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Genesis-Interpretation


Domingo

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vor 18 Minuten schrieb Flo77:

"Gott, der Schöpfer alles Sichtbaren und Unsichtbaren, des Geistigen und des Körperlichen schuf in seiner allmächtigen Kraft vom Anfang der Zeit an aus nichts zugleich beide Schöpfungen, die geistige und die körperliche, nämlich die der Engel und die der Welt: und danach die menschliche, die gewissermaßen zugleich aus Geist und Körper besteht".

 

Ich müsste nachschauen, was der lateinische Text an der Stelle sagt, die hier mit "zugleich" übersetzt wird und ob damit tatsächlich eine Gleichzeitigkeit gemeint ist oder doch eher ein "gleichermaßen" [aus dem Nichts]. Interessanter Hinweis! 

 

Was mich (und auch andere Autoren) zu der Annahme verleitet hat, dass die Engel vor der Erschaffung der sichtbaren Welt geschaffen wurden, ist zweierlei: Einerseits der klassische philosophische Vorrang des Geistes (Engel sind reine Geistwesen) vor der Materie. Und andererseits gibt es auch Passagen in der Heiligen Schrift, die die Autoren regelmäßig heranziehen, um den zeitlichen Vorrang der Engel zu verargumentieren, so z. B. Hiob 38,4-7. Wenn die Gottessöhne (was in der Sprache des Buches Hiob nichts anderes meint als die Engel) Zeugen der Grundlegung der Erde sind, dann ist es zumindest innerhalb dieser Darstellung nur logisch, anzunehmen, dass sie bereits erschaffen waren.

 

 

bearbeitet von Studiosus
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vor 1 Minute schrieb Studiosus:

Was mich (und auch andere Autoren) zu der Annahme verleitet hat, dass die Engel vor der Erschaffung der sichtbaren Welt geschaffen wurden, ist zweierlei: Einerseits der klassische philosophische Vorrang des Geistes (Engel sind reine Geistwesen) vor der Materie. Und andererseits gibt es auch Passagen in der Heiligen Schrift, die die Autoren regelmäßig heranziehen, um den zeitlichen Vorrang der Engel zu verargumentieren, so z. B. Hiob 38, 4-7.

 

"Lasst uns(!) Menschen machen" deutet ja ebenfalls auf ein himmlisches Kollegium oder so was hin.

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vor 3 Minuten schrieb Flo77:

"Lasst uns(!) Menschen machen" deutet ja ebenfalls auf ein himmlisches Kollegium oder so was hin.

 

Das ist auch eine solche Stelle, genau. Zumindest kann man begründet mutmaßen, dass Gott zu diesem Zeitpunkt nicht "alleine" gewesen ist. (Wenn es nicht, was durchaus als Deutung dieses unerwarteten Plurals verbreitet ist, eine Anspielung auf die Dreieinigkeit Gottes ist. Ich tendiere allerdings hier auch eher zu einer Art himmlischem Hofstaat/Engeln) 

bearbeitet von Studiosus
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vor 11 Minuten schrieb Studiosus:

eine Anspielung auf die Dreieinigkeit Gottes

Wenn die sich im Himmel miteinander unterhalten sind es wohl doch drei Götter.

 

Werner

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vor 1 Minute schrieb Studiosus:

 

Das ist auch eine solche Stelle, genau. Zumindest kann man begründet mutmaßen, dass Gott zu diesem Zeitpunkt nicht "alleine" gewesen ist. (Wenn es nicht, was durchaus als Deutung dieses unerwarteten Plurals verbreitet ist, eine Anspielung auf die Dreieinigkeit Gottes ist. Ich tendiere allerdings hier auch eher zu einer Art himmlischem Hofstaat/Engeln) 

Naja - die Geschichte ist so alt, daß die Autoren wohl eher die Divine-Family um den Ewigen und Aschera in Erinnerung.

 

vor 4 Minuten schrieb Werner001:

Wenn die sich im Himmel miteinander unterhalten sind es wohl doch drei Götter.

Es sind drei Personen in einem Gott. Ich hab Athanasius nicht gelesen, aber für Philosophie-Cracks muss er wohl echt vergnüglich und lehrreich zu lesen sein.

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vor 24 Minuten schrieb Werner001:

Wenn die sich im Himmel miteinander unterhalten sind es wohl doch drei Götter.

 

Werner

 

Vielleicht unterhalten sie sich auch "innertrinitarisch"? 

 

vor 18 Minuten schrieb Flo77:

Naja - die Geschichte ist so alt, daß die Autoren wohl eher die Divine-Family um den Ewigen und Aschera in Erinnerung.

 

Klar, man muss dazu sagen, dass das wenn überhaupt eine theologische Deutung ist und keine literarkritische. Wenn man davon ausgeht, dass der Heilige Geist bei der Abfassung des Alten und des Neuen Testaments zumindest "mitschreibt" (es muss ja nicht sofort die Verbalinspiration sein), dann kann man sich sicher auch vorstellen, dass er zwischen den Zeilen auch in der hebräischen Bibel Hinweise auf den dreieinen Gott oder Christus zurücklässt. Wenn man natürlich in den Grenzen der Religionsgeschichte und der historischen Kritik bleibt, dann erscheint es unwahrscheinlich bis abwegig, dass ein ein streng monotheistisches Schriftstellerkollektiv, dem das Konzept der Dreifaltigkeit überdies unbekannt war, solche subtilen Hints platzieren würde. Es ist ja dasselbe mit dem Besuch der drei Engel im Hain zu Mamre. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 5 Minuten schrieb Studiosus:

Klar, man muss dazu sagen, dass das wenn überhaupt eine theologische Deutung ist und keine literarkritische. Wenn man davon ausgeht, dass der Heilige Geist bei der Abfassung des Alten und des Neuen Testaments zumindest "mitschreibt" (es muss ja nicht sofort die Verbalinspiration sein), dann kann man sich sicher auch vorstellen, dass er zwischen den Zeilen auch in der hebräischen Bibel Hinweise auf den dreieinen Gott oder Christus zurücklässt. Wenn man natürlich in den Grenzen der Religionsgeschichte und der historischen Kritik bleibt, dann erscheint es unwahrscheinlich bis abwegig, dass ein ein streng monotheistisches Schriftstellerkollektiv, dem das Konzept der Dreifaltigkeit überdies unbekannt war, solche subtilen Hints platzieren würde. Es ist ja dasselbe mit dem Besuch der drei Engel im Hain zu Mamre. 

Aus meiner Sicht spricht relativ wenig dagegen, den Text nachträglich theologisch auszudeuten, führt mich allerdings erstmal nicht tiefer in den Text.

 

Aber wie kommst Du darauf, daß die Priesterschrift schon von strengen Montheisten verfasst worden wäre?

 

Und ja, anscheinend ziehe ich die Grenzen der Verbalinspiration anders als Du.

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vor 4 Stunden schrieb Flo77:

Naja - die Geschichte ist so alt, daß die Autoren wohl eher die Divine-Family um den Ewigen und Aschera in Erinnerung.

 

Ich denke eher den Götterrat, wie in Hiob. (Und wie in Gilgamesh usw.)

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vor 3 Stunden schrieb Flo77:

Aber wie kommst Du darauf, daß die Priesterschrift schon von strengen Montheisten verfasst worden wäre?

 

Ich schließe mich dieser Frage an.

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Am 6.12.2024 um 17:45 schrieb Domingo:

Nur hat in Genesis das Word kaum die o.g. Zweideutigkeit des griechischen Wortes, es sei denn, man will annehmen, dass schon Genesis 1 unter dem Einfluss der gr. Philosophie verfasst (oder umgeschrieben) wurde.

 

reshit ist nicht nur zeitlich zu verstehen.

