt. (Konklusion) 1) Alle bisher beobachteten Säugetiere sind Warmblüter. (Prämisse) 2) Also wird auch das nächste Säugetier, das man beobachtet, ein Warmblüter sein. (Konklusion) [ 2)'Oder auch: Also sind alle Säugetiere Warmblüter. (Konklusion)] Abduktive Schlüsse: Das sind Schlüsse auf die beste Erklärung. Auch sie generieren neue Informationen, sind jedoch ebenfalls mit Unsicherheiten behaftet. Beispiele: 1) Aus dem Garten des Nachbarn dringen Rauch und der Geruch von Grillfleisch herüber. (Prämisse) [Die beste Erklärung lautet, dass bei meinem Nachbarn gegrillt wird.] 2) Also wird bei meinem Nachbarn gegrillt. (Konklusion) 1) Franz lacht herzhaft, als er den Witz hört. (Prämisse) [Die beste Erklärung für das Lachen ist, dass er den Witz lustig findet.] Franz findet den Witz lustig. (Konklusion) Zur Verdeutlichung des Unterschieds zwischen Induktion und Abduktion: Induktion: 1) Bisher hat sich der Lackmus immer rot verfärbt, wenn er mit einer Säure in Kontakt kam. (Prämisse) 2) Auch das nächste mal, wenn der Lackmus mit einer Säure in Kontakt kommt, wird er sich rot verfärben [weshalb wir das nicht gesondert überprüfen müssen, sondern als gegeben annehmen]. (Konklusion) Abduktion: 1) Der Lackmus hat sich rot gefärbt, als ich ihn mit dieser Flüssigkeit in Berührung gebracht habe. (Prämisse) [Die einzige überzeugende Erklärung dafür ist, dass diese Flüssigkeit Säure enthält.] 2) Also enthält diese Flüssigkeit Säure. (Konklusion) Logisches Schließen findet ständig statt Wie man an diesen Beispielen sehen kann, ist logisches Schließen nicht nur in der Wissenschaft absolut unabdingbar, sondern auch im Alltagsleben (und keineswegs nur etwa in der Philosophie). Man begegnet ihm auf Schritt und Tritt. Das liegt einfach daran, dass wir nur wenig "ganz unmittelbar" wissen und das meiste erschließen müssen (siehe auch hier). Logisches Schließen muss dabei natürlich nicht immer formal und in sukzessiven Schritte vollzogen werden – oft ist das keineswegs der Fall. Nehmen wir als Beispiel an, dass ich wissen will, ob ein Freund von mir, der in München seinen Wohnsitz hat, zu Hause ist. Ich rufe ihn an und er berichtet mir, dass er gerade in Graubünden weilt. Und da er sehr ehrlich ist und keinerlei Grund hat, mich zu belügen, darf ich davon ausgehen, dass es auch stimmt. Und so weiß ich also, dass er sich nicht in München aufhält. Formalisiert würde der logische Schluss, dem ich dieses Wissen verdanke, so aussehen: 1) Niemand kann sich an zwei Orten gleichzeitig aufhalten; also kann sich auch mein Freund nicht an zwei unterschiedlichen Orten aufhalten. (Prämisse) 2) München und Graubünden sind unterschiedliche Orte. (Prämisse) 3) Wenn mein Freund sich in Graubünden aufhält, befindet er sich also nicht in München. (Abgeleitet aus 1) und 2) ) 4) Mein Freund hält sich in Graubünden auf. (Prämisse) 5) Also befindet er sich nicht in München. (Konklusion, abgeleitet aus 4) und 5) ) Natürlich geht man im Alltag nicht diese Schritte sukzessive durch, sondern erfasst alles Relevante in einem einzigen geistigen Akt. Wenn ich weiß, dass mein Freund in Graubünden ist, weiß ich in dem Moment auch, dass er nicht in München ist. Alles Relevante wird miterfasst. Trotzdem könnte ich nicht wissen, dass mein Freund in Graubünden weilt, wenn ich nicht um die Wahrheit aller Prämissen wüsste oder nicht logisch denken könnte! Wenn beispielsweise ein Kind auch hören würde, dass sich mein Freund in Graubünden befindet, aber nicht wüsste, dass München und Graubünden völlig getrennte Orte sind und es für möglich halten würde, dass Graubünden etwa das Bundesland ist, in dem München liegt: Dann wüsste dieses Kind eben auch nicht, dass mein Freund sich nicht in München aufhält. (Und in dem natürlich sehr theoretischen Fall, dass ein Außerirdischer in der Lage sein sollte, an zwei Orten gleichzeitig zu weilen, und dass er nicht wüsste, dass uns Menschen das unmöglich ist, wüsste er auch noch nicht, dass mein Freund nicht (auch) in München ist.) Die Tatsache, dass wir gewöhnlich nicht in einer expliziten oder formellen Weise logisch denken, sollte uns also nicht zu dem Trugschluss verführen, dass wir nicht andauernd logisch denken würden; denn genau das tun wir. Ansonsten wüssten wir praktisch überhaupt nichts und könnten selbst die einfachsten Dinge bestenfalls in einer "instinkthaften" Weise verrichten. Das Lösen komplexer Aufgaben oder gar das Betreiben von Wissenschaft wäre jedoch undenkbar. Es ist auch zu sagen, dass dort, wo Leute sich über ein Argument streiten, es nur selten darum geht, ob das Argument rein formal-logisch gültig ist; vielmehr geht es fast immer darum, ob die Prämissen wahr sind oder nicht. Formal logisch korrekt schließen können wir – außer in komplexen Fällen – alle. Zwar gibt es verschiedene formale logische Systeme, doch muss man diese im allgemeinen nicht als Gegensätze sehen; oftmals ergänzen sich formale Logik-Systeme ergänzen sich oft bzw. adressieren einfach andere Fragestellungen. Die klassische zweiwertige Logik, die nur die Wahrheitswerte "wahr" und "falsch" kennt, steht nicht notwendig in im Gegensatz zu einem zu einer mehrwertigen Logik, die etwa die Werte "wahr" im Sinne von "entscheidbar wahr", "falsch" im Sinne von "entscheidbar falsch" sowie "unbestimmt" kennt. Denn "wahr" und "falsch" ist etwas anderes als "entscheidbar wahr“ und "entscheidbar falsch". Auch lassen sich offenbar so ziemlich alle (wenn nicht überhaupt alle) formalen logischen Systeme in die klassische Logik "übersetzen". Das logische Denken war zudem da, bevor je ein formales logisches System erdacht wurde. Dies sollte bereits aus den Beispielen erhellen; es wird aber auch klar, wenn man bedenkt, dass die semantischen Beschreibung eines formalen logischen Systems immer bereits selbst Logik voraussetzt. (So wie jedes Sprechen, das mit einer Bedeutung verknüpft ist. Wenn jedes alles und das Gegenteil bedeuten würde, wäre Bedeutung tatsächlich unmöglich.) Zudem denken auch Leute, die sich nie mit formaler Logik befasst haben, in aller Regel logisch. Die Existenz unterschiedlicher formaler logischer Systeme sollte also nicht so interpretiert werden, dass unsere Logik, die wir im Alltag benutzen, einfach eine völlig willkürliche Erfindung aus der Zeit der Sophisten oder des Aristoteles sei, auf die man auch gerne verzichten könnten. Logik in den empirischen Wissenschaften Ein logischer Schluss ist im Grunde das gleiche wie ein Argument oder ein Beweis. Zurecht schreibt die Wikipedia: "Ein Argument […] wird typischerweise dazu verwendet, etwas zu begründen oder jemanden zu überzeugen. In Sprachwissenschaft und Philosophie versteht man unter einem Argument eine Abfolge von Aussagen, die aus einer Konklusion und möglicherweise mehreren Prämissen besteht, wobei die Konklusion diejenige Aussage ist, die durch die Prämissen begründet (man sagt auch: gestützt) werden soll.[2] Umgangssprachlich werden unter einem Argument dagegen oft allein die Prämissen verstanden, die zur Begründung der Konklusion dienen.[3]" Ein gut begründetes Argument bzw. ein guter Beweis wäre demnach ein logischer Schluss, der nicht nur formal gültig ist, sondern dessen Prämissen zumindest mit einiger Wahrscheinlichkeit wahr sind. (Ein solches Argument bzw. ein solcher Beweis muss gewöhnlich nicht im strengen Sinne zwingend sein muss. Es sind also auch deduktive Schlüsse zugelassen, bei denen man sich nicht ganz sicher ist, sowie beispielsweise induktive und abduktive Schlüsse.) Es wäre auch verkehrt, wenn man meinen würde, dass die Wissenschaft keine gültigen Schlüsse oder Argumente benötige, sondern dass "Tatsachen", "Beobachtungen", "Empirie" und "Experimente" für sich alleine ausreichen würden, um das Wissen, dass eine wissenschaftliche These bestätigt oder widerlegt wurde, zu generieren. Betrachten wir dazu ein ganz einfaches Beispiel, bei dem es nicht einmal um ein Experiment geht, sondern nur um eine Tatsache, die man entdeckt: Nehmen wir an, eine Ausgrabung in Süddeutschland führt zur überraschenden Erkenntnis, dass die Römer im 2. Jh. n. Chr. östlich des Flusses X Siedlungen (oder mindestens eben eine Siedlung) unterhalten hatten. Von der Ausgrabung bis zu dieser Erkenntnis komme ich nur durch einen logischen Schluss: 1) Es wurden am Ort Y archäologische Fundstücke gefunden, die diese und jene Beschaffenheit haben. (Prämisse) 2) Die einzige sinnvolle Erklärung für diese besondere Beschaffenheit der Fundstücke lautet, dass es sich um römische Überbleibsel aus dem 2. Jh. handelt. (Prämisse) 3) Die einzig sinnvolle Erklärung dafür, dass diese Fundstücke (zu denen etwa auch die Überreste von Gebäuden gehören) am Ort Y vorkommen, lautet, dass die Römer dort im 2. Jh. eine Siedlung unterhalten haben. (Prämisse) 4) Der Ort Y legt östlich des Flusses X, und zwar in Süddeutschland. 5) Also haben die Römer im 2. Jh. N. Chr. östlich des Flusses X im heutigen Süddeutschland gesiedelt. (Konklusion, abgeleitet aus 3) und 4) ) Dass hier die Beobachtung allein noch nichts nutzt, um etwas zu erkennen, um etwas zu bestätigen oder etwas zu widerlegen, sei wie folgt erläutert: Nehmen wir an, ein Fuchs käme an den Resten der Römersiedlung vorbei. Egal, wie genau er alles betrachtet - er würde keinerlei für unseren Zusammenhang relevantes Wissen erwerben. Der Landwirt, der zufällig auf seinem Acker alte Artefakte findet, würde zumindest erkennen, dass sich da etwas Menschengemaches befindet, was von Interesse sein könnte. Doch erst wenn wirkliche Experten kommen, sich alles im Detail ansehen und ihre so erworbenes Erkenntnisse mit ihrem bereits vorhandenen Expertenwissen in Beziehung setzen, werden interessante Dinge herauskommen. Und diese ganzen Überlegungen bzw. dieses ganze In-Beziehung-Setzen stellt nichts anderes als einen komplexen logischen Schluss dar, welcher zahlreiche deduktive, induktive, abduktive, Analogie- und womöglich weitere Schlüsse enthalten wird, wobei ein Großteil der Prämissen natürlich auf empirische Daten gründet. (Dass man Logik auch für den widerlegenden Beweis gilt, habe ich hier an einem sehr einfachen Beispiel näher ausgeführt.) Wissenschaft muss natürlich nicht irrtumsfrei sein und ist es in aller Regel ja auch nicht. Beispielsweise mögen wir uns über einiges auch irren, was römische Siedlungen im 2. nach-christlichen Jahrhundert angeht. Wenn aber nun etwa die These, dass die Römer im 2. Jh. n.Ch. nicht östlich des Flusses X gesiedelt haben, gültig widerlegt werden soll, muss umgekehrt zumindest gültig bewiesen werden, dass die Römer dort eben doch gesiedelt haben. Und gültig heißt hier: Man muss aus (großteils empirisch fundierten) Prämissen, deren Wahrheit zumindest wahrscheinlich ist, die Konklusion in logisch akzeptabler Weise ableiten. Denn wenn man nicht etwas Wahres hat, was im Widerspruch zu einer bestimmten These steht, dann kann man diese These eben auch nicht widerlegen. Empirische Daten sind also zwar essentiell und unverzichtbar für empirische (bestätigende oder widerlegende) Beweise, ersetzen aber keine Beweise; vielmehr stellen die Informationen über empirischen Daten einen integralen Teil eines Beweises dar. Und erst der Beweis selbst bestätigt oder widerlegt dann etwas. Umgekehrt ist ebenfalls vollkommen klar, dass logische Schlüsse empirische Befunde niemals ersetzen können. Wo es um empirische Fragen geht, braucht man empirische Daten. Das liegt einfach daran, dass man wie schon dargelegt aus Logik allein nichts an inhaltlicher Erkenntnis gewinnen kann. Etwas Gegenteiliges wird aber auch niemand – und zwar auch bzw. erst recht kein Philosoph – behaupten. bearbeitet 16. Januar von iskander 2 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Marcellinus Geschrieben 16. Januar Melden Share Geschrieben 16. Januar @iskander Ich will mal eine Antwort versuchen, die meine Sicht der Dinge, um die es hier geht, versucht deutlich zu machen. Die Rolle der Logik im Alltagsleben. Ob du Erfahrungen mit der Erstellung von IT-Programmen hast, weiß ich nicht. Ich habe fast mein ganzes Berufsleben damit zugebracht, Abläufe aus dem realen Leben in Programmabläufe umzusetzen. Das Problem dabei: Es geht nicht! Das wirkliche Leben ist immer erheblich komplizierter als jeder logische Ablauf es sein könnte. Die Lösung: Reduzieren von Komplexität. Man läßt einfach nicht alle Möglichkeiten zu. Aber die Welt ist ja nicht stehengeblieben. Heute haben wir KI. Die erschlägt die Wirklichkeit