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Genesis-Interpretation


Domingo

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vor 6 Stunden schrieb Domingo:

Deswegen interessiert es mich, wenn jemand, der nicht vom Fach ist, diese Haltung in Frage stellt und eine Argumentation ausbreitet, warum eine bestimmte Stelle allegorisch zu verstehen sei.

Die kirchliche Theologie kannte (und kennt) seit ihrer Frühzeit die Lehre vom vierfachen Schriftsinn. Es ist auch nicht weiter problematisch zu sagen: ich lese Stelle XY allegorisch. Nur dann sollte man nicht versuchen, die Allegorie an der Grammatik des Textes festzumachen. Ich will auch nicht die weihrauch'sche Interpratation hier diskutieren, sondern dafür werben, die unterschiedlichen Schriftsinne nicht durcheinanderzuwerfen.

bearbeitet von gouvernante
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vor 21 Stunden schrieb Domingo:

Die Ablehnung allegorischer Interpretation könnte ein solches Vorurteil sein. Dabei geht es möglicherweise nicht nur darum, dass sie sich kaum an konkreten Indizien festmachen lassen dürfte (oder ist dies Teil des Vorurteils?), sondern auch darum, dass sie als komisch und miderwertig erachtet wird. August Boeckh schrieb im 19. Jh. ein Buch über Hermeneutik in der Klassischen Philologie, und darin geht er auch auf die Allegorie ein, wofür er aber Dante Alighieri als Beispiel nimmt. Am Ende urteilt er sinngemäß so: "Die antiken Autoren machten von solchem Unsinn selten Gebrauch. Dante selbst hätte sich davon ferngehalten, wäre seine Kultur nicht die des Mittelalters gewesen." Deswegen interessiert es mich, wenn jemand, der nicht vom Fach ist, diese Haltung in Frage stellt und eine Argumentation ausbreitet, warum eine bestimmte Stelle allegorisch zu verstehen sei. Dass es hierbei nicht um die klassische Antike geht, sondern um die Bibel, stört mich wenig.

 

Tatsächlich ist die Allegorie aus vielerlei Gründen ein schwieriges Thema. Ich liebe Lexika und Nachschlagewerke aller Art, darum sind sie oft der Ausgangspunkt meiner Recherchen, und oft reicht das auch völlig aus um etwas zu verstehen, manchmal nicht auf Anhieb, aber dann helfen Quellenangaben, mehr in die Tiefe zu gehen. Vergleicht man nun den Artikel Allegorie in unterschiedlichen Nachschlagewerken, fallen einem bei manchen Gemeinsamkeiten große Unterschiede bei ihrer Beschreibung auf, so große, dass es kaum möglich scheint, eine Allegorie anhand ganz bestimmter, eindeutiger Kriterien "wissenschaftlich" zu identifizieren und so sicher nachweisen zu können, weil ihr Wesen nicht an grammatikalisch greifbaren Dingen zu hängen scheint, und eher einen irgendwie schwebenden Charakter hat. Es ist also gut möglich, dass mein Mangel an grammatikalischen Fähigkeiten, es mir leichter gemacht hat eine Allegorie zu erkennen, mich vom Wesentlichen der Allegorie nicht ablenken zu lassen. Aber was ist das Wesentliche einer Allegorie, woran man sie sicher erkennen kann, damit es nicht bei unterschiedlichen Meinungen bleiben muss, ob es sich in einem gegebenen Fall nun um eine Allegorie handelt, oder eben nicht? Soll ich mal aus meinen Lexika ein paar Auszüge zitieren, um etwas Fleisch an die Sache zu bringen?

bearbeitet von Weihrauch
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Am 28.7.2024 um 14:32 schrieb gouvernante:

Die kirchliche Theologie kannte (und kennt) seit ihrer Frühzeit die Lehre vom vierfachen Schriftsinn. Es ist auch nicht weiter problematisch zu sagen: ich lese Stelle XY allegorisch.

 

Gewiss, doch ich bin noch auf keinen Bibelwissenschaftler getroffen, der eine allegorische Interpretation irgendeiner Stelle vertreten hat. Mag natürlich Zufall sein.

 

vor 9 Stunden schrieb Weihrauch:

Aber was ist das Wesentliche einer Allegorie, woran man sie sicher erkennen kann, damit es nicht bei unterschiedlichen Meinungen bleiben muss, ob es sich in einem gegebenen Fall nun um eine Allegorie handelt, oder eben nicht? Soll ich mal aus meinen Lexika ein paar Auszüge zitieren, um etwas Fleisch an die Sache zu bringen?