 

Zitat

 

Ps 111,10

Die Furcht des HERRN ist der Anfang (reshit) der Weisheit.

 

Mi 1,13

Spannt die Pferde vor die Wagen, / ihr Bewohner von Lachisch!
Das war der Anfang (reshit) der Sünde für die Tochter Zion; / denn in euch finden sich die Vergehen Israels.

 

Jer 49,35 EU
So spricht der HERR der Heerscharen:
Siehe, ich zerbreche den Bogen Elams, / seine stärkste (reshit) Waffe. 
Jer 49,35 ZB
     So spricht der HERR der Heerscharen:
     Sieh, ich zerbreche den Bogen Elams,
         ihre wichtigste (reshit) Kraft.

Jer 49,35 ELB
So spricht der HERR der Heerscharen: Siehe, ich zerbreche den Bogen Elams, seine wesentliche (reshit) Stärke. 

 

 

Am 6.12.2024 um 18:19 schrieb Flo77:

Du meinst das Wort "Bereshit"? Ich denke eher, daß es unter dem Einfluss von Enuma Elish formuliert wurde und als Marduk die Tiamat (das Hebräische "tehom" könnte sich auf sie beziehen) mit seinem Atem erledigte, war der Kosmos ja schon existent.

 

Sehe ich auch so. Darum übersetzt die Vulgata bereshit in Gen 1,1 nicht mit "In initio ..." sondern mit "In prinzipio ..." da es nicht um den zeitlichen Anfang geht, sondern um die wesentlichen Grundlagen: des Landes (erets) Israel, des jüdischen Volkes und seines Gottes JHWH, also um das Wesentliche des alttestamentlichen Judentums - im Gegensatz und in Abgrenzung zu Marduk, seinem Volk und seinem Land im Enuma Elish.

 

Zitat

 

Reicke, Bo; Rost, Leonhard (Hg.): Biblisch-historisches Handwörterbuch (BHH), Göttingen 1962-1979

Meerungeheuer  
Die akosmische Mächtigkeit negativen numinosen Wertes, die der gestaltenden Kraft eines Schöpfergottes weichen mußte, ist im religiösen Denken der Völker häufig der Urgewalt des Meeres zugeordnet und als ein in den Wassern von Dunkel bedecktes Ungeheuer vorgestellt worden (Am 9,3 Ps 44,20). Als Repräsentant des Meeres konnte es dessen Namen = Jam (Js 51,10 Hi 26,12 f) und Tehom = Urflut (Ps 33,7 42,8 104,6) tragen. Personifiziert als Schlange, wurde es mit Leviathan, Rahab und Tannin identifiziert. In der apokalyptischen Literatur ist es Verkörperung potenzierter antigöttlicher Gewalt, die in der Endzeit entmächtigt wird (1 Hen 60,7.16; Offb 12.13). ⇒ Chaos, ⇒ Leviathan.

 

 

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vor 32 Minuten schrieb Weihrauch:

reshit ist nicht nur zeitlich zu verstehen.

 

Danke für die Parallelstellen. Ich würde aber insistieren, dass reshit vor allem relativ zu verstehen ist - weil es eben nicht reshona ist... Also "am Anfang von", und was dem implizierten "von" folgt, bestimmt, wie reshit genau zu verstehen ist. Die Vulgata hat hier mMn keine besondere Autorität, weil sie eben den status constructus verkennt oder ignoriert, genauso wie die Septuaginta vor ihr.

 

Im vorliegenden Fall ist reshit mMn als zeitlich zu verstehen, weil es sich (anders als die wohl in "philosophischen", vom Griechentum beeinflussten Zeiten verfasste Septuaginta-Übersetzung) nicht auf den Anfang der Zeit überhaut bezieht, sondern auf den Anfang der Schöpfunstätigkeit von 'elohim. Zusätzlich wäre in vorphilosophischen Zeiten wohl nicht nur die Idee einer Schöpfung ex nihilo, sondern auch die einer arche im Sinne der griechischen Philosophie, als "Urprinzip" o. ä., nicht denkbar gewesen. Und auf jeden Fall - aber ich fange an, mich zu wiederholen - bezieht sich das Wort eben auf Gottes Schöpfungstätigkeit, so "Urprinzip" passt einfach nicht.

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Am 6.12.2024 um 03:24 schrieb Flo77:

Die grammatikalisch sinngemäße Übersetzung von Gen 1:1 lautet - soweit ich das jetzt verstanden habe - "Als Gott begann die Welt zu formen, war die Erde Tohowabohu, Dunkelheit lag über den Tiefen, der Atem Gottes wehte über dem Wasser und Gott sprach: lass es Licht werden!"

 

Nebenbei, ein fun fact: Man könnte auch so übersetzen: "Als Gott begann die Welt zu formen und die Erde Tohowabohu war, Dunkelheit über den Tiefen lag und der Atem Gottes über dem Wasser wehte, da sprach Gott:..." Es ist nciht eindeutig, wo der Nebensatz endet und der Hauptsatz beginnt.

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vor einer Stunde schrieb Domingo:

"Als Gott begann die Welt zu formen und die Erde Tohowabohu war, Dunkelheit über den Tiefen lag und der Atem Gottes über dem Wasser wehte, da sprach Gott:..."

Deine Formulierung ist jedenfalls sprachlich weitaus eleganter. 😉

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vor 1 Stunde schrieb Domingo:

Danke für die Parallelstellen. Ich würde aber insistieren, dass reshit vor allem relativ zu verstehen ist - weil es eben nicht reshona ist... Also "am Anfang von", und was dem implizierten "von" folgt, bestimmt, wie reshit genau zu verstehen ist.

 

In welcher Form steht denn reshit an dieser Stelle?

 

Zitat

 

Gen 10,10 EU
Kerngebiet seines Reiches war Babel, Erech, Akkad und Kalne im Land Schinar.

 

1. Mose 10,10 Luther
Und der Anfang seines Reichs war Babel, Erech, Akkad und Kalne im Lande Schinar.

 

 

Zeitlich kann man diesen "Anfang" schwerlich verstehen. 

 

vor 1 Stunde schrieb Domingo:

Die Vulgata hat hier mMn keine besondere Autorität, weil sie eben den status constructus verkennt oder ignoriert, genauso wie die Septuaginta vor ihr.

 

Von Autorität war bei mir keine Rede. 

 

vor 1 Stunde schrieb Domingo:

Im vorliegenden Fall ist reshit mMn als zeitlich zu verstehen, weil es sich (anders als die wohl in "philosophischen", vom Griechentum beeinflussten Zeiten verfasste Septuaginta-Übersetzung) nicht auf den Anfang der Zeit überhaut bezieht, sondern auf den Anfang der Schöpfunstätigkeit von 'elohim.

 

Ja, natürlich. Die entscheidende Frage ist nur, WAS da (in Anspielung aber vor allem in Abgrenzung zu Marduk im Eluma Elish) erschaffen wird. 

 

vor 1 Stunde schrieb Domingo:
Am 6.12.2024 um 12:24 schrieb Flo77:

Die grammatikalisch sinngemäße Übersetzung von Gen 1:1 lautet - soweit ich das jetzt verstanden habe - "Als Gott begann die Welt zu formen, war die Erde Tohowabohu, Dunkelheit lag über den Tiefen, der Atem Gottes wehte über dem Wasser und Gott sprach: lass es Licht werden!"

 

Nebenbei, ein fun fact: Man könnte auch so übersetzen: "Als Gott begann die Welt zu formen und die Erde Tohowabohu war, Dunkelheit über den Tiefen lag und der Atem Gottes über dem Wasser wehte, da sprach Gott:..." Es ist nciht eindeutig, wo der Nebensatz endet und der Hauptsatz beginnt.

 

Was denn für eine "Welt"? Da steht nichts von Welt, Kosmos, Universum oder Erde. Da steht Himmel und Land.