einfach mit der schieren Rechenleistung. So lassen sich auch komplizierteste Sachverhalte automatisieren. Problem nur: Da die KI nicht wirklich intelligent ist, trifft sie manches Mal ins Schwarze, und manchmal auch gewaltig daneben. Leider schreibt sie nicht dabei, um welchen Fall es jeweils handelt. Und noch schlimmer: kein Mensch kann diese Entscheidungen mehr nachvollziehen. Wir haben also offenbar die Wahl: entweder entscheiden wir uns für die Logik, dann müssen wir die Probleme auf ein Minimum an Komplexität reduzieren, oder wir wollen die Komplexität erhalten, dann brauchen wir Intelligenz, künstliche oder natürliche. Logik hilft da nicht mehr weiter. Die Rolle der Logik in den theoretisch-empirischen Wissenschaften. Logik spielt eigentlich zwei Rollen, einmal die Ableitung von Schlüssen aus Prämissen, und zum anderen die Untersuchung von Schlüssen auf ihre Gültigkeit, also die Suche nach Widersprüchen. Wenn ich mit Hilfe der Logik eine Theorie auf ihre Gültigkeit überprüfen will, also nach Widersprüchen in einer Theorie suche, ist das erst einmal ein formaler Vorgang. Ich muß auch nicht die gesamte Theorie analysieren, sondern streng genommen nur nach einem wesentlichen Punkt schauen, wo sich die Theorie selbst widerspricht. Das ist möglich, war die Grundlage der philosophischen Religionskritik, und als solche recht erfolgreich. Ob man sich mit dieser Methode, sagen wir aus einer 500-Seiten-Untersuchung einzelne selbstwidersprüchliche Sätze rauszusuchen, im wissenschaftlichen Betrieb wirklich Freunde macht, wage ich allerdings zu bezweifeln. Außerdem braucht man dazu Sachkenntnis, und die fehlt Philosophen (soweit sich nicht in den Fach zufällig auch Fachleute sind). Die zweite Rolle, das Ableiten von Schlüssen aus Prämissen, also die Suche nach positiven „Wahrheiten“ scheitert in den theoretisch-empirischen Wissenschaften schlicht an der Komplexität der Aufgabenstellungen. Deshalb findet so etwas nur noch ein philosophisch-weltanschaulichen Diskussionen statt, in denen dann die Beispiele hinreichend simpel sind. (Stichwort. Reduktion von Komplexität) Man kann es auch anders formulieren: Das Ableiten von Schlüssen aus Prämissen führt nie zu etwas anderem als dem, was man schon weiß. Entweder sind die Probleme so belanglos, daß man dafür im wirklichen Leben keine Logik bräuchte, oder die Diskussion verlagert sich in die Auseinandersetzung um Prämissen, letztlich von Glaubenssätzen. In den theoretisch-empirischen Wissenschaften spielt Logik entweder die Rolle, Kritik nachvollziehbar zu machen, oder sie ist eine philosophische Chimäre. Natürlich kann man versuchen, jedes Gespräch zwischen Menschen, und als solche sprechen natürlich auch Wissenschaftler gelegentlich miteinander, nachträglich in ein Logikgerüst zu zwängen. Nur so werden wissenschaftliche Streitfragen nun mal nicht entschieden. Die Rolle der Philosophie im Prozeß der theoretisch-empirischen Wissenschaften Aber um die logische Struktur von Sätzen geht es ja eigentlich gar nicht, so wie (hoffentlich) niemand glaubt, Prozesse im wirklichen Leben, egal ob in den Wissenschaften oder außerhalb, in eine Abfolge von logischen Sätzen zerlegen zu können. Da steht einfach die Komplexität dieser Prozesse davor, und unsere gedanklichen Bemühungen, wissenschaftlich oder außerwissenschaftlich, leiden immer an einem dreifachen Mangel, dem Mangel an Zeit, an Informationen und unseren kognitiven Fähigkeiten. Nur geht es darum ja auch eigentlich nicht. Es geht um die Rolle der Philosophie im Verhältnis zu den heutigen theoretisch-empirischen Wissenschaften. Religionen hatten seit dem Altertum versucht, absolute, endgültige und dogmatische Antworten auf Fragen von existenzieller oder auch nur affektiver Bedeutung zu finden, indem man Antworten in den Handlungen, Absichten oder Zielen von als übernatürlich gedachten Personen zu finden. Mit dem aufkommen bürgerlicher Schichten in der Antike entstand vor allem in Griechenland die Philosophie als der Versuch, in einer Welt, über die kaum nachprüfbares Wissen existierte, durch Denken sicheres Wissen zu gewinnen, nachdem die Antworten der Religionen zunehmend mit Tatsachenbeobachtungen in Widerspruch gerieten oder unbefriedigende Antworten lieferten, wobei die Philosophen die Quelle für ihre Antworten nicht mehr in „Göttern“, sondern in ihrem eigenen Denken fanden. Anklagen wegen „Gottlosigkeit“ waren daher keine Überraschung. An dieser Stelle will ich keine Geschichte der Philosophie schreiben, aber wenigstens darauf hinweisen, daß damals sowohl die eher spekulative Metaphysik als auch die eher empirisch orientierte Naturphilosophie entstand, ohne daß beide noch institutionell oder personell getrennt waren. (Großer Sprung!) Erst mit der Entstehung der Naturwissenschaften, und einem wachsenden Fundus an empirisch gesichertem Wissen, geriet die Philosophie zunehmend in die Rolle des Kommentators von der Seite, während gesicherte Erkenntnisse anderswo gewonnen wurden. Aber während Philosophen weiterhin am Anspruch festhielten, die absolute und autoritative „Wahrheit“ über das „Wesen“ dieser Welt herauszufinden, darin in der Tradition der Religionen, geht es den Naturwissenschaften darum, wie beobachtbare Ereignisse nachprüfbar zusammenhängen. Zwar bekommt man so weder Aussagen über „Wahrheit“ noch über das „Wesen der Welt“, aber mit der schieren Masse der neuen Erkenntnisse schwindet nachprüfbar das Interesse des Publikums sowohl an den Verkündigungen der Religion wie der Philosophie. Objektive Erkenntnisse, mögen sie im Prinzip vorläufig sein, haben immer noch eine längere Halbwertzeit und auch höhere Glaubwürdigkeit als die Glaubensüberzeugungen der Theologen und Philosophen. Das soll nicht heißen, daß die Fragen, mit denen sich Philosophen beschäftigen, keine Bedeutung mehr hätten, aber es geht ihnen darin wie der Theologie: ihre Bedeutung ist beschränkt auf die der direkt Interessierten. Beide sind aus Wegen allgemeiner Erkenntnis zu Special Interest Groups geworden. Viele Religiöse scheinen sich mit dieser Tatsache (wenn auch widerstrebend) abgefunden zu haben. Philosophen tun sich damit offenbar schwerer. 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben 18. Januar Autor Melden Share Geschrieben 18. Januar (bearbeitet) Am 16.1.2024 um 21:19 schrieb Marcellinus: @iskander Ich will mal eine Antwort versuchen, die meine Sicht der Dinge, um die es hier geht, versucht deutlich zu machen. Dann will ich auch mal. Ich versuche mal, mich auf das zu konzentrieren, was mir als besonders wesentlich erscheint. Am 16.1.2024 um 21:19 schrieb Marcellinus: Das Problem dabei: Es geht nicht! Das wirkliche Leben ist immer erheblich komplizierter als jeder logische Ablauf es sein könnte. Die Lösung: Reduzieren von Komplexität. Man läßt einfach nicht alle Möglichkeiten zu. Hier scheint mir das Problem aber weniger in der Logik zu liegen, sondern darin, dass es sehr schwierig ist, "semantische" (d.h. "mit Bedeutung versehene") Inhalte funktional in eine rein formale bzw. "syntaktische" Sprache zu "übersetzen" - und sei es auch nur annäherungsweise und in spezifischen Kontexten. Der Mensch allerdings muss sich in einer komplexen Welt zurechtfinden, die er auch nicht beliebig vereinfachen kann. Doch egal, wie einfach oder komplex er auch denkt oder agiert: Eigentlich immer stehen seine Gedanken, durch die er sich auf die Welt bezieht, in logischer Verbindung. Denn die Welt verhält sich ja ständig so, dass dann, wenn die Bedingungen A und B bestehen, auch C gilt, aber dass dann, wenn C und D gelten, E nicht der Fall ist usw. Wenn der Thermostat in Betrieb ist und wenn zugleich diese und jene Temperatur-Grenze unterschritten wurde, dann, aber auch nur dann, springt die Heizung an. Ohne seine Fähigkeit zum logischen Denken hätte der Mensch daher Probleme, egal ob in einfachen oder (erst recht) in komplexen Situationen. Mir scheint Dein Hinweis insofern nicht zu zeigen, dass die Logik für das Erkennen unnötig wäre, sondern eher nahezulegen, dass die Simulation logischer Prozesse ohne semantisches (inhaltliches) Verständnis an Grenzen stößt und ein semantisches Denken (welches zugleich natürlich logisch sein muss) nicht ersetzen kann. (Dass der Mensch leidlich zurechtkommt und auch nicht mehr logische Schlüsse bewusst ziehen muss, als er eben muss, mag jedoch auch mit einem "ratiomorphen Apparat" zu tun haben, welcher unbewusst arbeitet und ihm schon viel Arbeit abnimmt.) Am 16.1.2024 um 21:19 schrieb Marcellinus: Wenn ich mit Hilfe der Logik eine Theorie auf ihre Gültigkeit überprüfen will, also nach Widersprüchen in einer Theorie suche, ist das erst einmal ein formaler Vorgang. Ich muß auch nicht die gesamte Theorie analysieren, sondern streng genommen nur nach einem wesentlichen Punkt schauen, wo sich die Theorie selbst widerspricht. Wenn eine wissenschaftliche Theorie keine formalisierte Sprache verwendet, wäre das in der Tat sehr schwer; dass es allerdings in einer Theorie tatsächlich zu explizit logischen Widersprüchen kommt, ist vermutlich bestenfalls bei sehr komplexen, mathematisierten Theorien zu erwarten, wo man schnell den Überblick verlieren kann. Und dafür braucht man dann tatsächlich keine Philosophen. Zitat Die zweite Rolle, das Ableiten von Schlüssen aus Prämissen, also die Suche nach positiven „Wahrheiten“ scheitert in den theoretisch-empirischen Wissenschaften schlicht an der Komplexität der Aufgabenstellungen. Ohne das Ableiten von Schlüssen aus Prämissen wird man aber zu nichts kommen, auch nicht zu einer Theorie, die empirisch einigermaßen adäquat ist (aus der sich also immerhin einigermaßen zutreffende Schlüsse auf die beobachtbare Welt ableiten lassen). Schon die Schlussfolgerung, dass Flüssigkeit X eine Säure sein muss, weil Flüssigkeit X den Lackmus rot verfärbt hat, ist ein logischer (abduktiver) Schluss. Für diesen Schluss muss man zudem erst einmal wissen, dass Lackmus auf Säuren generell rot reagiert - und dieses Wissen wiederum basiert auf einem induktiven Schluss. Ähnlich braucht man beispielsweise für das Falisfizieren (u.a.) deduktive Schlüsse: "Wenn die Theorie gilt, müsste ich die Beobachtung B machen; ich mache sie nicht; also ist T falsch." Kurz: Selbst schon in sehr einfachen Fällen kommt man ohne Logik nicht aus. Und je komplexer es wird,desto eher droht die Gefahr von fehlerhaften Schlüssen - insofern braucht man da noch mehr Logik. Zitat Das Ableiten von Schlüssen aus Prämissen führt nie zu etwas anderem als dem, was man schon weiß. Entweder sind die Probleme so belanglos, daß man dafür im wirklichen Leben keine Logik bräuchte, oder die Diskussion verlagert sich in die Auseinandersetzung um Prämissen, letztlich von Glaubenssätzen. Man braucht im Alltag keine formalisierte Logik, und meistens in der Wissenschaft auch nicht. In der Sache braucht man Logik allerdings im Alltag andauernd. Unsere Gedanken sollen ja kohärent sein, und außerdem folgerichtig. Selbst etwas so Simples wie "Heute ist der 18. Januar, am 18. Januar hat Dieter Geburtstag, also hat Dieter heute Geburtstag" ist ja nichts anderes als ein logischer Schluss. Das Wissen, dass Dieter heute Geburtstag hat, leite ich aus zwei Kenntnissen her - welcher Tag heute ist und an welchem Tag Dieter Geburtstag hat; und das ist nichts anderes als eine logische Schlussfolgerung. Man kann sich das so klarmachen: Wenn ich von der Wahrheit auch nur einer der beiden Prämissen nicht wüsste, dann wüsste ich auch nicht, dass Dieter heute Geburtstag hat. Logisches Denken ist so selbstverständlich und intuitiv, dass es häufig offenbar gar nicht auffällt. Wenn wir allerdings von manchen Prämissen nicht wenigstens mit hoher Wahrscheinlichkeit wüssten, dass sie wahr sind, dann hätten wir überall ein Problem. Denn wenn ich nicht wissen kann, ob die Substanz vor mir wirklich Lackmus ist, und ob er sich wirklich gerade eben, als ich ihn mit der Flüssigkeit X in Berührung gebracht habe rot verfärbt hat - dann weiß ich auch nicht, ob Flüssigkeit X eine Säure ist. Zitat Natürlich kann man versuchen, jedes Gespräch zwischen Menschen, und als solche sprechen natürlich auch Wissenschaftler gelegentlich miteinander, nachträglich in ein Logikgerüst zu zwängen. Nur so werden wissenschaftliche Streitfragen nun mal nicht entschieden. Da wird nichts "gezwungen". Es wird nur etwas formalisiert, was normalerweise informell abläuft (und informell ablaufen darf!). Und wenn die wissenschaftliche