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Fürwahrhalten in der Religion


KevinF

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vor 1 Minute schrieb KevinF:

Ich hingegen halte das "Chinesisches Zimmer"-Argument für extrem schwach.

 

Ich bin ein Freund von Daniel Dennetts Ansatz, den er in "Consciousness Explained" beschreibt.

 

Sowit meine Erinnerung an Dennett reicht, läuft sein Ansatz nicht auf eine De-facto-Elimination all dessen hinaus, was man normalerweise als "Bewusstsein" und "Erleben" bezeichnet, und auf eine De-facto-Subsititution durch wesenhaft andere Dinge?

 

(Hier eine direkte "Auseinandersetzung" zwischen Dennett and Searle:

https://www.nybooks.com/articles/1995/12/21/the-mystery-of-consciousness-an-exchange/ )

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vor 14 Minuten schrieb Marcellinus:

Physikalisch vielleicht nicht, aber vielleicht menschenwissenschaftlich, will heißen soziologisch und psychologisch. Es scheint mir ein weit verbreiteter Irrtum zu sein, theoretisch-empirische Wissenschaften seien identisch mit Physik.

 

Das wäre aber womöglich schon kein strikter Physikalismus mehr.

 

Zitat

Darüber findet sich die biologische Integrationsebene, deren Objekte zwar auch aus physikalischen Elementen bestehen, aber in einer Anordnung, die neue Eigenschaften hervorgebracht hat, Eiweißmoleküle, Zellen, Lebewesen. 


Eiweißmoleküle und Zellen und Lebewesen lassen sich aber durchaus physikalisch beschreiben. Und  Lebewesen auch, jedenfalls alle biologischen Bestandteile und Funktionen.

 

Zitat

[...] aber Menschen bilden Gruppen und Gesellschaften, die Eigenschaften haben, die man nicht aus den Eigenschaften der beteiligten physikalischen oder biologischen Objekte erklären kann, die diese Menschen und ihre Gesellschaften bilden. 

 

 

Wenn Menschen allerdings nur aus physikalischen Komponenten bestehen und das "alles" ist, dann sollte zumindest "grundsätzlich" alles auch aus den entsprechenden physikalischen Bestandteilen und ihren Eigenschaften (einschließlich Funktionseigenschaften) erklärbar sein. (Nicht unbedingt in einem deterministischen, zumindest aber in einem probabilistischen Sinne.)

 

Zitat

Philosophen sind nicht einmal in der Lage, auch nur diese Problemlage zu beschreiben. Wenn schon die Fragen falsch gestellt sind, sollte also auch niemanden verwundern, wenn die Antworten nichts taugen. 

 

Es gibt in der Philosophie vermutlich Millionen Fragestellungen und Antwortansätze auch hierzu. Bereits das Thema "Emergenz" wird ja umfassend behandelt:

https://iep.utm.edu/emergence/

bearbeitet von iskander
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14 minutes ago, iskander said:

 

Sowit meine Erinnerung an Dennett reicht, läuft sein Ansatz nicht auf eine De-facto-Elimination all dessen hinaus, was man normalerweise als "Bewusstsein" und "Erleben" bezeichnet, und auf eine De-facto-Subsititution durch wesenhaft andere Dinge?

 

(Hier eine direkte "Auseinandersetzung" zwischen Dennett and Searle:

https://www.nybooks.com/articles/1995/12/21/the-mystery-of-consciousness-an-exchange/ )

 

 

13 minutes ago, iskander said:

Sowit meine Erinnerung an Dennett reicht, läuft sein Ansatz nicht auf eine De-facto-Elimination all dessen hinaus, was man normalerweise als "Bewusstsein" und "Erleben" bezeichnet, und auf eine De-facto-Subsititution durch wesenhaft andere Dinge?

 

Nein, er lieferte zwar  bereits im Aufsatz "Quining Qualia" (online leicht zu finden) eine Fundamentalkritik des Qualia-Konzepts.

 

Das ist aber etwas anderes, als Du geschrieben hast.

 

Außer, für Dich ist dieses philosophische Konzept der "Normalfall".

 

Ich denke, das "Software-Konzept" (ich nenne es mal so) ist heute recht weit verbreitet.

 

Und das ist problemlos mit Dennetts Ansatz vereinbar.

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vor 6 Stunden schrieb KevinF:

"Hypothesen erklären nichts, auch dann nicht, wenn wir andauernd Hypothesen verwenden um Sachverhalte zu erklären."

 

Das verstehe ich nicht.

 

Kein Wunder, wenn du meine Begründungen ignorierst und sie dann beim Zitieren auch noch weglässt, werde ich auch weiterhin wie bestellt und nicht abgeholt in der Landschaft rumstehen. 

 

vor 12 Stunden schrieb Weihrauch:

Was meinst du warum ich so oft "oder nicht" schreibe? Um mich selbst vor Wunschdenken zu bewahren. Hypothesen sind die Basis von naturwissenschaftlichen Theorien, oder nicht, nämlich dann, wenn die Hypothese falsch war. Hypothesen erklären nichts, auch dann nicht, wenn wir andauernd Hypothesen verwenden um Sachverhalte zu erklären.

 

Oder mit den Worten von Wikipedia:

 

Zitat

Eine Hypothese (von altgriechisch ὑπόθεσις hypóthesis → spätlateinisch hypothesis, wörtlich ‚Unterstellung‘) im wissenschaftlichen Sinn ist eine auf dem Stand der Wissenschaft gründende Annahme, die zwar geeignet ist, bestimmte Erscheinungen zu erklären, deren Gültigkeit aber nicht oder noch nicht bewiesen bzw. verifiziert ist. Die Hypothese muss anhand ihrer Folgerungen überprüfbar sein; wird sie überprüft, ist sie dadurch dann je nach Ergebnis entweder bewiesen bzw. verifiziert oder aber widerlegt bzw. falsifiziert.

 

Und das war der Ausgangspunkt, wie wir überhaupt darauf gekommen sind. 

 

Am 27.8.2024 um 11:47 schrieb Weihrauch:
Am 3.8.2024 um 01:15 schrieb KevinF:

Kann ich 100% ausschließen, dass Gott existiert? Natürlich nicht. Vielmehr ist die Hypothese der Existenz Gottes für mich schlicht bedeutungslos:

Für die Erklärung und Beschreibung der Welt ist sie überflüssig.

 

Kunststück denn Hypothesen erklären nichts. Für die Erklärung der Welt ist der Naturalismus so überflüssig wie die Hypothese der Existenz Gottes. Die Naturwissenschaften beschreiben Naturphänomene, sie erklären nicht "die Welt". Mein Weltbild erklärt auch nicht die Welt, sondern lediglich meine Vorstellung von der Welt. 

 

Tja, wie kann die Hypothese der Existenz Gottes für dich bedeutungslos sein, wenn wir andauernd Hypothesen verwenden, um Sachverhalte zu erklären. Warum dann nicht auch diese? Da du nicht 100% ausschließen kannst, dass diese Hypothese richtig ist, hast du sie nicht falsifiziert. In der christlichen Religion ist anscheinend die Hypothese, dass Gott existiert, die Grundlage für die Erklärung und Beschreibung der Welt --- selbst dann --- wenn die Hypothese, dass Gott existiert falsch ist. Du kannst diese Hypothese nicht zu 100% ausschließen, aber der Naturalismus tut es, mit der gleichen Begründung wie du, nämlich mit den Naturgesetzen, welche Gottheiten für die Erklärung und Beschreibung der Welt überflüssig gemacht haben.   

 

Am 4.9.2024 um 23:26 schrieb KevinF:

Wir verwenden andauernd Hypothesen um Sachverhalte zu erklären.

 

Wie könnte ich dem widersprechen, da der Naturalismus in der Form "Alles ist Natur" nur eine Form des Naturalismus ist. Weiter oben haben wir miteinander eine andere Form des Naturalismus durchgespielt: "Alles ist Physik" ist die Variante des Physikalismus der jedes Phänomen über ein paar wenige Zwischenstufen hinab bis zu den Elementarteilchen reduziert und so von Grund auf erklären will  - also auch sich selbst. Nur ist Machen krasser als Wollen.

 

vor 6 Stunden schrieb KevinF:

Alles, was Du beschreibst, basiert auf physikalischen Grundlagen. Ja, es ist alles Physik: Es sind  
alles Organisationsformen von Energie/Materie innerhalb der Raumzeit.
Aber naheliegenderweise ergeben sich aus diesen höheren Organisationsformen Fragen, die nicht mehr Gegenstand der Physik als akademischer Disziplin sind.

 

Na ja, heute noch nicht, aber prinzipiell kann man mit der Physik alle Fragen beantworten, weil selbst die Fragen Physik sind. Das hinderliche daran ist bloß der naheliegende Unterschied zwischen Theorie und Praxis, weil der Physiker halt für die Beantwortung jeder Frage, die sich aus diesen höheren Organisationsformen ergibt, sehr viele Elementarteilchen berücksichtigen müsste, noch dazu in einer Vielzahl aktuell lebenden Organisationsformen. Das könnte ein wenig problematisch werden, angefangen bei dem Physiker selbst. 

 

Andere Naturalisten lehnen nicht nur Gottheiten sondern auch die Erkenntnistheorie ab, weil sie voll und ganz auf die Empirie setzen. A priori Erkenntnisse, wie den Naturalismus, müsste der Naturalismus eigentlich ablehnen, bevor er nicht empirisch erklärt worden ist. Die physikalische Erklärung des Naturalismus wird vermutlich demnächst, ist aber noch nicht, geschehen, weil die Elementarteilchen sich nicht so leicht in ihre emergenten Karten sehen lassen. Aber prinzipiell können wir heute schon erklären, was sich nächsten Sonntag für ein Wahlergebnis aus den vielen daran beteiligten Teilchen emergieren wird.

 

Was wohl dabei herauskommen wird, wenn man die unterschiedlichen Varianten des Naturalismus empirisch, von den Elementarteilchen angefangen, physikalisch erklärt haben wird? Man kann gespannt sein, was bei dieser race condition zuerst geschehen sein wird: die Wiederkunft Christi, oder die empirisch fundierte Analyse aller Naturalismusvarianten. Welche davon wohl die Nase vor haben wird? Vermutlich keine, weil jede Variante des Naturalismus sich prinzipiell empirisch erklären lassen wird, und jede Variante ein physikalisch gleichberechtigtes Phänomen ist. Schließlich ist alles Physik, sogar die Hypothese, dass Gott existiert, und dass Gott und die Physikerin Merkel weg musste natürlich auch.

bearbeitet von Weihrauch
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20 minutes ago, Weihrauch said:

Tja, wie kann die Hypothese der Existenz Gottes für dich bedeutungslos sein, wenn wir andauernd Hypothesen verwenden, um Sachverhalte zu erklären. Warum dann nicht auch diese?

