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Fürwahrhalten in der Religion


KevinF

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vor 22 Stunden schrieb iskander:
Zitat

Es ist mit der Philosophie wie mit der Religion. Sie ist eine Antwort auf Fragen, die man ohne sie gar nicht hätte.

 

Wenn Du damit meinst, dass man in der Praxis gut damit leben kann, vieles als offenkundig vernünftig hinzunehmen, ohne nach den genauen Gründen zu fragen, warum es eigentlich vernünftig ist: dann hast Du sicherlich recht.

Wenn Du damit jedoch meinst, dass es sinnvoll sei, eine Position wie die des radikalen Empirismus/Positivismus zu vertreten, ohne sich wirklich im Klaren darüber zu sein, was für weitreichende Konsequenzen sich aus ihr ergeben, und gleichzeitig zu glauben, all das habe mit Philosophie rein gar nichts zu tun: Dann nein!

 

Gern noch ein kleiner Nachtrag. Du meinst, meine Position bestehe darin, einfach nicht nach Gründen für unsere Erkenntnisse zu fragen. Nur lieferst gerade du selbst keine Gründe, sondern kleidest dein Nichtwissen und deine Spekulationen nur in philosophische Begriffe, die du dann "Gründe" nennst, die aber entweder einfache Alltagsvermutungen sind wie im Falle deines "Induktionsbegriffs", oder einfach inhaltsleer. 

 

Dann konstruierst du noch das, was aus deiner Sicht meine (dazu noch nicht eingestandene) philosophische Position sei, und nennst sie "radikalen Empirismus" oder "Positivismus". Nun ist der Vorwurf weder originell noch neu. Vergiß nicht, ich bin in der Zeit des "Positivismusstreit" aufgewachsen. 

 

Der Begriff des Positivismus geht zurück auf Auguste Comte, und meinte genau das Gegenteil von dem, was von dir und anderen darunter verstanden wird. Comte gilt nicht nur als der Vater der Soziologie, sondern auch als Begründer des philosophischen Positivismus.

 

Unter einem Positivisten versteht man gemeinhin einen Vertreter der wissenschaftstheoretischen Vorstellung, man könne bei wissenschaftlichen Arbeiten, oder bei Erkenntnisprozessen überhaupt von „reinen“ Beobachtungen ausgehen, auf deren Grundlage man dann nachträglich Theorien konstruiere. In diesem Sinne war Comte sicherlich kein Positivist.

 

„Denn wenn auch auf der einen Seite jede positive Theorie notwendigerweise auf Beobachtungen fundiert sein muß, so ist es auf der anderen Seite nicht weniger richtig, daß unser Verstand eine Theorie der einen oder anderen Art braucht, um zu beobachten. Wenn man bei der Betrachtung von Erscheinungen diese nicht unmittelbar in Beziehung zu gewissen Prinzipien setzen würde, wäre es nicht nur unmöglich für uns, diese isolierten Beobachtungen miteinander in Verbindung zu bringen ... wir würden sogar völlig unfähig sein, uns an die Tatsachen zu erinnern; man würde sie zum größten Teil nicht wahrnehmen.“ (Auguste Comte, Cours de Philosophie Positive, Band 1, Paris 1907)

 

Er war also nicht der Ansicht, daß man in den Wissenschaften rein induktiv vorgehen könne. Ebensowenig teilte der die Ansicht der Deduktivsten, man können reine Theorien oder Hypothesen aufstellen, die man erst nachträglich mit beobachtbaren Tatsachen in Verbindung bringt. (Hier sind sie wieder, die beiden bösen Begriffe "Induktion" und "Deduktion", aber eben nicht im philosophischen Sinne)

 

„Es war eines der Leitmotive der Comteschen Wissenschaftstheorie, daß die wissenschaftliche Arbeit auf der unablösbaren Verbindung von Zusammenfassung und Einzelbeobachtung, von Theoriebildung und Empirie beruhte. Seine oft wiederholte Betonung des positiven, also wissenschaftlichen Charakters aller Forschungsarbeit erklärt sich daraus, daß er, der als Wissenschaftler geschulte Philosoph, sich mit aller Entschiedenheit gegen die Philosophie des 18. Jahrhunderts wandte, deren Vertreter es sich erlauben Behauptungen aufzustellen, ohne sie durch systematischen Bezug auf Einzelbeobachtungen zu erhärten.“

