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Fürwahrhalten in der Religion


KevinF

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vor 17 Stunden schrieb iskander:
Am 12.11.2024 um 17:41 schrieb KevinF:

Du kannst entweder gar nicht für die Zukunft planen bzw. Deine Hypothesen rein zufällig wählen oder Du gehst davon aus, dass die Naturgesetze auch morgen noch gelten.

 

Ich bezweifle doch gar nicht, dass die Naturgesetze auch morgen gelten. Ich bin aber deswegen davon überzeugt, dass die Naturgesetze auch noch morgen gelten, weil ich von der Gültigkeit der Induktion (bzw. einer gewissen Gleichförmigkeit der Natur, was auf das gleiche hinausläuft) überzeugt bin. Wäre ich nicht von der Gültigkeit der Induktion überzeugt, wäre meine Überzeugung von der morgigen Gültigkeit der Naturgesetze wohl eher instinkthaft als rational. 

 

Das war von mir schlecht formuliert! Was ich eigentlich meinte ist etwas anderes: Woher wissen wir, dass die Naturgesetze (höchstwahrscheinlich) noch morgen gelten werden? Wenn wir es induktiv daraus folgern, dass sie bisher galten, dann kämen wir im Hinblick auf das Induktionsproblem nicht weiter. Die Frage an dieser Stelle wäre also, ob es noch eine andere Möglichkeit gibt.

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vor 28 Minuten schrieb iskander:

Woher wissen wir, dass die Naturgesetze (höchstwahrscheinlich) noch morgen gelten werden?


Die „Naturgesetze“ sind keine Gesetze, daher „gelten“ sie auch nicht. Es sind einfach beobachtbare Eigenschaften, die Physiker, den Traditionen ihrer Zeit folgend, Gesetze genannt haben. Sie gelten solange, wie sich die Eigenschaften der Objekte nicht grundlegend ändern, oder wir grundlegend Neues über sie herausfinden. Bloßes Denken führt da zu gar nichts.

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vor 12 Stunden schrieb KevinF:

"Die Naturgesetze gelten auch morgen noch" war als alternative Formulierung für "gewisse Gleichförmigkeit der Natur" gedacht.
 
 
Den Begriff "Induktion" habe ich bewusst vermieden, weil ich ihn für missverständlich halte, weil  man ihn als Synonym für den "induktiven Schluss" verstehen könnte, der ja unstrittig logisch ungültig ist.

 

Das Problem ist hier nur dieses: Das Prinzip der Gleichförmigkeit der Natur und die Induktion hängen eng zusammen. Wenn wir die Gleichförmigkeit hätten, dann hätten wir auch die Induktion. Ohne Gleichförmigkeit aber werden wir aber auch die Induktion nicht begründen können:

 

"Humes zentrale Frage lautet: Worauf beruhen solche Induktionsschlüsse auf Grundlagemvon Erfahrung? D.h., durch was lassen sie sich rechtfertigen?
“What is the foundation of all conclusions from experience?” (EHU 4.2, S.113)
Laut Hume beruhen induktive Schlüsse auf unserer Annahme des Prinzips der Gleichförmigkeit der Natur. Dieses Prinzip umreißt er so:
“[The] principle, that instances, of which we have had no experience, must resemble those, of which we have had experience, and that the course of nature continues always uniformly the same.” (Treatise 1.3.6, S.62)
Kurz: Wir sind gerechtfertigt, induktiv aus bislang Beobachtetem auf Unbeobachtetes zu schließen, weil wir unterstellen dürfen, dass Unbeobachtetes dem bislang Beobachteten (zumindest weitgehend) ähnlich ist (bzw. sein wird)."

https://philpeople.org/public_cache/file?content_type=application%2Fpdf&key=2zT9jfecAcEjM2NqitgKrRGB

 

Das Folgeproblem ist daher, ob eine Rechtfertigung des Gleichförmigkeitsprinzips möglich ist, was Hume verneint (gleiche Quelle):

 

"Auf der einen Seite können wir nicht durch Hinschauen feststellen, dass Unbeobachtetes dem Beobachteten wesentlich ähnlich ist (bzw. sein wird). Dafür müssten wir ja das
beobachten, was unbeobachtet bzw. zukünftig ist.
Auf der anderen Seite ist das Prinzip keine unmittelbar einsichtige a priori Wahrheit wie z.B. „Junggesellen sind unverheiratet“, „Alle Gegenstände im Universum sind mit sich
selbst identisch“ oder „2+2=4“. Es lässt sich also auch nicht durch den Verstand begründen. [...]

(a) Das Prinzip der Gleichförmigkeit der Natur lässt sich nicht demonstrativ durch Deduktion begründen. Weil jede deduktive Folgerung notwendig wahr und ihre Negation
dementsprechend ein Widerspruch ergeben muss. Aber das Prinzip der Gleichförmigkeit der Natur ist keineswegs eine notwendige Wahrheit – wir können uns ohne
Widerspruch sein Gegenteil vorstellen. Wir können uns beispielsweise vorstellen, dass alle bisherigen Schwäne weiß und alle unbeobachteten Schwäne rosarotkariert sind.
“That there are no demonstrative arguments in the case seems evident; since it implies no contradiction that the course of nature may change (...).“(EHU 4.II 115)
(b) Das Prinzip der Gleichförmigkeit der Natur lässt sich aber auch nicht empirisch durch Induktion rechtfertigen. Denn jede induktive Rechtfertigung des Prinzips, das
seinerseits wiederum die Induktion rechtfertigen soll, wäre zirkulär.
„But (...) all our experimental conclusions proceed upon the supposition that the future will be conformable to the past. To endeavour, therefore, the proof of this last supposition by probable arguments (...) must be evidently going in a circle (...). (EHU 4.II 115)
Hume Fazit lautet demnach: Das Prinzip der Gleichförmigkeit der Natur ist nicht vernünftig begründbar!"

 

Folgende Punkte sind gewiss richtig:

 

- Ohne Annahme einer gewissen Gleichförmigkeit der Natur kann es keine Rechtfertigung im eigentlichen Sinne für die Geltung induktiver Schlüsse geben.

- Wir können das Gleichförmigkeitsprinzip (und damit die Gültigkeit der Induktion) nicht direkt aus der sinnlichen Beobachtung als wahr erschließen.

- Wie können das Gleichförmigkeitsprinzip nicht induktiv begründen, weil ein induktiver Schluss seine Geltung bereits voraussetzt.

- Es stellt kauch eine logisch-analytische Wahrheit dar, die bereits durch die Definition gilt (wie "Alle Junggesellen sind unverheiratet").

- Wir können nicht ausschließen - noch nicht einmal mit hoher Wahrscheinlichkeit -, dass die Natur oder die Naturgesetze sich sich einmal ändern werden. (Soweit ich im Bilde bin, geht die Physik davon aus, dass einmal alle Materie zerfallen wird.)