 

vor 1 Stunde schrieb Domingo:

Zusätzlich wäre in vorphilosophischen Zeiten wohl nicht nur die Idee einer Schöpfung ex nihilo, sondern auch die einer arche im Sinne der griechischen Philosophie, als "Urprinzip" o. ä., nicht denkbar gewesen. Und auf jeden Fall - aber ich fange an, mich zu wiederholen - bezieht sich das Wort eben auf Gottes Schöpfungstätigkeit, so "Urprinzip" passt einfach nicht.

 

Ja eben. Darum steht da auch nicht "Welt" in vorphilosophischer Zeit. Weder global noch kosmologisch ist erets zu verstehen, in dieser vorphilosophischen Zeit. Es ist sinnlich anschaulich zu verstehen. Über dem Kopf des Volkes, das sich Gott auserwählt hat (unter den Völkern) der Himmel, unter den Füßen dieses Volkes das Land, welches Gott für sein Volk der Juden erwählt hat (unter den Ländern). Das Land um das es im AT geht, mit Jerusalem als Hauptstadt - analog und in Abgrenzung zum Enuma Elish in dem es um einen anderen Gott geht, welcher in einem anderen theologischen Himmel wohnt, über einem anderen Land mit Babylon als Hauptstadt, und um ein anderes Volk. Sowohl das AT als auch das Enuma Elish konstituieren Volksreligionen. In solchen Mythen ist "der Mensch" nie die anderen Menschen, ist Gott nie der Gott der anderen Völker und das Land das eigene Land, nicht die anderen Länder. Die "Erde" war damals keinem Volk bekannt, und darum gab es damals auch in keiner Sprache ein Wort dafür. Das Land war damals in keiner Sprache ein Planet, ein Himmelskörper, oder eine Kugel an der auf der anderen Seite die Menschen anderer Völker mit den Köpfen nach unten hingen, in einem Kosmos. Diese Mythen können keine Kosmologien sein.

 

Wir hatten das Thema hier schon einmal:

 

Am 15.5.2024 um 22:40 schrieb Weihrauch:
Am 15.5.2024 um 03:44 schrieb Domingo:

Wenn man nicht gerade annehmen will, dass die Welt zweimal erschaffen wurde, dann kann nur eine dieser Erzählungen diese Erschaffung wiedergeben.

 

Das beziehst du jetzt auf Gen 1 und 2, nehme ich an. Was denn für eine Welt? Um die Welt geht es im AT nicht. Es ist doch immer nur vom Land (erets) die Rede - von dem Land das im AT im Zentrum steht, dem Land das geteilt wurde, dem Land das in den zwei Kriegen gegen die Assyrer und Babylonier untergegangen ist. Auch in den Mythen der umliegenden Völker geht es nie um die Welt. Marduk ist wie JHWH eine territoriale Gottheit, eine Gottheit des Volkes, welches in diesem Land lebt. Marduk macht aus Tiamat den Himmel und das Land, nicht den HImmel und die Welt - der Himmel wäre schließlich Teil der Welt. Auch Kosmos (gr.) oder Universum (lat.) im heutigen Sinne haben gedanklich in den hebräischen Schriften des AT nichts verloren - es sei denn du kannst das irgendwie (?) anhand der alttestamentlichen Texte zeigen.

In Gen 1 geht es um die Erschaffung des Himmels und des Landes - aus göttlicher Perspektive (Himmel und Land, von Oben mit Blick nach Unten). In Gen 2 und 3 um die Erschaffung des Menschen, aus menschlicher Perspektive (Land und Himmel, von Unten mit Blick nach Oben, siehe die Umkehrung in Gen 2,4 - aber nicht nur dort) 

 

Dass die Formulierung "Himmel und Erde" in unseren deutschen Übersetzungen im Hebräischen wirklich ein Hendiadyoin oder ein Merismus ist, stelle ich in Frage. Das ist als ob wir im Deutschen sagen würden: "Das Schiff ging mit Maus und Mann unter" oder "über Stein und Stock" oder "mit Kegel und KInd". Darüber sollten wir uns mal zusammen Gedanken machen. Ich halte das für christliches Wunschdenken, welches das Ziel vor Augen hat, die ganze Welt bzw. die ganze Erde zum christlichen Glauben zu bekehren. Das AT hat nur die Juden des Frühjudentums und nicht die Welt zum Addressaten, will ausschließlich den Juden die frühjüdische Theologie vermitteln, eben die Untrennbarkeit des auserwählten Volkes, seines Gottes JHWH und des Landes Israel - diese Dreiheit ist der Kern des Judentums bis heute. 

 

Auf eine Antwort von dir in Sachen Merismus oder Hendiadyoin "Himmel und Land" (mit Bezug auf Gen 2,4 und andere Stellen an denen stattdessen umgekehrt "Land und Himmel steht") warte ich noch. Ich glaube nicht, dass damals Himmel und Land für "Alles was es gibt" steht, sondern meine, dass damals damit tatsächlich nur Himmel als Wohnstadt Gottes/Götter und Land als Wohnstadt des/eines Volkes im theologischen Sinne vermittelt werden sollte.  

 

bearbeitet von Weihrauch
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vor 11 Stunden schrieb Weihrauch:

 

In welcher Form steht denn reshit an dieser Stelle?

 

 

Zeitlich kann man diesen "Anfang" schwerlich verstehen.

 

Haben wir aneinander vorbeigeredet? Reshit kommt von reshon, was eigentlich "erste(r)" bedeutet; also wirklich nichts anderes als das Ordinalzahlwort zu 'ehad "eins". Wenn es substantivisch benutzt wird, steht es aus irgendeinem Grund in der weiblichen Form reshonah. Daher kann es durchaus auch räumlich oder begrifflich den Anfang bezeichnen; ich wollte nur darauf hinaus, dass es in Gen. 1:1 wohl als zeitllich zu verstehen ist, weil es sich auf die Tätigkeit Gottes bezieht, aus dem Urchaos Ordnung hervorzubringen.

 

vor 11 Stunden schrieb Weihrauch:

Ja, natürlich. Die entscheidende Frage ist nur, WAS da (in Anspielung aber vor allem in Abgrenzung zu Marduk im Eluma Elish) erschaffen wird.

 

Zugegeben: Ich muss mir das genauer ansehen, da ich mit Enuma Elish nicht vertraut bin. Ich werde mir eine Inhaltszusammenfassung ansehen, es sei denn, @Flo77 näher ausführt, was er damit gemeint hat.

 

vor 11 Stunden schrieb Weihrauch:

Was denn für eine "Welt"? Da steht nichts von Welt, Kosmos, Universum oder Erde. Da steht Himmel und Land.

 

Ja, sorry *michselbstgeißel*

 

vor 11 Stunden schrieb Weihrauch:

Auf eine Antwort von dir in Sachen Merismus oder Hendiadyoin "Himmel und Land" (mit Bezug auf Gen 2,4 und andere Stellen an denen stattdessen umgekehrt "Land und Himmel steht") warte ich noch.

 

 

Ich hatte deine Frage vergessen. Kurz: Ich glaube auch nicht an den Merismus, sondern es heißt da wirklich nur "die Himmel und das Land." Das wird u.a. daraus deutlich, dass im Rest des Kapitels nie gesagt wird, dass Gott die Fische erschafft, sondern nur Pflanzen und Landtiere.

bearbeitet von Domingo
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vor 2 Stunden schrieb Domingo:

Zugegeben: Ich muss mir das genauer ansehen, da ich mit Enuma Elish nicht vertraut bin. Ich werde mir eine Inhaltszusammenfassung ansehen, es sei denn, @Flo77 näher ausführt, was er damit gemeint hat.

