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Geschrieben (bearbeitet)

Ich erwähnte schon einmal, dass die Tage in der Schöpfungserzählung Strukturelemente sind. Die Frage ist, was da strukturiert werden sollte. Man kann der Meinung sein, dass die Tage lediglich die Reihenfolge der unterschiedlichen Schöpfungswerke zeitlich strukturiert, eine Chronologie implizieren sollen - zuerst hat Elohim das erschaffen, dann dieses, und dann jenes. 

 

Es ist aber auch denkbar, das auch etwas ganz anderes durch die Tage strukturiert werden sollte, und das ergibt sich daraus, dass wenn meine Interpretation des bisherigen Gen 1,1-5 plausibel ist, am ersten Tag überhaupt nichts erschaffen worden ist.

 

Worauf ich hinaus will, ist der Fachterminus "Sitz im Leben" in der Formgeschichte bzw. Formkritik oder auch Gattungskritik (einem Methodenschritt der historisch-kritischen Methode) der auf Hermann Gunkel zurückgeht, und danach fragt, welche praktische Rolle ein Text im Leben der Menschen gespielt hat. Die Tage in der Schöpfungserzählung könnten nämlich unter diesem Gesichtspunkt die Liturgie strukturiert haben, die Funktion einer Leseordnung übernommen haben. Am ersten Tag (eines bestimmten Festes beispielsweise) lesen wir Gen 1,1-5 im Gottesdienst, am zweiten Tag lesen wir Gen 1,6-8 im Gottesdienst, am dritten Tag lesen wir Gen 9-12 im Gottesdienst usw. 

bearbeitet von Weihrauch
Geschrieben
Zitat

 

Aus dem Vorwort der Bibelausgabe Die Schrift, Buber / Rosenzweig

 

"In der jüdischen Tradition ist die Schrift bestimmt, vorgetragen zu werden ...; schon die hebräische Bezeichnung für lesen bedeutet: ausrufen, der traditionelle Name der Bibel ist: die Lesung, eigentlich also: die Ausrufung; und Gott sagt zu Josua nicht, das Buch der Tora solle ihm nicht aus den Augen, sondern es solle ihm nicht aus dem Munde weichen ... So aufgenommener Gesprochenheit also soll die deutsche Lautgestalt entsprechen, selbstverständlich nicht für das stumme Lesen, sondern für den richtigen, den vollen Lautwert herausholenden Vortrag."

 

 

Darum ist in dieser Bibelausgabe jeweils der Beginn der Sabbatlesungen gekennzeichnet, denn auch im rabbinischen Judentum von heute gibt es eine Leseordnung die festlegt, welche Texte wann mündlich vorgetragen werden. Eine Leseordnung gibt es im Christentum auch, nur ist die natürlich anders, als im rabbinischen Judentum, und möglicherweise ist diese wiederum anders als im Frühjudentum. Möglicherweise sehen wir hier noch eine Spur des Beginns einer sich weiterentwickelnden Leseordnung.

 

Spekulatius. Diese Möglichkeit der Interpretation kann man außer acht lassen, muss man aber nicht. 

 

Geschrieben
vor 18 Stunden schrieb Weihrauch:

Zu unserer Frage, wie lang ein Tag ist, erfährt man zunächst, dass mit Tag im Gegensatz zur Nacht, das Tageslicht gemeint ist - also 12 Stunden - mit der Nacht zusammengenommen sind es dann 24 Stunden, sofern ein Tag im alten Orient in 24 Stunden aufgeteilt wurde - keine Ahnung, wann und von wem diese Einteilung "erfunden" worden ist, und sich dann verbreitet hat.

 

Von den Babyloniern. Sie hatten bereits viele Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung (und vor der Entstehung des jüdischen Volkes) die Einteilung des Tages in zwölf Stunden, beginnend mit dem Sonnenaufgang. Sechs Tagstunden und sechs Nachstunden. Eine solche Stunde wurde  Danna genannt. Dieses Wort kommt bereits im Gilgamesch-Epos vor. Was dieses Epos für die Bibel bedeutet, weißt du ja. Die Aufteilung der 12 in 24 Stunden kam dann in hellenistischer Zeit. 