 

Weil sie überflüssig ist.

 

 

21 minutes ago, Weihrauch said:

Da du nicht 100% ausschließen kannst, dass diese Hypothese richtig ist, hast du sie nicht falsifiziert.

 

Ich kann mir potentiell unendlich viele nicht falsifizierbare Hypothesen ausdenken.

Soll ich die alle in mein Weltbild einbauen?

 

 

23 minutes ago, Weihrauch said:

Na ja, heute noch nicht, aber prinzipiell kann man mit der Physik alle Fragen beantworten, weil selbst die Fragen Physik sind.

 

Das scheint in dieselbe Richtung zu gehen wie die Kritik von @iskander .

 

Ich hatte als Antwort meine Position bezüglich der Philosophie des Geistes kurz erläutert.

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vor 1 Stunde schrieb KevinF:

Nein, er lieferte zwar  bereits im Aufsatz "Quining Qualia" (online leicht zu finden) eine Fundamentalkritik des Qualia-Konzepts.

 

Das ist aber etwas anderes, als Du geschrieben hast.

 

Außer, für Dich ist dieses philosophische Konzept der "Normalfall".

 

Meine Beschäftigung mit Dennett ist schon eine Weile her, aber die Standard-Interpretation scheint durchaus zu lauten, dass Dennett die Existenz von Bewusstsein und qualitativem Erleben verneint. Der Wortlaut und auch spätere Erläuterungen scheinen dies nahezulegen. Etwa diese Einlassung von Dennett:

 

"What do I have to offer on my side? I have my candidate for the fatally false intuition, and it is indeed the very intuition Searle invites the reader to share with him, the conviction that we know what we’re talking about when we talk about that feeling—you know, the feeling of pain that is the effect of the stimulus and the cause of the dispositions to react—the quale, the “intrinsic” content of the subjective state. How could anyone deny that!? Just watch—but you have to pay close attention. I develop my destructive arguments against this intuition by showing how an objective science of consciousness is possible after all, and how Searle’s proposed “first-person” alternative leads to self-contradiction and paradox at every turning."

 

Searle antwortet sehr ausführlich, unter anderem:

 

"I think we all really have conscious states. To remind everyone of this fact I asked my readers to perform the small experiment of pinching the left forearm with the right hand to produce a small pain. The pain has a certain sort of qualitative feeling to it, and such qualitative feelings are typical of the various sorts of conscious events that form the content of our waking and dreaming lives. To make explicit the differences between conscious events and, for example, mountains and molecules, I said consciousness has a first-person or subjective ontology. By that I mean that conscious states only exist when experienced by a subject and they exist only from the first-person point of view of that subject. [...]

To put it as clearly as I can: in his book, Consciousness Explained, Dennett denies the existence of consciousness. He continues to use the word, but he means something different by it. For him, it refers only to third-person phenomena, not to the first-person conscious feelings and experiences we all have. For Dennett there is no difference between us humans and complex zombies who lack any inner feelings, because we are all just complex zombies. [...]

At this point in the argument his letter misrepresents the nature of the issues. He writes that the disagreement between us is about rival “intuitions,” that it is between my “time-tested intuitions” defending “traditional opinion” against his more up-to-date intuitions, and that he and I “have a deep disagreement about how to study the mind.” But the disagreement is not about intuitions and it is not about how to study the mind. It is not about methodology. It is about the existence of the object of study in the first place."

 

Beides aus der von mir zuletzt verlinkten Seite. (Viele) andere scheinen Dennett ähnlich zu interpretieren, etwa diese:

 

"Neuroscientists such as Gerald Edelman, Antonio Damasio, Vilayanur Ramachandran, Giulio Tononi, Christof Koch and Rodolfo Llinás argue that qualia exist and that the desire to eliminate them is based on an erroneous interpretation on the part of some philosophers regarding what constitutes science.[16][17][18][19][20][21][22][23][24][25]"

https://en.wikipedia.org/wiki/Consciousness_Explained

 

(Die gleiche Kritik - ein falsches Verständnis wissenschaftrlicher Objektivität - wird auch von Searle geäußert)

 

Ähnlich interpretiert auch Edwin Egeter ("Phänomenale Adäquatheit") die Thesen Dennetts:

 

"Dennetts Eliminativismus richtet sich noch expliziter gegen phänomenale Zustände.16 Nach ihm ist unsere Qualia-Konzeption, bspw. von Schmerz, fundamental falsch, weil Schmerz nicht infallibel und auch nicht zwingend intrinsisch unangenehm ist. Unter Einwirkung von Morphin bzw. einer reaktiven Dissoziation17 ist es möglich, dass Schmerzen gar nicht mehr als unangenehm empfunden werden. Weil Dennett »Infallibilität« und intrinsische »Schrecklichkeit« (»awfulness«)18 als »essentielle«19 Eigenschaften von Schmerzen interpretiert, folgert er daraus, dass unsere Konzeption von Schmerz auf »nichts Reales« referieren würden.20 Aus dem Phänomen der reaktiven Dissoziation lässt sich jedoch nur schliessen, dass Schmerz ein komplizierteres Phänomen ist, als allgemein angenommen wird, nicht jedoch, dass das Phänomen des Erlebens von Schmerz »nichts Reales« ist.21 [...]

Eliminativistische Positionen verlieren den Bezug zum Explanandum deshalb, weil sie aus theoretischen Gründen auf die behauptete Nicht-›Existenz‹ von Erleben angewiesen sind. Folglich besteht für Dennett das Explanandum gar nicht darin, eine Erklärung für das Erleben phänomenaler Bewusstseinszustände zu finden. Seine Theorie beschränkt sich stattdessen auf die der Dritten-Person-Perspektive zugänglichen Sprachäusserungen von Personen, die über phänomenale Zustände berichten.58 Zur Begründung dieser Transformation des Explanandums macht Dennett taktische Erwägungen geltend.59"

 

Egeter wirft Dennett auch vor, "Qualia" so zu konzipieren, dass (in meinen Worten) ein Pappkamerade herauskommt, mit dem man dann leichtes Spiel hat.

(Wen es interessiert: Hier kostenlos herunterzuladen; besonders Kapitel 7 ist m.E. lesenswert.)

 

vor 1 Stunde schrieb KevinF:

Ich denke, das "Software-Konzept" (ich nenne es mal so) ist heute recht weit verbreitet.

 

Nach meinem subjektiven Eindruck werden doch zunehmend auch die Schwächen gesehen. Im Prinzip läuft nämlich auch diese Konzeption auf einen impliziten Elliminativismus hinaus, weil hier ja alles auf funktionale Rollen reduziert wird (welche in unterschiedlicher Hardware realisiert werden können). Will man nun Psychisches auf funktionale Rollen reduzieren, dann wird der Aspekt des Erlebens aber naturgemäß außen vor gelassen.

 

Ich zitiere aus der letzten Quelle (Egeter) etwas ausführlicher:

 

"Der Funktionalismus behauptet also im Kern, dass Erleben, aus kausalen und funktionalen Rollen wie Inputs, Outputs und anderer interner Zustande besteht.98 Solche angeblichen Überwindungen der Erklärungslücke [zwischen Psychischem und Physischem] vermittels funktionaler Beschreibungen sind jedoch wiederum nur um den Preis einer Modifikation des zu lösenden Problems zu haben, insofern das Explanandum des phänomenalen Zustandes als funktionaler Zustand umgedeutet wird. Denn keine kausale oder funktionale Spezifikation von mentalen Zuständen kann dessen qualitativ-erlebnishaften Charakter erfassen. [...] 

Auch wenn bewusste mentale Zustände vermutlich bestimmte kausale oder funktionale Rollen haben, so können sie nicht hinreichend durch diese bestimmt oder definiert werden. Nach Chalmers ist der qualitativ-erlebnishafte Charakter sogar derart fundamental, dass er das ist, was mentale Zustände überhaupt bewusst macht.101 Demzufolge ist der phänomenale Charakter mentaler Zustände »[…] not something that can be functionally defined away«.102 Der reduktive Funktionalismus trivialisiert deshalb das Problem des Bewusstseins: »Suddenly, all we have to do to explain consciousness is […] to perform certain sorts of discrimination, or to manifest some other capacity.«103 [...]" 

 

Konkret sieht das dann etwa so aus (gleiche Quelle):

 

" ... Daraus wiederum folgert Beckermann, dass sehr viel dafür spreche, dass bspw. auch ein Roboter mit Hilfe der Parameter Farbton, Sättigung und Helligkeit bestimmte Farbeindrücke »für ähnlicher hält«49 als andere. Das Tripel jener drei Parameter sei durch »diskriminatorische Zustände«50 im Roboter physisch realisiert. Und wenn man annehme, dass diese diskriminatorischen Zustände des Roboters »[…] genau die gleichen dispositionellen Eigenschaften haben, die Farbeindrücke in uns haben, dann unterscheiden sie sich in nichts von munseren Farbeindrücken«.51 So kommt Beckermann zu einem Fazit, das im Hinblick auf das Desiderat phänomenaler Adäquatheit ziemlich überrascht: »Was für den Roboter gilt, gilt aber auch für uns. Wenn die physischen und dispositionellen Eigenschaften unserer diskriminatorischen Zustände zur Erklärung dessen völlig ausreichen, wofür wir ansonsten Qualia verantwortlich machen, dann gibt es keinen Grund mehr zu der Annnahme […]«52 von intrinsischen
Eigenschaften. Hier mag man sich fragen, wie Beckermann auf die Idee kommt, dass »diskriminatorische Zustände«53 eines Roboters »völlig ausreichen «54 würden, um Erleben zu erklären.
Schaut man jedoch genauer auf den Wortlaut dieser Passage, wird klar, dass Beckermann sich gar nicht auf das Explanandum ›Erleben‹ bezieht, sondern nur auf das, wofür wir Qualia »verantwortlich machen«55 – und damit meint er wohl die Fähigkeit eines Roboters (oder eines Menschen), die Information von Farbparametern
funktional nutzbar zu machen (bspw. für das Aussortieren von Gegenständen). Beckermann vergisst hier auf eine typische Weise, dass das Explanandum nicht darin besteht, wie bspw. Farbparameter funktional nutzbar gemacht werden können. Auch mit einem lichtempfindlichen Widerstand können die Parameter Licht und Dunkelheit funktional nutzbar gemacht werden, heisst das aber, dass der Widerstand hell versus dunkel erlebt?
Bei dieser eher subtilen Form des Eliminativismus wird das Explanandum phänomenalen Erlebens nicht in Erwägung gezogen, weil es, so die Annahme, nur Produkt eines falschen linguistischen Verhaltens sei."