Enuma Elish ist der Sumerische Schöpfungsmythos der eine Passage enthält, wie der Gott Marduk den Drachen Tiamat durch seinen Atem erledigt und aus den Überresten Tiamats die Welt zusammenbaut.

 

https://www.youtube.com/watch?v=50WE_wzBoww

 

https://www.youtube.com/watch?v=R5btTPN-NmM

 

 

 

 

bearbeitet von Flo77
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vor 7 Stunden schrieb Domingo:

Haben wir aneinander vorbeigeredet? Reshit kommt von reshon, was eigentlich "erste(r)" bedeutet; also wirklich nichts anderes als das Ordinalzahlwort zu 'ehad "eins". Wenn es substantivisch benutzt wird, steht es aus irgendeinem Grund in der weiblichen Form reshonah. Daher kann es durchaus auch räumlich oder begrifflich den Anfang bezeichnen; ich wollte nur darauf hinaus, dass es in Gen. 1:1 wohl als zeitllich zu verstehen ist, weil es sich auf die Tätigkeit Gottes bezieht, aus dem Urchaos Ordnung hervorzubringen.

 

Aber zeitlich ist es doch nicht so, denn zeitlich zuerst "besiegt" elohim (analog zu Marduk) das Chaoswasser (tehom analog zu Tiamat - wie es auf diesem Rollsiegel bildlich dargestellt ist).

 

Zitat

Gen 1,2
Das Land war wüst und wirr und Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser. 

 

Ich stimme dir zu, dass Gott danach das Urchaos ordnet: Die Chronologie dieses Ordnungschaffens wird durch die Reihenfolge der Tage dargestellt. Am 1. Tag, also am zeitlichen Anfang erschafft elohim das Licht - nicht Himmel (am 2. Tag) nicht das Land (am 3. Tag zusammen mit den Pflanzen).

 

Am vierten Tag ordnet er den Himmel, wieder analog zu Marduk:

 

Zitat

Aus dem Enuma Elish Tafel IV:

 

135 Es ruhte der Herr und beschaute ihren Leichnam.
      Aus dem geteilten Ungeheuer wollte er Kunstvolles schaffen.
      Er schnitt es also entzwei wie einen getrockneten Fisch,
      Der einen Hälfte bediente er sich, das Himmelsgewölbe zu machen,
      Zog den Riegel, setzte Wächter ein
140 Und schärfte ihnen ein ihre Wassers nicht herauszulassen.
      Er ging durch die Himmel, durchforschte ihre Gegenden,
      Um dort ein Gegenstück des Apsu zu errichten als Wohnung Nudimmuds.
      Es maß der Herr die Ausmaße des Apsu,
      Einen Palast nach seinem Bild, errichtete er dort, den Escharra.
145 Der Palast Escharra, den er erbaute, war der Himmel.
      Anu, Enlil und Ea ließ er an ihren Stätten wohnen.»
Tafel 5: Die Ordnung der Weisheit
      «Er ersann Standorte für die großen Götter.
      In Sternbildern ordnete er ihre Entsprechungen, die Sterne.
      Er bestimmte das Jahr, teilte Abschnitte ab,
      Für jeden der zwölf Monate bestimmte er drei Sterne.
  5 Nachdem er so die Zeiten des Jahres festgesetzt hatte durch Zeichen,
      Begründete er den Standort des Nibiru, um ihre Beziehungen zu bestimmen,
      Damit keiner einen Fehler oder eine Unterlassung begehe.
      Daneben stellte er die Orte Enlils und Eas auf,
      Dann öffnete er Tore zu beiden Seiten,
 10 Feste Riegel machte er links und rechts.
      In den Bauch der Tiâmat setzte er den Zenit.
      Er ließ Nannar erglänzen und vertraute ihm die Nacht an.
      Er machte ihn zum Schmuck der Nacht, um die Zeit zu bestimmen:
      'Alle Monate, unaufhörlich, mache ein Zeichen der Krone.
 15 Am Anfang des Monats, wenn du zu leuchten beginnst über die Länder,
      Sollst du an den Hörnern erglänzen, um anzuzeigen sechs Tage,
      Am siebten Tage die Hälfte der Krone.
      Wenn Vollmond ist, stehe in Opposition: das ist die Hälfte des Monats.
      Wenn die Sonne am Horizont dich wieder eingeholt hat,
 20 Verkleinere deine Krone und beginne abzunehmen.
      Am Neumondtage nähere dich wieder der Sonnenbahn.
      Stehe wieder in Opposition zur Sonne!'

 

Aber in Abgrenzung zum Enuma Elish degradiert elohim die Gerstirngottheiten zu banalen Leuchten bzw. Lichtern:

 

Zitat

Gen 1,14-19
Dann sprach Gott: Lichter sollen am Himmelsgewölbe sein, um Tag und Nacht zu scheiden. Sie sollen als Zeichen für Festzeiten, für Tage und Jahre dienen. Sie sollen Lichter am Himmelsgewölbe sein, um über die Erde hin zu leuchten. Und so geschah es. Gott machte die beiden großen Lichter, das große zur Herrschaft über den Tag, das kleine zur Herrschaft über die Nacht, und die Sterne. Gott setzte sie an das Himmelsgewölbe, damit sie über die Erde leuchten, 
über Tag und Nacht herrschen und das Licht von der Finsternis scheiden. Gott sah, dass es gut war. 
Es wurde Abend und es wurde Morgen: vierter Tag.

 

vor 7 Stunden schrieb Domingo:

Ich hatte deine Frage vergessen. Kurz: Ich glaube auch nicht an den Merismus, sondern es heißt da wirklich nur "die Himmel und das Land." Das wird u.a. daraus deutlich, dass im Rest des Kapitels nie gesagt wird, dass Gott die Fische erschafft, sondern nur Pflanzen und Landtiere.

 

? Am 5. Tag erschafft elohim doch auch die Fische:

 

Zitat

Gen 1,21-23
Und Gott erschuf die großen Wassertiere und alle Lebewesen, die sich fortbewegen nach ihrer Art, von denen das Wasser wimmelt, und alle gefiederten Vögel nach ihrer Art. Gott sah, dass es gut war. 
Gott segnete sie und sprach: Seid fruchtbar und mehrt euch! Füllt das Wasser im Meer und die Vögel sollen sich auf Erden vermehren. 
Es wurde Abend und es wurde Morgen: fünfter Tag.

 

Allerdings fällt auf, dass in der biblischen Sintfluterzählung nur von den Landtieren inklusive der Vögel die Rede ist, die Fische bzw. die Wassertiere aber keine Erwähnung finden. Der Grund liegt darin, dass hier ein anderen Mythos Pate stand. Ähnlich wie im Enuma Elish spielt auch im Atra-Chasis Mythos die Störung der Ruhe der Götter durch Lärm eine Rolle. Da Fische und Meeresbewohner keinen Lärm verursachen, spielen diese in der biblischen Adaption der Sintfluterzählung auch keine Rolle.

 

Durch die Bosheit der Menschen, fällt also mitnichten die ganze Schöpfung mit allen Tieren der Vernichtung anheim - wieso auch??? Das ergibt überhaupt keinen Sinn. Nicht die ganze "Erde" ist von der Strafe Gottes betroffen, sondern nur alles Fleisch, welches "Lebensatem" besitzt - also auf dem LAND (erets) lebt.

 

Die Bosheit der Menschen besteht laut Gen 6,1-4 in den Mischehen der Männer des Volkes (Israel) mit den Frauen aus Fremdvölkern, und darum betrifft die biblische Sintflut nur das Land (Israel) und dessen menschliche Bewohner. Dabei geht es weder um die Tiere des Landes noch um die Tiere des Meeres, denn bei Tieren gibt es keine "Mischehen" die Nachwuchs hervorbringen können, welcher dieses Land erben könnte. Männer besitzen das Land, nicht Frauen oder Tiere.