Streitfragen nicht so gelöst werden, indem man aufzeigt, dass die logisch aus einer Theorie und den Randbedingungen abgeleiteten Vorhersagen den tatsächlichen Beobachtungen gut entsprechen oder ihnen widersprechen - wie dann? Zitat Aber um die logische Struktur von Sätzen geht es ja eigentlich gar nicht, so wie (hoffentlich) niemand glaubt, Prozesse im wirklichen Leben, egal ob in den Wissenschaften oder außerhalb, in eine Abfolge von logischen Sätzen zerlegen zu können. Was das wirkliche Leben angeht, sehe ich die Beschränkung eher darin, dass man nicht jeden Gedanken so einfach in Worten verbalisieren kann - und schon gar nicht auf die Schnelle. Was die Wissenschaft angeht: Was ist eine in Sprache gefasste wissenschaftliche Theorie anderes als eine so und so bestimmte Menge von Sätzen, die zueinander in logischer Beziehung stehen? Zur Rolle der Philosophie möchte ich später noch etwas sagen, außer jetzt auf die Schnelle dies: Natürlich kann die Rolle etwa der Wissenschaftstheorie nicht darin bestehen, fachwissenschaftliche Theorien auf ihre logische Konsistenz zu prüfen. Aber sie kann beispielsweise fragen: Welche logisch-semantische Gestalt haben wissenschaftliche Erklärungen? Wann kann man sagen: "Die Theorie X erklärt das Phänomen P?" Die empirischen Wissenschaften legen einzelne Erklärungen vor; aber sie befassen sich normalerweise nicht mit der Frage, was wissenschaftlichen Erklärungen allgemein zukommt und sie beispielsweise von wissenschaftlichen Beschreibungen eines Phänomens unterscheidet. bearbeitet 18. Januar von iskander Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Moriz Geschrieben 18. Januar Melden Share Geschrieben 18. Januar vor 9 Minuten schrieb iskander: Der Mensch allerdings muss sich in einer komplexen Welt zurechtfinden, die er auch nicht beliebig vereinfachen kann. Doch egal, wie einfach oder komplex er auch denkt oder agiert: Eigentlich immer stehen seine Gedanken, durch die er sich auf die Welt bezieht, in logischer Verbindung. Wenn ich das lese, dann muß ich daran denken, daß im wahren Leben der Zufall eine große Rolle spielt. Gerade bei komplexen Zusammenhängen sind wir nicht in der Lage, alle Ausgansparameter so exakt zu bestimmen, daß wir trotz bekannter Zusammenhänge den Endpunkt ermitteln können (komplexes Beispiel: Wettervorhersage). Der Mensch hat gelernt, mit dieser Unsicherheit umzugehen. So weiß er z.B. aus Erfahrung, daß auf ein schönes Abendrot - häufig - ein Regentag folgt. Der Mensch hat evolutionär gelernt, mit unsicheren Prämissen umzugehen - und da wird dann aus der einfachen Logik die viel komplizierter Wahrscheinlichkeitsrechnung. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Marcellinus Geschrieben 18. Januar Melden Share Geschrieben 18. Januar vor 47 Minuten schrieb Moriz: Wenn ich das lese, dann muß ich daran denken, daß im wahren Leben der Zufall eine große Rolle spielt. Gerade bei komplexen Zusammenhängen sind wir nicht in der Lage, alle Ausgansparameter so exakt zu bestimmen, daß wir trotz bekannter Zusammenhänge den Endpunkt ermitteln können (komplexes Beispiel: Wettervorhersage). Der Mensch hat gelernt, mit dieser Unsicherheit umzugehen. So weiß er z.B. aus Erfahrung, daß auf ein schönes Abendrot - häufig - ein Regentag folgt. Der Mensch hat evolutionär gelernt, mit unsicheren Prämissen umzugehen - und da wird dann aus der einfachen Logik die viel komplizierter Wahrscheinlichkeitsrechnung. So isses! Und weil das so ist, entscheiden wir fast immer nicht nach Logik, sondern nach „Gefühl und Wellenschlag“, mithin nach unserem Bauchgefühl, unserem Unterbewußtsein, das zwar mit erheblich komplizierteren Zusammenhängen klarkommt, aber, wie der Name schon sagt, uns nicht bewußt ist. Wie @Ennasus so richtig schrieb, ist das Autofahren ein gutes Beispiel. Wir erlernen seine Regel bewußt, mühsam und langsam, aber erst, wenn wir sie verinnerlicht haben, können wir wirklich fahren. Und nein, diese Regeln sind nicht immer logisch, nicht einmal widerspruchsfrei. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben 18. Januar Autor Melden Share Geschrieben 18. Januar (bearbeitet) vor 10 Stunden schrieb Moriz: Wenn ich das lese, dann muß ich daran denken, daß im wahren Leben der Zufall eine große Rolle spielt. Gerade bei komplexen Zusammenhängen sind wir nicht in der Lage, alle Ausgansparameter so exakt zu bestimmen, daß wir trotz bekannter Zusammenhänge den Endpunkt ermitteln können (komplexes Beispiel: Wettervorhersage). Der Mensch hat gelernt, mit dieser Unsicherheit umzugehen. So weiß er z.B. aus Erfahrung, daß auf ein schönes Abendrot - häufig - ein Regentag folgt. Und Letzteres wäre ein induktiver Schluss. Zitat Der Mensch hat evolutionär gelernt, mit unsicheren Prämissen umzugehen - und da wird dann aus der einfachen Logik die viel komplizierter Wahrscheinlichkeitsrechnung. Wobei die Wahrscheinlichkeitsrechnung als Teil der Mathematik natürlich in jedem einzelnen Schritt, den sie geht, logisch ist. Insofern lagern wir beim Berechnen des Wetters mithilfe von Supercomputern einen Großteil der "logischen Operationen" gewissermaßen an Supercomputer aus (welche unser logisches Schließen sozusagen simulieren, aber eben in viel kürzerer Zeit viel mehr leisten). Und auch bei Verfahren, bei denen man versucht, sich eben einem Ergebnis anzunähern, weil entweder die exakten Daten fehlen und/oder weil man keine exakten mathematischen Lösungen finden kann, ist das Vorgehen normalerweise begründet und folgerichtig. Daneben gibt es natürlich auch Fälle, in denen man in einer sehr intuitiven Weise zu einem Ergebnis kommt, die man nicht im Detail explizieren kann. (Ich denke hier etwa an Schachspieler.) Aber auch das Wissen darum, dass dann, wenn das intuitive Lösen von Problemen bisher gut funktioniert hat, es wohl auch in Zukunft gut funktionieren wird, ist ein (induktiver) Schluss. In vielen Situationen genügt uns das allerdings nicht. Man akzeptiert keine wissenschaftliche These, nur weil ein Wissenschaftler intuitiv zu wissen meint, dass sie richtig ist. Und auch wenn jemand mir sagt, ich solle doch einen langen Umweg machen, werde ich nach Gründen fragen, die rational angegeben werden können. vor 9 Stunden schrieb Marcellinus: So isses! Und weil das so ist, entscheiden wir fast immer nicht nach Logik, sondern nach „Gefühl und Wellenschlag“, mithin nach unserem Bauchgefühl, unserem Unterbewußtsein, das zwar mit erheblich komplizierteren Zusammenhängen klarkommt, aber, wie der Name schon sagt, uns nicht bewußt ist. Wie @Ennasus so richtig schrieb, ist das Autofahren ein gutes Beispiel. Wir erlernen seine Regel bewußt, mühsam und langsam, aber erst, wenn wir sie verinnerlicht haben, können wir wirklich fahren. Und nein, diese Regeln sind nicht immer logisch, nicht einmal widerspruchsfrei. Bei solchen Dingen geht es typischerweise um Prozesse, die "kompliziert", meistens aber nicht im eigentlichen Sinne "intellektuell anspruchsvoll" sind. Solches Routine-Verhalten wird zum Großteil offenbar weitgehend "automatisiert" erledigt. Das Bewältigen neuer und komplexer Aufgaben hingegen erfordert gewöhnlich eine bewusste kognitive Auseinandersetzung mit ihnen. Die Modelle der kognitiven Psychologie (wie etwa dieses von Norman und Shallice) unterscheiden kognitive Systeme, die mehr oder weniger automatisiert Routine-Aufgaben erledigen und dabei halb-bewusst oder unbewusst funktionieren, von einem übergeordneten "exekutiven" System, welches gewöhnlich bewusst arbeitet und für die gezielte willentliche Steuerung von Verhalten, das Unterdrücken von automatisierten Reaktionen, abstraktes Denken, das Lösen anspruchsvoller Probleme und den Umgang mit neuen Situationen zuständig ist. Ein Großteil unserer alltäglichen Aktivitäten wird entsprechend unbewusst oder halbbewusst durchgeführt. Insofern muss man beim Autofahren (es sei denn vielleicht als Anfänger) kaum über jeden einzelnen Prozess nachdenken. Dennoch funktioniert das Autofahren auch innerhalb einer gewissen Heuristik und ihrer Logik: Die Erkenntnis, dass dies ein Zebrastreifen ist, das Wissen, dass man laut Regel vor Zebrastreifen halten soll und die Bereitschaft, den Verkehrsregeln tatsächlich zu folgen, sollten gemeinsam zu der logischen Konsequenz führen, dass man dann auch tatsächlich hält. Und auch bei einer möglichen Entscheidung derart, welcher von zwei sich widersprechenden Regeln man folgen soll, sofern man einem übergeordneten Ziel wie der Verkehrssicherheit gerecht werden will, wird man sinnvollerweise folgerichtig verfahren. Das muss wie gesagt in Fällen wie den gerade beschriebenen nicht bewusst oder jedenfalls nicht vollständig bewusst vor sich gehen; aber in vielen anderen Fällen (man denke an meine obigen Beispiele) wird das logische Denken zwar nicht formell, wohl aber relativ bewusst und im Sinne eines genuinen Denkens vonstatten gehen müssen. Nämlich zumindest überall dort, wo wir auf Nachfrage die Logik hinter unserem Schließen und Verhalten spontan und mühelos erklären könnten. ("Warum parkst Du nicht dort?" "Weil dort Halteverbot ist [und ich nicht im Halteverbot stehen will]."] Insofern spielt Logik in einem gewissen Sinne offenbar bereits beim automatisierten Verhalten, erst recht aber beim bewussten Denken eine wichtige Rolle. Vor allem aber dort, wo es Begründungszusammenhänge geht, wird man in vielen Fällen im Alltag wie auch in der Wissenschaft ein Denken einfordern, bei welchem aus Prämissen, die zumindest wahrscheinlich wahr sind, in logisch korrekter Weise Schlüsse gezogen werden. Kurz gesagt: Man will taugliche Begründungen. Ohne gültige Begründung hat man es nämlich nicht mit Wissen zu tun. Behauptungen, die schlechterdings unbegründet und unbegründbar sind, stellen sicher kein Wissen dar. (Manche Fälle der reinen Intuition mögen eine gewisse Ausnahme bilden - aber wie gesagt wird man auch dann gewöhnlich umso mehr der Intuition vertrauen, je mehr man dieses Vertrauen rational begründen kann, und sei es durch den Verweis auf die bisherige positive Erfahrung mit der Intuition. Und auch wenn man beispielsweise die Ergebnisse eines maschinellen Lernen, das man im Detail nicht nachvollziehen kann, in einem bestimmten Zusammenhang als valide akzeptiert, würde man dies auf Grundlage logischer Argumente tun: Man würde etwa daraus, dass die Erfolgsquote in bisherigen vergleichbaren Fällen sehr hoch war, schließen, dass sie vermutlich auch in den nächsten Fällen hoch sein wird. Hätte man hingegen keinerlei vernünftige Begründung dafür, der "Künstlichen Intelligenz" an dieser Stelle zu vertrauen, würde man das vernünftigerweise auch kaum tun - und je mehr auf dem Spiel steht, desto weniger.) Wir wollen aber mit Sicherheit nicht abstreiten, dass wir wissen, dass im Normalfall der Verzehr von frischem und korrekt hergestelltem Brot bekömmlicher ist als der von Tollkirschen, oder dass die Donau ins Schwarze Meer mündet, oder dass es im Januar in Mitteleuropa im Schnitt kälter ist als im Juli, oder dass unser heutiges Verständnis des Sonnensystems der Realität zumindest besser entspricht als die Vorstellungen der Hethiter. Und auch ein @Marcellinus wird nicht behaupten wollen, dass alles, was er sagt, ganz und gar unbegründet und unergründbar sei. Wenn wir aber Wissen haben, dann doch in entscheidender Weise auch dank Logik. Sicher, wir haben unmittelbare Einsichten wie die, dass ein und dasselbe Objekt nicht unter exakt den gleichen Bedingungen und in exakt der gleichen Hinsicht vollständig weiß und vollständig schwarz sein kann. Wir besitzen auch ein unmittelbares introspektives Wissen: Wenn ich in meinem bewussten Erleben ganz deutlich und unmittelbar ein Gefühl der Wärme habe, dann habe ich es. In solchen Fällen braucht man dann keine "externe" Begründung mehr (sondern die "Begründung" liegt gewissermaßen in dem auf diese Weise Gegebenen selbst). Aber allein mit solchen "Atomen" des Wissens, die nicht miteinander in Beziehung gesetzt werden, kommt man nicht weit! Und bereits unser Wissen darum, dass es eine "Außenwelt" gibt, haben wir nicht mehr unmittelbar. Denn der reale, physikalische Stuhl dort drüben ist mir nicht unmittelbar gegeben; er befindet sich ja nicht in meinem Gehirn - und erst recht nicht in meinem Bewusstsein. Wir können auf den realen Stuhl daher nur (abduktiv) schließen, im Sinne von: "Die einzig sinnvolle Erklärung dafür, dass mir in meinem Bewusstsein das Bild eines Stuhls erscheint, besteht darin, dass