 

Deshalb ist die Begründung der Gültigkeit der Induktion durchaus eine Herausforderung.

 

vor 12 Stunden schrieb KevinF:

Mein Argument in Kurzform ist "Wenn wir auch nur eine Chance haben wollen, erfolgreich zu handeln, müssen wir davon ausgehen, dass die Naturgesetze auch in der nächsten Sekunde/ Minute/ Stunde/am nächsten Tag noch gelten."

 

Das ist sicher so, aber das ist doch etwas wenig. Es klingt nach einer etwas verzweifelten, rational nicht begründbaren Hoffnung, mit der man doch alles mögliche rechtfertigen könnte.

Die Wissenschaft will aber doch sagen: "Wir wissen, dass die nächste Mondfinsternis dann und dann ist!" und nicht: "Wir haben keine Ahnung, wann die nächste Mondfinsternis ist; aber obwohl es eigentlich keine sachliche Rechtfertigung gibt, nehmen wir einmal an, dass die Natur gleichförmig ist. Wir wissen halt einfach nicht, was wir sonst tun sollten. Und wenn unsere Hoffnung sich unerklärlicherweise als berechtigt herausstellen sollte, dann wäre die nächste Mondfinsternis dann und dann."

 

Zitat

Wir haben es bei der "gewissen Gleichförmigkeit der Natur" also mit einer falsifizierbaren Hypothese zu tun, die notwendig ist und sich quasi pausenlos bestätigt.


 Stimmt; aber das Problem ist eben, dass eine häufige Bestätigung ohne Geltung der Induktion nicht unmittelbar für die Wahrheit der infrage stehenden These spricht.

 

Zitat

Darum sehe ich hier kein Problem (und darum ist diese Annahme auch Bestandteil unserer fundamentalsten naturwissenschaftlichen Theorien).

 

Wie gesagt: Einerseits brauchen wir Induktion und eine "gewisse" Gleichförmigkeit, und offenbar gelten sie auch. Andererseits ist es nicht so offensichtlich, woher wir wissen können, dass sie gelten.

 

Zitat

Du hingegen suchst nach einer Begründung für... ja, wofür eigentlich?
Für die absolute Wahrheit und Geltung der Hypothese?


Erst einmal überhaupt eine Begründung! ;)
 

Zitat

Wie genau muss ich mir Deine Unternehmung denn vorstellen?
 
Würde mich wirklich interessieren.

 

Es ist tatsächlich sehr schwierig, das in ein paar Worten zu sagen, aber ich versuche es skizzenhaft: Im ersten Schritt müssen wir m.E. gewissermaßen abduktiv für eine (nicht unbedingt dauerhafte) Gleichförmigkeit der Natur bzw. Naturgesetze argumentieren - in dem Sinne dass dann, wenn nicht bestimmte Dinge gälten, unsere Erfahrung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht sein könnte, wie sie ist. Im zweiten Schritt müssen wir ähnlich argumentieren, dass, angenommen dass Naturgesetze sich ändern, die Dauer der Geltung und die Änderung nicht chaotisch sein/erfolgen kann, weil sonst wiederum unsere Erfahrung unerklärbar bzw. faktisch unmöglich wäre; und daraus dann ableiten, dass, wenn ein Naturgesetz sehr lange gegolten hat, es ceteris paribus sehr unwahrscheinlich ist, dass "in Bälde" eine Veränderung bevorsteht.

 

Ich würde in diesem Zusammenhang das folgende Buch-Kapitel empfehlen:

https://web.archive.org/web/20151017005120/http://82.135.31.182/deVries/kritik6.htm#73

 

Das Induktionsproblem wird dort zwar noch nicht vollständig gelöst, aber die Grundlage der Lösung wird m.E. sichtbar. Es geht dort auch nicht nur um Induktion, sondern auch um weitere grundlegende Voraussetzungen von alltäglicher und wissenschaftlicher Erkenntnis (wie etwa die Zuverlässigkeit des Gedächtnisses oder von Informationen durch Dritte) - aber aus meiner Sicht ist das durchaus legitim, denn es gehört alles irgendwo zusammen, und die Grundzüge der Problemlösung sind ähnlich.

 

vor 11 Stunden schrieb KevinF:

Damit es nicht zu viel auf einmal wird, habe ich mich mal auf "Induktion" beschränkt.

 

Über den Rest können wir dann immer noch sprechen.

 

Gerne. Würdest Du nach dem, was ich zur Gleichförmigkeit geschrieben (bzw. zitiert) habe, immer noch sagen, dass Du keine nachvollziehbare Fragestellung siehst.

 

vor 11 Stunden schrieb KevinF:

Kant beansprucht in der "Kritik der reinen Vernunft" synthetische Erkenntnisse a priori zu produzieren, die gemäß Anspruch von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht tangiert wären.

 

Aber faktisch ändert die moderne Physik natürlich alles.

 

Das stimmt natürlich insoweit, als Kant etwa meinte, die Newtonsche Physik a priori begründen zu können. Die Grundstruktur der Kantischen Philosophie scheint mir ansonsten aber davon weitgehend unabhängig zu sein - angefangen mit seinem Phänomenalismus (wir erkennen die Dinge nur so, wie sie uns erscheinen, nicht so, wie sie sind).

 

(Dieser Phänomenalismus wäre übrigen auch das, was Elias an großen Teilen der modernen Philosophie kritisiert - im Fall Kants weitgehend begründet, in den Fällen von Descartes und Popper weit weniger begründet.)

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vor 1 Stunde schrieb Marcellinus:

Die „Naturgesetze“ sind keine Gesetze, daher „gelten“ sie auch nicht. Es sind einfach beobachtbare Eigenschaften, die Physiker, den Traditionen ihrer Zeit folgend, Gesetze genannt haben. Sie gelten solange, wie sich die Eigenschaften der Objekte nicht grundlegend ändern, oder wir grundlegend Neues über sie herausfinden.

 

Dass das aber nur sprachliche und keine sachlichen Differenzen sind, ist Dir schon bewusst? ;)

 

Zitat

Bloßes Denken führt da zu gar nichts.

 

Richtig - wie Naturgesetze aussehen ist eine empirische Frage.

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vor 7 Minuten schrieb iskander:
vor 1 Stunde schrieb Marcellinus:

Die „Naturgesetze“ sind keine Gesetze, daher „gelten“ sie auch nicht. Es sind einfach beobachtbare Eigenschaften, die Physiker, den Traditionen ihrer Zeit folgend, Gesetze genannt haben. Sie gelten solange, wie sich die Eigenschaften der Objekte nicht grundlegend ändern, oder wir grundlegend Neues über sie herausfinden.

 

Dass das aber nur sprachliche und keine sachlichen Differenzen sind, ist Dir schon bewusst? ;)


Kann, muss aber nicht! Unter Gesetzen versteht man normalerweise außen stehenden Normen, nach denen sich bestimmte Objekte zu richten haben. 
 