(NE, Bd. 5, S. 43, Hervorhebung von mir)

 

Das ist der entscheidende Punkt, der, der eine wiesensoziologische Erkenntnistheorie von einer philosophischen, rein spekulativen unterscheidet: Alle unsere wissenschaftliche Erkenntnis beruht auf dem Wechsel zwischen Tatsachenbeobachtung und Theoriebildung, wobei keine Tatsachenbeobachtung möglich ist ohne ein theoretisches Modell (letztlich ist unsere Wahrnehmungsapparat auch nichts anderes als eine im Laufe der Evolution entstandene, Zellen und Nerven gewordene Theorie über die Eigentümlichkeiten dieser Welt), wie andererseits jedes theoretische Modell, das zu unserem Wissen beiträgt, und nicht nur bloße Spekulation ist, auf Tatsachenbeobachtungen beruhen muß. Positive Wissenschaft hat also gerade nichts mit dem zu tun, was heute unter dem Schimpfbegriff "Positivismus" verstanden wird, und wie du es offensichtlich auch vertrittst. 

 

Könnte es sein, daß du es bist, der Begriffe unkritisch übernimmt, nicht ich? :D

 

bearbeitet von Marcellinus
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vor 22 Stunden schrieb Marcellinus:

Entschuldige. lieber @iskander, aber das ist nicht schlüssig, nicht einmal für einen Philosophen! ;) "Das Induktionsprinzip" kann überhaupt nichts machen! Diese Welt ist, wie sie ist, und funktioniert, wie sie funktioniert.

 

Das sind doch jetzt linguistische Betrachtungen. ;) Wenn ich sagen würde, dass das Prinzip oder Gesetz der Schwerkraft den Unterschied zwischen einer Welt "ausmacht", in welcher alles unverbunden herumschwebt und einer Welt wie der unseren, dann wäre doch auch klar, dass ich das entsprechende Prinzip oder Gesetzt nicht als ein reales physikalisches "Agens" verstanden haben möchte. (Und ich sprach von "ausmachen", nicht von "machen".) Es geht hier einfach um Aussagen über die Wirklichkeit, und darum, dass es relevant ist, ob sie zutreffen oder nicht. Und das gleiche gilt für das Induktionsprinzip.

 

Zitat

Du kleidest eine Alltagsvermutung in einen philosophischen Mantel namens "Induktionsprinzip", damit es sich in dieser Verkleidung in einer Diskussion sehen lassen kann, mit der du zeigen willst, wie notwendig für unsere Erkenntnis Philosophie sei - Philosophie, die sich bei näherer Betrachtung als Schimäre herausstellt.

 

Das klingt bei Dir so als würde die Philosophie ein alltägliches Phänomen mit einem Etikett versehen und sich dann einbilden, sie hätte etwas Relevantes gesagt. Das ist natürlich nicht so.

Es ist keine philosophische, sondern eine rein sprachpragmatische Frage, ob man bestimmte Schlüsse als "induktiv" bezeichnen mag oder nicht. Philosophisch hingegen ist die Frage ob derartige Schlüsse begründet sind oder unbegründete "Vermutungen" darstellen - und ggf. wie man sie begründen kann. Und das geht über den Alltag hinaus. Dort zieht man einfach induktive Schlüsse, reflektiert diese aber gewöhnlich nicht in grundsätzlicher Weise.

 

Beim Begriff "Induktion" selbst handelt es sich um keine "Verkleidung", mit der irgendwer irgendwen täuschen möchte, sondern einfach nur eine Nomenklatur, die die Verständigung erleichtert. Mitunter spreche ich ja auch (etwas ungenau) von Schlüssen, bei denen man aus der Erfahrung etwas ableitet, was jenseits der Erfahrung liegt.

 

Ich behaupte auch nicht, dass man sich erst mit der Philosophie befassen muss, um zu wissen, dass (geeignete) Schlüsse dieser Art gültig sind - ich meine nur, dass die (philosophische) Reflexion dazu, warum sie gültig ist, sinnvoll sein kann.

(Wenn jemand hingegen glaubt, dass induktive Schlüsse ungültig sind (was bei Dir ja teilweise so klingt), dann bestünde die Rolle der Philosophie darin, den Menschen von dem alltäglichen Vorurteil der Induktion zu befreien.)

 

Zitat

Was soll das heißten. "es macht wahrscheinlich"?