 

Auf der Arche sind überhaupt keine Tiere, die gerettet werden müssten, sondern nur Menschen. Reine Menschen und unreine Menschen im babylonischen Exil - dort wo Marduk der oberste Gott ist (s.a. Turmbau zu Babel). Die Tiere sind in der biblischen Erzählung eine Metapher für die deportierten Eliten der Juden (kultisch reine Priester und die kultisch unreine Aristokratie), was unter anderem dadurch erkennbar gemacht wird, dass von den Tieren auch als "Mann" (ish) und "Frau" (ishah) im Gegensatz zu männlich (zakar) und weiblich (neqebah) gesprochen wird (einer dieser vielen versteckten Hinweise mit der eine Allegorie kenntlich gemacht wird).  

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vor 2 Stunden schrieb Weihrauch:

 

Ich stehe auf dem Schlauch. Wo steht das in Genesis 1?

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vor 8 Stunden schrieb Flo77:

Enuma Elish ist der Sumerische Schöpfungsmythos der eine Passage enthält, wie der Gott Marduk den Drachen Tiamat durch seinen Atem erledigt und aus den Überresten Tiamats die Welt zusammenbaut.

 

https://www.youtube.com/watch?v=50WE_wzBoww

 

https://www.youtube.com/watch?v=R5btTPN-NmM

 

 

Danke für die beiden interessanten Links.

 

 

vor 7 Minuten schrieb Domingo:
vor 2 Stunden schrieb Weihrauch:

 

Ich stehe auf dem Schlauch. Wo steht das in Genesis 1?

 

Vom Autor des ersten, gibt es noch dieses aufschlussreiche Video Genesis (and its Indo European origins) the Creation Myth of the Bible welches zu Beginn den Zusammenhang von tehom und Tiamat recht gut erklärt, und wie Marduk Tiamat mittels eines Windes (hebr. ruach) besiegt.

 

 

 

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vor 39 Minuten schrieb Domingo:

 

Ich stehe auf dem Schlauch. Wo steht das in Genesis 1?

Gen. 1,1 wie Du selbst so schön formuliert hast:

 

Am 8.12.2024 um 17:32 schrieb Flo77:

Als Gott begann die Welt zu formen und die Erde Tohowabohu war, Dunkelheit über den Tiefen lag und der Atem Gottes über dem Wasser wehte, da sprach Gott:..

Die Tiefe ist Tehom (also Tiamat) und der Atem Gottes der Wind.

 

Der Elohist (sofern man das heute noch sagen darf) hat - zumindest habe ich die verschiedenen Beiträge so verstanden - hat gewissermaßen den bekannten Mythos quasi de-mythologisiert und komprimiert. Oder persifliert - so tief stecke ich in der Tanachwissenschaft leider nicht drin.

bearbeitet von Flo77
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Am 8.12.2024 um 00:33 schrieb Flo77:

Aber wie kommst Du darauf, daß die Priesterschrift schon von strengen Montheisten verfasst worden wäre?

 

Studiosus kommt darauf, weil er literarkritische Deutungen ablehnt, und sich lieber an der Autorität und Tradition der Kirche orientiert, welche diese theologische Deutung überliefert. Dabei kann man literarkritisch zum selben Schluss kommen, wenn man bedenkt, dass die Sintfluterzählung ein Konglomerat aus Priesterschrift (P) und jahwistischer Literatur (J) ist (wenn man das heutzutage noch so sagen darf). Die redaktionelle Überarbeitung wird offensichtlich, wenn man sich die Endfassung der Erzählung betrachtet, und die beiden ineinander verwobenen Textschichten J und P farblich markiert:
 

Zitat

 

Die Aufteilung nach J und P stammt aus Betz, Otto u.a. (Hg.): Calwer Bibellexikon, Art. Sintflut, Stuttgart 2006.

Braun = Jahwistische Sintfluterzählung J
Gen 6,5-8; 7,1-5.7-10.12.16b.17a (und b?).22-23; 8,2b-3a.6-12.13b(?).18(?).20-22

Blau = Priesterschriftliche Sintfluterzählung P
Gen 6,9-22; 7,6.11.13-16a.18-21.24; 8,1-2a.3b-5.13a.14-17. 18(?).19; 9,1-17

Grün = Textstellen die nicht sicher zuzuordnen sind

Gen 6,5-9,17 

 