Naturgesetze dagegen sind Eigenschaften der Objekte selbst, denen wir nur nachträglich die Form von Gesetzen gegeben haben (und heute nicht mehr tun würden, da wir heute andere sprachliche Traditionen haben).

 

Solange einem das klar ist, ist alles okay. Wenn nicht, dann nicht.

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@iskander

Ich verstehe nicht, warum du so auf Induktion herumreitest. Induktion bedeutet doch, vom Speziellen aufs Allgemeine zu schließen. In meiner Sprache ist das einfach, aufgrund von Tatsachenbeobachtungen Modelle zu bilden. Und diese Modelle können zutreffend oder falsch sein. Induktion ist also keine "Methode", die richtige Ergebnisse garantiert. Damit ist deine Frage nach der (allgemeinen) "Gültigkeit" von induktiven Schlüssen in den Naturwissenschaften beantwortet: allgemein gültig sind sie nicht! Oder wie eine Astrophysikerin am James-Weg-Teleskop so treffend formulierte: „Wenn die Daten nicht den Modellen entsprechen, stimmen die Modelle nicht.“ ;)

 

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vor 18 Stunden schrieb Marcellinus:

Oh, doch, allerdings handelt es sich nicht um Wissen im Sinne der (deiner?) Philosophie, sondern im realistischen, praktischen Sinne. Die Evolution brachte mit den Affen Wesen hervor, die wußten, wie weit ein Ast entfernt sein darf, und wie tragfähig er sein muß, um ihn von einem Baum zu anderen zu befördern. Ein Affe, der davon eine falsche Vorstellung hatte, war schnell in toter Affe, und nicht mehr Teil der Kette der Generationen. 

 

Das streite ich doch gar nicht ab. Habe ich doch schon explizit geschrieben. Nur heißt das nicht, dass wir damit unser grundlegendes Wissen über die Welt in einer nicht-zirkulären weise rechtfertigen wollen. Wenn Du meinst, dass es doch geht: Nur zu, ich bin gespannt!

 

vor 18 Stunden schrieb Marcellinus:

Ich hoffe, ich habe zeigen können, daß unser Wissen NICHT auf philosophischen Prämissen beruht, sondern auf einer Abfolge von Tatsachenbeobachtungen und Theoriebildung [...]

 

Würdest Du denn folgendem Zitat von de Vries zustimmen:

 

"Als Voraussetzungen der exakten Wissenschaften haben sich [...] ergeben: Das reale Dasein der Körperwelt, die Zuverlässigkeit der Erinnerung, die Möglichkeit sprachlicher Verständigung und einer Gewißheit aufgrund der Aussagen anderer Menschen, die Geltung der Induktion, die Möglichkeit geschichtlichen Wissens."

 

Würdest Du also zugestehen, dass wir all diese Voraussetzungen benötigen, um Wissenschaft - durchaus verstanden als Wechselspiel von Theorie und Empirie - brauchen? Wenn ja, wie willst Du diese Prinzipien empirisch-wissenschaftlich begründen, ohne sie bereits zirkulär vorauszusetzen?

 

vor 18 Stunden schrieb Marcellinus:

Du hast dich doch ausführlich mit der Entwicklung rund um Corona beschäftigt. Meinst du, man könnte die Corona-Forschung nur aus den Eigentümlichkeiten dieser Handvoll Forscher selbst erklären? Sicher nicht! Diese Forschung hat, im Guten wie im Schlechten, die Entwicklung genommen, die wir beobachten konnten, weil viele Akteure aus Politik und Gesellschaft sich (auch mit viel Geld und politischer Macht) in das Verfahren eingemischt haben, und weil das Ergebnis in der beobachtbaren Wirklichkeit nur begrenzt funktioniert hat.

 

Das stimmt ja im Prinzip alles (Details, was jetzt wie genau welche Rolle gespielt haben, sind hier unwichtig). Aber neben der Frage, warum Wissenschaft faktisch funktioniert und wie sie faktisch funktioniert, gibt es doch noch die berechtigte Frage, warum beispielsweise dann, wenn die Wissenschaft gut funktioniert, sie tatsächlich Wissen hervorbringt. Das ist in dieser Allgemeinheit keine einzelwissenschaftliche Frage.

 

vor 18 Stunden schrieb Marcellinus:

Und selbst die Philosophie hat mitgespielt, in Form der Ethikkommission, und es war keine rühmliche Rolle, wie du weißt.

 

Ein Großteil der Mitglieder bestand m.W. nicht aus Philosophen. Und eines von ganz wenigen Mitgliedern der Leopoldina (ich glaube von zwei), die sich öffentlich kritisch geäußert haben, war das eine der Wissenschaftsphilosoph Michael Esfeld. :)

 

vor 17 Stunden schrieb Marcellinus:

Wie das Schreckensregime der Jakobiner an seiner Inhumanität und seiner wirtschaftlichen und administrativen Unfähigkeit gescheitet ist, so gilt das Gleiche für den Kommunismus.

 

Na ja, als Beispiele könntest Du auch beispielsweise den Humanismus oder die Philosophie der Aufklärung nennen.

 

vor 4 Stunden schrieb Marcellinus:

Er ist wie Descartes der Ansicht, daß wissenschaftliche Erkenntnisse, damit sie in seinen Augen "gültig" wären, einer philosophischen "Begründung" bedürfen, und daß er berufen sei, sie zu finden.

 

Nö - und das habe ich auch schon oft geschrieben. Muss ich eine Position jetzt nochmals im Detail erklären?

 

Zitat

Weil "Induktion" kein "Verfahren", keine Methode ist, sondern ein philosophischer Begriff.

 

Ist das so?

 

"Inductive reasoning is any of various methods of reasoning in which broad generalizations or principles are derived from a body of observations.[1][2] This article is concerned with the inductive reasoning other than deductive reasoning (such as mathematical induction), where the conclusion of a deductive argument is certain given the premises are correct; in contrast, the truth of the conclusion of an inductive argument is at best probable, based upon the evidence given.[3][4] [...] The types of inductive reasoning include generalization, prediction, statistical syllogism, argument from analogy, and causal inference."

https://en.wikipedia.org/wiki/Inductive_reasoning

 

Zitat

Wenn also ein Wissenschaftler diesen Begriff verwendet, dann in einem etwas anderen Sinne als ein Philosoph.