 

Geschrieben
vor 29 Minuten schrieb Alfons:

 

Von den Babyloniern. Sie hatten bereits viele Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung (und vor der Entstehung des jüdischen Volkes) die Einteilung des Tages in zwölf Stunden, beginnend mit dem Sonnenaufgang. Sechs Tagstunden und sechs Nachstunden. Eine solche Stunde wurde  Danna genannt. Dieses Wort kommt bereits im Gilgamesch-Epos vor. Was dieses Epos für die Bibel bedeutet, weißt du ja. Die Aufteilung der 12 in 24 Stunden kam dann in hellenistischer Zeit. 

 

Doppelstunden? Ich dachte schon die alten Ägypter hätten die 12er Einteilung für je Tag und Nacht gehabt.

Geschrieben

Fazit des ersten Tages Gen 1,1-5

Der Anfang der Urgeschichte beginnt mit dem, was auf Tafel 4 des Enuma Elisch erzählt wird. Was auf den Tafeln davor steht wurde weggelassen. 

 

Am 17.4.2025 um 00:26 schrieb Domingo:

Abgesehen davon, dass Gen. 1.1 eher zu übersetzen ist als "Als Gott sich anschickte, die Himmel und das Land usw." (hatten wir ein paar Seiten und Wochen/Monate zurück), ja, das Wort "erschaffen" passt da nicht wirklich hinein. Eher "Gestalt geben." Den Lexikoneinträge zu bara auf Biblehub traue ich persönlich nicht, da sie explizit von creatio ex nihilo reden, was historisch falsch ist und aus einem apologetischen Hintergrund stammen muss.

 

Gen 1,1

Am Anfang seiner Macht, als oberste Gottheit im Götterrat, erschafft (der babylonische) Gott Marduk Himmel und Land.

Gen 1,2

Nachdem er Tiamat (tehom) getötet hatte, denn durch einen starken Wind (ruach), der Tiamat daran hinderte ihr Maul beim Schnappen nach Marduk wieder zu schließen, schoss Marduk mit seinem Bogen durch ihr geöffnetes Maul einen tödlichen Pfeil mitten in Tiamats Herz. Aus ihrem Leichnam, den er in zwei Teile schnitt, gestaltete er den droben den Himmel und drunten das Land.

 

So weit aber eben erst ab da wird die Erzählung des Enuma Elisch übernommen um sie durch die Urgeschichte zu kapern. Elohim sind noch "die Götter", aber im Laufe der Urgeschichte, wird aus "den Göttern (der anderen Völker)", über JHWH elohim (Gen 2,4-3,24) schließlich JHWH der Gott Israels (Gen 4,1-24.26). Lesson learnd. Ab da ist es im AT egal mit welcher Gottesbezeichnung JHWH beschrieben wird.   

 

Gen 1,3-5

Nun setzt der Erzähler (bzw. Elohim) an, Licht ins Dunkel der Irrlehre des Enuma Elisch zu bringen, das Schlechte dieser Lehre ins Rechte Licht zu rücken, diese finstere Lehre durch eine lichte, gute Lehre zu ersetzen. Es geschah so. D.h., es wurde begriffen, dass es eine gute und (viele) schlechte Lehren gibt - aber - am 1. Tag wird noch nichts erschaffen, auch das Licht nicht, denn welches Licht den Tag und welches Licht die Nacht erhellt, wird erst am 3. Tag erzählt werden.

 

So viel zum 1. Tag. 

 

Gen 1,6-8

Am 2 Tag wird erzählt, wie der Himmel tatsächlich von Elohim gemacht wurde. Die Wasser sind keine Gottheiten, wie im Enuma Elisch, sie bestehen nicht aus dem Gott Apsu, dem Süßwasserstrom und nicht aus der Göttin Tiâmat, der Salzflut, wie es auf der 1. Tafel des Enuma Elisch geschrieben steht, sondern Wasser ist einfach nur Wasser. Elohim macht ein Gewölbe um das Wasser zu scheiden. Das ist der Himmel, und nichts anderes, kein Leichenteil einer getöteten Gottheit. Das wäre lächerlich und Eckel erregend, igitt.