[EU2016] 
Der HERR sah, dass auf der Erde die Bosheit des Menschen zunahm und dass alles Sinnen und Trachten seines Herzens immer nur böse war. Da reute es den HERRN, auf der Erde den Menschen gemacht zu haben, und es tat seinem Herzen weh. Der HERR sagte: Ich will den Menschen, den ich erschaffen habe, vom Erdboden vertilgen, mit ihm auch das Vieh, die Kriechtiere und die Vögel des Himmels, denn es reut mich, sie gemacht zu haben. Nur Noach fand Gnade in den Augen des HERRN. Das ist die Geschlechterfolge nach Noach: Noach war ein gerechter, untadeliger Mann unter seinen Zeitgenossen; er ging mit Gott. Noach zeugte drei Söhne: Sem, Ham und Jafet. Die Erde aber war vor Gott verdorben, die Erde war voller Gewalttat. Gott sah sich die Erde an und siehe, sie war verdorben; denn alle Wesen aus Fleisch auf der Erde lebten verdorben. Da sprach Gott zu Noach: Ich sehe, das Ende aller Wesen aus Fleisch ist gekommen; denn durch sie ist die Erde voller Gewalttat. Siehe, ich will sie zugleich mit der Erde verderben. Mach dir eine Arche aus Goferholz! Statte sie mit Kammern aus und dichte sie innen und außen mit Pech ab! So sollst du sie machen: Dreihundert Ellen lang, fünfzig Ellen breit und dreißig Ellen hoch soll sie sein. Mach der Arche ein Dach und hebe es genau um eine Elle nach oben an! Den Eingang der Arche bring an der Seite an! Richte ein unteres, ein zweites und ein drittes Stockwerk ein! Ich bin es. Siehe, ich will die Flut, das Wasser, über die Erde bringen, um alle Wesen aus Fleisch unter dem Himmel, alles, was Lebensgeist in sich hat, zu verderben. Alles auf Erden soll den Tod finden. Mit dir aber richte ich meinen Bund auf. Geh in die Arche, du, deine Söhne, deine Frau und die Frauen deiner Söhne! Von allem, was lebt, von allen Wesen aus Fleisch, führe je zwei in die Arche, damit sie mit dir am Leben bleiben; je ein Männchen und ein Weibchen sollen es sein. Von allen Arten der Vögel, von allen Arten des Viehs, von allen Arten der Kriechtiere auf dem Erdboden sollen je zwei zu dir kommen, damit sie am Leben bleiben. Nimm dir von allem Essbaren mit und leg dir einen Vorrat an! Dir und ihnen soll es zur Nahrung dienen. Noach tat alles genauso, wie ihm Gott geboten hatte. Der HERR sprach zu Noach: Geh in die Arche, du und dein ganzes Haus, denn ich habe gesehen, dass du in dieser Generation ein Gerechter vor mir bist! Von allen reinen Tieren nimm dir je sieben Paare mit, Männchen und Weibchen, und von allen unreinen Tieren je ein Paar, Männchen und Weibchen, auch von den Vögeln des Himmels jeweils sieben, männlich und weiblich, um Nachwuchs auf der ganzen Erde am Leben zu erhalten! Denn noch sieben Tage dauert es, dann lasse ich es vierzig Tage und vierzig Nächte lang auf die Erde regnen und tilge vom Erdboden alle Wesen, die ich gemacht habe. Noach tat alles genauso, wie ihm der HERR geboten hatte. Noach war sechshundert Jahre alt, als die Flut, das Wasser, über die Erde kam. Noach ging also mit seinen Söhnen, seiner Frau und den Frauen seiner Söhne in die Arche, bevor das Wasser der Flut kam. Von den reinen und unreinen Tieren, von den Vögeln und allem, was sich auf dem Erdboden regt, kamen immer zwei zu Noach in die Arche, männlich und weiblich, wie Gott es Noach geboten hatte. Als die sieben Tage vorbei waren, kam das Wasser der Flut über die Erde. Im sechshundertsten Lebensjahr Noachs, am siebzehnten Tag des zweiten Monats, an diesem Tag brachen alle Quellen der gewaltigen Urflut auf und die Schleusen des Himmels öffneten sich. Der Regen ergoss sich vierzig Tage und vierzig Nächte lang auf die Erde. Genau an jenem Tag waren Noach, die Söhne Noachs, Sem, Ham und Jafet, Noachs Frau und mit ihnen die drei Frauen seiner Söhne in die Arche gegangen, sie und alle Arten der Tiere, alle Arten des Viehs und alle Arten der Kriechtiere, die sich auf der Erde regen, und alle Arten der Vögel, alles Gefiederte und alles Flügel Schlagende. Sie waren zu Noach in die Arche gekommen, immer zwei von allen Wesen aus Fleisch, in denen Lebensgeist ist. Und die kamen, waren männlich und weiblich; von allen Wesen aus Fleisch kamen sie, wie Gott ihm geboten hatte. Dann schloss der HERR hinter ihm zu. Die Flut auf der Erde dauerte vierzig Tage. Das Wasser stieg und hob die Arche immer höher über die Erde. Das Wasser schwoll an und stieg immer mehr auf der Erde, die Arche aber trieb auf dem Wasser dahin. Das Wasser war auf der Erde gewaltig angeschwollen und bedeckte alle hohen Berge, die es unter dem ganzen Himmel gibt. Das Wasser war fünfzehn Ellen über die Berge hinaus angeschwollen und hatte sie zugedeckt. Da fanden alle Wesen aus Fleisch, die sich auf der Erde geregt hatten, den Tod, Vögel, Vieh und sonstige Tiere, alles, wovon die Erde gewimmelt hatte, und auch alle Menschen. Alles, was auf der Erde durch die Nase Lebensgeist atmet, und alles, was auf dem Trockenen lebt, starb. Gott vertilgte also alle Wesen auf dem Erdboden, vom Menschen bis zum Vieh, bis zu den Kriechtieren und die Vögel des Himmels; sie alle wurden von der Erde vertilgt. Übrig blieb nur Noach und was mit ihm in der Arche war. Das Wasser aber schwoll hundertfünfzig Tage lang auf der Erde an. Da gedachte Gott des Noach sowie aller Tiere und allen Viehs, die bei ihm in der Arche waren. Gott ließ einen Wind über die Erde wehen und das Wasser sank. Die Quellen der Urflut und die Schleusen des Himmels wurden geschlossen; der Regen hörte auf, vom Himmel zu fallen, und das Wasser verlief sich allmählich von der Erde. So nahm das Wasser nach hundertfünfzig Tagen ab. Am siebzehnten Tag des siebten Monats setzte die Arche auf dem Gebirge Ararat auf. Das Wasser nahm immer mehr ab, bis zum zehnten Monat. Am ersten Tag des zehnten Monats wurden die Berggipfel sichtbar. Nach vierzig Tagen öffnete Noach das Fenster der Arche, das er gemacht hatte, und ließ einen Raben hinaus. Der flog aus und ein, bis das Wasser auf der Erde vertrocknet war. Dann ließ er eine Taube hinaus, um zu sehen, ob das Wasser auf dem Erdboden abgenommen habe. Die Taube fand nichts, wo sie ihre Füße ruhen lassen konnte, und kehrte zu ihm in die Arche zurück, weil über der ganzen Erde noch Wasser stand. Er streckte seine Hand aus und nahm sie wieder zu sich in die Arche. Dann wartete er noch weitere sieben Tage und ließ wieder die Taube aus der Arche. Gegen Abend kam die Taube zu ihm zurück und siehe: In ihrem Schnabel hatte sie einen frischen Ölzweig. Da wusste Noach, dass das Wasser auf der Erde abgenommen hatte. Er wartete noch weitere sieben Tage und ließ die Taube hinaus. Nun kehrte sie nicht mehr zu ihm zurück. Im sechshundertersten Jahr Noachs, am ersten Tag des ersten Monats, hatte sich das Wasser von der Erde verlaufen. Da entfernte Noach das Dach der Arche, blickte hinaus und siehe: Der Erdboden war trocken. Am siebenundzwanzigsten Tag des zweiten Monats war die Erde trocken. Da sprach Gott zu Noach: Komm heraus aus der Arche, du, deine Frau, deine Söhne und die Frauen deiner Söhne! Bring mit dir alles Lebendige heraus, von allen Wesen aus Fleisch, was da ist an Vögeln, Vieh und allen Kriechtieren, die sich auf der Erde regen! Auf der Erde soll es von ihnen wimmeln; sie sollen fruchtbar sein und sich auf der Erde vermehren. Da kam Noach heraus, er, seine Söhne, seine Frau und die Frauen seiner Söhne. Alle Tiere, alle Kriechtiere und alle Vögel, alles, was sich auf der Erde regt, kamen nach ihren Familien aus der Arche heraus. Dann baute Noach dem HERRN einen Altar, nahm von allen reinen Tieren und von allen reinen Vögeln und brachte auf dem Altar Brandopfer dar. Der HERR roch den beruhigenden Duft und der HERR sprach in seinem Herzen: Ich werde den Erdboden wegen des Menschen nie mehr verfluchen; denn das Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend an. Ich werde niemals wieder alles Lebendige schlagen, wie ich es getan habe.  Niemals, so lange die Erde besteht, / werden Aussaat und Ernte, / Kälte und Hitze, / Sommer und Winter, / Tag und Nacht aufhören. Dann segnete Gott Noach und seine Söhne und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar, mehrt euch und füllt die Erde! Furcht und Schrecken vor euch soll sich auf alle Tiere der Erde legen, auf alle Vögel des Himmels, auf alles, was sich auf dem Erdboden regt, und auf alle Fische des Meeres; in eure Hand sind sie gegeben. Alles, was sich regt und lebt, soll euch zur Nahrung dienen. Das alles übergebe ich euch wie die grünen Pflanzen. Nur Fleisch mit seinem Leben, seinem Blut, dürft ihr nicht essen. Wenn aber euer Blut vergossen wird, fordere ich Rechenschaft für jedes eurer Leben. Von jedem Tier fordere ich Rechenschaft und vom Menschen. Für das Leben des Menschen fordere ich Rechenschaft von jedem, der es seinem Bruder nimmt.  Wer Blut eines Menschen vergießt, / um dieses Menschen willen wird auch sein Blut vergossen. / Denn als Bild Gottes / hat er den Menschen gemacht.  Ihr aber, seid fruchtbar und mehrt euch; regt euch auf der Erde und mehrt euch auf ihr! Dann sprach Gott zu Noach und seinen Söhnen, die bei ihm waren: Ich bin es. Siehe, ich richte meinen Bund auf mit euch und mit euren Nachkommen nach euch und mit allen Lebewesen bei euch, mit den Vögeln, dem Vieh und allen Wildtieren der Erde bei euch, mit allen, die aus der Arche gekommen sind, mit allen Wildtieren der Erde überhaupt. Ich richte meinen Bund mit euch auf: Nie wieder sollen alle Wesen aus Fleisch vom Wasser der Flut ausgerottet werden; nie wieder soll eine Flut kommen und die Erde verderben. Und Gott sprach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich stifte zwischen mir und euch und den lebendigen Wesen bei euch für alle kommenden Generationen: Meinen Bogen setze ich in die Wolken; er soll das Zeichen des Bundes werden zwischen mir und der Erde. Balle ich Wolken über der Erde zusammen und erscheint der Bogen in den Wolken, dann gedenke ich des Bundes, der besteht zwischen mir und euch und allen Lebewesen, allen Wesen aus Fleisch, und das Wasser wird nie wieder zur Flut werden, die alle Wesen aus Fleisch verdirbt. Steht der Bogen in den Wolken, so werde ich auf ihn sehen und des ewigen Bundes gedenken zwischen Gott und allen lebenden Wesen, allen Wesen aus Fleisch auf der Erde. Und Gott sprach zu Noach: Dies ist das Zeichen des Bundes, den ich zwischen mir und allen Wesen aus Fleisch auf der Erde aufgerichtet habe.