 

Dieses Problem scheint mir nicht behebbar zu sein, weil ein funktionalistischer Ansatz eo ipso eben immer nur Funktionen analysieren kann und daher alles ausklammern bzw. eliminieren muss, was nicht eine Funktion darstellt. Um nochmals Egeter zu zitieren:

 

"Dem Funktionalismus stellt sich deshalb, wenn wir uns um phänomenale Adäquatheit bemühen, eine Frage, die dessen phänomenale Indifferenz sichtbar macht: Erlebt nun der lichtempfindliche Widerstand (oder das Steuerungssystem als ganzes) hell und dunkel oder ›hält‹ der lichtempfindliche Widerstand tatsächlich eine Lampe für ›heller‹ als die andere?111 Da solche Fragen für den reduktiven Funktionalismus eigentlich sinnlose Fragen sind, kann er gar nicht auf die, für eine Erklärung von Erleben geforderte phänomenaler Adäquatheit eingehen – ja, Erleben oder Bewusstsein kommen gar nicht erst als Explanandum in Frage."

 

Zitat

Und das [das "Software-Konzept"] ist problemlos mit Dennetts Ansatz vereinbar.

 

Das mag durchaus so sein bzw. ist vermutlich so - aber das dürfte letztlich eben daran liegen, dass beides im Effekt elmiminative Theorein sind. Denn ob man sagt, dass es eine Schmerzwahrnehmung überhaupt nicht gibt oder ob man sagt, dass es sie zwar gibt, aber eben nicht als Schmerz-Erlebnis, sondern als etwas fundamental anderes (Sprachäußerungen, kausale und funktionale Rollen, neurologische Prozesse usw.), läuft im Prinzip auf das Gleiche hinaus.

bearbeitet von iskander
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vor 2 Minuten schrieb KevinF:

Ich kann mir potentiell unendlich viele nicht falsifizierbare Hypothesen ausdenken.

Soll ich die alle in mein Weltbild einbauen?

 

Keine Ahnung. Wenn dir danach ist, warum nicht? Den Naturalismus und Teile der christlichen Religion hast du schon in deinem Weltbild, da kommt es auf die eine oder andere nicht verifizier- oder falsifizierbare Hypothese mehr oder weniger auch nicht mehr an. Das meine ich überhaupt nicht abwertend oder verurteilend, weil ich das genauso mache, selbst mit Hypothesen die längst falsifiziert worden sind, und sogar wider besseres Wissen. Ich glaube, jeder kennt das von sich selber - und schon ist wieder eine dieser Hypothesen dazu gekommen. Geht ratz fatz. 

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42 minutes ago, iskander said:

I said consciousness has a first-person or subjective ontology.

 

Das ist tatsächlich das, was Dennett kritisiert.

Und völlig zurecht. Es ist extravagante Metaphysik.

 

Ein Bewusstsein in diesem Sinne existiert nicht.

 

Ich denke aber, dass dies ein sehr spezifisches philosophisches Konzept ist und nicht zwingend das, was man normalerweise unter Bewusstsein versteht.

 

Wie gesagt, ein anderes Mal mehr.

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4 hours ago, Weihrauch said:

Das meine ich überhaupt nicht abwertend oder verurteilend, weil ich das genauso mache, selbst mit Hypothesen die längst falsifiziert worden sind, und sogar wider besseres Wissen.

 

Nichts für ungut, aber das ist definitiv nicht mein Weg.

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@iskander

 

Ich zitiere Wikipedia bezüglich Dennett:

 

"Er zeigte anhand der Analyse eines empirischen Experimentes in Bezug auf Veränderungsblindheit, dass Behauptungen über Qualia entweder aus der „Heterophänomenologie“ zugänglich oder aus der Erste-Person-Perspektive unzugänglich sind.[13]"

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Daniel_Dennett#Qualia-Eliminativismus

 

Wiki nennt eine andere Quelle, aber so habe ich es auch aus "Consciousness Explained" (allerdings erläutert anhand des Phi-Phänomens) in Erinnerung.

Und ich würde noch ein "auch" nach dem "oder" einfügen.

 

Und deshalb ist Searles "first-person ontology" extravagante Metaphysik.

 

(Edit: Und der Funktionalismus akzeptabel)


Den Ausdruck "extravagante Metaphysik" habe ich möglicherweise sogar von Dennett, bin mir aber nicht mehr sicher.

bearbeitet von KevinF
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On 9/5/2024 at 5:56 PM, Weihrauch said:

Daraus schließe ich, dass du damit behaupten wolltest, dass der neutestamentliche Jesus nicht aus Nazareth kommen konnte, vermutlich weil es zu seiner Zeit Nazareth nicht gab, dass dort erst im 2. Jahrhundert (n. Chr. ?) ein Friedhof entstanden sein soll, was man an den dort gefundenen runden Grabsteinen erkennen könne, weil runde Grabsteine erst im 2. Jahrhundert aufgekommen sein sollen. In dem von dir verlinkten Wiki-Artikel "Nazarener (Religion)" steht allerdings, dass eine Ortschaft namens Nazaret im 2. Jh. v. Chr. gegründet worden sei:

Meine Güte, Du hast alles falsch verstanden, was man falsch verstehen konnte! Ist das Leseschwäche, Absicht, oder drücke ich mich wirklich so unklar aus?

 

Den Friedhof namens Nazareth gab es schon vor und während der Zeit von Jesus. Das kann man eindeutig belegen. Aber eine Stadt oder Dorf namens Nazareth gab es erst später, frühestens ab 70 n. Chr., vielleicht auch etwas später, zu Beginn des 2. Jahrhunderts.

 

Das hat überhaupt nichts mit den runden Grabsteinen zu tun, und ich weiß nicht, woher Du das hast. Runde Grabsteine wurden im 2. Jahrhundert üblich, um jüdische Gräber zu versiegeln. Im 1. Jahrhundert waren die noch rechteckig. Die in Nazareth gefunden Gräber stammen meistens von Römern, teilweise noch aus vorchristlicher Zeit. Belegt sind diese römischen Gräber aus dem 2. Jahrhundert vor Christus. Juden hätten übrigens niemals eine Stadt über oder direkt neben einem Friedhof gebaut.

 

Diese ganze Geschichte von "Jesus von Nazareth" hängt an seidenen Fäden.

 

Siehe auch: https://www.nazarethmyth.info/

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9 hours ago, Weihrauch said:

 

Keine Ahnung. Wenn dir danach ist, warum nicht? Den Naturalismus und Teile der christlichen Religion hast du schon in deinem Weltbild, da kommt es auf die eine oder andere nicht verifizier- oder falsifizierbare Hypothese mehr oder weniger auch nicht mehr an. Das meine ich überhaupt nicht abwertend oder verurteilend, weil ich das genauso mache, selbst mit Hypothesen die längst falsifiziert worden sind, und sogar wider besseres Wissen. Ich glaube, jeder kennt das von sich selber - und schon ist wieder eine dieser Hypothesen dazu gekommen. Geht ratz fatz. 

Das ist exakt das Basisproblem der monotheistischen Religionen:

 

Jede nicht falsifizierbare Hypothese ist wertlos, weil es keine logisch mögliche Welt geben kann, auf die sie sich bezieht. Gute Hypothesen sollten auf Fakten basieren und durch Fakten falsifizierbar sein. Minimale Forderung an eine jede mögliche Weltsicht wäre es, die Anzahl der nicht falsifizierbaren Hypothesen zu minimieren.

 

Nicht-falsifizierbare Hypothesen stehen meist im Dienst des Wunschdenkens. Sie beruhen auf einem logischen Fehlschluss: Wahre Theorien können nicht widerlegt werden, weil es keine Fakten geben kann, die dazu im Widerspruch stehen (sonst wäre sie nicht wahr). Wenn also eine Theorie oder Hypothese nicht widerlegt werden kann, muss sie daher wahr sein. Das ist logisch falsch, weil beispielsweise Unsinn nicht widerlegt werden kann und demnach wahr wäre.

 

Religiöser Glauben ist ein Freibrief, den man sich selbst ausstellt, beliebigen Unsinn zu glauben, beispielsweise nicht falsifizierbare Hypothesen wie die über Gott. Letztlich handelt es sich jedoch um ein Denkverbot: Ab hier bitte nicht weiterdenken! Religion macht das Nichtdenken salonfähig.

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vor 14 Stunden schrieb KevinF:

Ein Bewusstsein in diesem Sinne existiert nicht.

 

Ich denke aber, dass dies ein sehr spezifisches philosophisches Konzept ist und nicht zwingend das, was man normalerweise unter Bewusstsein versteht.

 

Wenn ich Dennett nicht sehr missverstehe, negiert er (mindestens im Effekt) genau das, was der gesunde Menschenverstand unter Bewusstsein versteht. Im Fall des Schmerzes also jenes bewusste Erleben, welches nur derjenigen zugänglich ist, der die Schmerzen erlebt, und welches kein Neurologe beobachten kann (der kann ja höchstens neuronale Korrelata des Schmerzerlebens beobachten). Und von nichts anderem spricht auch Searle.

Allerdings entwickelt Dennett ein fragwürdiges Qualia-Konzept, das er dann widerlegt. Er scheint aber tatsächlich zu meinen, damit alles widerlegt zu haben, was sich nicht in physikalischer Sprache beschreiben lässt - womit dann letztlich eben ein Eliminativismus gegeben ist.