 

Es soll heißen, dass, indem das Induktionsprinzip gilt, Schlüsse von der Erfahrung auf das, was wahrscheinlich außerhalb der Erfahrung liegt, begründet und gültig sind. Dass also beispielsweise dann, wenn wir wissen, dass bisher alle Steine, die wir in die Luft geworfen haben, wieder auf die Erde gefallen sind, wir zudem auch wissen, dass sehr wahrscheinlich auch der nächste Stein wieder auf die Erde fallen wird.

 

Zitat

Dein "Induktionsprinzip" sagt also nichts anderes, als daß es aufgrund der bisherigen Beobachtungen "zumindest wahrscheinlich ist, daß diese Welt auch morgen noch so funktioniert wie heute" [...]

 

Richtig. Habe ich aber auch nie anders behauptet.

 

Zitat

[...] wobei "wahrscheinlich" keinerlei Informationen darüber enthält, wie wahrscheinlich das eigentlich ist.

 

Man kann vielleicht keine genauen Abschätzungen machen. Aber das muss man oftmals auch nicht. Dass beispielsweise der nächste Stein, den ich in die Luft werfe, die Erde verlässt, ist sicher extrem unwahrscheinlich. Die Wahrscheinlichkeit ist hier sicher weit unter 1 zu 1.000.

 

Zitat

Es ist schlicht eine Alltagsvermutung, es werde schon gut gehen, und wie jede Alltagsvermutung kann sie fürchterlich in die Hose gehen. Genauso schlau waren wir ohne dein "Induktionsprinzip" vorher auch schon!

 

Nochmals: Die Leistung der Philosophie besteht nicht darin, ein Wort wie "Induktionsprinzip" für unser alltägliches Schließen zu finden, sondern darin, Antworten auf die Frage zu geben, ob und warum unser alltägliches Schließens eine Form des Erkennens darstellt (anstatt etwa einer "Fantasie").

 

Zitat

Das "Induktionsprinzip" ist einfach nur eine philosophische Fantasie, und wie du sie vertrittst, nicht einmal das.

 

Nimm folgendes Beispiel: Zwei Leute befinden sich im 10. Stock eines Hochhauses. Der eine will den Aufzug nehmen, um nach unten zu kommen, der andere runter springen. Wenn es keinen vernünftigen Grund gäbe, der es uns erlaubt, aus der bisherigen Erfahrung auf die Zukunft zu schließen (und das heißt eben: induktiv zu schließen), dann gäbe es auch keinen Grund zur Annahme, dass es wahrscheinlich gesünder ist, den Aufzug zu nehmen statt herunterzuspringen.

 

Und das ist doch offensichtlich absurd. Was immer jemand sich am grünen Tisch einreden mag: Niemand bezweifelt in der Praxis, dass es höchstwahrscheinlich weit gesünder ist, den Aufzug zu nehmen, und dass wir dies auch mit einem sehr hohen Grad an Sicherheit wissen. Und mehr behaupte ich in der Sache auch nicht. (Alles andere sind sprachliche Konventionen.)

Natürlich gibt es auch Fälle, in denen unser auf induktiven Schlüssen beruhendes Wissen weniger sicher ist. Das widerlegt aber nicht die prinzipielle Gültigkeit induktiver Schlüsse, sondern zeigt nur, dass die Kraft des einzelnen induktiven Schlusses von der jeweiligen empirischen Basis abhängt, auf der er beruht.

 

Und nicht nur unser (nahezu) gesamtes Alltagsleben basiert auf der Überzeugung, dass induktive Schlüsse gültig sind, sondern wie dargelegt auch (nahezu) die gesamte Wissenschaft. Ich habe es im Fall der Falsifikation im Detail dargelegt, weil Du ja meinst, dass die Wissenschaft Theorien nur als falsch widerlegen und nicht als wahr beweisen könne. Aber für die Verifikation gilt es natürlich erst recht.

Und selbstredend würde selbst dann, wenn man in der Wissenschaft ohne Induktion auskäme, alles Wissen, das man gesammelt hat, im nächsten Moment wertlos werden.  


Ich habe das schon mehrfach dargelegt - bisher ohne, dass Du meine Argumentation inhaltlich kritisiert hättest. Darf ich daraus schließen, dass Du nichts an ihr findest, was man bestreiten könnte? ;) Falls ja, wäre damit dann allerdings die Notwendigkeit der Induktion für die Wissenschaft (und unseren Alltag) bewiesen.  Und dann ist natürlich auch die Frage sinnvoll, welche Gründe eigentlich hinter der Induktion stehen und sie eben zu einer begründeten Methode machen, welche - anders als Fehlschlüsse - geeignet ist, genuines Wissen zu generieren.