 

Das wäre für mich fast genauso interessant wie ein Beispiel, das Lexika für eine Allegorie anführen.

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vor 10 Stunden schrieb Domingo:

Das wäre für mich fast genauso interessant wie ein Beispiel, das Lexika für eine Allegorie anführen

 

Das Fach um solche Fragen zu klären, wäre eigentlich die Rhetorik. Fällt ihr Ursprung nicht in dein Fachgebiet der Altphilologie (griechisch)? Gibt es da nicht eine Definition, die für uns nützlich wäre, da sie zumindest näher an der alttestamentlichen Zeit ist, wobei mir schon klar ist, dass sprachliche Ausdrucksmittel keine Allgemeingültigkeit über Sprachgrenzen hinweg haben können?

 

In der Aufklärung bekam die Rhetorik einen immer schlechteren Ruf, und heute gibt es das Fach laut Wikipedia nur noch an einer Uni in Deutschland. Verwunderlich, denn wie will man Texte ohne diesen Werkzeugkasten analysieren? Jedenfalls ist der Oberbegriff der Allegorie die Trope bzw. der Tropus und nicht die Textgattung. Vermutlich liege ich da völlig falsch, wenn ich immer von der Allegorie spreche und sollte bei der Urgeschichte besser den Begriff Trope verwenden.

  

Zitat

 

Trope [Encarta Enzyklopädie Professional 2004. Redmond: Microsoft Corporation 2004] 
Trope, auch Tropus, (von griechisch tropos: Wendung)

In Rhetorik und Stilistik Bezeichnung für eine bildliche Ausdrucksweise. Hierbei wird das Gemeinte nicht sachlich bezeichnet, sondern im Streben nach Veranschaulichung, Ornamentierung oder Verlebendigung durch einen uneigentlichen Ausdruck wiedergegeben. Die einfachste Art des Tropus liegt vor, wenn ein semantisch nicht identisches Wort an die Stelle des eigentlichen Wortes gesetzt wird, so „Blüte” für „Jugend”; es fallen aber auch sprachliche Figuren unter die Tropen, in denen mehrere Wörter ein einziges Wort oder eine Wortfolge ersetzen. 

 

Schon in hellenistischer Zeit erfolgte die theoretische Untersuchung der Tropen als Schmuckformen, die nach umfassenden Gesichtspunkten kategorisiert wurden (Tropik), wobei man sich der problematischen Unterscheidung zwischen Redefiguren und Tropen durchaus bewusst war: Zu den wichtigsten Tropen zählen demnach Allegorie, Emphase, Euphemismus, Hyperbel, Ironie, Katachrese, Litotes, Metapher, Metonymie, Periphrase, Personifikation, Rätsel, Sarkasmus und Synekdoche. 
Verfasst von: Cornelia Fischer

 

 

Denn in der Urgeschichte gibt es eben nicht nur Allegorien (Sintfluterzählung), sondern auch die Ironie (die Strafreden), viele Metaphern, das Rätsel (Flussperikope), die Personifikation (Schlange) und vermutlich noch andere der obengenannten Begriffe, die man bestimmten Textabschnitten zuordnen könnte bzw. müsste. Das fachsprachlich korrekt aufzudröseln musste ich in meinem Kopf nicht leisten, da ich ja nie eine akademische Facharbeit irgendwo abliefern, sondern einfach nur die Urgeschichte verstehen wollte. Deswegen sagen mir manche dieser Begriffe oben auch nichts. 

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vor 19 Stunden schrieb Domingo:

Gewiss, doch ich bin noch auf keinen Bibelwissenschaftler getroffen, der eine allegorische Interpretation irgendeiner Stelle vertreten hat. Mag natürlich Zufall sein.

 

Da muss man heutzutage auch eher in den anderen theologischen Fächern gucken, nicht in der Exegese.

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Am 26.7.2024 um 11:51 schrieb gouvernante:

Deswegen (meine persönliche Meinung) finde ich Strong zB so tückisch: ich werde auf ein Ergebnis geleitet, ohne zu verstehen, wie man dahin kommt. Und ich meine, Textinterpretation geht erst dann, wenn ich verstehe, wie das Wort gebaut ist, das ich vor mir habe und interpretieren will. Verstehe ich es nicht, kann ich ja auch nicht verstehen, was Fachaufsätze oder Monographien dazu diskutieren.