 

Die Argumente gegen die Qualia von Dennett gehen m.E. letztlich an der Sache vorbei. Das in der Wikipedia (die kontroverse Auffassungen von Dennett als Tatsachen darstellt) referierte Experiment ist mir nicht präsent, aber man denke etwa an das Beispiel mit den Kaffeetestern. Hierzu Egeter:

 

"Auch im etwas komplizierteren Fall des Gedankenexperiments von Dennett mit den Kaffeetestern Chase und Sanborn60 verhält es sich grundsätzlich nicht anders: Wenn ich mich nicht mehr genau erinnere, wie es war, den Kaffeegeschmack von gestern zu erleben, und ich nicht weiss, ob sich meine Reaktion auf den Geschmack oder der Geschmack selbst verändert hat, so löst sich damit doch nicht rückwirkend das gestrige Erleben des Geschmacks auf – und doch auch nicht mein, aufgrund meiner jetzigen Reaktion auf diesen Geschmack, modifiziertes Erleben.61 Heute mag meine Erinnerung an das Erleben von gestern verblasst sein oder anders erscheinen als es war, das zeigt aber in keiner Weise auf, dass ich gestern ›eigentlich‹ ein Zombie war und in »Wirklichkeit«62 keine Qualia hatte bzw. ›nichts‹ erlebte.63"

 

"Im Gedankenexperiment über Reaktionsmöglichkeiten auf Blumenkohlgeschmack geht es, analog zur ›Intuitionspumpe‹ mit den Kaffeetestern, darum, dass es schwierig wäre, festzustellen, ob sich durch eine geschmacksverändernde Pille, die (mentale?) Reaktion auf den Geschmack von Blumenkohl oder das phänomenale Erleben des Blumenkohlgeschmacks selbst verändert hat. Damit glaubt Dennett, nachzuweisen, dass das Erleben des Blumenkohlgeschmackes keine anderen Eigenschaften habe, ausser dispositionalen, reaktionserzeugenden Eigenschaften.132 Diese Beispiele zeigen aber, analog zu seinem Argument gegen die angebliche diachrone Infallibilität von Qualia, wiederum nur auf, dass phänomenales Erleben nicht notwendigerweise ›unmittelbar‹ ist und auch nicht unabhängig von kognitiven Prozessen stattfindet. Doch bei einem phänomenal adäquaten Qualia Begriff, der die Interdependenz von kognitiven, emotionalen und somatischen Prozessen mitberücksichtigt, und deshalb emotive Qualia und ›emotiv-kognitives Erleben‹ zu integrieren vermag, ist sowohl das sinnlich-qualitative Erleben der Umwelt als auch das somatosensorisch-qualitative Erleben des eigenen Körpers fast nie unmittelbar. So zeigen die Fälle von E-Qualia [emotive Qualia] und EK-Qualia [emotiv-kognitive Qualia] auf, dass das somatosensorische Erleben des eigenen Körpers und das Erleben der Umwelt als Formen der Wahrnehmung133 betrachtet werden müssen, die durch Urteile, »Affektlogiken«,134 »emotionale Gedanken«,135 Situationsbewertungen136 und durch einen intentionalen Bezug auf das Objekt der Emotion137 stark ›gefärbt‹ und mithin fast nie ›unmittelbar‹ sind.138 Aufgrund der Interdependenz von kognitiven, emotionalen und somatischen Erlebnisprozessen sind deshalb umgekehrt auch unsere Kognition und die mit ihnen verbundenen Situationsbewertungen nicht zwingend isoliert oder gar ›unmittelbar‹, sondern wir denken und fühlen (und handeln), wenn wir beispielsweise eine länger andauernde Emotion der Wut erleben, in »wütenden Arten und Weisen«,139 weil Emotionen eben zugleich kognitive Weisen »of minding things«140 sind. Das bedeutet, dass unter der Berücksichtigung von EK-Qualia auch unsere Urteile und Gedanken, weil sie durch Stimmungen und Emotionen ›gefärbt‹ werden, nicht ›reine‹ statische und ›intrinsisch-unmittelbar‹ erlebte Kognitionen, sondern vielmehr in einer dynamisch-heterogenen Weise (als emotiv-kognitive Gehalte) erlebt werden.
Wenn der Kaffeetester Chase, den Kaffeegeschmack heute, nachdem seine Frau verstorben ist, als ›bitterer‹ erlebt als vor einem Jahr, heisst das also nur, dass phänomenales Erleben nicht notwendigerweise ›intrinsisch-unmittelbar‹, d.h. unabhängig von emotiv-kognitiven Prozessen stattfindet. Erlebt Chase deswegen überhaupt keinen Kaffeegeschmack? Und gibt es, nur weil Chase die angebliche »Selbigkeit«141 und angebliche ›intrinsische Unmittelbarkeit‹ von Kaffeegeschmack selbstverständlich nicht diachron identifizieren kann – weil diese »Selbigkeit«142 im realen, dynamisch-heterogenen Erleben kaum je vorkommt – deshalb kein dynamisches, mit emotiv-kognitiven Erlebniszuständenin teragierendes Kaffeegeschmacks-Erleben?"

 

vor 14 Stunden schrieb KevinF:

Aus meiner Sicht geht die Kritik an Dennetts Argumenten vorbei.

 

Ich frage mich bei Dennett-Kritikern öfters, ob wir dasselbe Buch gelesen haben.

 

Unter dem Vorbehalt, dass meine Beschäftigung mit Dennett schon eine ganze Weile her ist und er viel geschrieben hat (auch Neueres), liegt das Problem m.E. in Dennett selbst begründet.

 

Beispielsweise sagt Dennett, dass das bewusste Subjekt ("Ich") eine Illusion bzw. Abstraktion sei. Ein abstrahierter bzw. illusionärer Gegenstand ist aber irreal. Er existiert nur als Vorstellung bzw. Inhalt des Denkens, ähnlich wie der Weihnachtsmann oder Donald Duck. (Ich meine, dass Dennett selbst hier sogar ausdrücklich das Analogon der fiktiven Literatur bemüht.) In diesem Sinne müsste man dann zum Schluss kommen, dass denkende, empfindende Wesen für Dennet irreal sind, also letztlich schlichtweg nicht-existent.

 

Damit gibt es aber das folgendes Problem: Der Begriff der Illusion bzw. Täuschung setzt (neben einem Sachverhalt, über den man sich täuscht), ein real existierendes Subjekt voraus, welches sich täuscht. Eine Täuschung, bei der überhaupt niemand getäuscht wird, ist so unmöglich wie eine Bewegung, bei der sich nichts bewegt.

Mehr noch: Ich selbst bin es ja, der der angeblich falschen Auffassung anhängt, ich wäre ein bewusstes Subjekt. Ich selbst glaube das; ich selbst irre mich angeblich. Und falls Dennetts Argumente mich überzeugen sollten, wäre ich es ja selbst, der nun endlich von seiner Illusion befreit ist. Eine "Fiktion", eine "Abstraktion" oder eine "Illusion" - also das, was ich angeblich bin - hat aber gewiss keine Überzeugungen, unterliegt keiner Täuschung, irrt sich nicht, interagiert nicht mit anderen Leuten und ändert auch seine Meinungen nicht. All solches setzt eine reale Entität voraus, keine fiktionale.

(Und selbst wenn jemand sich zu der unsinnigen Behauptung verstiege, ich würde gar nicht glauben, ein Subjekt zu sein, und mir nur einbilden, das zu glauben, dann wäre es doch immerhin meine Einbildung; dann wäre ich derjenige, der sich das einbildet.)

 

Zudem sagt Dennett (ich meine in "Consciousness Explained") relativ emphatisch, dass es uns im Sinne bewusster Subjekte durchaus gibt. Und das klingt nun mitnichten so, als würde er meinen, dass wir als Subjekte Fiktionen seien, ähnlich wie der Weihnachtsmann und Donald Duck.

 

Man könnte also einerseits zu der Auffassung kommen, dass für Dennett bewusste Subjekte nicht existieren, eben weil sie Illusionen sind; andererseits aber auch zu der, dass es sie doch gibt weil er das zum einen suggeriert und weil, wenn wir uns über uns selbst täuschen, dies sachlogisch erfordert, dass wir eben doch irgendwie real existierende Subjekte sind, die Meinungen haben können etc., also auf jeden Fall mehr sind als reine Fiktionen.

 

In Wahrheit lässt sich die Frage, ob es für Dennett Subjekte gibt oder nicht, m.E. aufgrund der Schwächen seines Systems vermutlich nicht sinnvoll beantworten.

 

Ähnliches gilt womöglich auch für seine These, dass es sich bei qualitativem Erleben um falsche theoretische Annahmen und letztlich eine Art Selbsttäuschung handelt. 

Im Normalfall ist eine Täuschung, die zu falschen Annahmen führt, ja wie folgt charakterisiert: Wir haben ein bestimmte bewusstes Erleben, und auf dieser Grundlage kommen wir zu falschen Schlüssen über die Wirklichkeit jenseits des eignen unmittelbaren Erlebens. Beispielsweise habe ich ein bestimmtes visuelles Erleben, und das verleitet mich zu der falschen Annahme, dass der Stab dort im Wasser gekrümmt sei. Die Täuschung besteht hier also gerade darin, dass mein bewusstes Erleben und die Wirklichkeit jenseits meines Erlebens sich nicht entsprechen, und dass mein bewusstes Erleben mich zu falschen Annahmen über diese Wirklichkeit jenseits meines direkten Erlebens verführt. Die Täuschung setzt also das Bewusstsein/Erleben voraus.

 

Geht es nun ganz unmittelbar um das eigene bewusste Erleben selbst, so fällt genau dieser Gegensatz zwischen Erleben einerseits und einer Wirklichkeit jenseits des Erlebens andererseits weg. Das Erleben als solches kann daher auch keine Täuschung sein: Wenn ich Schmerzen erlebe, dann erlebe ich sie.
Höchstens gibt es den Fall, dass jemand aus seinem Erleben falsche Überzeugungen ableitet oder sich an sein Erleben falsch erinnert. (Soweit fokussiert Dennett sehr oft auf solche Fälle, um die Wirklichkeit des Erlebens selbst zu negieren.) 

 

Darüber hinaus ergibt der Begriff der "Illusion", wie Egeter zu Recht bemerkt, nur dann Sinn,

 

 "... wenn ›Illusion‹ etwas ist, das von Subjekten erlebt werden kann. Denn wer oder was, ausser ein Subjekt, kann eine ›Illusion haben‹ oder sich ›in Illusionen wiegen‹? Ein Taschenrechner, der ein falsches Resultat liefert, ist entweder falsch programmiert oder defekt; aber dass der Taschenrechner ›einer Illusionen unterliegt‹, wird wohl niemand ernsthaft behaupten. Wenn nun also behauptet wird, dass das Erleben selbst eine ›Illusion‹ sein könnte, so wirkt dies insofern unsinnig, weil unter der Voraussetzung, dass es kein Erleben ›gibt‹, es auch nicht so etwas, wie eine ›Illusion‹ geben kann. Das bedeutet, dass sich die Behauptung ›Erleben ist eine Illusion‹ selber aufhebt, weil sie von einer Voraussetzung ausgeht, die in der Behauptung zugleich geleugnet wird."

 

Manche Äußerungen von Dennett könnte man vielleicht so deuten, dass es für ihn doch "Erleben" gibt - aber was er damit zu meinen scheint ist das, was man im Prinzip vollständig in physikalischer Sprache beschreiben kann. Und das ist eben gerade nicht das, was wir normalerweise unter "Erleben" verstehen - sondern das sind dann neuronale Prozesse, Verhaltensdispositionen und Verhaltensweisen, die unser Erleben nur begleiten.

bearbeitet von iskander
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2 hours ago, iskander said:

Das in der Wikipedia (die kontroverse Auffassungen von Dennett als Tatsachen darstellt) referierte Experiment

 

Ich hätte beim Zitieren des Satzes tatsächlich darauf hinweisen sollen, dass der Wiki-Autor "glaubte zeigen zu können" hätte schreiben müssen statt "zeigte", denn ob Dennett es gezeigt hat, ist ja gerade umstritten 🙂

 

Ist mir peinlich, danke.

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@iskander

 

Ansonsten ja, ich denke anhand des Kaffee-Gedankenexperiments kann man die Argumentation Dennetts auch zeigen.