es in der 'Außenwelt' tatsächlich einen Stuhl gibt, welcher für das Bild des Stuhles in meinem Bewusstsein (mit)ursächlich ist." Ich behaupte hier wohlgemerkt nicht, dass wir im Alltag andauernd bewusst auf diese Weise schließen würden; ich behaupte allerdings, dass wir nur dann, wenn wir wissen, dass solche Schlüsse gültig sind, auch im vollen Sinne wissen, dass es dort (beispielsweise) eben wirklich einen Stuhl gibt. Denn ohne Begründung gibt es wie gesagt kein Wissen. Und abgesehen von den Fällen des unmittelbaren Einsehens und des unmittelbaren bewussten Erlebens besteht die Begründung letztlich immer in einem Schließen; man leitet aus dem unmittelbar Gegebenen das ab, was nicht unmittelbar gegeben ist. Und wenn unser Denken der Wirklichkeit nur bedingt gerecht wird, liegt das in aller Regel auch nicht daran, dass wir unsere Gedanken nicht logisch einender zuordnen könnten, sondern daran, dass unsere Gedanken inhaltlich ungenügend sind. bearbeitet 18. Januar von iskander Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Marcellinus Geschrieben 18. Januar Melden Share Geschrieben 18. Januar vor 9 Minuten schrieb iskander: Und bereits unser Wissen darum, dass es eine "Außenwelt" gibt, haben wir nicht mehr unmittelbar. Denn der reale, physikalische Stuhl dort drüben ist mir ja nicht unmittelbar gegeben; er befindet sich ja nicht in meinem Gehirn - und erst recht nicht in meinem Bewusstsein. Wir können auf den realen Stuhl daher nur (abduktiv) schließen, im Sinne von: "Die einzig sinnvolle Erklärung dafür, dass mir in meinem Bewusstsein das Bild eines Stuhls erscheint, besteht darin, dass es in der 'Außenwelt' tatsächlich einen Stuhl gibt, welcher für das Bild des Stuhles in meinem Bewusstsein (mit)ursächlich ist." Das ist ein typisches Philosophen-Problem. Paß bloß auf, daß du dich nicht zwischen alle Stühle setzt! Wenn du zur der Frage, ob ein Stuhl ein Stuhl ist, eine philosophische Begründung brauchst, hast du, denke ich, ein Problem. Gleiches gilt für die Frage, ob es eine "Außenwelt" gäbe, die übrigens nebenbei bemerkt, auch noch falsch gestellt ist, aber das ist ja mit viele philosophischen Fragestellungen so. vor 9 Minuten schrieb iskander: Ich behaupte hier wohlgemerkt nicht, dass wir im Alltag andauernd bewusst auf diese Weise schließen würden; ich behaupte allerdings, dass wir nur dann, wenn wir wissen, dass solche Schlüsse gültig sind, auch im vollen Sinne wissen, dass es dort (beispielsweise) eben wirklich einen Stuhl gibt. Denn ohne Begründung gibt es wie gesagt kein Wissen. Und abgesehen von den Fällen des Einsehens und des unmittelbaren bewussten Schließens besteht die Begründung letztlich immer in einem Schließen; man leitet aus dem direkt Gegebenen das ab, was nicht direkt gegeben ist. Genau bezweifle ich. Wissen entsteht in der Auseinandersetzung unserer Vorstellungen mit der beobachtbaren Wirklichkeit. Es ist ein ständiges Hin und Her zwischen Theorie und Empirie und es ist ein Prozeß ohne Anfang oder Ende. vor 9 Minuten schrieb iskander: Und wenn unser Denken der Wirklichkeit nur bedingt gerecht wird, liegt das in aller Regel auch nicht daran, dass wir unsere Gedanken nicht logisch einender zuordnen könnten, sondern daran, dass unsere Gedanken inhaltlich ungenügend sind. Unser Denken wird vor allem dann der Wirklichkeit nicht gerecht, wenn es sich von ihr entfernt und in metaphysische Höhen entschwindet. Spätestens jetzt, wo du mit deinem Stuhl-Beispiel endgültig beim Solipsismus angekommen bist, ist es für mich übrigens nur noch Zeitverschwendung. Ich halte für mich als Fazit fest: Theoretisch-empirische Wissenschaften gewinnen ihr Wissen nicht durch sprachliche Logeleien, sondern durch einen wechselseitigen Prozeß von Tatsachenbeobachtungen und Theoriebildung, wobei die Methoden für diesen Prozeß wechseln mit den Eigentümlichkeiten der jeweiligen Gegenstände. Philosophen haben in diesem Prozeß keine Rolle mehr, schon deswegen, weil ihnen dafür die nötige Sachkenntnis fehlt. Die Vorstellung, gewissermaßen der Richter über die Validität der Gedanken anderer zu sein, entbehrt nicht einer gewissen Komik (von der darin enthaltenen Anmaßung gar nicht zu reden), schaffen die Philosophen es ja nicht einmal, sich untereinander über die typischen Fragen ihres eigenen Faches zu einigen. (Wie alt ist die Frage eigentlich, ob es diesen Stuhl überhaupt gibt?) Philosophen pflegen alles in Frage zu stellen, aber interessanterweise eines nicht: ihr eigenes Denken! Warum eigentlich nicht? Wenn sie sich nicht einmal sicher sind, ob es den Stuhl überhaupt gibt, auf dem sie doch sitzen, warum sind sie sich dann sicher, daß ihr Verstand so vernünftig ist, wie sie meinen? Vielleicht ist das alles, was sie von sich geben, nur eine Illusion, oder, noch wahrscheinlicher, purer Blödsinn! Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben 19. Januar Autor Melden Share Geschrieben 19. Januar (bearbeitet) vor 13 Stunden schrieb Marcellinus: Das ist ein typisches Philosophen-Problem. Ja, und man kann sich hier einfach auf den gesunden Menschenverstand berufen. Allerdings kann man sich dennoch auch die Frage stellen, warum die Überzeugung des gesunden Menschenverstandes berechtigt ist. Denn dass die physische Welt um uns herum sich nicht unmittelbar in unserem Bewusstsein befindet und wir von ihr keine unmittelbare Kenntnis haben, ist schwer zu bestreiten. Doch wenn wir von etwas keine unmittelbare Kenntnis haben, ist die Frage, wie wir denn dann Kenntnis haben, durchaus legitim und in der Tat sogar naheliegend. Denn was man weiß, sollte ich grundsätzlich auch rational rekonstruieren lassen - und was sollte verkehrt daran sein, genau das zu tun? Zitat Gleiches gilt für die Frage, ob es eine "Außenwelt" gäbe, die übrigens nebenbei bemerkt, auch noch falsch gestellt ist, aber das ist ja mit viele philosophischen Fragestellungen so. Ich für meinen Teil stelle die Frage eher so, warum und wie wir um die Außenwelt wissen. Was an derartigen Fragestellungen verkehrt ist, hätte mich allerdings interessiert. Sollte die Antwort lauten, dass wir zuerst die Welt brauchen, um überhaupt Fragen stellen zu können, ist das zwar richtig. Aber in einem Begründungskontext müssen wir mit dem anfangen, was wir haben. Die Entstehung von organischen molekularen Strukturen geht zeitlich allem voraus, was wir tun, und sie ist eine Bedingung für unsere Existenz oder unser Tun; und trotzdem bildet diese Entstehung organischer Moleküle nicht den Ausgangspunkt unseres Wissen, sondern den Endpunkt von langen (empirisch informierten) Folgerungs-Ketten. In diesem Kontext sei insbesondere darauf hinweisen, dass notwendige Bedingungen (also Bedingungen, ohne die etwas nicht der Fall sein könnte) logisch betrachtet Implikationen und keine Prämissen sind. Soll heißen: Wenn es ohne das Vorhandensein von Wasser keinen Wald geben kann (Wasser also eine notwendige Bedingung für den Wald ist), so schließe ich aus der Tatsache, dass dort drüben ein Wald ist, auf das Vorhandensein von Wasser - während der umgekehrte Schluss (vom Wasser auf den Wald) ein Fehlschluss wäre. Und wenn ich ohne soziale Strukturen und Bedingungen, bestimmte Fragen gar nicht stellen könnte, dann könnte ich zwar von meinem tatsächlichen Fragen auf die entsprechenden sozialen Bedingen schließen (falls das notwendig sein sollte) - aber eben nicht umgekehrt. Die Begründungskette fängt also nicht bei den notwendigen Bedingungen an (und auch nicht in der vergangenen Zeit) sondern die Bedingungen erschließen sich höchstens umgekehrt aus dem Bedingten. Zitat Genau bezweifle ich. Wissen entsteht in der Auseinandersetzung unserer Vorstellungen mit der beobachtbaren Wirklichkeit. Es ist ein ständiges Hin und Her zwischen Theorie und Empirie und es ist ein Prozeß ohne Anfang oder Ende. Du brauchst keinen (bestimmbaren) zeitlichen, wohl aber einen "logischen" Anfang. Denn wenn alles, was Du sagst, nur durch etwas anderes begründbar ist, und dieses wiederum durch ein anderes, dann hast Du einen infiniten Regress. Das gilt selbstverständlich auch für ein empirisch fundiertes Erkennen. Ein solches Erkennen ist möglich, wenn ich - zumindest mit Wahrscheinlichkeit - sagen kann, dass ich bestimmte Beobachtungen gemacht habe, und in welchem Zusammenhang sie zueinander stehen, und wie sie sich zu bestimmten Thesen über die Wirklichkeit verhalten. Wenn ich jedoch auf Fragen wir die, woher ich denn weiß, dass ich bestimmte Beobachtung gemacht habe, oder woher ich weiß, dass es diese und jene Bewandtnis mit ihnen hat, oder woher ich weiß, dass sie im Widerspruch zu dieser oder jener Hypothese stehen, immer nur auf etwas anderes verweisen kann, was selbst wiederum begründungsbedürftig ist usw., und wenn ich dabei nie an ein Ende (bzw. einen Anfang) gelange, dann hängt alles vollständig in der Luft. Dann gibt es keine Begründung und damit auch kein Wissen - auch kein wahrscheinliches, ungenaues oder vorläufiges. Und auch keines, mit dessen Hilfe man irgendetwas falsifizieren könnte. Zitat Unser Denken wird vor allem dann der Wirklichkeit nicht gerecht, wenn es sich von ihr entfernt und in metaphysische Höhen entschwindet. Spätestens jetzt, wo du mit deinem Stuhl-Beispiel endgültig beim Solipsismus angekommen bist, ist es für mich übrigens nur noch Zeitverschwendung. Das ist Dein gutes Recht. Nur darf ich dann doch darauf hinweisen, dass ich mich hier doch sehr missverstanden fühle. Mir geht es keineswegs darum, dass ich bezweifeln würde, dass es Stühle gibt. Auch bin ich sicher nicht Solipsist - eine solche Position halte ich für hochgradig absurd. Mir ging es - und ich hatte gehofft, dass dies deutlich würde - einfach darum, aufzuzeigen, dass bereits unser Wissen um die alltäglichen Gegenstände um uns herum auf (informellen) abduktiven Schlüssen beruht. Jedenfalls, wenn es reflexives Wissen ist. Es spricht wie gesagt aus meiner Sicht nichts dagegen, sich einfach auf den gesunden Menschenverstand zu berufen - aber auch nichts dagegen, ein wenig mehr dazu zu sagen, warum der gesunde Menschenverstand recht hat. Zitat Ich halte für mich als Fazit fest: Theoretisch-empirische Wissenschaften gewinnen ihr Wissen nicht durch sprachliche Logeleien, sondern durch einen wechselseitigen Prozeß von Tatsachenbeobachtungen und Theoriebildung, wobei die Methoden für diesen Prozeß wechseln mit den Eigentümlichkeiten der jeweiligen Gegenstände. Genau diese In-Beziehung-Setzen von Theorien mit den Informationen, die man durch die Beobachtung gewinnt, ist aber doch nichts anderes als ein logisches Schließen- und zwar egal, wie genau Methode und Gegenstandsbereich ansonsten aussehen mögen. Ich hatte das ja an mehreren Beispielen konkret ausgeführt, daher nur ganz kurz. Es gehe um die Widerlegung der These, dass Glas Strom leitet: 1) Wenn Glas Strom leitet, sollte jetzt diese Lampe aufleuchten. 