 

Ich finde Strong aus einem anderen Grund, dessen ich mir wohl bewusst bin, tückisch: den christlich-theologischen Hintergrund, der sich in den angegebenen Wortbedeutungen und Erklärungen ungut bemerktbar macht, besonders was die hebräischen Wörter betrifft. Da bin ich sehr skeptisch, und nehme nicht alles als bare Münze. Mein Paradebeispiel:

Zitat

 

H776 'erets eh'-rets

from an unused root probably meaning to be firm;

the earth (at large, or partitively a land).


KJV: X common, country, earth, field, ground, land, X natins, way, + wilderness, world.

 


Nützlich ist mir Strong vor allem dabei, die Vorkommen eines Wortes an anderen Stellen zu finden. So finde ich ohne grammatische Kenntnisse zu haben, tselem auch an Stellen in denen beispielsweise betsalmow steht.

 

Am 28.7.2024 um 23:32 schrieb gouvernante:

Es ist auch nicht weiter problematisch zu sagen: ich lese Stelle XY allegorisch. 

 

Je nach Belieben, nach der eigenen Theologie, Dogmatik und persönlichem Glauben? Hier ist das Problem, dass man fast alles allegorisch "lesen" kann. Normalerweise bedeutet Allegorese schlicht, einen Text allegorisch zu interpretieren, egal ob dieser Text eine Allegorie ist, oder nicht. Im manch christlichen Bereichen allerdings, wird Allegorese abwertend als Kampfbegriff verwendet, um den Leuten einzureden, dass "die Bibel" unmissverständlich klar, und wörtlich zu verstehen sei, als gäbe es in der Bibel prinzipiell keine Allegorien, keine Mythen und keine Legenden. 

 

Ich schreibe dein "lesen" deshalb in Anführungszeichen, denn ich unterscheide da zwischen lesen und interpretieren. Keine Allegorie ist keine Allegorie und eine Allegorie ist eine Allegorie, weil nur dann das Wort Allegorie einen Sinn ergibt, wenn das eindeutig feststellbar ist. Unter "Lesen" verstehe ich, eine Allegorie als Allegorie zu lesen, und keine Allegorie nicht als Allegorie zu lesen. Das ist mit Lesekompetenz z.B. in den Pisa-Studien gemeint. 

 

Am 28.7.2024 um 23:32 schrieb gouvernante:

Nur dann sollte man nicht versuchen, die Allegorie an der Grammatik des Textes festzumachen.

 

Meine Rede. Vorher hast du mehrfach behauptet, dass es nur mit Kenntnis der hebräischen Grammatik möglich sei,

Am 26.7.2024 um 11:51 schrieb gouvernante:

Natürlich kann ich mir mit Kommentaren behelfen, aber eine eigene Meinung zur Kommentarliteratur kann ich mir nur dann bilden, wenn ich verstehe, wie die Kommentare zu ihren Übersetzungsvorschlägen und Textinterpretationen kommen.

Am 27.7.2024 um 20:08 schrieb gouvernante:
Am 27.7.2024 um 14:09 schrieb Weihrauch:

Wirklich nur dann?

Begründet: ja. Nur dann.

 

Bildsprache, Tropen, Allegorien, Metaphern usw. funktionieren, wie du sagst, unabhängig von Grammatik. Deshalb brauchte ich auch keine Grammtik um sie heraus- oder hineinlesen zu können. Ob es ein Heraus- oder Hineinlesen meinerseits ist, hängt davon ab, ob es jeweils Bildsprache, Trope, Allegorie, Metapher, Rätsel, Ironie usw. ist, oder eben nicht. Wenn das nicht feststellbar ist, bleibt nur das Wörtliche übrig. Dann sind es keine Mythen sondern Reportagen, Tatsachenberichte, verbal inspirerte Diktate, Offenbarungen, Zeugnisse, Gottes Worte, vierfacher Schriftsinn, Christus als Mitte der Schrift und der ganze hermeneutische Quatsch, der den Leuten eingeredet wird - um sie am Lesen zu hindern und die Deutungshoheit an sich zu reißen.  