 

Und das ist ein Vorteil, denn es taucht in "Quining Qualia" auf, das online frei zugänglich ist, während ich "Consciousness Explained" gerade nicht zur Hand habe.

 

Ich werde es nachlesen und dann nochmal antworten.

 

Es ist nicht ausgeschlossen, dass ich meinen Standpunkt durch Deine Argumente verändern muss.

 

Aber so oder so, den Gegnern des Naturalismus hilft dies nicht weiter:

 

Bewusstsein ist immer noch eine Phänomen innerhalb der Raumzeit, das auf Materie/Energie basiert.

 

An dieser physikalischen Grundlage kommt man nicht vorbei und Hypothesen über die Existenz von Übernatürlichem helfen bei der Erklärung des Bewusstseins nicht weiter.

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Am 2.9.2024 um 15:12 schrieb Volker:

Nazareth war keine Stadt, nicht einmal ein Dorf, sondern ein Friedhof, runde Grabsteine kamen erst im 2. Jahrhundert auf

vor 7 Stunden schrieb Volker:
Am 5.9.2024 um 17:56 schrieb Weihrauch:

Daraus schließe ich, dass du damit behaupten wolltest, dass der neutestamentliche Jesus nicht aus Nazareth kommen konnte, vermutlich weil es zu seiner Zeit Nazareth nicht gab, dass dort erst im 2. Jahrhundert (n. Chr. ?) ein Friedhof entstanden sein soll, was man an den dort gefundenen runden Grabsteinen erkennen könne, weil runde Grabsteine erst im 2. Jahrhundert aufgekommen sein sollen. In dem von dir verlinkten Wiki-Artikel "Nazarener (Religion)" steht allerdings, dass eine Ortschaft namens Nazaret im 2. Jh. v. Chr. gegründet worden sei:

Meine Güte, Du hast alles falsch verstanden, was man falsch verstehen konnte! Ist das Leseschwäche, Absicht, oder drücke ich mich wirklich so unklar aus?

 

vor 7 Stunden schrieb Volker:

Den Friedhof namens Nazareth gab es schon vor und während der Zeit von Jesus. Das kann man eindeutig belegen. Aber eine Stadt oder Dorf namens Nazareth gab es erst später, frühestens ab 70 n. Chr., vielleicht auch etwas später, zu Beginn des 2. Jahrhunderts.

 

Dann habe ich dich doch richtig verstanden. Keiner der beiden Jesusse konnte in Nazareth gewohnt haben oder geboren worden sein, weil es eine Stadt oder ein Dorf namens Nazareth zu ihrer Zeit noch nicht gab. Sag ich doch, dass das Markusevangelium keine Biographie Jesu, kein historischer Tatsachenbericht sein sollte, sondern eine über weite Strecken frei erfundene Erzählung unbekannter Autorschaft, die ihre Sichtweise auf Jesus in eine Erzählung gepackt hat, um ihre Glaubensvorstellung in spannender, und leichtverständlicher Form unter die Leute zu bringen. Es ist eine Predigt in Form einer unterhaltsamen Erzählung, dem damaligen Zeitgeist entsprechend. Das ergibt sich aus dem Text selbst und gehört seit längerem zum Allgemeinwissen der meisten Christen, von ein paar wenigen Fundamentalisten mal abgesehen. So zumindest meine Wahrnehmung.  

 

vor 8 Stunden schrieb Volker:

Das hat überhaupt nichts mit den runden Grabsteinen zu tun, und ich weiß nicht, woher Du das hast.

 

Na von dir. Die hast du doch ins Spiel gebracht. Wozu du die erwähnt hast, weiß ich nicht. Ich habe versucht die irgendwie mit dem Rest in einen logischen Zusammenhang zu bringen. Das nächste mal sage gelich, dass du dich unverständlich ausgedrückt hast, wenn mir etwas unklar erscheint, und versuche nicht mir aus den Brocken die du mir hinwirfst einen Reim zu machen. 

 

vor 8 Stunden schrieb Volker:

Runde Grabsteine wurden im 2. Jahrhundert üblich, um jüdische Gräber zu versiegeln. Im 1. Jahrhundert waren die noch rechteckig. Die in Nazareth gefunden Gräber stammen meistens von Römern, teilweise noch aus vorchristlicher Zeit. Belegt sind diese römischen Gräber aus dem 2. Jahrhundert vor Christus. Juden hätten übrigens niemals eine Stadt über oder direkt neben einem Friedhof gebaut.

 

Jetzt verstehe ich dich. Ach deswegen:

 

Zitat

Mk 16,3-4
Sie sagten zueinander: Wer könnte uns den Stein vom Eingang des Grabes wegwälzen? Doch als sie hinblickten, sahen sie, dass der Stein schon weggewälzt war; er war sehr groß.

 

Es ging dir um die spätere Datierung des Markusevangeliums. Ist doch aber logisch, dass er von runden Grabsteinen vor der Stadt Jerusalem erzählt, wenn Markus für die Menschen seiner Zeit schrieb, die mit runden Grabsteinen vertrauter waren als mit eckigen. 

 

vor 8 Stunden schrieb Volker:

Juden hätten übrigens niemals eine Stadt über oder direkt neben einem Friedhof gebaut.

 

Bevor ich wieder alles falsch verstehe, was man falsch verstehen kann, frage ich gleich nach, die frühestens 70 n. Chr. oder zu Beginn des 2. Jh. erbaute Ortschaft namens Nazareth war deswegen eine römische Siedlung, wegen der römischen Gräber dort, weil Juden niemals über oder direkt neben einem Friedhof der schon dort war gebaut hätten?

 

vor 8 Stunden schrieb Volker:

Diese ganze Geschichte von "Jesus von Nazareth" hängt an seidenen Fäden.

 

Wieso? Wenn Markus den Jesus als jemanden "vom Land" und nicht aus einer Stadt darstellen wollte, ist es doch egal, welche unbedeutende Ortschaft in Galiläa er für seine Jesusgeschichte wählt. Eine, die es zur Zeit seiner anvisierten Leser gab. Es geht ihm doch nicht darum Geschichte zu schreiben, sondern von seinem Jesus zu erzählen, um seinen Glauben mitzuteilen. Bestimmt wollten die Leute mehr über Jesus als in den Paulusbriefen erfahren. Da es im 2. Jh. wohl keine Zeitzeugen Jesu mehr gab, waren vermutlich ziemlich wiedersprüchliche Aussagen über Jesus im Umlauf. Da lag es nahe, irgendetwas Plausibles zu erfinden, was der eigenen Glaubensvorstellung entsprach. Die Leute damals suchten anschauliche Bilder, an denen sie ihren Glauben festmachen konnten, und nicht Haare in der Suppe. Also ich habe damit kein Problem. Ich fand es immer schade, wenn Gott als Autor "der Bibel" dargestellt wurde, weil das den unbekannten Autor schamlos übergeht, den ich wegen seiner literarischen Finesse sehr schätze. Ich weiß ja nicht mal, ob es Gott gibt, wozu brauche ich dann einen "historischen Jesus"? Was "Markus" zu bieten hat, reicht mir da völlig für meinen Glauben. 

 

     

 

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vor 9 Stunden schrieb Volker:
vor 18 Stunden schrieb Weihrauch:

 

Keine Ahnung. Wenn dir danach ist, warum nicht? Den Naturalismus und Teile der christlichen Religion hast du schon in deinem Weltbild, da kommt es auf die eine oder andere nicht verifizier- oder falsifizierbare Hypothese mehr oder weniger auch nicht mehr an. Das meine ich überhaupt nicht abwertend oder verurteilend, weil ich das genauso mache, selbst mit Hypothesen die längst falsifiziert worden sind, und sogar wider besseres Wissen. Ich glaube, jeder kennt das von sich selber - und schon ist wieder eine dieser Hypothesen dazu gekommen. Geht ratz fatz. 

Das ist exakt das Basisproblem der monotheistischen Religionen:

 

Blindes Huhn findet auch mal ein Korn, das Basisproblem such ich allerdings noch. Jetzt hast du mich neugierig gemacht. 

 

vor 9 Stunden schrieb Volker:

Jede nicht falsifizierbare Hypothese ist wertlos, weil es keine logisch mögliche Welt geben kann, auf die sie sich bezieht.

 

Aber genau darum geht es doch - um eine logisch unmögliche Welt. Von der Welt, wie sie ist, hat der Mensch anscheindend oft genug die Schnauze gestrichen voll, nicht zuletzt zum Vorteil der Literatur- und Filmindustrie. Der Mensch braucht zweifellos Ablenkung von seinem Alltag. Sex and Crime hat schon funktioniert, als der Mensch noch an Lagerfeuern saß. Vieles in der Welt, wie sie ist, ist unlogisch, Sex and Crime beispielsweise. Die Evolution hat mit Logik nichts am Hut, da regiert der Zufall. Logik ist im Universum eine relativ späte Erscheinung. Elementarteilchen verhalten sich nicht, wie sie es tun, weil sie einer bestimmten Logik folgen würden. Ich denke, Logik und Unsinn existiert in unseren Köpfen aber nicht "da draußen", das scheint mir eher sinnfrei zu sein.  

 

vor 9 Stunden schrieb Volker:

Gute Hypothesen sollten auf Fakten basieren und durch Fakten falsifizierbar sein. Minimale Forderung an eine jede mögliche Weltsicht wäre es, die Anzahl der nicht falsifizierbaren Hypothesen zu minimieren.

 

Sehe ich auch so - in den Wissenschaften. Im Alltag nimmt man es damit aus naheliegenden Gründen Gott sei Dank nicht so genau.

 

vor 9 Stunden schrieb Volker:

Nicht-falsifizierbare Hypothesen stehen meist im Dienst des Wunschdenkens.

 

So ist es, und ich vermute, dass das jedem bewusst ist - nicht nur bei anderen, sondern auch bei einem selbst. Und das ist ganz normal und gut so. Ich finde es immer belustigend, wenn Atheisten wenn sie über Glaubende sprechen, den Anschein erwecken, dass sie frei von Wunschdenken, frei von Illusionen wären, natürlich ohne es zu beabsichtigen, weil sie wissen, dass sie selbst Wünsche haben und Illusionen und das ganze andere unlogische Zeugs, das sie bei Gläubigen kritisieren, nur halt woanders als die Gläubigen. 

 

vor 9 Stunden schrieb Volker:

Sie beruhen auf einem logischen Fehlschluss: Wahre Theorien können nicht widerlegt werden, weil es keine Fakten geben kann, die dazu im Widerspruch stehen (sonst wäre sie nicht wahr).