2) Sie leuchtet nicht auf. 3) Also leitet Glas keinen Strom. Dies ist nichts anderes als ein logischer Schluss. (Und das ist natürlich sehr verkürzt; eine etwas ausführlichere Darstellung findet sich hier.) Vielleicht mag jemand sagen: "Ich brauche keine Logik, ich beobachte doch, dass die Meinung, dass Glas Strom leitet, falsch ist." Wir beobachten aber nicht, dass eine Meinung falsch ist (schon weil man eine Meinung oder These nicht sinnlich wahrnehmen kann). Wir beobachten in der Tat noch nicht einmal, dass das konkrete Stück Glas vor uns keinen Strom leitet! Wie beobachten nur, dass die Lampe nicht leuchtet - mehr nicht! Den Rest schließen wir aus unserer Beobachtung zusammen mit dem Wissen um die relevanten Zusammenhänge. (Und wenn im umgekehrten Fall etwas tatsächlich Strom leitet (etwa Gold), beobachten wir auch dies nicht - sondern wir sehen nur, dass die Birne dann eben leuchtet. Wider erschließen wir nur, dass Gold den Strom leitet. Wir sehen den Strom ja nicht.) Wenn ein Insekt, das an unserem Experiment vorbeiflöge, genau das gleiche beobachten würde wie wir, wüsste es danach noch immer nicht, dass die These, dass Glas Strom leuchtet, falsifiziert wurde. Weil die Beobachtung allein eben nichts hergibt, sondern man auch weiteres relevantes Wissen braucht und zudem in der Lage sein muss, die Beobachtung mit diesem weiteren relevanten Wissen logisch in Beziehung zu setzen! Und das gilt natürlich für jedes empirisch-wissenschaftliche Arbeiten. (Unter anderem deshalb genügt es auch für keine empirische Wissenschaft dieser Welt, gute Augen und gute Ohren zu haben.) Wenn Du das anders siehst, frage ich mich, wie man in entsprechenden Fällen denn Deiner Meinung nach ganz ohne Logik aus der Beobachtung zu relevanten Erkenntnissen gelangen kann. Oder ganz konkret: Wie kann man Deiner Meinung nach bei einem widerlegenden Beweis (wie in meinem Beispiel) zu einer gültigen Falsifikation kommen, ganz ohne die zumindest intuitiv etwa des Modus Tollens in Anspruch zu nehmen? (Der Modus Tollens ist der Schluss, der so geht: "Wenn A, dann B; B ist aber nicht der Fall; also ist auch A nicht der Fall.") Zitat Philosophen haben in diesem Prozeß keine Rolle mehr, schon deswegen, weil ihnen dafür die nötige Sachkenntnis fehlt. Die Vorstellung, gewissermaßen der Richter über die Validität der Gedanken anderer zu sein, entbehrt nicht einer gewissen Komik (von der darin enthaltenen Anmaßung gar nicht zu reden) [...] Du insinuierst sehr häufig, dass Philosophen sich anmaßen, die konkrete empirischer Wissenschaften zu gängeln und zu reglementieren, oder dass sie sich in fachspezifische Fragen einmischen, von denen sie von Amts wegen nichts verstehen. Des Weiteren legst Du nahe, dass es den Philosophen darum ginge, spezifisch empirische Fragen - also Fragen, die nur die empirischen Wissenschaften sinnvoll adressieren können - philosophisch zu beantworten. Dem habe ich häufig widersprochen, aber ohne Erfolg. Deshalb lass schlage ich einmal einen anderen Ansatz vor: Du belegst Deine Behauptungen einfach (und bitte nicht an wenigen einzelnen Philosophen, die schon seit mindestens 150 Jahren tot sind). Zitat [ ...] schaffen die Philosophen es ja nicht einmal, sich untereinander über die typischen Fragen ihres eigenen Faches zu einigen. (Wie alt ist die Frage eigentlich, ob es diesen Stuhl überhaupt gibt?) In etlichen Fragen sind sich fast alle Philosophen einig; mit Sicherheit in der, dass es reale Stühle gibt. Zudem gibt es auch Entwicklungen. Nimm die Wissenschaftstheorie: Zu Anfang bis etwa zur Mitte des 20. Jhs. war der "logische Empirismus/Positivismus" sehr einflussreich. Dann hat man allgemein gemerkt, dass er einfach nicht stimmen kann, und das dürfte heutzutage so gut wie unbestritten sein. Entsprechend konnte der Philosoph John Passmore dann sagen: "Der [logische] Positivismus ist so tot, wie eine philosophische Bewegung es überhaupt nur sein kann." [Korrektur: Ursprünglich hatte ich das Zitat Popper zugeschrieben, aber wohl zu Unrecht.] Das ist in diesem Fall auch keine Frage der Mode, sondern die Schwächen dieser Position traten im Laufe der Diskussion so deutlich hervor, dass selbst die wichtigsten Köpfe dieser Denkschule das Scheitern ihres Projekts eingestehen mussten. Beispielsweise antwortete Alfred J. Ayer, ein führender Vertreter des logischen Empirismus, als er zu den Mängeln seines eigenen grundlegendes Buch befragt wurde: "I suppose the most important [defect]…was that nearly all of it was false." Aber auch Popper wird in seiner ursprünglichen Reinform in der Wissenschaftstheorie nur noch wenige Anhänger haben. Womöglich kommt es auch in der Philosophie in einem gewissen Umfang auch dadurch zu Fortschritten, dass das Falsche sukzessive ausgesondert wird. (Wenn trotzdem viele Naturwissenschaftler in unveränderter Weise an Popper "in Reinform" festhalten, ist das kaum die Schuld der Philosophen - und es verdeutlicht auch, dass es vielleicht doch einen Unterschied gibt, ob man empirische Wissenschaft treibt oder auf die Methoden der eigenen Wissenschaft reflektiert.) Zitat Philosophen pflegen alles in Frage zu stellen, aber interessanterweise eines nicht: ihr eigenes Denken! Warum eigentlich nicht? Wenn sie sich nicht einmal sicher sind, ob es den Stuhl überhaupt gibt, auf dem sie doch sitzen, warum sind sie sich dann sicher, daß ihr Verstand so vernünftig ist, wie sie meinen? Vielleicht ist das alles, was sie von sich geben, nur eine Illusion, oder, noch wahrscheinlicher, purer Blödsinn! Du hast halt letztlich eine Vorstellung von der Philosophie, die in großen Teilen einer Karikatur nahekommt. Ob Du jedoch bereit bist, diese Vorstellung infragezustellen, weißt indes nur Du allein. bearbeitet 19. Januar von iskander Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben 19. Januar Autor Melden Share Geschrieben 19. Januar (bearbeitet) Ergänzend mag es sich lohnen, vielleicht noch etwas zum Unterschied zwischen der Begründung von Wissen und der Genese von Wissen zu sagen, und zwar anhand eines Beispiels. Nehmen wir an, ich sehe ein Haus. Wie kann ich wissen, dass ich wirklich ein Haus sehe? Wie kann ich es begründen? Wenn es sich um ein typisches Haus handelt und die Sichtbedingungen gut sind, kann ich jedenfalls schon einmal sagen, dass das Objekt zumindest unter meinen Begriff des "Hauses" fällt - dass es also dem entspricht, was ich persönlich als "Haus" zu bezeichne. Es gibt natürlich Restunsicherheiten - so könnte etwas das, was von außen wie ein Haus aussieht, eine Fassade sein. Aber die Erfahrung sagt mir, dass das in Wohngebiete doch sehr selten der Fall ist. Aus der äußeren Erscheinung schließe ich also recht zuversichtlich, dass es sich hier wahrscheinlich tatsächlich um ein Haus zumindest im Sinne meines eigenen Begriffs handelt. Und dass "mein" Begriff des Hauses ziemlich gut zum Begriff des Hauses, wie er in der Standard-Sprache allgemein Verwendung findet, passt, sagt mir wiederum die Erfahrung. Die Erfahrung, auf die ich mich zwei mal berufen habe, stellt ein komplexes Netz von Informationen dar, dessen Fäden sich gegenseitig in vielfältiger Weise stützen. Viele Erfahrungen bestätigen einander, sie entsprechen einander. Natürlich habe ich diese Erfahrungen nicht alle einzeln abrufbar im Gedächtnis und kann sie auch nicht alle bewusst zueinander in Bezug setzen. Das wäre viel zu komplex - ist aber auch nicht notwendig. Ich weiß nämlich - unter anderem - doch wenigstens dieses: Dass ich nicht andauernd staune, wie andere Leute das Wort "Haus" verwenden, und dass andere Leute ihrerseits nicht ständig irritiert sind, wie ich dieses Wort verwende - sondern dass sehr vieles auf eine (weitgehende) Übereinstimmung im Sprachgebrauch hindeutet. (Für eine umfassende Rechtfertigung wäre zudem mindestens noch zu begründen, wieso ich davon ausgehen kann, dass a) den Sinneseindrücken in meinem Bewusstsein eine zugehörige "äußere" Wirklichkeit entspricht und dass b) mein Gedächtnis normalerweise recht zuverlässig ist. Denn den Zugang zur Welt um mich herum habe ich ja nur durch meine Sinneseindrücke, und den Zugang zu meiner Erfahrung habe ich ja nur durch die Vermittlung meines Gedächtnisses. Eine solche Art der Begründung wäre aber nicht in jedem Einzelfall erneut vonnöten, sondern sie würde einmalig genügen. Natürlich kann man sich hier auch einfach nur auf den gesunden Menschenverstand berufen - aber vielleicht will man doch auch etwas dazu sagen, warum das Urteil des gesunden Menschenverstandes sein Recht beanspruchen kann.) Das ist jetzt natürlich extrem knapp und komprimiert und stellt kaum mehr dar als eine Skizze. Es soll aber verdeutlichen, dass man mit dem Begründen einer Überzeugung (wie etwa: "Das hier ist ein Haus") durchaus irgendwo anfangen kann. (Und man muss wie gesagt auch irgendwo anfangen, weil sonst nämlich alles in der Luft hinge und Wissen unmöglich wäre.) Wenn man jedoch die Begründung bzw. Rechtfertigung von Wissen mit der Frage nach der "Entstehung von Wissen über die Zeit" vermengt, bekommt man ein Problem. Denn wie ich einmal als Kleinkind gelernt habe, was ein Haus ist und wie man es benennt: Das habe ich natürlich beim besten Willen nicht mehr im Gedächtnis. Wenn ich das erst rekonstruieren müsste, bevor ich begründet sagen könnte, dass dies oder jenes ein Haus ist, dann hätte ich keine Chance. Dann könnte ich nichts wissen. Entsprechendes gilt auch für generationsübergreifende Entwicklungen im Bereich des Wissenserwerbs. Wenn ich die die gesamte historische Genese von Wissen samt ihren ersten Anfängen kennen müsste, bevor ich heute etwas wissen kann, sähe es sehr düster aus. Für Wissen genügt jedoch zum Glück der "sachlogische" Beweis, der von seiner Entdeckungsgeschichte zu unterscheiden ist. Es ist also sicher richtig, dass wir weder in unserer individuellen Geschichte noch in der Menschheitsgeschichte einen zeitlichen "Anfangspunkt" des Erkenntnisprozesses herausgreifen können. Zum Glück müssen wird dies aber auch nicht - denn eine Begründungskette muss eben gerade nicht der zeitlichen Kette der Ereignisse oder unserer individuellen bzw. kollektiven Lernerfahrungen entsprechen. Vielmehr können wir eine solche Kette im Hier und Jetzt beginnen, und zwar auch ohne umfassendes Wissen über die Vergangenheit. Zweitens scheint mir die Frage, ob und ggf. wie man ohne die Zuhilfenahme logischer Schlüsse empirische Forschung betreiben können mag, doch eine sehr philosophische und "begründungstheoretische" zu sein. Eine empirische oder gar naturwissenschaftliche Fragestellung ist es jedenfalls kaum. Und da es hier auch nicht um spezifisch soziale Aspekte des Wissenserwerbs geht, ist es wohl auch kaum eine sozialwissenschaftliche. Und nichts anderes gilt doch auch für Überlegungen dazu, ob es einen Anfang von Erkenntnis- bzw. Begründungsketten geben kann oder nicht, und ob man einen solchen Anfang braucht, um überhaupt etwas wissen zu können. Wenn das keine erkenntnistheoretischen Fragen sind - was sind dann Fragen der Erkenntnistheorie? Drittens verwundert mich der (in meinem Fall wirklich unberechtigte) "Solipsismus-Verdacht" doch etwas. Denn wer behauptet, dass nur dasjenige, was empirisch prüfbar ist, eine Form von Wissen darstelle, und dass der Rest Spekulation, Fantasie und bloße Meinung sei; und wer zugleich einräumt, dass die Existenz einer von unserem Bewusstsein verschiedenen Welt nicht empirisch prüfbar ist: der wird, wenn er konsequent sein möchte, auch sagen müssen, dass wir kein Wissen um die Dinge und Menschen um uns herum besitzen. Die Behauptung, dass es Dinge um uns herum und andere Menschen gibt, wäre dann nur unbegründete Meinung bzw. "Fantasie". Das folgt einfach und ganz unmittelbar aus dem Befund, dass die Existenz des Außenwelt nicht empirisch prüfbar ist zusammen mit der These, dass das empirisch nicht Prüfbare kein Wissen, sondern nur wertlose Spekulation sei. Und man kann eine Konsequenz, das logisch direkt aus der eigenen Position folgt, schlecht dadurch aus der Welt schaffen, dass man sie als "philosophisch" bezeichnet. Der einzige Ausweg scheint hier der zu sein, anzuerkennen, dass es eben Einsichten des gesunden Menschenverstandes gibt, die man empirisch zwar nicht prüfen aber dennoch als berechtigt erkennen kann. Damit wäre dann aber auch das Prinzip, dass es ohne empirische Prüfung keine Erkenntnis geben könne, aufgeweicht. bearbeitet 19. Januar von iskander Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben 22. Januar Autor Melden Share Geschrieben 22. Januar (bearbeitet) Zitat In diesem Kontext sei insbesondere darauf hinweisen, dass notwendige Bedingungen (also Bedingungen, ohne die etwas nicht der Fall sein könnte) logisch betrachtet Implikationen und keine Prämissen sind. Soll heißen: Wenn es ohne das Vorhandensein von Wasser keinen Wald geben kann (Wasser also eine notwendige Bedingung für den Wald ist), so schließe ich aus der Tatsache, dass dort drüben ein Wald ist, auf das Vorhandensein von Wasser - während der umgekehrte Schluss (vom Wasser auf den Wald) ein Fehlschluss wäre. Und wenn ich ohne soziale Strukturen und Bedingungen, bestimmte Fragen gar nicht stellen könnte, dann könnte ich zwar von meinem tatsächlichen Fragen auf die entsprechenden sozialen Bedingen schließen (falls das notwendig sein sollte) - aber eben nicht umgekehrt. Die Begründungskette fängt also nicht bei den notwendigen Bedingungen an (und auch nicht in der vergangenen Zeit) sondern die Bedingungen erschließen sich höchstens umgekehrt aus dem Bedingten. Der letzte Gedanke ist vielleicht etwas unverständlich formuliert, weshalb ich ihn kurz aufhellen möchte. Was ich meine ist dies: Soziale (und andere) Gegebenheiten gehen unserem Denken und Fragen zeitlich und "bedingungsmäßig" voraus; Letzteres bedeutet, dass solche Gegebenheiten unser Denken und Fragen nicht möglich wären. Trotzdem sind uns solche sozialen Bedingungen nicht unmittelbar gegeben, sondern wir erschließen sie erst aus anderem, was wir wissen. Deswegen können sie nicht am