 


Zumindest werden so die Widersprüchlichkeiten in der biblischen Sintfluterzählung "erklärt". Das unterschiedliche Zustandekommen der Sintflut, die Wasser von oben, nur Regen bei J, Quellen der Urflut aus der Tiefe plus Regen bei P, sowie die unterschiedlichen Zeitangaben, was die Dauer der Flut betrifft, 40 Tage bei J, 150 Tage bei P, wird auf die zwei ineinandergewobenen Textschichten unterschiedlicher Autoren zurückgeführt. Da ist ja auch was dran, insofern ist das plausibel, dass die beiden Sintfluterzählungen aus unterschiedlichen Zeiten stammen, und irgendwann redaktionell ineinander verwoben wurden. Leider fehlte eine plausible Erklärung, warum das so gemacht wurde, und warum diese offensichtlichen Widersprüchlichkeiten im Zuge der Redaktion stehen gelassen worden sind. Es wäre ja ein Leichtes gewesen diese zu beseitigen.

 

Was die Datierung der Priesterschrift betrifft gehen/gingen die Meinungen auseinander: 

 

Zitat

 

Die Brockhaus Enzyklopädie Digital, Gütersloh/München 2013
Priesterschrift, Abkürzung P., Bezeichnung für eine Quellenschrift im Pentateuch, deren Name von den kultischen Interessen der ihr zugehörenden Texte abgeleitet wurde, weshalb auf Priester als Verfasser geschlossen worden war. Die Priesterschrift ist mit Gewissheit in der babylonischen Golah (der judäischen Exulantenschaft) im 6. Jahrhundert v. Chr. verfasst worden. Umstritten ist, ob sie eine selbstständige Quellenschrift darstellte, die ursprünglich eine eigenständige Urkunde des Glaubens sein sollte, oder ob sie eine Redaktionsschicht einer ihr vorausgehenden schriftlichen Tradition ist: Sind Priesterschrift und Jahwist parallel zueinander entstanden oder hat die Priesterschrift den Jahwisten gekannt?

Auftakt der Priesterschrift ist der grandios gestaltete Schöpfungstext in Gen 1,1-2,4a. Wichtige Aussageträger sind Genealogien (z. B. Gen 5; 10) und Listen, sowie Gesetzessammlungen (Ex 25-31; 35-40; Lev).

 

 

Zitat

 

Betz, Otto u.a. (Hg.): Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2006. Artikel Priesterschrift in Auszügen

[...[

Indessen sind fast alle weiteren Fragen, welche die Priesterschrift aufwirft, umstritten. Vor allem über die Datierung und die historische Bewertung der Priesterschrift gibt es Differenzen: Seit J. Wellhausen (Neueste Urkundenhypothese, 1876) werden die äußeren Charakteristika der legislativen Partien der Priesterschrift mit »Rigorismus«, »Extremismus«, »bündiger Stil«, »legalistische Inflexibilität«, »kultischer Formalismus« u.ä. beschrieben. Bis in die Gegenwart wird dieser Befund von vielen als Indiz für die exilisch-nachexilische Entstehungszeit der Priesterschrift verstanden. Parallel dazu führt die seit den 30er Jahren von Yehezkel Kaufmann (Geschichte der Israelitischen Religion, 1937–1956) u. a. vorgelegte Interpretation der Priesterschrift zu ganz anderen Schlussfolgerungen mit weitreichenden Folgen für das Gesamtbild der atl. Religionsgeschichte: Danach ist die Priesterschrift vor dem Exil entstanden und innerhalb der atl. priesterschriftlichen Literatur älter als das Heiligkeitsgesetz (Lev 17–26) und als Hes 40–48.

[...]

Befürworter der vorexilischen Datierung der Priesterschrift erklären deren formalen Charakter als Ausdruck von kultisch-sakralem Konservativismus. Durch diesen sei magisches Gedankengut (⇒ Magie) aus der Zeit vor der JHWH-Religion monotheistisch uminterpretiert worden. Für die vorexilische Datierung der Priesterschrift ist ferner wichtig, dass die Wirkungsgeschichte der Priesterschrift nicht schon mit deren Entstehungsgeschichte eingesetzt hat: Entstanden sei die Priesterschrift in tendenziell esoterischen (auf Eingeweihte begrenzten) Priesterkreisen der vorexilischen Zeit. Diese übten zwar keine Arkandisziplin (Geheimhaltung), hätten jedoch keinen Anlass gehabt, den Großteil ihrer Überlieferungen der weiteren Öffentlichkeit mitzuteilen. Unter diesen Voraussetzungen seien nichtpriesterlichen Israeliten in der Zeit vor dem Exil lediglich einzelne Priesterweisungen (⇒ Priestertora) aus dem Schatz priesterlicher Überlieferungen mitgeteilt worden: nämlich immer nur dann, wenn sie von bestimmten Priestertorot in ihren persönlichen Lebensbereichen tangiert wurden, z.B. Anweisungen für Wöchnerinnen (Lev 12), Aussatz (Lev 13–14), unreine Körperausflüsse (Lev 15) u.ä. Dagegen sei das uns bekannte priesterschriftliche Werk, dessen Weisungen auf weite Strecken ausschließlich das Kultpersonal betreffen, erst nach dem Exil im Zuge der Redaktion und Verbreitung des Pentateuchs Bestandteil der Überlieferung von ganz Israel geworden.

 

Völlig anders stellen sich die Vertreter der Spätdatierung der Priesterschrift deren Entstehung vor: Als Erzeugnis der exilisch-nachexilischen Zeit sei die Priesterschrift dazu bestimmt, für den sehnsüchtig erhofften Wiederaufbau von Volk und Kultgemeinde eine gesetzliche Grundlage zu schaffen. Dieser programmatische Gesetzentwurf sei in die Vergangenheit zurückprojiziert worden, wo Gott seit der Schöpfung, vor allem aber auf dem Sinai, seine Gebote mitgeteilt und damit seinen Zukunftsentwurf offenbart habe.

 

 

Nun weiß man, dass der theologische Shift zum Monotheismus im Laufe des babylonischen Exil vollzogen und nach dem Exil praktisch im Land Israel umgesetzt wurde. Inhaltlich wird ein Schuh aus der Sintflutgeschichte, wenn meine Annahme richtig ist, dass die redigierte Endfassung eine Allegorie auf die Exilserfahrung ist. Damit ist auch die Datierung von P als nachexilisch anhand des Inhaltes des Textes plausibel begründet. Denn das Land ist zweimal in Kriegen untergegangen einmal das Nordreich durch die Assyrer und das zweite Mal das Südreich Juda durch die Babylonier, welche die Eliten der Juden nach Babylon deportierten. Die stehen gelassenen Widersprüchlichkeiten, nur Regen, assyrischer Krieg, Quellen der Urflut plus Regen babylonischer Krieg und die unterschiedlichen Zeitangaben der Flut 40 Tage assyrischer Krieg, 150 Tage babylonischer Krieg ergeben so als versteckte Hinweise, welche die Allegorie kenntlich machen einen nachvollziehbaren Sinn, indem sie den Leser von der initialen Textebene der Bildsprache auf das eigentlich Gemeinte leiten sollen.