 

Am 2 Tag wird also das erste mal etwas erschaffen, ohne ein Wort zu sagen, da ist kein Auftrag der erteilt wird, kein Befehl, Elohim legt selbst Hand an. Das Gewölbe ist am 2. Tag fix und fertig denn: Und so geschah es. Na ja, wie genau es geschah, erfährt man nicht, nur dass es geschah.  

 

Gen 1,9

Am 3 Tag endlich erhebt Elohim sein Wort, damit sich das Wasser unterhalb des Himmels an einem Ort sammelt, damit das Land in "trockene Tücher" kommt. Elohims Land ist ebenfalls kein Leichenteil. So etwas zu behaupten, ist Irrsinn und geschmacklos. Elohim nennt das Trockene Land, und das Wasser Meer, nicht Tiamat.

 

Das ist der erste Auftrag oder Befehl, der sofort vom Wasser umgesetzt wird, denn: So geschah es. Jetzt könnte man fragen: Was ist damit?

 

Zitat

 

Ijob 38,8-11
Wer verschloss das Meer mit Toren, / als schäumend es dem Mutterschoß entquoll, 
als Wolken ich zum Kleid ihm machte, / ihm zur Windel dunklen Dunst,

als ich ihm ausbrach meine Grenze, / ihm Tor und Riegel setzte

und sprach: Bis hierher darfst du und nicht weiter, / hier muss sich legen deiner Wogen Stolz?

 

 

Ist das Poesie oder muss man das wörtlich verstehen? Hat das Wasser einen Willen, und den Befehl Elohims sich an einem Ort zu sammeln widerwillig aber gehorsam ausgeführt? Ich denke die vielen / machen deutlich, dass die Textgattung irgend etwas mit Poetik zu tun hat, Hymnus oder Lied, irgendeine Form gedrechselter Rede. 

Geschrieben
vor einer Stunde schrieb Alfons:

Von den Babyloniern. Sie hatten bereits viele Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung (und vor der Entstehung des jüdischen Volkes) die Einteilung des Tages in zwölf Stunden, beginnend mit dem Sonnenaufgang. Sechs Tagstunden und sechs Nachstunden. Eine solche Stunde wurde  Danna genannt. Dieses Wort kommt bereits im Gilgamesch-Epos vor. Was dieses Epos für die Bibel bedeutet, weißt du ja. Die Aufteilung der 12 in 24 Stunden kam dann in hellenistischer Zeit. 

 

Vielen Dank @Alfons.

 

vor 34 Minuten schrieb Flo77:

Doppelstunden? Ich dachte schon die alten Ägypter hätten die 12er Einteilung für je Tag und Nacht gehabt.

 

Vielen Dank auch dir. Die Doppelstunden aus dem Gilgamesch Epos sind mir auch sofort eingefallen. Aber diese sind dort ein Strecken- und kein Zeitmaß.

 

Die Stelle, wo stehen würde, dass der Tag in sechs Stunden und die Nacht in sechst Stunden aufgeteilt ist, suche ich bislang vergebens mit der SuFu. Ich lese mir das ganze Epos noch mal in Ruhe durch. Lesen nutzt nichts, nur wiederholtes Lesen. Ich hätte sie nämlich hier gerne als Beleg zitiert. 

Geschrieben
Zitat

Gen 1,11-13
Dann sprach Elohim: Das Land lasse junges Grün sprießen, Gewächs, das Samen bildet, Fruchtbäume, die nach ihrer Art Früchte tragen mit Samen darin auf dem Land. Und so geschah es. 
Das Land brachte junges Grün hervor, Gewächs, das Samen nach seiner Art bildet, und Bäume, die Früchte tragen mit Samen darin nach ihrer Art. Gott sah, dass es gut war. 
Es wurde Abend und es wurde Morgen: dritter Tag.