 

Zitat

Du behauptest, es gäbe für unsere praktische Orientierung in dieser Welt keine vernünftigen Gründe, die nur deine Philosophie liefern könne.

 

Ich behaupte, dass wir vieles im Alltag wissen, dass wir uns aber oft nicht fragen, was dieses Wissen begründet - und dass eine entsprechende Reflexion sinnvoll sein kann.

 

Zitat

Und wenn man dann genau nachschaut, worin diese Gründe bestehen, dann sind es in pompöse, philosophische Begriffe verkleidete Alltagsvermutungen!

 

Nein, der gleiche Fehler wie vorher. Du verwechselst zwei Dinge:

 

- Das reine Benennen alltäglicher Schlussweisen.

- Eine Untersuchung, ob und warum diese Schlussweisen Geltung für sich beanspruchen können; wieso sie also tatsächlich Erkenntnisse liefern (wenn sie es tun).

 

Die beispielsweise früher von mir dargelegte Begründung für die Geltung induktiver Schlüsse hat absolut nichts damit zu tun, dass man einfach ein "pompös" klingendes Wort für eine alltägliche Art des Schließens finden würde. Das gleiche gilt für die von mir verlinkten Texte.

 

Zitat

Nein, lieber @iskander, das überzeugt nicht! Deine Suche nach philosophischen Prinzipien als Grundlage unserer Erkenntnis beruht auf nichts anderem als dem Glauben, es müsse solche Prinzipien geben. Wenn man diesen Glauben teilt, mag eine solche Suche emotional befriedigend sein. Objektive Erkenntnisse bringt sie nicht, weil sie nicht durch Tatsachenbeobachtungen zu belegen ist. Sie ist eine reine Glaubensfrage, nur eben nicht dem Glauben an Götter, sondern dem an die "heilende Wirkung" metaphysischer Begriffe.

 

Wir sind uns doch sicher einig, dass der nächste Stein, den wir mit unseren normalen körperlichen Kräften in die Luft werfen, höchstwahrscheinlich auf dem Boden landen und nicht ins Weltall fliegen wird. Wir sind uns doch sicher ebenfalls einig, dass wir dies aus der bisherigen Erfahrung schließen. Oder nicht?

 

Nun sag mir bitte, wie man Deiner Meinung nach ohne Philosophie und in einer (vollständig) auf empirisch nachprüfbaren Weise die Gültigkeit dieser Art von Schlüsse begründen kann. Oder willst Du alternativ behaupten, dass derartige Schlüsse unbegründet sind und wir also keinen Dunst haben, ob der nächste Stein, den wir in die Luft werfen, vermutlich wieder auf der Erde landen wird oder nicht?

 

Ich habe Dir im Übrigen immer wieder Beispiele für Erkenntnisse geliefert, die nicht empirisch prüfbar sind, und die dennoch offenkundig gelten. Ein solches Beispiel wäre meine Argumentation dafür, dass die Wissenschaft die Induktion schon deswegen benötigt, weil die Validität von Test-Verfahren daran hängt.

Du widersprichst dann im konkreten Fall nie der eigentlichen Argumentation; das heißt Du sagst nie, warum eine solche Argumentation Deiner Meinung nach falsch sein soll (falls sie das sein soll). Stattdessen wiederholst einfach Deine Behauptung, dass es Erkenntnisse, die empirisch nicht prüfbar seien, nicht existieren könnten. ;)

 

Ebensowenig wird klar, wie Deine eigene empiristische These denn selbst empirisch überprüfbar sein sollte. Trotz zahlreicher Nachfragen konntest Du Dich bis heute nicht dazu entschließen, die Prämissen, auf denen Dein Argument beruht, einzeln zu nennen. (Dabei hat das nichts mit Philosophie im Sinne eines von Elias kritisierten Apriori zu tun, sondern nur damit, den ohnehin vorhandenen logischen Aufbau deutlicher zu machen. Dagegen hätte selbst Elias höchstwahrscheinlich nichts, wie seine Kommentare zur Formalen Logik verdeutlichen. ;) )

 

Ebenfalls bleibt unklar, was denn Deine eigene Position und Argumentation von einer philosophischen unterscheidet. Du äußerst Dich zu Fragen, die allgemein als philosophisch gelten, und Deine Argumente entsprechen denen von Philosophen. Zum Induktionsprinzip etwa äußerst Du Dich inhaltlich wie Hume und Popper, und Du argumentierst auch genau wie sie. 