 

bearbeitet von Weihrauch
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Darum hier also jetzt ein paar Links zu lexikalischen Artikeln, in denen sich etwas zum Thema Bildsprache und Allegorien findet:

Auf Bibelwissenschaft.de (mit Strg + f und Eingabe von "allego" bzw. "bild" etc. findet man die entsprechenden Stellen, wenn man die teils umfangreichen Artikel nicht ganz lesen will):

 

Bildworte / Bildreden (AT)

Bibelauslegung, christliche

Bibelauslegung, Epochen der christlichen

Bibelauslegung, jüdische

 

Nach Absprache mit Alfons bezüglich der Copyrightproblematik, werde ich dir @Domingo die Zitate aus meinen Nachschlagewerken per PN schicken. Falls sonst noch jemand Interesse daran haben sollte, kann er oder sie es mich über PN wissen lassen, dann nehme ich ihn in den Verteiler auf. Geht leider nicht anders. 

 

 

bearbeitet von Weihrauch
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vor 13 Stunden schrieb Weihrauch:

Hier ist das Problem, dass man fast alles allegorisch "lesen" kann.

Die Kirchenväter gingen davon aus, dass jede Stelle in der Bibel auf die vier Arten gelesen werden kann. Nicht jede Lesart ist immer sinnvoll, würde ich heute ergänzen.

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vor 12 Stunden schrieb gouvernante:

Die Kirchenväter gingen davon aus, dass jede Stelle in der Bibel auf die vier Arten gelesen werden kann.

 

Jede Stelle in der Bibel auf diese vier Arten zu lesen geht sowieso nicht. Das merkt man sehr schnell, wenn man es mal versucht. Als ich verstehen wollte, was Hermeneutik bedeutet, und mich mit der schwierigen Geschichte der Hermeneutik konfrontiert sah, habe ich den vierfachen Schriftsinn beim Lesen praktisch umzusetzen versucht, weil ich die Idee anfänglich ziemlich gut fand. Das funktionierte nur an relativ wenigen Stellen, an den meisten nicht. Das trifft, meiner Erfahrung nach, übrigens auch auf manch andere hermeneutische Ansätze zu. Das meine ich nicht abwertend. Das liegt einfach daran, ob und wenn ja, wo und wann sie funktionieren, oder eben nicht. Es lohnt sich, mit jeder hermeneutischen Aussage praktisch, wohlwollend und ergebtnisoffen herum zu experimentieren. Dann merkt man sehr schnell, was geht, und was nicht.  

 

vor 12 Stunden schrieb gouvernante:

Nicht jede Lesart ist immer sinnvoll, würde ich heute ergänzen.

 

An den Stellen, an denen es für die Kirchenväter und später auch andere "funktionierte" war es natürlich immer sinnvoll, sonst hätten sie es nicht getan, an den Stellen, an denen sie es getan haben. Sie haben es ja nicht wirklich an allen Stellen getan. 

 

Eigentlich wird das Problem mit dem vierfachen "Schriftsinn" schon deutlich, wenn man sich diesen Begriff auf der Zunge zergehen lässt. Es ist ein Euphemismus, der suggerieren soll, dass es sich dabei um den Sinn der Schrift handelt, welcher den Sinn der Verfasser übersteigt. Er soll suggerieren, dass derjenige, der mit einer Stelle auf diese Weise argumentiert, Gottes Gedanken näher gekommen ist, als der oder die Autoren der Texte. Die Gedanken Gottes überstiegen die Gedanken der menschlichen Autoren, als ihnen die Offenbarungen von Gott zuteil wurden.

 

Die minderbemittelten, jüdischen Niederschreiber des Alten Testamentes verstanden nur den Literalsinn, aber die Kirche, vom Heiligen Geist in die Wahrheit geführt, versteht nun auch noch den Typologischen Sinn im Glauben, den Anagogischen Sinn in der Hoffnung und den Tropologischen Sinn in der Liebe, welchen Gott in die Schrift gelegt hat, und damit bewahrheitet sich, was Paulus eingegeben wurde: "Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe." Und damit sind alle Verfasser, ihre historischen Hintergründe und ihre Aussageabsichten raus aus der Nummer. "Die Bibel" Alten und Neuen Testaments ist Gottes Wort und Christus die Mitte der Schrift. Geheimnis des Glaubens. Jubilate!

 

Der Kampf um die Deutungshoheit wird immer auf dem Schlachtfeld der Hermeneutik ausgetragen. Nur ist der Vierfache Schriftsinn nicht der Hermeneutik letzter Schluss in ihrer Geschichte geblieben. 
 

bearbeitet von Weihrauch
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