 

Hoffentlich willst du mir diesen Fehlschluss nicht unterstellen. Seit wann können Theorien wahr aber nicht falsch sein? Was ist das für ein Theoriebegriff? Selbst in der Umgangssprache würde die Formulierung "Wahre Theorien" auf Unverständnis wenn nicht Widerwillen stoßen. Wenn du jetzt geschrieben hättest, "Die Wahrheit kann nicht widerlegt werden, weil es keine Fakten geben kann, die dazu im Widerspruch stehen (sonst wäre die Wahrheit nicht wahr)" könnte ich das logisch nachvollziehen, auch wenn mich die Wahrheit nicht die Bohne interessiert. 

 

vor 9 Stunden schrieb Volker:

Wenn also eine Theorie oder Hypothese nicht widerlegt werden kann, muss sie daher wahr sein. 

 

Hä? Wieso muss eine Theorie "dann" wahr sein und wieso kann sie "dann" nicht falsch sein? "Dann" wenn du einen unsinnigen Theoriebegriff in die Welt setzt? Woher bzw. warum kommt jetzt auf einmal die Hypothese ins Spiel? Das ist doch nicht dasselbe. Vermutlich verstehe ich mal wieder alles falsch, was man falsch verstehen kann. Woher soll jemand wissen, dass eine Theorie oder Hypothese nicht widerlegt werden kann?

 

vor 9 Stunden schrieb Volker:

Das ist logisch falsch, weil beispielsweise Unsinn nicht widerlegt werden kann und demnach wahr wäre.

 

Ach jetzt kapier ich das erst: Ich soll dem bis hierher aus Gewohnheit (?) zustimmen. "Eine wahre Theorie" ist doch Unsinn, oder nicht? Warum soll sich diese Phrase nicht widerlegen lassen? Wir schaffen das! 

 

vor 9 Stunden schrieb Volker:

Religiöser Glauben ist ein Freibrief, den man sich selbst ausstellt, beliebigen Unsinn zu glauben, beispielsweise nicht falsifizierbare Hypothesen wie die über Gott.

 

Alles klar. Also doch. Aber warum so umständlich und nicht einfach behaupten? Behauptungen haben doch in den Religionen lange bestens funktioniert. In der Politik funktionieren sie noch. Guggst du bei "Politik für Interessierte". Wenn das aus guten Gründen bei vielen religiösen Menschen nicht mehr funktioniert, funktioniert es auch nicht mit irgendwelchen unsinnigen Theoriebegriffen oder nicht falsifizierbaren Hypothesen. Der Unterschied zwischen Wissen und Glauben hat sich mittlerweile besonders bei an Religion interessierten rumgesprochen, von Ausnahmen abgesehen. Ich weiß nicht, ob Gott existiert. Ist mir auch egal. Wenn ich es wüsste, dürfte ich nicht glauben, wie ich glaube. Glaube lustig zu finden, wäre schon Grund genug, es gibt aber noch andere Gründe als bloß den Humor, der in meinem Glaube nicht zu kurz kommt.    

 

vor 9 Stunden schrieb Volker:

Letztlich handelt es sich jedoch um ein Denkverbot: Ab hier bitte nicht weiterdenken! Religion macht das Nichtdenken salonfähig.

 

Ach was. Ich darf glauben, was ich will und denken, was ich will, so wie jeder andere auch. Nichtdenken ist gar nicht so einfach, wie das bei dir anklingt. Gehirne denken sozusagen automatisch, um nicht zu sagen gezwungenermaßen, das ist so ähnlich wie beim Atmen, weil nicht jede Veranstaltung die im Gehirn abläuft, vom Bewusstsein kontrolliert wird. Aber wem erzähle ich das?    

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On 9/7/2024 at 1:56 AM, iskander said:

Denn ob man sagt, dass es eine Schmerzwahrnehmung überhaupt nicht gibt oder ob man sagt, dass es sie zwar gibt, aber eben nicht als Schmerz-Erlebnis, sondern als etwas fundamental anderes (Sprachäußerungen, kausale und funktionale Rollen, neurologische Prozesse usw.), läuft im Prinzip auf das Gleiche hinaus.

 

 

Behauptest Du, ein Wissen über Dein Schmerzerleben zu haben?


Wenn nein, dann verstehe ich nicht, worüber wir überhaupt sprechen.
 
Wenn ja, dann gilt entweder:
 
Dieses Wissen muss a) irgendwo in Deinem Gehirn codiert sein. Wenn es aber codiert ist, ist es einer physikalischen Analyse grundsätzlich zugänglich.
 
Oder Du sagst b), es gibt eine Art von Wissen, das nicht codierbar ist.
 
Aber wie soll b) mit der Physik zusammenpassen?

bearbeitet von KevinF
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9 hours ago, iskander said:

Unter dem Vorbehalt, dass meine Beschäftigung mit Dennett schon eine ganze Weile her ist und er viel geschrieben hat (auch Neueres), liegt das Problem m.E. in Dennett selbst begründet.

 

Das kann durchaus sein:

 

Dennett ist anscheinend schwieriger zu interpretieren als ich dachte.

 

Und ich habe gerade nicht die Zeit, seine Schriften erneut zu lesen und zu durchdenken.

 

Ich kann aber gerne von meiner Warte aus weiter über Qualia diskutieren.

 

Brauchen wir einen neuen Thread?

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Am 7.9.2024 um 19:28 schrieb KevinF:

 

Ich hätte beim Zitieren des Satzes tatsächlich darauf hinweisen sollen, dass der Wiki-Autor "glaubte zeigen zu können" hätte schreiben müssen statt "zeigte", denn ob Dennett es gezeigt hat, ist ja gerade umstritten 🙂

 

Ist mir peinlich, danke.

 

Braucht Dir nicht peinlich zu sein - Du hast ja korrekt aus einem sachlich relevanten Beitrag zitiert. Sollte höchstens dem Wiki-Autor etwas peinlich sein. ;)

 

Zitat

Bewusstsein ist immer noch eine Phänomen innerhalb der Raumzeit, das auf Materie/Energie basiert.

 

"Beruhen" ist natürlich ein Wort, das so einiges bedeuten kann. Letztlich wissen wir aber nur, dass bestimmte physiologische Prozesse notwendige bzw. hinreichende Bedingungen für bewusstes Erleben sind und mit ihm korrelieren.

 

Diese Erkenntnis nun ist aber per se mit vielen Deutungen vereinbar. Und das ist auch der Grund, warum es etliche Theorien dazu gibt, wie Psychisches und Physisches zueinander stehen, ohne dass man einfach experimentell entscheiden könnte, welche der Wahrheit entspricht (oder ihr am nächsten kommt). Und hier liegt zugleich auch des Grund, wieso wir selbst bei einem hypothetischen umfassende Fortschritt der empirisch arbeitenden Naturwissenschaft der Lösung des Rätsels kaum näher kämen. Denn die angesprochene Limitation, dass wir immer nur feststellen können: "Wenn Gehirnzustand G, dann auch psychischer Zustand P", ist grundsätzlicher Natur. Der psychische Zustand P als solcher ist nämlich naturwissenschaftlich prinzipiell nicht zugänglich (s.u.).

 

Zitat

Behauptest Du, ein Wissen über Dein Schmerzerleben zu haben?

 

Gewiss! So wie ich auch behaupte, zu wissen, was es bedeutet, froh zu sein oder unter Langeweile zu leiden. Nicht in dem Sinne, dass ich das genau erklären könnte; aber dieser Mangel hat m.E. weniger mit Unwissen zu tun als damit, dass es sich da sehr basales Phänomen handelt, die nicht mehr auf andere Phänomene "rückführbar" sind.

 

Zitat

Dieses Wissen muss a) irgendwo in Deinem Gehirn codiert sein. Wenn es aber codiert ist, ist es einer physikalischen Analyse grundsätzlich zugänglich.

 

Diese Formulierung ist interessant, weil sie aus meiner Sicht das eigentliche Problem verdeutlicht. Wenn eine Information "codiert" ist, heißt das ja, dass sie gerade nicht in "Reinform" vorliegt. Sie muss erst noch "decodiert" und somit explizit gemacht werden; erst dann haben wir es mit Wissen im eigentlichen und vollen Sinne zu tun. Das "potentielle" Wissen etwa, welches in einem Buch codiert ist, muss erst von einem des Lesens mächtigen Individuum decodiert werden, damit es zu "aktuellem" Wissen werden kann. Im Buch selbst existiert - streng betrachtet - nämlich kein Wissen, sondern ein Code, welcher es einem Subjekt, das dieses Code zu entschlüsseln vermag, ermöglicht, zu Wissen zu gelangen.

 

Liegen nun im Gehirn beispielsweise Schmerz - oder das Wissen um Schmerz - auch in expliziter Form vor? Also nicht allein in codierter und damit letztlich "uneigentlicher" Form? Könnte also ein Neurowissenschaftler mit hinreichend guten physikalischen Messgeräten den Schmerz als Schmerz und das Wissen als Wissen analysieren? Also nicht eine Struktur bzw. einen Prozess, der den Schmerz oder das Wissen "in codierter Form beinhaltet", sondern wirklich den "Schmerz als solchen" bzw. "das Wissen als solches"?

 

Ich würde meinen: Ersichtlich nicht. Das würde dann aber bedeuten, dass Schmerz und Wissen - anders als beispielsweise Nervenzellen und ihre Interaktionen - nicht im eigentlichen Sinne im Gehirn befindlich bzw. nicht im eigentlichen Sinne dem naturwissenschaftlichen Zugriff zugänglich sind.
 

Zitat

 

Oder Du sagst b), es gibt eine Art von Wissen, das nicht codierbar ist.

 

Aber wie soll b) mit der Physik zusammenpassen?

 

 

Ich würde es so formulieren: Es muss auch ein uncodiertes Wissen und ein uncodiertes Schmerzempfinden geben, und diese sind dann physikalisch nicht mehr untersuchbar. (Ob alles Wissen "codierbar" physikalisch ist, wäre eine andere Frage.)

 

Eine derartige Auffassung wäre nur dann nicht mit der Physik vereinbar, wenn alles, was es gibt (oder zumindest alles, was irgendwie mit der physikalischen Welt im Beziehung steht), auch physikalisch wäre. Eine solche Annahme lässt sich nun aber selbst nicht physikalisch beweisen. Sie ist philosophisch/metaphysisch und würde als eine Art von "Physikalismus" zu gelten haben. Man kann zu diesem Thema natürlich viel sagen, und es gibt viele Diskussionen dazu, aber zumindest ich für meinen Teil würde bezweifeln, dass der Physikalismus überzeugend begründbar ist. Zudem hat er m.E. mit großen Schwierigkeiten zu tun - das Psychische ist (m.E.) eine solche Schwierigkeit, aber nicht die einzige.

 

Nach meinem Dafürhalten besteht die einzige sinnvolle Lösung darin, anzuerkennen, dass es psychische Phänomene als einen Aspekt sui generis innerhalb der Gesamt-Wirklichkeit gibt, der nicht auf Physisches rückführbar ist und daher auch nicht physikalisch beschreibbar und untersuchbar ist.