 

Ist das so? Und worin genau besteht der Unterschied? Worin unterscheidet sich der Begriff des induktiven Schlusses, wie ihn Wissenschaftler gebrauchen, beispielsweise von dem folgenden Erklärung aus der Stanford Encyclopedia of Philosophy:

 

"We generally think that the observations we make are able to justify some expectations or predictions about observations we have not yet made, as well as general claims that go beyond the observed. For example, the observation that bread of a certain appearance has thus far been nourishing seems to justify the expectation that the next similar piece of bread I eat will also be nourishing, as well as the claim that bread of this sort is generally nourishing. Such inferences from the observed to the unobserved, or to general laws, are known as “inductive inferences”."

https://plato.stanford.edu/entries/induction-problem/

 

Ich sehe aber schon: Wenn unsere Diskussion überhaupt eine Chance haben soll, etwas zu bringen, müssen wir anders herangehen. Ich will es versuchen.

bearbeitet von iskander
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vor 2 Stunden schrieb Marcellinus:

@iskander

Ich verstehe nicht, warum du so auf Induktion herumreitest. Induktion bedeutet doch, vom Speziellen aufs Allgemeine zu schließen. In meiner Sprache ist das einfach, aufgrund von Tatsachenbeobachtungen Modelle zu bilden. Und diese Modelle können zutreffend oder falsch sein.

 

So, wie Du das formulierst, klingt das aber ziemlich nach dem hypothetisch-deduktiven Ansatz von Popper: Man bildet (auch mithilfe der Beobachtung bzw. Induktion) Modelle, von denen man nicht weiß, ob sie stimmen, und testet sie dann einfach. Induktion begründet hier kein positives Wissen - auch kein Wahrscheinlichkeitswissen.

 

Elias kritisiert diesen Ansatz letztlich nur deswegen, weil die Wissenschaften faktisch anders vorgehen. Es gibt aber auch eine inhaltliche Kritik: Wir müssen in vielen Fällen wissen, dass die Induktion zu einem Wissen führt, das wenigstens wahrscheinlich wahr ist - sonst wissen wir nichts.

Nimm das ganz simple Beispiel eines Chemikers, der mithilfe des Lackmus-Tests die Aussage "X ist eine Säure" falsifiziert. Dazu muss er wissen, dass sich der Lackmus zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit rot verfärbt, sobald er mit einer Säure (einer gewissen Stärke) in Berührung kommt.

Woher weiß der Chemiker aber, dass der Lackmus-Test sich rot verfärbt, wenn er mit Säuren in Berührung kommt?

Nun, weil das bisher immer so war!

 

Das ist aber ein induktiver Schluss von der vergangenen Erfahrung auf die Zukunft. Und von seiner Gültigkeit hängt alles ab! Wenn dieser Schluss nicht - jedenfalls mit hinreichender Wahrscheinlichkeit - verbürgt, dass der Lackmus-Test valide ist, dann ist der Lackmus-Test eben nutzlos. Und dann können wir mit seiner Hilfe auch kein Modell, in welchem X eine Säure darstellt, falsifizieren. Der falsifizierenden Schluss geht nämlich ja so:

 

1. Bisher hat Lackmus sich immer rot verfärbt, wenn er mit einer Säure zusammenkam.

2. Also verfärbt ein Stück Lackmus sich auch hier und heute (höchstwahrscheinlich) rot, wenn es auf eine Säure trifft.

3. Falls die Substanz X eine Säure ist, und falls ich die Substanz X mit einem Stück Lackmus zusammenbringe, verfärbt sich der Lackmus also (höchstwahrscheinlich) rot.

4. Ich tröpfle die Substanz X auf den Lackmus - doch dieser verfärbt sich nicht rot.

5. Also ist die Substanz X (höchstwahrscheinlich) auch keine Säure.

 

Ohne die erste Prämisse geht es aber nicht - wenn sie zweifelhaft ist, ist der ganze Schluss zweifelhaft. Und wir können den Lackmus-Test ohne die Gültigkeit der Induktion auch nicht mit einem anderen Test validieren - schon allein deswegen nicht, weil jeder andere Test dann vor genau dem gleichen Problem steht!

(Es ist aber eigentlich sogar noch verheerender. Wir wissen ohne Induktion noch nicht einmal, dass sich Lackmus in der Vergangenheit bei Kontakt mit Säuren rot verfärbt hat. Denn wir wüssten noch nicht einmal, ob die Dinger, die sich rot verfärbt haben, tatsächlich Lackmus waren oder nicht. Denn um etwa sagen zu können: "Eine Substanz, die sich so und so verhält, ist Lackmus", brauchen wir ebenfalls die Induktion bzw. die Gleichförmigkeit der Natur.)

 

Und was für den Lackmus-Test gilt, gilt natürlich ganz allgemein für Beobachtungen und Experimente. Wir können auf die Induktion also tatsächlich nicht verzichten. Aber das ist noch keine Erklärung, warum Induktion gilt.

bearbeitet von iskander
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vor 1 Stunde schrieb Marcellinus:

Naturgesetze dagegen sind Eigenschaften der Objekte selbst, denen wir nur nachträglich die Form von Gesetzen gegeben haben (und heute nicht mehr tun würden, da wir heute andere sprachliche Traditionen haben).

 

Solange einem das klar ist, ist alles okay. Wenn nicht, dann nicht.

 

Das ist mir klar - abgesehen von der "terminologischen" Behauptung, dass man heutzutage nicht mehr von "Naturgesetzen" sprechen würde.

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3 hours ago, iskander said:

Erst einmal überhaupt eine Begründung! ;)

 

Wenn wir sinnvoll mit unserer Umwelt interagieren möchten, sind wir auf das Finden von gewissen Invarianzen zwingend angewiesen.

 

Also suchen wir sie (übrigens auch schon unbewusst). Wir finden Strukturen, die den Anschein haben, invariant zu sein.

 

Also gehen wir davon aus, dass sie es sind, bis das Gegenteil bewiesen ist.

 

Wofür brauchst Du nun eine Begründung?

Dafür, dass der Anschein nicht trügt?

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3 hours ago, iskander said:

Die Wissenschaft will aber doch sagen: "Wir wissen, dass die nächste Mondfinsternis dann und dann ist!" und nicht: "Wir haben keine Ahnung, wann die nächste Mondfinsternis ist; aber obwohl es eigentlich keine sachliche Rechtfertigung gibt, nehmen wir einmal an, dass die Natur gleichförmig ist. Wir wissen halt einfach nicht, was wir sonst tun sollten. Und wenn unsere Hoffnung sich unerklärlicherweise als berechtigt herausstellen sollte, dann wäre die nächste Mondfinsternis dann und dann."

 

Ich würde sagen: "Gemäß unserem besten Wissen..." ;)

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vor einer Stunde schrieb KevinF:

Also suchen wir sie (übrigens auch schon unbewusst). Wir finden Strukturen, die den Anschein haben, invariant zu sein.

 

Also gehen wir davon aus, dass sie es sind, bis das Gegenteil bewiesen ist.

 

Damit stehen wir aber wieder vor dem gleichen Problem: Dass etwas bisher den Anschein gemacht hat, invariant zu sein - bzw. was bisher invariant war - muss deshalb morgen noch nicht invariant sein. Genau das aber ist ja das, was wir wissen wollen: Dass die entsprechende Sache (zumindest wahrscheinlich) auch morgen noch invariant sein wird. Und für dieses Wissen brauchen wir eben Induktion bzw. Gleichförmigkeit der Natur.