Beginn eines umfassenden Versuchs, Wissen zu begründen, stehen. Hat man auf einem solchen Weg des Begründens dann allerdings erst einmal erkannt, dass es solche sozialen und ähnliche Bedingungen gibt, so darf man aus ihnen natürlich auch Schlüsse ziehen. (Nur dürfen diese natürlich Schlüsse nicht zu Inkonsistenzen führen wie etwa zu der "Erkenntnis", dass wir durch die sozialen Bedingungen so eingeschränkt seien, dass wir überhaupt nichts, auch keine sozialen Bedingungen erkennen könnten. Das Gesagte gilt im Positiven wie im Negativen natürlich auch für biologische oder andere Bedingungen unseres Erkennens.) bearbeitet 22. Januar von iskander Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben 3. Februar Autor Melden Share Geschrieben 3. Februar (bearbeitet) Zur weiteren Aufhellung des Verhältnisses von Begründung und Logik würde ich an dieser Stelle gerne noch etwas zu dem sog. "Münchausen-Trilemma" sagen, welches in ähnlicher Form auch als "Trilemma des Agrippa" oder "Regressproblem" bekannt ist. Ich beziehe mich dabei großteils auf die Darstellung von Thomas Grundmann in seiner analytischen Einführung in die Erkenntnistheorie - alle Folge-Zitate stammen von Grundmann. (Auch wenn ich an anderer Stelle wesentlich anderer Ansicht bin und meine, meine entgegengesetzte Überzeugung auch gut begründen zu können, sagt mir Grundmanns Darstellung an dieser Stelle zu. ) Das Trilemma Wenn wir eine Überzeugung rechtfertigen wollen, etwa weil uns jemand fragt, wie wir zu einer bestimmten Auffassung komme, leiten wir sie logisch aus anderen Überzeugungen her. Nehmen wir beispielsweise an, ich würde sagen, dass es da und dort am Rosenmontag eine Fastnachts-Veranstaltung gebe. Woher weiß ich das aber? Ich könnte es damit begründen (also daraus ableite), dass ich ein entsprechendes Plakat gesehen habe. Aber dann könnte man weiter fragen: Woher weiß ich, dass das, was auf einem Plakat steht, vermutlich stimmt? Und woher weiß ich, dass ich mich richtig erinnere? (Dass wir andauernd mit Schlussfolgerungen operieren gilt, wie ich hoffentlich überzeugend darlegen konnte, keineswegs für nur etwa für die Philosophie, sondern (mindestens) genauso für den Alltag und die Naturwissenschaft; siehe auch diesen Beitrag aus diesem Thread.) Das Trilemma behauptet nun, dass wir nun beim Begründen nie an einen gültigen Endpunkt (oder eigentlich müsste man ja sagen: Anfangspunkt) gelangen würde. Nun zu Grundmann. Man beachte dabei: "Inferenz" bedeutet einfach "Schlussfolgerung"; "inferenziell" meint also "mittels Schlussfolgerung". Das Trilemma hat folgende Form (Grundmann): "Nehmen wir an, wir wollten die Überzeugung A rechtfertigen. Wir können das mit Hilfe einer zweiten Überzeugung Β tun, wenn wir A aus Β inferenziell erschließen können. Doch nun stellt sich die Frage, wodurch Β gerechtfertigt ist. (i) Entweder rechtfertigen wir Β durch C, C durch D und immer so weiter. Dann ergibt sich ein unendlicher Regress. Diese erste Option gibt dem Regressproblem seinen Namen, (ii) Oder wir rechtfertigen B, den Grund für A, wieder durch A selbst, dann entsteht ein Rechtfertigungszirkel. Der Grund für etwas wird selbst durch das, wofür er Grund ist, gerechtfertigt, (iii) Oder wir rechtfertigen B, unseren Grund für A, durch keine weitere Überzeugung, sondern brechen die Kette der inferenziellen Begründungen bei Β einfach ab. Dann kommt es zum Abbruch der inferenziellen Begründungen. Agrippa war nun der Auffassung, dass alle drei möglichen Optionen keine akzeptablen Optionen sind. Weder durch einen Regress noch durch einen Zirkel noch durch einen Abbruch der Begründung kann man wirklich irgendetwas rechtfertigen." Entscheidend für das Argument ist die Position, dass die einzige gültige Rechtfertigung einer Überzeugung durch ihre logische Herleitung aus anderen Überzeugungen möglich sei. Man kann die Argumentation mit Grundmann wie folgt etwas formaler darstellen (was in eckigen Klammern steht, ist von mir): (1) Rechtfertigung ist immer inferenziell [erfolgt also immer nur durch logische Schlüsse]. (Prämisse) (2) Jede inferenzielle Rechtfertigung beruht auf gerechtfertigten Gründen. (Prämisse) [Das heißt: Damit wir von vorhergehenden Sätzen logisch auf einen nachfolgenden Satz schließen dürfen, müssen diese vorhergehenden Sätze gerechtfertigt werden können.] (3) Jede Rechtfertigung führt entweder in einen unendlichen Regress oder einen Zirkel. (aus 1 & 2) [Wenn ein Satz nur aus anderen Sätzen, diese aber selbst wiederum nur aus weiteren Sätzen gerechtfertigt werden können usw., dann endet die Rechtfertigungs-Kette niemals irgendwo; sie verläuft entweder zurück "ins Unendliche" oder bewegt sich im Kreis.] (4) Ein unendlicher Regress ist erkenntnistheoretisch unzulässig. (Prämisse) (5) Ein Zirkel ist erkenntnistheoretisch unzulässig. (Prämisse) (6) Rechtfertigung ist generell unmöglich. (aus 3 & 4 & 5) [Wenn die einzigen Möglichkeiten, die überhaupt für eine Rechtfertigung in Betracht kommen könnten, ungültig sind, dann gibt es keine Rechtfertigung.] Grundmann erläutert den hinter dem Dilemma stehenden Gedanken wie folgt: "Entweder die Argumentation wird bei irgendwelchen Prämissen abgebrochen, die nicht weiter argumentativ begründet werden: dann entwertet dieser Argumentationsabbruch die ganze bisherige Argumentation, denn die ersten Prämissen werden offenbar einfach beliebig und willkürlich angenommen. Und was argumentativ von beliebigen Annahmen abhängt, kann sicher nicht gerechtfertigt sein. [...] Oder die Kette der Argumentation geht immer weiter. Der Argumentierende führt für jede seiner Prämissen neue Argumente an und so geht es immer weiter ins Unendliche. Dann führt das Argumentationsverfahren in einen unendlichen Regress. Da man in diesem Fall nie an ein Ende kommt, gibt es keine echte Basis, auf der die Kette der Argumentation überhaupt ruht. [...] Schließlich gibt es noch die Möglichkeit, dass die Argumentationskette in einem großen Kreis auf sich selbst zurückführt. Irgendwo spielt also genau die Aussage die Rolle einer Prämisse in der Argumentationskette, die am Ende durch die Argumentation erst gerechtfertigt werden soll. Damit setzt aber offenbar die Rechtfertigung genau das als gerechtfertigt voraus, was erst durch die Argumentation gerechtfertigt werden soll. [...] Solange die Prämisse nicht bereits unabhängig gerechtfertigt ist, kann sie niemals zu einer gerechtfertigten Konklusion führen, wenn sie aber bereits gerechtfertigt ist, dann ist jede weitere Argumentation zu ihren Gunsten überflüssig." Grundmann veranschaulicht dies mit einem treffenden Bild: "Erstens handelt es sich in beiden Fällen [unendlicher Regress und Begründungszirkel] um rein inferenzielle Rechtfertigungen. Inferenzen [Schlussfolgerungen] leiten die Rechtfertigung der Prämissen jedoch nur an die Konklusion weiter. Sie stellen sicher, dass die Konklusion gerechtfertigt ist, wenn die Prämissen gerechtfertigt sind. Sie können Rechtfertigung jedoch nicht primär generieren. Die inferenzielle Begründungskette lässt sich mit einer Wasserleitung vergleichen. Im Falle des unendlichen Regresses ist diese Leitung unendlich lang. Im Fall des Zirkels ist es ein Kreislauf. Die Wasserleitung führt jedoch nur dann Wasser, wenn dieses irgendwo eingeleitet wird. Ohne Zufluss bleibt das Leitungssystem trocken, egal wie lang die Leitung oder wie groß der Kreislauf ist. Zweitens lässt sich sowohl durch einen unendlichen Regress als auch einen Zirkel alles rechtfertigen, d.h. jede Aussage und ihre Negation. Die Rechtfertigung wird dadurch völlig arbiträr. Wenn jedoch alles gerechtfertigt ist, dann kann die Rechtfertigung keine bestimmte Aussage als erkenntnistheoretisch akzeptabel vor anderen auszeichnen. [...]" Sehr salopp formuliert wird durch die deduktive Schlüsse bereits vorhandene Information immer nur "verarbeitet", nie aber neu gewonnen. Man drückt das zum Teil sinngemäß auch so aus, dass eine Information, die eigentlich in einem System von Gedanken oder Sätzen bereits schon da ist, durch logische Schlüsse sozusagen besser sichtbar an die Oberfläche gebracht wird. Es wird somit klar, dass ein "Beweis" mittels eines logischen Zirkels oder eines unendlichen Regresses nicht nur "mangelhaft", sondern in der Tat völlig wertlos ist. Solche "Beweise" führen – genau wie auch völlig willkürliche Annahmen – nicht zu einem Wissen, welches mit Unsicherheiten behaftet wäre; sie führen zu überhaupt keinem Wissen, und sei es auch in einem noch so schwachen Sinne. Ebenso wird ersichtlich, dass ohne "Letztbegründungen" - also ohne überzeugende Rechtfertigungen, die selbst nicht mehr rechtfertigungsbedürftig sind - jedes Argument und jeder Beweis komplett in der Luft hängt; dass es dann also gar keine gültige Begründung mehr gibt. Eine Schlusskette, deren erste Glieder (Prämissen) völlig wertlos sind, ist insgesamt völlig wertlos. Nach dem Trilemma gäbe es also überhaupt kein Wissen. Denn unter Wissen verstehen wir ja nicht, dass wir etwas ohne jedweden vernünftigen Grund annehmen und dann bestenfalls durch Zufall oder Glück recht haben. Wenn jemand einfach rät, dass bei einem Münzwurf die Münze Zahl zeigen wird, dann weiß er nicht, dass die Münze Zahl zeigt, sondern er hat höchstens einen Glückstreffer gelandet. Die Schlussfolgerung, dass es kein Wissen gäbe, würde, wenn das Trilemma recht hätte, selbstredend ganz allgemein gelten und nicht etwa nur für "philosophisches" Wissen. Und genau so und nicht anders ist es auch von den Vertretern des Trilemmas gemeint. Diese Verneinung von jeglichem Wissen führt nun allerdings zu solch absurden Konsequenzen wie der, dass meine Überzeugung, dass ich gerade einen Beitrag für ein Internet-Forum verfasse, genauso unbegründet und willkürlich wäre wie die Annahme, dass draußen vor meiner Tür ein grüner Elefant herumfliegt. Oder dass meine Überzeugung, dass ich sprechen und laufen kann, gerade so beliebig und irrational wäre wie die Meinung, dass es das Sandmännchen wirklich gibt oder der Mars aus Schokoladenpudding besteht. Irgendetwas muss hier also falsch sein - und zwar fundamental falsch. Der Fehler des Trilemmas Der Fehler des Trilemmas wird von Grundmann wie folgt beschrieben: "Aristoteles hat aus den Problemen des Begründungsregresses und -zirkels den Schluss gezogen, dass es Überzeugungen geben muss, die nicht-inferenziell gerechtfertigt sind. Dass an irgendeiner Stelle Überzeugungen nicht mehr weiter durch Inferenz gerechtfertigt sind, heißt ja nicht automatisch, dass sie gar nicht gerechtfertigt sind. Der Abbruch inferenzieller Rechtfertigung bedeutet nicht den Verzicht auf jegliche Form der Rechtfertigung. Insofern ist für Aristoteles nicht jeder Abbruch einer inferenziellen Rechtfertigung dogmatisch*, sondern er kann auch erkenntnistheoretisch legitim sein, wenn an die Stelle einer inferenziellen eine nicht-inferenzielle Rechtfertigung tritt. [...] Da beispielsweise Sinneserfahrungen durch solche zuverlässigen Prozesse gebildet werden, können sie gerechtfertigte Gründe bilden, ohne einer weiteren inferenziellen Rechtfertigung durch Argumente zu bedürfen. [...] Es ist nämlich neben dem dogmatischen Abbruch der inferenziellen Rechtfertigung noch eine weitere Form des Abbruchs der inferenziellen Rechtfertigung denkbar: der gerechtfertigte Abbruch der inferenziellen Rechtfertigung. Sobald man die inferenzielle Rechtfertigung (durch Argumentation) von nicht-inferenziellen Rechtfertigungen unterscheidet, muss der Abbruch der inferenziellen Rechtfertigung nicht die Abwesenheit jeglicher Rechtfertigung bedeuten. Deshalb ist auch nicht jeder Abbruch dogmatisch." Der Fehler des Trilemmas ist also die Annahme, dass Begründung immer eine Begründung durch logische Schlussfolgerung und ein Abbruch der Begründung also immer willkürlich sein müsse. Dazu würde ich allerdings noch anmerken, dass letztlich auch das Wissen über die "Außenwelt", das durch die Sinneserfahrung zustandekommt, nicht "basal" ist (auch wenn es nahe an der Basis ist); denn wir haben keinen unmittelbaren Zugang "zur Welt um uns herum", da sich diese ja weder in unserem Gehirn noch gar in unserem Bewusstsein befindet. Dies wir schon durch die Tatsache, dass Halluzinationen, die sich nicht von realer Wahrnehmung unterscheiden lassen, möglich sind. Was wir tatsächlich im strengen Sinne unmittelbar "besitzen" ist zum einen das, was wir direkt in unserem Bewusstsein erleben - und da damit ist wirklich nur das Erlebte