 

Der frühere, jahwistische Text hat lediglich das damals weit verbreitete mythische Motiv der Sintflut aus seinem Umfeld (Gilgamesch, Atra-Chasis) aufgenommen und wie andere auch zu seinem eigenen ganz normalen fiktiven Mythos im althergebrachten Stil gemacht. Die nachexilischen Autoren P bzw. die Endredaktion kam auf die geniale Idee die tatsächliche, nicht fiktive sondern die historische Geschichte des ins Nord- und Südreichs geteilten Landes in mythologische Bildsprache althergebrachter Mythen zu verkleiden, und auf diese Weise einen ganz neuen, historisch untermauerten Mythos zu kreieren, der darum um einiges glaubwürdiger war als die anderen Mythen der sie umgebenden Völker.

 

Diese neue Form des Mythos tritt den früheren fiktiven Mythen mit einem ganz anderen Wahrheitsanspruch entgegen, weil er nicht beschreibt, was niemals war, und immer ist, sondern beschreibt was tatsächlich einmal war, und nicht mehr ist. Monotheistisch in dem Sinne, dass nicht assyrische, babylonische und israelische Gottheiten in Kriegen aufeinander trafen, sondern allein der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs die Geschicke der Menschen lenkt, sein Volk durch diese Kriege gezüchtigt hat, wenn es sein Ziel (Shema Israel) verfehlte, ihm aber vergibt und Frieden schenkt, wenn es sich an seine Weisungen hält und nicht nach der Pfeife eigener Könige tanzt (den in Gen 6,1-4 aus Mischehen mit fremden Frauen hervorgegangen "Riesen" wie Rehabeam oder Ahab), welche das Volk regelmäßig dadurch ins Verderben geführt haben, indem sie die Anbetung anderer Gottheiten im Land duldeten. Insofern ist diese literarkritische Deutung auch eine theologische. Wie könnte es anders sein, in einer Heiligen Schrift?

 

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vor 34 Minuten schrieb Weihrauch:

Leider fehlte eine plausible Erklärung, warum das so gemacht wurde, und warum diese offensichtlichen Widersprüchlichkeiten im Zuge der Redaktion stehen gelassen worden sind. Es wäre ja ein Leichtes gewesen diese zu beseitigen.

Dazu habe ich letztens eine sehr logische Theorie gehört. Das Video müsste ich allerdings noch mal heraussuchen. Der Kanal heißt zwar "Esoteria" und der Host ist soweit ich weiß observanter Jude und beschäftigt sich viel mit Kabbala und Mystik, hat aber auch mindestens 2 Videos zur Geschichte "Yahwes" gemacht. Soweit ich das bisher nachgefasst habe, sind seine Aussagen nicht aus der Luft gegriffen, sondern schon fundiert.

 

Demnach ist diese Vermischung der Geschichten eine Folge der Eroberung des Nordreiches durch die Assyrer und die Flucht der Nord-Israeliten nach Juda. In beiden Reichen gab es unterschiedliche Traditionen und auch eine leicht unterschiedliche Mythik, die erst in dieser Migrationssituation kombiniert wurden. Mit dieser Theorie werden auch andere gedoppelte Erzählungen im Tanach erklärt. Es wurden jeweils beide Formen einer Geschichte beibehalten um beide Gruppen (Israel und Juda) zu bedienen.

 

(Im Zusammenhang mit dieser "Konsolidierung" des Kults wurde auch die Episode rund ums Goldene Kalb am Sinai als Watschn gegen die Nordreichbewohner interpretiert, die lange Zeit kein Problem mit der Darstellung Yahwes als Stier hatten.)

bearbeitet von Flo77
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vor 3 Minuten schrieb Flo77:

Dazu habe ich letztens eine sehr logische Theorie gehört. Das Video müsste ich allerdings noch mal heraussuchen.

 

Hattest du das Video nicht schon mal verlinkt, oder wolltest es machen? Jedenfalls hast du das ...

 

vor 5 Minuten schrieb Flo77:

Demnach ist diese Vermischung der Geschichten eine Folge der Eroberung des Nordreiches durch die Assyrer und die Flucht der Nord-Israeliten nach Juda. In beiden Reichen gab es unterschiedliche Traditionen und auch eine leicht unterschiedliche Mythik, die erst in dieser Migrationssituation kombiniert wurden. Mit dieser Theorie werden auch andere gedoppelte Erzählungen im Tanach erklärt. Es wurden jeweils beide Formen einer Geschichte beibehalten um beide Gruppen (Israel und Juda) zu bedienen.

 

... schon mal erwähnt. Der Haken dabei ist, wenn ich das richtig verstanden habe, dass die Arche in der Sintfluterzählung vorexilisch keinen historisch greifbaren Sinn ergibt. Erst nach dem Exil, das für die Juden und nur für die Juden durch die Arche symbolisiert wurde, ergibt die Erzählung als theologisch gedeutete Geschichtsschreibung einen Sinn.

 

Die Migranten vom Nordreichs ins Südreich hatten keinen Landbesitz in Judäa, sind da vermutlich längst im Judentum des Südreichs aufgegangen, als das Südreich durch die Babylonier unterging. Das Buch Genesis beschreibt zwar die Genese des Volkes Israel, aber unterm Strich erbt nur ein einziger Sohn Jakobs das ganze verheißene Land, nämlich Juda. Nur zwei der 12  Söhne Jakobs spielen eine wesentliche Rolle im AT: Juda und Levi, aber so wie die anderen zehn Söhne erbt Levi das Land nicht. Nicht umsonst heißt das Judentum Judentum, weil nur die jüdischen Eliten in der Arche des Exils "gerettet" wurden: Die reine Priesterschaft = Nachkommen des Levi und die jüdische Aristokratie = Nachkommen des Juda.  

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vor 33 Minuten schrieb Weihrauch:

Der Haken dabei ist, wenn ich das richtig verstanden habe, dass die Arche in der Sintfluterzählung vorexilisch keinen historisch greifbaren Sinn ergibt. Erst nach dem Exil, das für die Juden und nur für die Juden durch die Arche symbolisiert wurde, ergibt die Erzählung als theologisch gedeutete Geschichtsschreibung einen Sinn.

Sintflutmythen sind weitaus älter als das Exil. Die theologische Deutung mag nachträglich an den Text herangetragen worden sein, aber die Geschichte selbst ist ein weitaus archaischeres Motiv.

 

vor 33 Minuten schrieb Weihrauch:

Die Migranten vom Nordreichs ins Südreich hatten keinen Landbesitz in Judäa, sind da vermutlich längst im Judentum des Südreichs aufgegangen, als das Südreich durch die Babylonier unterging. Das Buch Genesis beschreibt zwar die Genese des Volkes Israel, aber unterm Strich erbt nur ein einziger Sohn Jakobs das ganze verheißene Land, nämlich Juda. Nur zwei der 12  Söhne Jakobs spielen eine wesentliche Rolle im AT: Juda und Levi, aber so wie die anderen zehn Söhne erbt Levi das Land nicht. Nicht umsonst heißt das Judentum Judentum, weil nur die jüdischen Eliten in der Arche des Exils "gerettet" wurden: Die reine Priesterschaft = Nachkommen des Levi und die jüdische Aristokratie = Nachkommen des Juda.

Sorry, das halte ich für rückblickend überinterepretiert. 

bearbeitet von Flo77
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vor 2 Minuten schrieb Flo77:

Sintflutmythen sind weitaus älter als das Exil.


Und aus einem, dem Gilgamesch-Epos, hat man fast wörtlich abgeschrieben. 

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