 

Wenn wir rational berechtigt sind, davon auszugehen, dass diese Gleichförmigkeit (sehr wahrscheinlich) gilt, dann ist es auch bis zum Beweis des Gegenteils berechtigt, anzunehmen, dass ein in der Vergangenheit beobachtetes Phänomen auch in der Zukunft gilt. Haben wir diese Gleichförmigkeit aber nicht, dann ist die Annahme diese so willkürlich wie die gegenteilige Annahme. Welche These man dann vorzieht, wäre weitgehend Geschmackssache - und das ist für Wissenschaft zu wenig.

 

vor 57 Minuten schrieb KevinF:

Ich würde sagen: "Gemäß unserem besten Wissen..." ;)

 

Ein (wenigstens einigermaßen) "begründetes Wissen" über die Zukunft hat man in der Wissenschaft aber nur, wenn Induktion/Gleichförmigkeit gegeben ist. Sonst könnte man auch eine Wahrsagerin fragen - unter den ausdrücklichen Annahme, dass es keine Psi-Phänomene gibt. ;)

 

Vielleicht irre ich mich, aber ich habe den Eindruck, dass Du das Prinzip der Gleichförmigkeit der Natur implizit immer schon voraussetzt, vielleicht weil es so selbstverständlich ist. Wie gesagt halte ich das auch im Sinne des gesunden Menschenverstands für legitim, meine aber, dass man noch genauer hinsehen kann.

bearbeitet von iskander
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29 minutes ago, iskander said:

Damit stehen wir aber wieder vor dem gleichen Problem: Dass etwas bisher den Anschein gemacht hat, invariant zu sein - bzw. was bisher invariant war - muss deshalb morgen noch nicht invariant sein. Genau das aber ist ja das, was wir wissen wollen: Dass die entsprechende Sache (zumindest wahrscheinlich) auch morgen noch invariant sein wird. Und für dieses Wissen brauchen wir eben Induktion bzw. Gleichförmigkeit der Natur.

 

Die Invarianzen sind die "Gleichförmigkeit der Natur".

 

Wenn es den Anschein hat, als würde sie existieren, ist es vernünftig, bis zum Beweis des Gegenteils davon auszugehen, dass es so ist.

 

Man muss die Hypothese dafür nicht einmal glauben. Es reicht, zu erkennen, dass das Arbeiten mit ihr der vernünftigste Weg ist.

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@Marcellinus

 

Was speziell den Marxismus angeht, möchte ich auch noch anmerken, dass dieser zwar durchaus eine philosophische Seite hat, aber wesentlich auch den Gebieten der Soziologie (Gesellschaftstheorie), Politologie, Ökonomie, Historik (bzw. Geschichtstheorie) und des politischen Aktivismus zu zählen ist.

 

Ansonsten habe ich einen neuen Thread aufgemacht, bei dem es um die Grundelemente des Erkennens überhaupt geht. Falls überhaupt eine Chance bestehen soll, dass wir weiterkommen, werden wir wohl auf die ersten Grundlagen zurückkommen müssen und sehen müssen, ob wir uns zumindest dort einig sind. ;)

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vor 4 Minuten schrieb KevinF:

 

Gute Idee, danke 🙂

 

Gerne" Und auch wenn ich mich dort direkt an Marcellinus wende, bin ich mir sicher auch in seinem Namen zu sprechen, wenn ich sage, dass Du und jeder Interessierte dort ebenfalls herzlich willkommen seid. ;)

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vor 13 Minuten schrieb KevinF:

Die Invarianzen sind die "Gleichförmigkeit der Natur".

 

Wenn es den Anschein hat, als würde sie existieren, ist es vernünftig, bis zum Beweis des Gegenteils davon auszugehen, dass es so ist.

 

Ich habe für einen Moment überlegt, ob das so gemeint ist. Nun, aber dann kann man doch nur sagen: Wir haben in der Vergangenheit diese Gleichförmigkeit beobachtet. Das ist ein erster Schritt, aber die Frage lautet ja dann: "Okay, es gab in der Vergangenheit eine Invarianz, und die haben wir beobachtet. Aber wir wollen ja wissen, ob diese Invarianz sich auf die Zukunft erstreckt? Was macht es plausibel, dass die für die Vergangenheit festgestellte Invarianz einen Teilaspekt eines allgemeineren Gleichförmigkeitsprinzips darstellt, welches auch die Zukunft mit umfasst?"

 

vor 13 Minuten schrieb KevinF:

Man muss die Hypothese dafür nicht einmal glauben. Es reicht, zu erkennen, dass das Arbeiten mit ihr der vernünftigste Weg ist.

 

Es gibt ja solche pragmatischen Rechtfertigungsversuche. Man kann dann nur sagen: Wir machen es halt in der Praxis so, weil wir keine bessere Alternative haben.

Aber so können wir eben nicht begründen, dass Induktion und die auf ihr beruhenden Forschungen valide sind und echtes Wissen darstellen. Es wäre also ein Ratespiel, wenn wir aufgrund der bisherigen Erfahrungen Prognosen für die Zukunft abgeben - und es wäre ein unerklärlicher Glücksfall, wenn diese Prognosen dann fast immer eintreten.

 

Aber das ist doch nicht das, was wir im Alltag oder auch der Wissenschaft annehmen...

bearbeitet von iskander
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vor 4 Stunden schrieb iskander:

Würdest Du denn folgendem Zitat von de Vries zustimmen:

 

"Als Voraussetzungen der exakten Wissenschaften haben sich [...] ergeben: Das reale Dasein der Körperwelt, die Zuverlässigkeit der Erinnerung, die Möglichkeit sprachlicher Verständigung und einer Gewißheit aufgrund der Aussagen anderer Menschen, die Geltung der Induktion, die Möglichkeit geschichtlichen Wissens."

 

Nein, natürlich nicht. Und das geht schon damit los, daß das eine Sprache ist, die ich nie verwenden würde. Was sollen das sein "exakte Wissenschaften"? Was ist "reales Dasein"? Und dann "Geltung von Induktion"? Induktion gilt in der Mathematik. Im realen Leben ist der Begriff Unsinn. Und "Geltung"? Da sind wir doch wieder bei den "gültigen Schlüssen". Die Wissenschaften kennen keine "gültigen Schlüsse". Jeder Feststellung "gilt" immer nur so lange, bis man eine bessere hat, und "gültig" im Sinne von "endgültig" sind sie schon mal gar nicht. Und dann der letzte: "Gewißheit aufgrund der Aussagen anderer Menschen"! Ist das eine Karikatur? 