 

Dass es tatsächlich unmöglich ist, psychische Phänomene physikalisch zu beschreiben und zu untersuchen, ist natürlich erst einmal meine Behauptung, aber ich meine, dass sie sich einsichtig machen lässt. Wenn man sich klar macht, was eben ein bestimmtes Erleben ist (sagen wir Freude oder Langeweile), und was ein physikalischer Prozess ist (etwa eine beliebige Bewegung von Materie), sollte ersichtlich werden, dass hier ein kategorialer Unterschied besteht.

Man kann das natürlich noch näher betrachten, indem man beispielsweise darauf hinweist, dass "Erleben" immer "für" ein Subjekt existiert und sich auf eine bestimmte Weise "anfühlt", im Gegensatz zu physikalischen Objekten, Zuständen und Prozessen. Aber im Grunde genügt es wohl schon, wenn man sich einmal ganz ernsthaft und ganz konkret die Frage stellt, wie man denn beispielsweise ein Gefühl (Freude, Langweile, Erstaunen) oder einen Gedankengang ("ich überlege mir dies und das") mithilfe physikalischer Kategorien und Begriffe beschreiben sollte. Oder auch die Frage, wie physikalische oder chemische Experimente, mit denen man Gedanken und Gefühle (und nicht etwa nur ihre physiologischen Korrelate) untersuchen könnte, beschaffen sein könnten. 

 

Die ganze Problematik lässt sich auch dadurch veranschaulichen, dass man sich zu überlegen versucht, wie man zum Psychischen "gelangen" könnte, wenn man von bestimmten physikalischen Strukturen und Prozessen (also in diesem Fall vom menschlichen Gehirn) ausgeht. Peter Bieri hat das im Anschluss an Leibniz schön illustriert: 

 

"Stellen wir uns vor, ein menschliches Gehirn sei maßstabgetreu so weit vergrößert, daß wir in ihm umhergehen könnten wie in einer riesigen Fabrik. Wir machen eine Führung mit, denn wir möchten wissen, woran es liegt, daß der entsprechend vergrößerte Mensch, dem das Gehirn gehört, ein erlebendes Subjekt mit einer Innenperspektive ist.  [...] Wir können nicht erkennen, was hier drinnen es notwendig macht, daß der Mensch etwas erlebt. Wir können einsehen, warum die eine chemische Reaktion eine andere nach sich zieht, warum durch die chemischen Prozesse an den Synapsen elektrische Potentiale sich aufbauen und so weiter. Ganz anders beim Erleben: Warum ist der eine chemische Stoff relevant für Schmerz und der andere für Angst? Warum nicht umgekehrt? Warum läßt mich dieses Erregungsmuster im visuellen Cortex rot sehen und nicht grün oder blau oder gelb?

Manchmal, so grübeln wir, erscheinen uns Zusammenhänge nur deshalb als zufällig und mithin als unerklärlich, weil es verborgene Zwischenglieder gibt, die wir nicht kennen. Daß uns Zyankali tötet, wenn wir es einnehmen, wird verständlich, wenn wir die physiologische Kausalkette im einzelnen aufklären. Aber das kann es hier nicht sein. Wir könnten die gesamte Maschinerie hier drin so kleinteilig erforschen, wie wir wollten, bis hinunter zu den Molekülen, Atomen oder sogar noch weiter: Stets blieben wir mit
unseren Entdeckungen auf der Seite des Gehirns, keine von ihnen würde uns hinüber zum Erleben führen. Die vertraute Idee der Zwischenglieder funktioniert hier einfach nicht. [...]"

 

Dazu, dass Emergenz - jedenfalls so, wie sie normalerweise in der Natur auftaucht und uns aus ihr bekannt ist - uns hier nicht weiterbringt:

 

"Es ist ein vertrautes Phänomen, sagen wir uns, daß ein System als Ganzes Eigenschaften hat, die sich an keinem seiner Teile finden. Man denke etwa an die Härte und Durchsichtigkeit von Edelsteinen. Ist das vielleicht der Schlüssel? Sind wir vielleicht deshalb verwirrt, weil wir, in der Nervenfabrik umhergehend, immer nur Teile sehen und das Ganze aus den Augen verloren haben? Hätten wir nicht ein ähnliches Problem, wenn wir in einem vergrößerten Diamanten umherliefen?
Nein, sagen wir uns nach einer Weile mit Entschiedenheit. Eben gerade nicht. Wir sähen dann die Gitterstruktur der Kohlenstoffatome, wir kennten die energetischen Verhältnisse und vieles mehr und könnten uns genau ausrechnen, daß das Ganze sich bei Druck und Licht so und nicht anders verhalten muß.

Und ähnlich wäre es bei zahllosen anderen Beispielen: der Oberflächenspannung oder dem Gefrierpunkt einer Flüssigkeit, der Brennbarkeit oder der Lichtabsorption eines Materials und so weiter. Hier ist die Systemeigenschaft als notwendig herleitbar und in diesem Sinne verstehbar aus den Elementen, ihren Eigenschaften und ihrer Anordnung. Und im Prinzip verhält es sich nicht anders bei lebendigen Systemen wie etwa Pflanzen. Aus diesem Grunde sind das ehemalige Rätsel des Lebens und das Rätsel des Bewußtseins nicht miteinander vergleichbar.
Das Vertrackte an Bewußtsein ist aber gerade, daß diese ganze Betrachtungsweise hier nichts einbringt. Wenn einer zum ersten Mal einen Diamanten baute, so wäre er am Schluß nicht überrascht über seine Härte und Durchsichtigkeit. Wenn einer zum ersten Mal eine Pflanze baute, so wüßte er, daß sie am Ende atmen und sich dem Licht entgegen ranken würde. Wenn einer dagegen zum ersten Mal ein Gehirn baute, so würde es selbst ihn, den Konstrukteur, der über jede Einzelheit Bescheid wüßte, vollständig überraschen, daß er damit auch ein erlebendes Subjekt geschaffen hätte, wie er selbst eines ist. [...]"

 

Zu einer funktionale Perspektive (Stichwort Computer und Software):

 

"Der Führer überreicht uns nun zwei riesige Schaltpläne. [...] „Das ist jetzt die rein funktionale Architektur des Ganzen", sagt der Führer. „Sie könnte selbstverständlich auch mit einem ganz anderen Material verwirklicht werden." [...] Würden wir verstehen, wie es durch diese Fabrik zu einer Innenperspektive kommt [also zu bewusstem Erleben; iskander], wenn es uns gelänge, das, was wir sehen, funktional richtig zu lesen [...]?
Wir verwerfen auch diesen Gedanken. Denn wir hätten bei jeder funktionalen Architektur, die wir uns zurechtlegen könnten, denselben Eindruck: Sie könnte haargenau so auch in einem System verwirklicht sein, das überhaupt nichts erlebt. Und entsprechend: Statt daß die Erlebnisqualitäten gerade so über das funktionale Netz verteilt wären, könnten sie auch ganz anders verteilt sein, systematisch verschoben oder auch ohne jegliche Ordnung. Zwischen Funktion und Erlebnisqualität gibt es, so scheint uns, nicht mehr inneren Zusammenhang als zwischen materieller Struktur und Erlebnis."

 

Soweit Peter Bieri (Quelle).

 

Was letztlich hinter dieser Rätselhaftigkeit stehen dürfte, ist die schon erwähnte phänomenologische Unähnlichkeit von Psychischem und Physischem: Wenn wir ein beliebiges bewusstes Erleben "betrachten", dann ist dieses von einer beliebigen physikalischen Struktur oder einem beliebigen physikalischen Prozess verschieden, und es fällt in der Tat schwer, überhaupt gemeinsame Eigenschaften zu benennen. 

Wenn man dennoch behauptet, dass ein bestimmtes Erleben (wie ein Gefühl von Freude oder Ärger) mit einem bestimmten physischen Zustand (etwa dem Gehirnzustand G) identisch ist, müsste man zumindest einräumen, dass es dann offenbar "Dinge" gibt, die zwei unterschiedliche "Seiten" oder "Aspekte" haben - wobei dann nur einer der beiden Aspekt physikalisch beschreibbar und untersuchbar ist, der andere hingegen nicht. (Wie überzeugend eine solche Zwei-Aspekte-Auffassung ist, müsste man dann näher analysieren.)

 

Alternativ könnte man auch versuchen, einen der Phänomenbereiche zu negieren, und in der Tat gibt es die philosophische Richtung des "Eliminativen Materialismus", die behauptet, dass es Bewusstsein im üblichen Sinne gar nicht gebe. Dieser Ansatz ist aber nicht sehr weit verbreitet und stellt nach meiner Überzeugung eine intellektuelle Verzweiflungstat dar, und sie ist nach meinem Dafürhalten auf den zweiten und dritten Blick genauso unhaltbar wie auf den ersten.
 

Zitat

 

Ich kann aber gerne von meiner Warte aus weiter über Qualia diskutieren.

 

Brauchen wir einen neuen Thread?

 

 

Das wäre wahrscheinlich sinnvoll! Vielleicht könnte die Moderation dann auch diejenigen Beiträge, die sich ausschließlich mit diesem Thema befassen, dorthin verschieben? Vielleicht unter einem Titel wie "Bewusstsein und Erleben" oder etwas ähnlichem, denn mit "Qualia" können die meisten Leute wohl wenig anfangen...

bearbeitet von iskander
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vor 17 Minuten schrieb iskander:

Denn die angesprochene Limitation, dass wir immer nur feststellen können: "Wenn Gehirnzustand G, dann auch psychischer Zustand P", ist grundsätzlicher Natur. Der psychische Zustand P als solcher ist nämlich naturwissenschaftlich prinzipiell nicht zugänglich (s.u.).

 

Du machst viele Worte um eine einfache Tatsache: Daß psychische Zustände physikalisch bisher nicht gemessen werden können. Das möchte auch daran liegen, daß die Physik, ihre Methoden und Erwartungen, einfach die falsche Wissenschaft dafür ist. :D 

 

Wobei ich denke, das eigentliche Problem liegt noch etwas tiefer, denn es sind ja nicht Physiker, die solche Untersuchungen anstellen, sondern meistens Philosophen (siehe Daniel Dennett) Da verwundert einen das Scheitern solcher Unternehmungen schon viel weniger. 

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vor 2 Stunden schrieb Marcellinus:

Du machst viele Worte um eine einfache Tatsache: Daß psychische Zustände physikalisch bisher nicht gemessen werden können.