selbst gemeint, und keine Interpretation, die über das direkt Erlebte womöglich hinausgeht. Wenn ich mich durstig fühle, fühle ich mich durstig. Ob ich mich aber gestern durstiger gefühlt habe als heute; ob mein Körper dehydriert ist; ob das Wort "durstig" von anderen Leuten in der gleichen Bedeutung benutzt wird usw. - das sind Fragen, die nicht allein auf Grundlage meines unmittelbaren Erlebens beantwortbar sind. (Einwände gegenüber der Verlässlichkeit des eigenen Erlebens beruhen praktisch immer darauf, dass zwischen dem eigentlichen Erleben und zwischen Schlussfolgerungen, die durch das Erleben nicht unbedingt gerechtfertigt sind, nicht (ausreichend) unterschieden wird.) Siehe dazu auch hier, hier und hier. Zum anderen sehen wir manche Dinge ein, manche in einem strengen und manche in einem laxen Sinne. (Wir verstehen beispielsweise, dass etwas nicht gleichzeitig vollständig weiß und vollständig schwarz sein kann. Das ist übrigen keine Tautologie. Eine Tautologie sähe etwa wie folgt aus: 'Etwas kann nicht in genau derselben Hinsicht weiß und nicht-weiß sein.') Insoweit muss man auch das Wissen um "äußere" Gegenstände mittels eines abduktiven Schlusses rechtfertigen, der auf dem unmittelbaren bewussten Erleben und einer plausiblen Einsicht beruht: 'Die einzig sinnvolle Erklärung für meinen visuellen Eindruck eines Stuhles ist die reale Existenz eines Stuhles, die den visuellen Eindruck in meinem Bewusstsein verursacht.' (Für einen gültigen Schluss wird man sich allerdings in den meisten Fällen auch die bisherige Erfahrung berücksichtigen müssen (siehe den vorletzten Beitrag in diesem Thread). Diese selbst ist uns allerdings auch nur durch unsere Erinnerung und nicht unmittelbar gegeben - es ist hier also notwendig, von der Erinnerung auf die Erfahrung zu schließen. Dazu bedarf es wiederum eine Begründung für die im allgemeinen gegebene Zuverlässigkeit der Erinnerung.) Der kritische Rationalismus bietet keinen Ausweg aus dem Trilemma Es erstaunt, dass sich manche "kritische Rationalisten" sich auf dieses Trilemma berufen. Diese Leute meinen offenbar, das Trilemma würde ihre Position nicht bedrohen, da es dem Kritischen Rationalismus bzw. Falsifikationismus ja nicht um das Beweisen, sondern nur um das Widerlegen gehe. Die Annahme lautet offenbar, dass man beim Widerlegen nichts zu begründen brauche und daher auch kein Wissen benötige. Also, so scheint man teilweise zu glauben, stärke das Trilemma die eigene Position: es führe alle konkurrierenden Auffassungen ad absurdum, während die eigene falsifikationistische Sichtweise als einzige erkenntnistheoretische Option (eventuell zusammen mit dem Skeptizismus) unbeschadet bleibe. Das stimmt jedoch nicht, denn wenn man etwas prüfen und ggf. widerlegen will, muss man im positiv Sinne wissen, dass das gewählte Prüfverfahren aussagekräftig und zuverlässig ist; mit anderen Worten: Die Annahme, dass die durchgeführte Prüfung valide ist, muss begründet sein. Nehmen wir an, ich wollte die These, dass alle Schwäne weiß sind, mithilfe der in Australien beheimateten schwarzen Schwäne durch eigene Beobachtung falsifizieren. Damit das funktioniert, muss ich, sobald ich denn einem geeigneten Schwan begegne, zumindest das Folgende wissen: a) Der Schwan hier vor mir ist tatsächlich schwarz. b) Wenn ein Schwan schwarz ist, ist er nicht weiß. c) Falls es schwarze Schwäne gibt und falls zudem Schwäne, die schwarz sind, nicht zugleich weiß sein können, dann ist die Aussage, dass alle Schwäne weiß seien, widerlegt. (Dieser Satz beschreibt weitgehend eine formal-logische Beziehung.) (Eigentlich bräuchte ich noch einen vierten Satz: Dass das "Ding" vor mir überhaupt ein Schwan ist!) Wenn ich von allen diesen Sätzen absolut nicht wissen kann, ob sie wahr sind - nicht einmal im Sinne einer Wahrscheinlichkeit -, dann habe ich auch keine Ahnung, ob der Schwan, der vor mir steht, die All-Aussage, dass alle Schwäne weiß seien, (vorläufig) bestätigt oder widerlegt. Grundmann führt das in Bezug auf die Popperschen Basissätze aus. Bei solchen "Bassisätzen" handelt es sich, wie der Name schon nahelegt, um "basale" Feststellungen, mit denen Allgemein-Aussagen widerlegt werden können. (In unserem Beispiel wäre die Aussage "Hier und heute ist da ein schwarzer Schwan" ein solcher Basis-Satz, mit dessen Hilfe man die All-Aussage "Alle Schwäne sind weiß" widerlegen könnte.) Grundmann: "Entweder die Basissätze haben keinerlei, nicht einmal eine vorläufige Rechtfertigung. Dann macht das ganze Verfahren der kritischen Überprüfung erkenntnistheoretisch keinen Sinn, weil die Konsistenz oder Inkonsistenz von Theorien mit Basissätzen ohne positiven epistemischen Status erkenntnistheoretisch belanglos ist. Oder Basissätze sind (durch welches Verfahren auch immer) zumindest vorläufig gerechtfertigt. Das schließt die Möglichkeit des Irrtums und eine spätere gerechtfertigte Revision dieser Sätze nicht aus, sondern ist mit kritischer Revision, so wie sie Popper vorschwebt, vollkommen verträglich. Doch dann stellt sich das Regressproblem in aller Schärfe erneut, und zwar bei der Rechtfertigung der Basissätze. Kurz: Entweder ist das Verfahren kritischer Überprüfung erkenntnistheoretisch irrelevant oder es kann das Regressproblem nicht vermeiden, sondern nur verschieben. Poppers Kritizismus bietet auf keinen Fall einen Ausweg aus dem Regressproblem." Das Trilemma stellt also ein Argument dar, welches der radikalen Skepsis angehört und auch den Falsifikationismus vollständig unter sich begaben würde, wenn es Gültigkeit für sich beanspruchen könnte. Die Selbstaufhebung des Trilemmas Neben dem "positiven" Aufweis von Wissen und neben dem Hinweis auf den Grund-Fehler des Trilemmas gibt es noch eine weitere Möglichkeit, die Unhaltbarkeit des Trilemmas aufzuzeigen. Denn eine eigentlich offenkundige Schwierigkeit des Trilemmas besteht ja in der Frage, wie es denn selbst begründet sein soll. Woher sollen wir wissen, dass seine Prämissen wahr sind (und seine Logik gültig ist)? Woher sollen wir insbesondere wissen, dass eine Begründung von Wissen angeblich nur durch logisches Schließen möglich ist? Laut eigener Aussage könnte eine Begründung für das Trilemma ja nur in einer völlig willkürlichen Annahme oder einem ebenso willkürlichen Zirkelschluss bzw unendlichen Regress bestehen. Das Tirlemma könnte also, wenn man es beim Wort nimmt, überhaupt nicht gültig begründet sein und somit auch keinesfalls "Wissen" darstellen. Etwas formaler gesprochen gibt es genau folgende drei Möglichkeiten: - Entweder das Trilemma ist gültig, und wir können es auch als gültig erkennen. (Das soll heißen: Die Prämissen sind wahr und die logische Ableitung ist schlüssig, so dass auch die Konklusion wahr ist; und wir wissen auch, dass das so ist.) - Oder das Trilemma ist nicht gültig, und wir können auch erkennen, dass es nicht gültig ist. - Oder wir können nicht erkennen, ob es gültig ist oder nicht (egal ob es dabei tatsächlich wahr ist oder nicht). Damit folgt nun dies: 1) Falls das Trilemma ungültig ist und wir das erkennen können, ist es ohnehin obsolet. 2) Können wir die - angebliche - Gültigkeit des Trilemmas nicht erkennen, dann wissen wir auch nicht, ob das das Trilemma ein gültiges Argument darstellt oder nicht. Und ein Argument, von dem wir keinen Dunst haben, ob es gültig oder ungültig, ist für uns völlig wertlos. 3) Die dritte Möglichkeit ist die interessanteste: Nehmen wir an, dass das Trilemma wahr ist und wir auch wissen, dass es wahr ist. Da nun aber aus dem Trilemma zwingend folgt, dass es überhaupt kein Wissen geben kann, egal welcher Art, würde das bedeuten, dass wir unmöglich wissen können, dass das Trilemma wahr ist. Somit gelangen wir durch die Annahme, dass das Trilemma Wissen darstellt bzw. begründet sei, nicht nur in einen Selbstwiderspruch, sondern es wird auch klar, dass das Trilemma, falls es ein gültiges Argument sein will, genau das voraussetzen muss, was es bestreitet. Anders formuliert: Damit das Trilemma überhaupt ein gültiges Argument sein könnte, muss erst einmal gelten, dass es gültige Argumente geben kann und das Trilemma also ungültig ist. Etwas, was aber höchstens dann funktionieren könnte, wenn sichergestellt ist, dass es unmöglich funktionieren kann, ist kein ernstzunehmendes Argument, sondern eine Absurdität. Damit wäre gezeigt, dass das Trilemma entweder irrelevant oder absurd ist, auf jeden Fall aber vollständig unbegründbar. Zudem stellt jedes "positive" Wissen - und sei es auch ein Wissen im Sinne von "es ist wahrscheinlich so" - eine Widerlegung des Trilemmas dar. Nehmen wir etwa an, ein Anhänger des Trilemmas würde argumentieren, dass allein daraus, dass wir etwas nicht als wahr erweisen können, noch nicht zwingend folgt, dass es auch falsch sein müsse. Mein obiges Argument würde also unmittelbar noch keine Widerlegung des Trilemmas darstellen. Zumindest damit, dass im allgemeinen aus dem Fehlen eines Beweises noch keine Widerlegung folgt, hätte der Apologet des Trilemmas unzweifelhaft recht. Wir haben tausende Beispiele dafür, dass wir etwas erst nicht beweisen konnten bzw. nicht gewusst haben, was sich dann aber als wahr herausgestellt hat. Zudem würde die gegenteilige Behauptung, nämlich dass nur das, was wir wissen, der Fall sein könne, darauf hinauslaufen, dass wir allwissend sind. (Und das sind wir nun sicher nicht – sonst wüssten wir es nämlich auch. ) Dass etwas nicht bewiesen ist, heißt also noch lange nicht, dass es damit widerlegt wäre. Aber gerade der Umstand, dass der Verteidiger des Trilemmas in diesem Punkt so eindeutig recht hat, fällt ihm auf die Füße. Denn genau diese Tatsache, dass das Fehlen eines Beweises für X noch nicht die Falschheit von X impliziert, stellt nun selbst ein Beispiel für sicheres Wissen dar. Diese Tatsache beinhaltet also, dass es sicheres Wissen gibt - während das Trilemma doch behauptet hatte, dass es überhaupt kein Wissen geben könne, nicht einmal unsicheres. Damit ergibt sich, dass das Trilemma nicht nur völlig unbegründet und unbegründbar ist, sondern in der Tat auch falsch. (Natürlich stellt der Befund, dass das Fehlen eines Beweises noch keine Falschheit impliziert, nur ein Beispiel für Wissen dar - aber es ist interessant zu beobachten, wie manchmal gerade der Versuch, skeptische Argumente vorzubringen und sie zu verteidigen, zur Aufhebung der skeptischen Argumentation und Position führt.) Das Trilemma selbst ist also so etwas wie der paradoxe Versuch, ein (im vollen Sinne) gültiges Argument dafür vorzulegen, dass es gültige Argumente schlechterdings nicht geben könne. Es ist das Unterfangen, schlüssig beweisen zu wollen, dass es schlüssige Beweise nicht nur nicht gibt, sondern dass sie auch schlichtweg undenkbar sind. Dieser Fehler, etwas explizit zu behaupten, was nur dann wahr bzw. gültig begründet sein könnte, wenn die eigene Behauptung falsch ist, ist leider erstaunlich weit verbreitet. Mehr als genug Philosophen sind schon in diese Falle gelaufen. Man spricht hier auch von einem "performativen Widerspruch", bei welchem die Kontradiktion nicht zwischen dem semantischen Gehalt von Äußerungen besteht, sondern zwischen dem "Akt" des Behauptens und dem Inhalt der Behauptung. bearbeitet 4. Februar von iskander Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Marcellinus Geschrieben 4. Februar Melden Share Geschrieben 4. Februar Am 19.1.2024 um 22:00 schrieb iskander: Nehmen wir an, ich sehe ein Haus. Wie kann ich wissen, dass ich wirklich ein Haus sehe? Wie kann ich es begründen? Gegenfrage: Wie kommst du eigentlich heil über die Straße? 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben 4. Februar Autor Melden Share Geschrieben 4. Februar vor 8 Stunden schrieb Marcellinus: Gegenfrage: Wie kommst du eigentlich heil über die Straße? Problemlos. Weil auch Philosophen erst einmal ganz normal leben (zumindest die meisten ), bevor sie dann über das nachdenken, was man erst einmal selbstverständlich und unreflektiert hingenommen wird. Gute Philosophie hilft dann dabei, Dinge besser zu verstehen, und seien es alltägliche. Weniger gute Philosophie behauptet, dass alles völlig anders sei, als der gesunde Menschenverstand es scheinen lässt. Gute Philosophie sollte verständlicher machen, warum wir beispielsweise wissen, dass etwas eine Straße ist - worauf wir also unser Wissen stützen. Weniger gute Philosophie will uns weismachen, dass wir nicht wissen können, ob etwas eine Straße ist. (Daher sehe ich den Wert des Münchausen-Trilemmas auch darin, zum Nachdenken anzuregen und eine Fragestellung besser in den Blick zu bekommen. Wird es hingegen als ernsthafte "Erkenntnis" vorgetragen, die impliziert, dass wir nicht einmal wissen können, ob es Straßen gibt, weil wir ja angeblich rein gar nichts wissen können, dann ist das aus meiner Sicht eben gerade keine gute Philosophie.) Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Marcellinus Geschrieben 4. Februar Melden Share Geschrieben 4. Februar vor 25 Minuten schrieb iskander: vor 9 Stunden schrieb Marcellinus: Gegenfrage: Wie kommst du eigentlich heil über die Straße? Problemlos. Weil auch Philosophen erst einmal ganz normal leben (zumindest die meisten ), bevor sie dann über das nachdenken, was man erst einmal selbstverständlich und unreflektiert hingenommen wird. Erstaunlich! Du vertraust also einer unreflektierten Wahrnehmung tagtäglich dein Leben an, aber wenn du dann zu Hause in dem Philosophenkämmerlein sitzt, hältst du diese Wahrnehmungen auf einmal für begründungsbedürftig? vor 25 Minuten schrieb iskander: Gute Philosophie hilft dann dabei, Dinge besser zu verstehen, und seien es alltägliche. Weniger gute Philosophie behauptet, dass alles völlig anders sei, als der gesunde Menschenverstand es scheinen lässt. Gute Philosophie sollte verständlicher machen, warum wir beispielsweise wissen, dass etwas eine Straße ist - worauf wir also unser Wissen stützen. Weniger gute Philosophie will uns weismachen, dass wir nicht wissen können, ob etwas eine Straße ist. Tut die Philosophie denn das? Wenn es nur darum ginge, herauszufinden, warum wir wissen, das etwas eine Straße ist. dann müßten die Philosophen sich dafür interessieren, wie Menschen dieses Wissen erwerben (das wäre dann übrigens theoretisch-empirische Wissenschaft). Aber genau das tun sie nicht. Sie wollen gar nicht wissen, wie Menschen wirklich Wissen erwerben, sondern sie wollen herausfinden, wie Menschen Wissen erwerben sollten, damit es nach Ansicht der Philosophen "begründetes Wissen" ist. Eigentlich ist Philosophie eine Religion, nur (meistens) ohne Gott. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben 4. Februar Autor Melden Share Geschrieben 4. Februar vor 23 Minuten schrieb Marcellinus: Erstaunlich! Du vertraust also einer unreflektierten Wahrnehmung tagtäglich dein Leben an, aber wenn du dann zu Hause in dem Philosophenkämmerlein sitzt, hältst du diese Wahrnehmungen auf einmal für begründungsbedürftig? Was heißt "begründungsbedürftig"? Wenn Du damit meinst, dass ich der Wahrnehmung ernsthaft misstraue, dann lautet meine Antwort "nein". Ich bezweifle nicht, dass mein Vertrauen in meine Wahrnehmung begründet ist. Wenn Du damit hingegen meinst, dass ich die Frage, wieso mein Vertrauen begründet ist, für bedenkenswert halte, dann allerdings stimme ich zu. vor 23 Minuten schrieb Marcellinus: Tut die Philosophie denn das? Wenn es nur darum ginge, herauszufinden, warum wir wissen, das etwas eine Straße ist. dann müßten die Philosophen sich dafür interessieren, wie Menschen dieses Wissen erwerben (das wäre dann übrigens theoretisch-empirische Wissenschaft). Aber genau das tun sie nicht. Weil es Philosophen nicht um die einzelnen kognitiven Prozesse geht, die dafür verantwortlich sind, dass wir zu einer Erkenntnis kommen, sondern wieso wir überhaupt zu verlässlicher Erkenntnis gelangen. vor 23 Minuten schrieb Marcellinus: Sie wollen gar nicht wissen, wie Menschen wirklich Wissen erwerben, sondern sie wollen herausfinden, wie Menschen Wissen erwerben sollten, damit es nach Ansicht der Philosophen "begründetes Wissen" ist. Eigentlich ist Philosophie eine Religion, nur (meistens) ohne Gott. Wenn es einen unterschied zwischen Wissen und bloßem Meinen gibt, dann muss es auch Kriterien geben, die Wissen und Nicht-Wissen unterscheiden. Es gab ja den Ansatz des Psychologismus, der aus dem faktischen Funktionieren des menschlichen Denken die Gesetze der Logik herleiten wollte. Dass das nicht klappt, ist aber inzwischen bekannt. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Marcellinus Geschrieben 4. Februar Melden Share Geschrieben 4. Februar vor 3 Minuten schrieb iskander: vor 38 Minuten schrieb Marcellinus: Erstaunlich! Du vertraust also einer unreflektierten Wahrnehmung tagtäglich dein Leben an, aber wenn du dann zu Hause in dem Philosophenkämmerlein sitzt, hältst du diese Wahrnehmungen auf einmal für begründungsbedürftig? Was heißt "begründungsbedürftig"? Wenn Du damit meinst, dass ich der Wahrnehmung ernsthaft misstraue, dann lautet meine Antwort "nein". Ich bezweifle nicht, dass mein Vertrauen in meine Wahrnehmung begründet ist. Wenn Du damit hingegen meinst, dass ich die Frage, wieso mein Vertrauen begründet ist, für bedenkenswert halte, dann allerdings stimme ich zu. Wir kommen der Sache näher! vor 3 Minuten schrieb iskander: vor 38 Minuten schrieb Marcellinus: Tut die Philosophie denn das? Wenn es nur darum ginge, herauszufinden, warum wir wissen, das etwas eine Straße ist. dann müßten die Philosophen sich dafür interessieren, wie Menschen dieses Wissen erwerben (das wäre dann übrigens theoretisch-empirische Wissenschaft). Aber genau das tun sie nicht. Weil es Philosophen nicht um die einzelnen kognitiven Prozesse geht, die dafür verantwortlich sind, dass wir zu einer Erkenntnis kommen, sondern wieso wir überhaupt zu verlässlicher Erkenntnis gelangen. Wir sind ganz nah dran! Es geht Philosophen nicht um die beobachtbare Wirklichkeit, nicht darum, wie die Fähigkeit von Lebewesen und Arten evolutionär und später sozial und individuell entstanden ist, Wissen zu erwerben und weiterzugeben. Denn dann müßte man sich damit beschäftigen, wie Gesellschaften, und die Lebewesen, die sie bilden, ihr Wissen erwerben und weitergeben. Wie es kommt, daß in manchen Epochen das Wissen der Menschen zunehmend realistischer wird, wie man das messen kann (denn das kann man) und wie es kommt, daß das realistische Wissen von Menschengesellschaften auch wieder abnimmt, denn auch das kommt vor. Aber darum geht es Philosophen nicht, sondern um die Frage, wie "verläßlich" das Wissen eigentlich ist. Nein, "verläßlich" ist nicht das richtige Wort. "Wahr" ist das Wort, um das es geht. Es geht der Phiosophie, wie vorher schon der Religion, um das "Wesen" hinter allen bloßen Erscheinungen. Es geht um Begründungen, die dem Philosophen anzeigen, daß er sich im Besitz der "Wahrheit" befindet. vor 12 Minuten schrieb iskander: Wenn es einen unterschied zwischen Wissen und bloßem Meinen gibt, dann muss es auch Kriterien geben, die Wissen und Nicht-Wissen unterscheiden. Es gab ja den Ansatz des Psychologismus, der aus dem faktischen Funktionieren des menschlichen Denken die Gesetze der Logik herleiten wollte. Dass das nicht klappt, ist aber inzwischen bekannt. Richtig! Weil die Frage mal wieder falsch gestellt ist. Weil die "Gesetze der Logik" nichts sind, was gewissermaßen außerhalb der Menschen existiert, sondern selbst ein Produkt der gesellschaftliche Entwicklung, und nein, "Gesetze" im Sinne von Dogmen sind es auch nicht. Die Philosophie kommt eben aus einer Zeit, in der das Wissen der Menschen über die außermenschliche Natur wie über die Menschen selbst und ihre Gesellschaften noch weitgehend von Spekulationen bestimmt war. Da darf man sich über falsch gestellte Fragen und das Ausbleiben von belastbaren Antworten nicht wundern. Wundern sollte man sich eher, warum die Philosophie immer noch solche Fragen stellt. Aber es ist wohl so, wie schon Auguste Comte festgestellt hat: Es sie Aufgabe der Philosophie, zur positiven Wissenschaft zu führen oder in die Religion zurückzufallen. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Marcellinus Geschrieben 4. Februar Melden Share Geschrieben 4. Februar (bearbeitet) Die Philosophie, so wie ich sie verstehe, und wie du sie hier darstellst, ist, wie die Religion und auch die Alchemie, eine alte Tradition auf der Suche nach der "Wahrheit". Sie alle suchen nach absolut gültigen Antworten auf Fragen von existenzieller Bedeutung für den Fragenden. Die Religionen finden diese in den Absichten, Handlungen und Zielen als übernatürlicher Personen gedachten Urhebern. Die Alchemie, die nur den Profanen als die Suche nach einer Formel für die Herstellung von Gold gilt, hat für den Eingeweihten ein dreifaches Ziel, Metalle verwandeln, die Geheimnisse der Natur ergründen, und den Alchimisten selbst verwandeln. Die Philosophie schließlich sucht wie die Religion oder die Alchemie nach dem "Wesen" der Welt, und sie hofft sie zu finden im Nachdenken über personifizierte Abstraktionen wie "Vernunft" oder "Logik", und damit letztlich in dem Philosophen selbst. Als Quelle objektiver Erkenntnis über die beobachtbare Wirklichkeit haben alle drei, Religion, Alchemie und Philosophie, ausgedient. Wer an objektiver, positiver Erkenntnis über diese Welt interessiert ist, kommt an der Vorläufigkeit und Relativität wissenschaftlichen Wissens und seiner empirischen Überprüfung nicht vorbei, auch um den Preis, daß die Antworten einen affektiv nicht zufriedenstellen. Wer dagegen nach subjektivem Wissen von persönlicher Bedeutung sucht, sei auf Religion, Alchemie oder Philosophie verwiesen. Dort kann man, wenn man Glück hat, Gewißheit, ja vielleicht sogar "Wahrheit" finden, allerdings nur für sich selbst. bearbeitet 4. Februar von Marcellinus Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben 4. Februar Autor Melden Share Geschrieben 4. Februar (bearbeitet) Du scheinst einen wichtigen Punkt nicht ausreichend zu beachten: Wann immer man Wahrheit will, darf man nicht nur fragen, wie die Menschen faktisch zu ihrer Überzeugung gelangen, sondern es muss auch darum gehen, ob sie das auf eine begründete, gültige Weise tun. Und Wahrheit im Sinne des "Zutreffens" wollen wir alle, auch Du. Auch Du gehst ja davon aus, dass das, was Du sagst, sich zumindest wahrscheinlich und zumindest ungefähr auch so verhalten wird, wie Du es sagst. Und auch Du bist ja davon überzeugt, dass nicht nur irgendwelche sozialen oder neurophyisologischen Prozesse dafür verantwortlich sind, dass Du die Auffassung vertrittst, die Du vertrittst, sondern dass es (auch) gute Gründe in der Sache selbst gibt, die Deine Überzeugung rechtfertigen. vor 2 Stunden schrieb Marcellinus: Richtig! Weil die Frage mal wieder falsch gestellt ist. Weil die "Gesetze der Logik" nichts sind, was gewissermaßen außerhalb der Menschen existiert, sondern selbst ein Produkt der gesellschaftliche Entwicklung, und nein, "Gesetze" im Sinne von Dogmen sind es auch nicht. Da mir Deine Position dazu, welche Geltung und Verbindlichkeit Du der Logik einräumst, nicht genau klar ist, kann ich dazu auch nicht viel sagen. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass praktisch alles, was Du über die Evolution, über die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft, über die Rolle der Soziologie, über die Rolle der Philosophie, über Logik usw. sagst, logisch aus anderem abgeleitet ist. (Oder alternativ müsste es ein ganz unmittelbares Wissen sein.) Auch alles, was die Wissenschaft falsifiziert, falsifiziert sie mithilfe der Logik (insbesondere des Modus Tollens). Eine Aufhebung der Logik in reine Konvention wäre damit auch die Aufhebung Deiner eigenen Position in reine Konvention, und ebenso jedes wissenschaftliche Widerlegen. Abgesehen davon setzt ja auch das Festlegen konventioneller Regeln bereits etwa den Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch voraus bzw. nimmt ihn in Anspruch. Schließlich soll ja, wenn eine konventionelle Regel festgelegt wird, diese auch tatsächlich gelten - und nicht etwa das Gegenteil von ihr. Würde alles und nichts und das Gegenteil davon gleichzeitig gelten, so käme man erst gar nicht erst dazu, Konventionen aufzustellen - es wäre in der Tat nicht einmal möglich, auch nur etwas zu bezeichnen. Des Weiteren hattest Du doch argumentiert (siehe hier und Folgediskussion), dass das Münchhausen-Trilemma ein unlösbares Problem sei, aber auch nur für die Philosophie. Wenn das keine begründungstheoretische Aussage im Sinne der Philosophie Frage ist, was dann? Eine rein formal-logische? Eine empirisch-naurwissenschaftliche? Eine empirisch-sozialwissenschaftliche? Da wäre ich gespannt! bearbeitet 4. Februar von iskander Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
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