 

Noch einmal: Die Wissenschaften haben keine anderen "Voraussetzungen" als die Vorwissenschaften. Du versuchst immer, Prozesse in statische Begriffe umzudeuten. Gesellschaftliche Prozesse, und die Wissenschaften sind ein Teil davon, haben keinen bestimmbaren Anfang, keine "Voraussetzungen". 

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vor 5 Stunden schrieb iskander:

Aber neben der Frage, warum Wissenschaft faktisch funktioniert und wie sie faktisch funktioniert, gibt es doch noch die berechtigte Frage, warum beispielsweise dann, wenn die Wissenschaft gut funktioniert, sie tatsächlich Wissen hervorbringt. Das ist in dieser Allgemeinheit keine einzelwissenschaftliche Frage.

 

Das ist überhaußt keine Frage! Wenn das hervorbringen von Wissen ist Teil dieses Funktionierens! Woher hast du da noch eine Frage? Gibt es eine funktionierende Wissenschaft, die kein Wissen hervorbringt. Worin besteht deiner Ansicht nach deren "Funktionieren"? Langsam werde ich ratlos? Leben wir in der gleichen Welt?

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vor 4 Stunden schrieb iskander:

Nimm das ganz simple Beispiel eines Chemikers, der mithilfe des Lackmus-Tests die Aussage "X ist eine Säure" falsifiziert. Dazu muss er wissen, dass sich der Lackmus zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit rot verfärbt, sobald er mit einer Säure (einer gewissen Stärke) in Berührung kommt.

Woher weiß der Chemiker aber, dass der Lackmus-Test sich rot verfärbt, wenn er mit Säuren in Berührung kommt?

Nun, weil das bisher immer so war!

 

Das ist aber ein induktiver Schluss von der vergangenen Erfahrung auf die Zukunft. Und von seiner Gültigkeit hängt alles ab! Wenn dieser Schluss nicht - jedenfalls mit hinreichender Wahrscheinlichkeit - verbürgt, dass der Lackmus-Test valide ist, dann ist der Lackmus-Test eben nutzlos. Und dann können wir mit seiner Hilfe auch kein Modell, in welchem X eine Säure darstellt, falsifizieren. Der falsifizierenden Schluss geht nämlich ja so:

 

1. Bisher hat Lackmus sich immer rot verfärbt, wenn er mit einer Säure zusammenkam.

2. Also verfärbt ein Stück Lackmus sich auch hier und heute (höchstwahrscheinlich) rot, wenn es auf eine Säure trifft.

3. Falls die Substanz X eine Säure ist, und falls ich die Substanz X mit einem Stück Lackmus zusammenbringe, verfärbt sich der Lackmus also (höchstwahrscheinlich) rot.

4. Ich tröpfle die Substanz X auf den Lackmus - doch dieser verfärbt sich nicht rot.

5. Also ist die Substanz X (höchstwahrscheinlich) auch keine Säure.

 

Welch ein blühender Blödsinn! Entschuldige, da ist er wieder, der Philosoph!

 

Lackmus-Test: Der Begriff Lackmustest bezeichnet in der Chemie einen gebräuchlichen Test des pH-Werts einer Substanz mit Hilfe des Farbstoffs Lackmus. Bei pH-Werten kleiner als 4,5 erscheint Lackmus rot, bei Werten größer als 8,3 blau und dazwischen violett. Im Jahr 1662 hatte Robert Boyle diese Reaktionsprüfung auf Säure und „Alkali“ mit Lackmuspapier bekannt gegeben.

 

Es ist einfach eine beobachtbare Eigenschaft von Lackmus, einem aus Flechten gewonnen Farbstoff, auf Änderung des Säuregehalts mit Farbänderung zu reagieren. Weißt du, was eine beobachtbare Eigenschaft ist? 

 

Weißt du, was du gerade machst? Du erklärst diese Welt zu einem unvorhersehbaren Irrenhaus, um in dieser Verwirrung deine komische Weltanschauung unterzubringen. Das, was du hier ständig bezweifelst, ist aber die Voraussetzung von Leben, daß die chemische Stoffe bestimmte, in historischen Abläufen unveränderliche Eigenschaften haben. Sonst könnte sich kein Lebewesen fortpflanzen, ja Leben überhaupt erst entstehen. Du bestreitest nicht mehr und nicht weniger, als daß es diese Welt gibt. Das kannst du machen, aber bitte ohne mich! 

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vor 3 Stunden schrieb Marcellinus:

Nein, natürlich nicht. Und das geht schon damit los, daß das eine Sprache ist, die ich nie verwenden würde. Was sollen das sein "exakte Wissenschaften"?

 

Du findest hier Probleme, die man eigentlich nicht finden müsste.

 

"Die exakten Wissenschaften oder auch harten Wissenschaften umfassen umgangssprachlich diejenigen Wissenschaften, welche in der Lage sind, genaue quantitative oder mathematisch oder formal-logisch präzise Aussagen zu treffen und über eigene, strenge Methoden für die Überprüfung von Hypothesen und vor allem reproduzierbare Versuche mit quantifizierbaren Messungen verfügen.[1] Von den Formalwissenschaften werden Logik, Mathematik und Teile der Informatik und Ingenieurwissenschaften sowie von den Naturwissenschaften Physik, Astronomie, Chemie und Teile der Biologie und der Geowissenschaften als exakte Wissenschaften in diesem Sinne betrachtet. Das Ziel von exakten Wissenschaften ist in der Regel eine mathematisch fundierte Theorie, was sie aber nicht zu einem Teilgebiet der Mathematik macht; sie müssen, um sich von Unexaktheiten natürlicher Sprachen zu befreien, „in einer Kunstsprache reden wollen – und können“.[2]

Demgegenüber stehen in entsprechender Terminologie die „weichen Wissenschaften“, womit insbesondere Teile der Sozialwissenschaften und Teile der Geisteswissenschaften gemeint sind."

https://de.wikipedia.org/wiki/Exakte_Wissenschaft

 

Man kann jetzt natürlich jetzt lang und breit diskutieren, wie überzeugend der Begriff ist, aber nochmals: Ist es wirklich notwendig, wegen solcher für die eigentliche Sache um die es hier geht bedeutungslosen Differenzen ein Fass aufzumachen?

 

Zitat

Was ist "reales Dasein"?

 

Es bedeutet einfach, dass eine Wissenschaft, die etwas über die reale Welt sagen will, natürlich auch davon ausgehen muss, dass es beispielsweise reale materielle Gegenstände gibt - also beispielsweise den Positivismus Machs ablehnen muss.

 

Zitat

Und dann "Geltung von Induktion"?

 

Gemeint ist damit einfach, dass induktive Schlussverfahren kein Humbug sind, sondern zumindest zu wahrscheinlichen Aussagen führen, obwohl sie nicht deduktiv sind. Im Zusammenhang mit Schlussverfahren oder auch Methoden spricht man eben oft von "gültig" oder "ungültig". (Wenn Du den Begriff gültig vermeiden willst, wie würdest entsprechende Schlüsse dann im Gegensatz zu Fehlschlüssen nennen wollen - und lohnt es sich hier wirklich, von der üblichen Terminologie abzuweichen?)