 

(Hervorhebung von mir)

 

Es geht hier nicht um darum, dass Gedanken usw. bisher nicht physikalisch gemessen werden konnten, sondern dass die prinzipiell im physikalischen Sinne unmessbar sind. Das liegt daran, dass es sich bei psychischen Phänomenen - anders als etwa bei neuronalen Vorgängen - nicht um räumlich-materiell strukturierte Entitäten handelt, die mit einem physikalischen Vokabular beschreibbar wären. Wenn Du versuchst, einen Gedanken oder Bewusstseinszustand physikalisch zu beschreiben, wirst Du scheitern. Daher gibt es hier überhaupt keinen Ansatzpunkt für eine physikalische Untersuchung. Ganz anders hingegen, wenn Du versuchst, ein menschliches Gehirn (oder die Prozesse in ihm) zu beschreiben: Das gelingt, und da hat man dann auch eine Basis für weitere Untersuchungen.

 

Nun man sagen: "Ja, aber vielleicht sind Gedanken usw. in Wahrheit doch physikalische Objekte und wir verstehen es nur nicht." Selbst wenn man dies gelten lassen mag, müsste man aber immerhin festhalten: Insoweit uns psychische Phänomene zugänglich sind, sind sie nicht physikalisch, und insoweit uns physikalische Objekte zugänglich sind, sind sie nicht psychisch. Wenn es hier dennoch eine Einheit geben sollte, dann wäre es die Einheit eines Objekts, welches uns zwei verschiedene Seiten präsentiert, die völlig unterschiedlich sind und von denen wir auch überhaupt nicht verstehen können, wie sie Teilaspekte einer Gesamtheit sein sollen. (Anders etwa als bei den zwei Seiten einer Münze, wo wir problemlos verstehen, dass es sich um Teilaspekte einer Gesamtheit handeln kann.)

Und es würde bleiben, dass wir eben den einen dieser beiden Aspekt unmöglich in den Worten der Physik beschreiben und unmöglich physikalisch untersuchen können.

 

Das ist auch kein "temporäres" Problem, sondern ein grundsätzliches. Die Annahme, dass die Physik (die Chemie, die Neurobiologie) nicht nur physikalische Prozesse, sondern zumindest im Prinzip auch einen Gedanken als Gedanken untersuchen kann - also als das, was uns in unserem bewussten Erleben zugänglich ist und was wir im Alltag als "Gedanken" bezeichnen -, stellt einen Kategorienfehler dar. Wenn ein Neurowissenschaftler ein Gehirn sieht, wird er nie sagen können: "Oh, nun endlich sehe ich nicht nur komplexe neuronale Prozesse, sondern wirklich einen Gedanken selbst! Er ist so und so lange und von dieser und jener Dichte und Farbe!" Sondern er sieht immer nur neuronale Prozesse, welche überhaupt keine phänomenologische Ähnlichkeit mit Gedanken haben.

(Er kann aber diese neuronalen Muster, wenn die Wissenschaft sehr gut voranschreitet, vielleicht irgendwann einmal recht zuverlässig mit Gedanken korrelieren. Ein solcher potentieller Fortschritt setzt dann aber immer Untersuchungen voraus, die psychische Phänomene als solche adressieren.)

 

Vielleicht hilft eine Analogie: Ein experimenteller Chemiker wird durch seine Arbeit als Chemiker niemals in der Lage sein, bestimmte Theorien der Makroökonomik (etwa zu den Wirkungen des Leitzinses auf Wechselkurse) zu bestätigen oder zu widerlegen. Das liegt nicht daran, dass es noch kein Chemiker versucht hat. Es liegt vielmehr daran, dass die Chemie durch einen bestimmten Gegenstandsbereich und bestimmte Methoden charakterisiert ist, die prinzipiell ungeeignet sind, makroökonomische Theorien zu untersuchen.

Wir brauchen auch nicht darauf zu hoffen und zu warten, dass sich das ändern wird, und dass irgendwann ein genialer Chemiker einen Labor-Test entwickeln wird, durch den er dann im Reagenzglas die Auswirkungen des Leitzinses auf den Währungskurs untersuchen kann, vielleicht mithilfe von Verfärbungen von Teststreifen. Man muss nur verstehen (und hier reicht selbst ein grobes Verständnis), was Chemie ist und was der Leitzins ist, um zu begreifen, dass es so nicht geht und auch nicht gehen kann.

 

Und damit kämen wir auch auf ein anderes Thema zu sprechen: Nicht jede Frage kann und muss empirisch untersucht werden, um sinnvoll beantwortet werden zu können. Vielmehr müssen manche Dinge zuerst einmal verstanden werden, damit eine empirische Untersuchung nachgeordneter Fragen überhaupt vonstatten gehen kann. Ein Chemiker sollte beispielsweise begreifen, dass es prinzipiell sinnvoll ist, wenn er sich in seiner Eigenschaft als Chemiker mit der Löslichkeit von Schwefel in verschiedenen Flüssigkeiten beschäftigt, und wenn er versucht, sich Experimente zu dieser Fragestellung zu überlegen. Er sollte aber genauso verstehen, dass es nicht sinnvoll ist, mithilfe der Methoden der experimentellen Chemie die Auswirkungen des Leitzinses auf Wechselkurse zu untersuchen oder sich chemische Versuche zu dieser Fragestellung zu überlegen.

 

Zitat

Wobei ich denke, das eigentliche Problem liegt noch etwas tiefer, denn es sind ja nicht Physiker, die solche Untersuchungen anstellen, sondern meistens Philosophen (siehe Daniel Dennett)

 

Das liegt schlichtweg in der Natur der Sache begründet. Manche Fragestellungen sind wie gesagt einer empirisch-naturwissenschaftlichen Untersuchung prinzipiell nicht zugänglich. Wenn Physiker (oder Neurowissenschaftler) bestimmte interessante und relevante Fragestellungen nicht behandeln, liegt es sicher nicht daran, dass sie grundsätzlich keine Lust hätten. Und schon 100 mal nicht daran, dass böse Philosophen den Wunsch oder gar die Macht hätten, eine Befassung solcher Leute mit diesen Fragen zu verhindern. Und manche Natur- oder Kognitionswissenschaftler befassen sich ja auch in der Tat mit derartigen Fragen, aber zumindest die etwas klügeren wissen durchaus, dass sie dann ihren Fachbereich verlassen. Und wenn sie noch klüger sind, dann verstehen sie auch die grundsätzliche Problematik. Wie etwa Emil du Bois-Reymond, Mitbegründer der Physiologie und Begründer der Elektrophysiologie:

 

"Was aber die geistigen Vorgänge selber betrifft, so zeigt sich, daß sie bei astronomischer Kenntnis des Seelenorgans uns ganz ebenso unbegreiflich wären, wie jetzt. Im Besitz dieser Kenntnis ständen wir vor ihnen wie heute, als vor einem völlig Unvermittelten. Die astronomische Kenntnis des Gehirns, die höchste, die wir davon erlangen können, enthüllt uns darin nichts als bewegte Materie. Durch keine zu ersinnende Anordnung oder Bewegung materieller Teilchen aber läßt sich eine Brücke ins Reich des Bewußtseins schlagen. [...]

Es scheint zwar bei oberflächlicher Betrachtung, als könnten uns durch die Kenntnis der materiellen Vorgänge im Gehirn gewisse geistige Vorgänge und Anlagen verständlich werden. Ich rechne das Gedächtnis dahin, den Fluß und die Assoziation der Vorstellungen, die Folgen der Übung, die spezifischen Talente und dgl. mehr. Das geringste Nachdenken lehrt, daß das eine Täuschung ist. Nur über gewisse innere Bedingungen des Geisteslebens, welche mit den äußeren durch die Sinneseindrücke gesetzten etwa gleichbedeutend sind, würden wir unterrichtet sein, nicht über das Zustandekommen des Geisteslebens durch diese Bedingungen.

Welche denkbare Verbindung besteht zwischen bestimmten Bewegungen bestimmter Atome in meinem Gehirn einerseits, andererseits den für mich ursprünglichen, nicht weiter definierbaren, nicht wegzuleugnenden Tatsachen: "Ich fühle Schmerz, fühle Lust; ich schmecke Süßes, rieche Rosenduft, höre Orgelton, sehe Rot" und der ebenso unmittelbar daraus fließenden Gewißheit: "Also bin ich?" Es ist eben durchaus und für immer unbegreiflich, daß es einer Anzahl von Kohlenstoff,- Wasserstoff-, Stickstoff-, Sauerstoff- usw. Atomen nicht sollte gleichgültig sein, wie sie liegen und sich bewegen, wie sie lagen und sich bewegten, wie sie liegen und sich bewegen werden. Es ist in keiner Weise einzusehen, wie aus ihrem Zusammenwirken Bewußtsein entstehen könne. Sollte ihre Lagerungs- und Bewegungsweise ihnen nicht gleichgültig sein, so müßte man sie sich nach Art der Monaden schon einzeln mit Bewußtsein ausgestattet denken. [...]

Daß es vollends ungmöglich sei und stets bleiben werde, höhere geistige Vorgänge aus der als bekannt vorausgesetzten Mechanik der Hirnatome zu verstehen, bedarf nicht der Ausführung. Doch ist, wie schon bemerkt, gar nicht nötig, zu höheren Formen geistiger Tätigkeit zu greifen, um das Gewicht unserer Betrachtung zu vergrößern. Sie gewinnt gerade an Eindringlichkeit durch den Gegensatz zwischen der vollständigen Unwissenheit, in welcher astronomische Kenntnis des Gehirns uns über das Zustandekommen auch der niedersten geistigen Vorgänge ließe und der durch solche Kenntnis gewährten ebenso vollständigen Enträtselung der höchsten Probleme der Körperwelt. Ein aus irgendeinem Grund bewußtloses, z. B. ohne Traum schlafendes Gehirn enthielte, astronomisch durchschaut, kein Geheimnis mehr und bei astronomischer Kenntnis auch des übrigen Körpers wäre so die ganze menschliche Maschine, mit ihrem Atmen, ihrem Herzschlag, ihrem Stoffwechsel, ihrer Wärme usw. bis auf das Wesen von Materie und Kraft, völlig entziffert. Der traumlos Schlafende ist begreiflich, wie die Welt, ehe es Bewußtsein gab. Wie aber mit der ersten Regung von Bewußtsein die Welt doppelt unbegreiflich wurde, so wird es auch der Schläfer wieder mit dem ersten ihm dämmernden Traumbild."

https://www.gleichsatz.de/b-u-t/trad/ts/edubois1.html

 

Zitat

Da verwundert einen das Scheitern solcher Unternehmungen schon viel weniger. 

 

Ich möchte Dich darauf hinweisen, dass Deine Kenntnisse der Philosophie und Dein Verständnis derselben doch nicht ganz so groß sind wie Deine Verachtung für sie, die Du in mindestens jedem zweiten thematisch relevanten Beitrag äußerst. B)
 

bearbeitet von iskander
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