 

Das ist wieder eine Ansage, diesmal an das Land, und auch an das Grün. Das hebräische Wort zera ist dasselbe, egal ob es für Planzen, Menschen oder Tiersamen verwendet wird. Ich habe vorgestern Samen für meine Balkonpflanzen eingepflanzt. Vom Grün ist natürlich noch nichts zu sehen, aber bei den Samen der Lichtkeimer, sehe ich schon, dass sich was tut. Bis ich sehe, dass sich Früchte und Samen gebildet haben, werden noch viele Tage ins Land gehen. Wie lange dauert es, bis Bäume Früchte tragen? Und die tragen sie, damit ein neuer Baum entsteht, und daraus wieder einer usw. Hier handelt es sich um etwas, das bis heute fortgesetzt andauert. Diese Ansage von Elohim hat, Gott sei Dank, einen Loop eingebaut. "Seht die Lilien auf dem Felde ..." und das "Und es geschah so." wird in gewisser Weise zu einem "Und es geschieht so." Gott sieht, dass es gut ist.

Dieser Tag dauert wörtliche verstanden länger als einen Tag, wenn man ein wenig darüber nachdenkt, wie viel an diesem Tag geschieht.

Ein Grund mehr "Es wurde Abend und es wurde Morgen: dritter Tag." als ein Strukturelement zu betrachten. Mit 24 Stunden im Kopf, hat man etwas vom Wunder der Schöpfung Wesentliches verpasst, denke ich. Fruchtbarkeit ist ein Segen, für Pflanze, Tier und Mensch. So verstehe ich jedenfalls diese Botschaft.   

Geschrieben
Zitat

Aus dem Enuma Elisch:

 

Tafel 5: Die Ordnung der Weisheit
      «Er [Marduk] ersann Standorte für die großen Götter.
      In Sternbildern ordnete er ihre Entsprechungen, die Sterne.
      Er bestimmte das Jahr, teilte Abschnitte ab,
      Für jeden der zwölf Monate bestimmte er drei Sterne.

 

Zitat

 

Aus der Urgeschichte:

 

Gen 1,14-19
Dann sprach Elohim: Lichter sollen am Himmelsgewölbe sein, um Tag und Nacht zu scheiden. Sie sollen als Zeichen für Festzeiten, für Tage und Jahre dienen. Sie sollen Lichter am Himmelsgewölbe sein, um über das Land hin zu leuchten.

Und so geschah es. 
Elohim machte die beiden großen Lichter, das große zur Herrschaft über den Tag, das kleine zur Herrschaft über die Nacht, und die Sterne. Elohim setzte sie an das Himmelsgewölbe, damit sie über das Land leuchten, über Tag und Nacht herrschen und das Licht von der Finsternis scheiden.

Gott sah, dass es gut war. 
Es wurde Abend und es wurde Morgen: vierter Tag.

 

 

Was für eine Klatsche! Eine klare Absage an die babylonischen Gestirngottheiten ist diese Ansage!

 

Kann dieser Auftrag in einem Nu an einem Tag Realität geworden sein? Sollen diese Lichter nur irgendwann ... oder haben sie schon ...? Geschah es so, oder noch nicht? Elohim sah, dass es gut war. Was sah Elohim? Sah er es geschehen, oder nur die Lichter, wie sie ihren Gang aufnehmen, und nach 24 Stunden den nächsten Tag anzeigen, der vielleicht ein Festtag war? Was war es, das er sah? In meinem Verständnis hat dieses Ansehen etwas von Freude daran haben, dass es so funktioniert, wie es soll. Ja, das ist das Zeichen für das Neujahrsfest und ja, das ist das Zeichen für das Passafest, ja, das ist gut.

 

Ich meine, der Zyklus der Festtage im Jahreskreis dauert, und den kann im 21 Jahrhundert auch noch jeder sehen, aber eben nicht an einem Tag. Das hat was von einer andauernden "zeitlosen" Gültigkeit. Der damals den Menschen noch alltägliche Blick in den Nachthimmel, entschleunigt, lässt einen Ordnung im Chaos sinnlich erleben. Das hat sich Elohim gegönnt, hoffe ich.

Wir machen gerade Literarkritik und versuchen Ordnung in das scheinbare Chaos dieses Textes zu bringen, Tag für Tag, beschaulich, Schritt für Schritt.   

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