 

Zitat

Die Wissenschaften kennen keine "gültigen Schlüsse".

 

Nein? Dann sind also beispielsweise die deduktiven (oder auch induktiven) Schlussverfahren, die die Wissenschaften auf Schritt und Tritt benutzen, von ungültigen Fehlschlüssen nicht zu unterschieden? (Oder ist es nur eine Differenz, weil Du den Ausdruck "gültigen Schluss" vermeiden möchtest, während Du in der Sache zustimmst?)

 

Wir reden im Zusammenhang mit "der Gültigkeit" übrigens nicht über Resultate, sondern über logische Schlüsse, die vor den Resultaten liegen!

 

Zitat

Und dann der letzte: "Gewißheit aufgrund der Aussagen anderer Menschen"! Ist das eine Karikatur? 

 

Lassen wir den Autor selbst zu Wort kommen. Im Zusammenhang mit den Voraussetzungen der Wissenschaft schreibt er:

 

"[...] Aber auch das genügt noch nicht, wie Pascual Jordan selbst bemerkt: »Die beliebte Fiktion, daß diese (naturwissenschaftlichen) Erfahrungen für jedermann nachprüfbar seien, entfernt sich doch allzuweit von der konkreten Wirklichkeit. Ganz abgesehen davon, daß an sich nur einem kleinen Kreis der aktiv arbeitenden Wissenschaftler überhaupt eine Nachprüfung von Teilen der wissenschaftlichen Lehre möglich ist..., beschränken sich auch für jeden einzelnen dieser Spezialisten die Möglichkeiten der Nachprüfung stets auf schmale Ausschnitte; und den allergrößten Teil dessen, was er als 'anerkannte' wissenschaftliche Lehre auch seinerseits anerkennt, hat er gutgläubig von anderen übernommen.«23 Als weitere Voraussetzung ergibt sich also die Zuverlässigkeit der Aussagen anderer, die gewiß nicht durch sinnliche Wahrnehmung festgestellt werden kann. Ohne diese Voraussetzung kommt schon die Naturwissenschaft nicht aus; erst recht ist sie wesentlich für die Geschichtswissenschaft, die weithin auf schriftliche Zeugnisse längst verstorbener Gewährsmänner angewiesen ist."

 

Es gibt doch sicherlich zahlreiche wissenschaftliche Theorien, von denen Du Dir sicher oder zumindest weitgehend sicher bist, dass sie falsifiziert wurden und also tatsächlich falsch sind. Oder nicht?

 

Und wo kommt Deine Sicherheit her? Nun, sofern Du eine These oder ein Modell nicht selbst nachgeprüft hast doch daher, dass Du überzeugt bist, dass die Wissenschaftler, die diese Theorien falsifiziert haben, und die Wissenschaftler, die diese Ergebnisse überprüft haben, kompetent und zuverlässig sind. Deine Überzeugung kommt also auf Grundlage der "der Aussagen anderer Menschen" zustande. Und wie das Jordan-Zitat veranschaulicht, gilt das in einem weiten Umfang auch für die Fachwissenschaftler selbst. Und hier geht es auch nicht allein um Theorien, sondern um empirische Befunde, die eine Grundlage für Modelle und deren Falsifizierung sind! Es geht auch um Beobachtungsdaten, die gemacht werden.

 

Zitat

Noch einmal: Die Wissenschaften haben keine anderen "Voraussetzungen" als die Vorwissenschaften. Du versuchst immer, Prozesse in statische Begriffe umzudeuten. Gesellschaftliche Prozesse, und die Wissenschaften sind ein Teil davon, haben keinen bestimmbaren Anfang, keine "Voraussetzungen". 

 

Das mit der "Statik" ist ein nicht nachvollziehbarer Vorwurf von Elias. Was soll er bedeuten?

 

Und erneut: Wie soll man ohne die oben genannten Prinzipien Deiner Meinung nach Wissenschaft betreiben? Wie ohne Induktion, wie ohne Vertrauen auf die Aussagen Dritter, wie ohne die Verlässlichkeit von Erinnerungen (ohne die ich vielleicht meine, dass ich im Experiment ganz andere Sachen beobachtet habe als ich sie tatsächlich beobachtet habe)?

 

Wenn ein Wissenschaftler weder davon ausgehen darf, dass sein Gedächtnis funktioniert noch dass er seinen Kollegen im Regelfall einigermaßen vertrauen kann noch dass die induktive Methode, die er benutzt, mehr ist als ein Fehlschluss (usw.): Wie soll er dann vorgehen?

 

vor 3 Stunden schrieb Marcellinus:

Es ist einfach eine beobachtbare Eigenschaft von Lackmus, einem aus Flechten gewonnen Farbstoff, auf Änderung des Säuregehalts mit Farbänderung zu reagieren. Weißt du, was eine beobachtbare Eigenschaft ist? 

 

Selbstverständlich. Aber woher weißt Du, dass der Lackmus, den Du in den Händen hältst, die gleichen Eigenschaften hat, die bisher bei anderem Lackmus beobachtet wurde? Und selbst wenn es das gleiche Stück Lackmus wäre: Woher weißt Du, dass die Eigenschaften, die Du früher bei ihm beobachtet hast, auch jetzt noch da sind?

Eben, durch Induktion. Und damit wären wir wieder bei der Frage, wieso der induktive Schluss gerechtfertigt ist.

 

vor 3 Stunden schrieb Marcellinus:

Du erklärst diese Welt zu einem unvorhersehbaren Irrenhaus, um in dieser Verwirrung deine komische Weltanschauung unterzubringen.

 

Das täte ich vielleicht dann, wenn ich die Geltung induktiver Schlüsse bestreiten würde und behaupten würde, dass es einfach Fehlschlüsse seien. Tue ich aber nicht. Ich halte es nur für eine berechtigte Frage, warum sie gelten. (Habe ich übrigens auch gefühlt mindestens ein Dutzend mal geschrieben).

 

Zitat

Das, was du hier ständig bezweifelst, ist aber die Voraussetzung von Leben, daß die chemische Stoffe bestimmte, in historischen Abläufen unveränderliche Eigenschaften haben.

 

Erstens bezweifle ich in diesem Kontext überhaupt nichts, insbesondere nicht das Gerechtfertigtsein induktiver Schlüsse oder die Gleichförmigkeit der Natur. Ich habe das X mal gesagt; sei bitte so freundlich und nimm es zur Kenntnis. Die Position "Wir wissen es, aber wie?" ist sehr verschieden von der Position "Wir wissen es nicht!"

 

Zweitens beantwortet das die Frage noch nicht. Dass die chemischen Stoffe bisher unveränderliche Eigenschaften hatten, bedeutet für sich genommen noch nicht, dass sie diese Eigenschaften auch jetzt und morgen haben. Ich bezweifle nicht, dass sie diese Eigenschaften jetzt haben und auch morgen haben werden; ich finde nur die Frage, wie wir das genau wissen können, legitim.

 

Zitat

Sonst könnte sich kein Lebewesen fortpflanzen, ja Leben überhaupt erst entstehen.

 

Erneut: Dass in der Vergangenheit bestimmte Gesetze gegolten haben müssen, soweit die Beobachtung reicht, ist aus der Beobachtung ableitbar. Die Aussage, dass sie auch in Zukunft gelten werden, ist aber eine Aussage, die über die Beobachtung/Erfahrung hinausgeht. Ich bezweifle nicht, dass wir an dieser Stelle mit Recht über die Erfahrung hinausgehen; ich halte es nur für interessant, wo dieses Recht herkommt.

 

Zitat

Du bestreitest nicht mehr und nicht weniger, als daß es diese Welt gibt. Das kannst du machen, aber bitte ohne mich! 

 

Sei bitte so freundlich und belege diese Behauptung am Text. Und wenn Du das nicht kannst, dann beantworte bitte folgende Frage von mir: Wenn Du eine absurde Behauptung niemals aufgestellt hast und Dich sogar etliche male ausdrücklich von ihr distanziert hast, und ich Dir dennoch ständig unterstelle, sie zu vertreten, und nichts, was Du sagst, mich davon abbringen kann - wie würdest Du das dann finden?

 

vor 3 Stunden schrieb Marcellinus:

Das ist überhaußt keine Frage! Wenn das hervorbringen von Wissen ist Teil dieses Funktionierens!

 

Dennoch kann man fragen, warum es so funktioniert. Wieso die Methoden, die Wissenschaft benutzt, erfolgreich sind - also beispielsweise eben der induktive Schluss.

 

Zitat

Entschuldige, da ist er wieder, der Philosoph!

 

Dir ist aber schon klar, dass nach allen üblichen Definitionen und Maßstäben nicht nur unsere ganze Diskussion, sondern auch viele Deiner Äußerungen zur Philosophie gehören? Nehmen wir beispielsweise nur, was Du zu den Naturgesetzen gesagt hast (ich stimme dem wie gesagt inhaltlich soweit zu).

 

Die Britannica schreibt zum Begriff "law of nature":

 

"law of nature, in the philosophy of science, a stated regularity in the relations or order of phenomena in the world that holds, under a stipulated set of conditions, either universally or in a stated proportion of instances."

https://www.britannica.com/topic/law-of-nature

 

Tatsächlich versucht die Naturwissenschaft eben, einzelne Naturgesetze zu entdecken; was der theoretische Status von Naturgesetzen ist, ist hingegen gewöhnlich keine naturwissenschaftliche Frage. (Und dabei kommt es auf die semantische Frage, ob man statt "Naturgesetz" etwas anderes sagt, nicht an.)

 

Auch nahezu alles, was Du über Wissenschaft und Philosophie schreibst, wirst Du in keinem Physik-Buch finden, und auch in keinem Soziologie-Buch, sondern entsprechende Fragestellungen findest Du in Lehrbüchern zur Philosophie. Tatsächlich ist ja auch kein physikalisches Experiment und keine sozialwissenschaftliche Analyse möglich, die Deine Positionen begründen könnte.

 

Dass das, was Du sagst, für Dich dennoch keine Philosophie ist, ergibt sich aus Deinem Philosophie-Begriff. Natürlich ist es Dein Recht, im Sinne einer Privatsprache das Lexem "Philosophie" völlig anders als der Rest der Welt zu verwenden. Nur solltest Du Dir dann klarmachen, dass das, was man normalerweise als Philosophie bezeichnet und das, was man üblicherweise darunter versteht bzw. auch das, was Philosophen normalerweise tun, wenig bis nichts mit Deinem Privat-Begriff der Philosophie zu tun hat. ;)

 

bearbeitet von iskander
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4 hours ago, iskander said:

Ich habe für einen Moment überlegt, ob das so gemeint ist. Nun, aber dann kann man doch nur sagen: Wir haben in der Vergangenheit diese Gleichförmigkeit beobachtet. Das ist ein erster Schritt, aber die Frage lautet ja dann: "Okay, es gab in der Vergangenheit eine Invarianz, und die haben wir beobachtet. Aber wir wollen ja wissen, ob diese Invarianz sich auf die Zukunft erstreckt? Was macht es plausibel, dass die für die Vergangenheit festgestellte Invarianz einen Teilaspekt eines allgemeineren Gleichförmigkeitsprinzips darstellt, welches auch die Zukunft mit umfasst?"

 

Wenn ich Dich richtig verstehe, spielst Du hier Teufels Anwalt?

 

Dann nenne ich die so vertretene Position "T".

 

T läuft darauf hinaus, all unser Wissen über die Welt ohne Beleg für eine Täuschung zu erklären, die so perfekt ist, dass wir sie nicht als solche erkennen können.

 

Jedes Mal, wenn sich unser Wissen bestätigt, sagt T: "Aber schon morgen könnte es sich als falsch erweisen" (soweit richtig, zumindest prinzipiell) und: "Wollen wir daher nicht unser Hypothesen schon mal im Voraus willkürlich verändern?".

 

Und dieser Vorschlag ist natürlich Irrsinn, er würde darauf hinauslaufen, dass wir gar keine Vorhersagen mehr machen können und letztlich gar nicht mehr sinnvoll mit unserer Umwelt interagieren können.

 

Die einzige Chance, die wir haben, ist daher, unsere Theorien über die Welt so zu wählen, dass sie alle verfügbaren Daten erklären und nichts Überflüssiges enthalten und wir sie falsifizieren können.

 

 

4 hours ago, iskander said:

Es wäre also ein Ratespiel, wenn wir aufgrund der bisherigen Erfahrungen Prognosen für die Zukunft abgeben - und es wäre ein unerklärlicher Glücksfall, wenn diese Prognosen dann fast immer eintreten.

 

Wie eben erläutert, ist das Gegenteil der Fall.

 

 

 

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4 hours ago, iskander said:

Aber so können wir eben nicht begründen, dass Induktion und die auf ihr beruhenden Forschungen valide sind und echtes Wissen darstellen.

 

Was ist bei Dir "echtes Wissen"?

 

In den empirischen Wissenschaften können wir niemals die Wahrheit einer Theorie beweisen, sondern können nur sagen, welche Theorien aktuell die besten sind.

 

Und die Invarianzen, die Du begründet haben möchtest, sind Teil dieser Theorien.

 

Ich denke daher, unter Bezugnahme auf meinen vorherigen Beitrag, dass Du eine Begründung suchst, die nicht existieren kann.

bearbeitet von KevinF
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