 

Und an dieser Stelle kannst Du Dich auch kaum auf Elias berufen und behaupten, dass Du Wissenssoziologie statt Philosophie betreiben würdest. Die Frage, die Elias in diesem Zusammenhang für eine soziologische hält, ist eindeutig die, ob die Wissenschaften de facto das Induktionsprinzip anwenden oder nicht. Ob das nun wirklich eine sozialwissenschaftliche Frage ist, ist zweifelhaft, aber zumindest ist sie weitgehend empirisch und nicht unbedingt spezifisch philosophisch.

Die Frage hingegen, ob die Wissenschaft das Induktionsprinzip voraussetzen muss, um zu Erkenntnissen zu gelangen, und ob das Induktionsprinzip valide ist, stellt Elias gar nicht in dieser Form. Und auf Poppers Argumente, dass induktive Schlüsse deduktiv ungültig sind und sich nicht zirkelfrei induktiv begründen lassen, geht er überhaupt nicht ein. Dafür betrachtet er Poppers gesamtes Vorgehen jedoch eindeutig als "philosophisch".

 

Deine eigene Positionierung und Argumentation entspricht aber nun völlig derjenigen von Popper. Soweit ich das sehe, bestreitest Du das auch nicht. Wie Popper sagst Du, dass die Wissenschaften das Induktionsprinzip nicht brauchen; und genau mit den gleichen Argumenten wie Popper und Hume bestreitest Du die Begründbarkeit induktiver Schlüsse. Da Du also ganz auf der Linie Poppers liegst, betreibst Du nicht nur nach jeder Definition der Welt Philosophie, sondern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch aus der Perspektive von Elias! ;)

 

Zitat

Wenn man diesen Glauben nicht teilt, so wie ich, dann sagt einem das nicht nur nichts, es ist einfach nur eine Ablenkung, und bestätigt nur eins: daß es keine außerphilosophischen Gründe gibt, Philosophie zu betreiben. Es hat auch keinen Sinn, mir irgendwelche (intellektuellen?) Verluste zu prophezeien. Da ich deine diesbezüglichen Wertvorstellungen nicht teile, erscheinen sie mir eher als Gewinn.

 

Deine gesamte Haltung beruht darauf, dass Du den Begriff "Philosophie" offenbar anders definierst als der Rest der übrigen Menschheit, Elias höchstwahrscheinlich eingeschlossen. Nach der üblichen Definition betreibst Du andauernd Philosophie und beantwortest andauernd philosophische Fragestellungen (und natürlich nicht auf der Grundlage soziologischer Feld-Forschungen, sondern auf der von philosophischen Argumenten).

 

Nach Deiner eigenen Definition mag das anders sein. Aber was bedeutet das? Ich kann auch das übliche Wort "Blumen" so redefinieren, dass man höchstpersönlicher Begriff "Blume" nur noch solche Blumen bezeichnet, die rote Blüten haben. Und dann kann ich mich häufig mit Blumen (im Sinne des normalen Sprachverständnisses), welche aber nicht rot sind, befassen, und gleichzeitig behaupten, dass ich mich für Blumen gar nicht interessiere.

Aber sofern ich hier nicht nur über meine ungewöhnliche Nomenklatur Aussagen tätige, sondern über bestimmte Sachverhalte, ergibt das offenkundig wenig Sinn.

 

Die Theologie befasst sich mit Fragestellungen, die auf einem bestimmten, spezifischen Glauben beruhen und von diesem abhängen. Dass die Welt morgen vermutlich noch ähnlich aussehen wird wie heute, ist hingegen ein offenbar mit dem Menschsein mitgegebener "Glaube", der zumindest dem Anschein nach auch ein Wissen darstellt. Zudem hängt die Philosophie nicht an dieser Überzeugung im Sinne einer Prämisse, sondern kann sie, wenn sie das für sinnvoll hält, auch Infragestellen.

 

Ich "prophezeie" Dir auch nichts, sondern ich zeige auf, dass Deine Position, wenn sie logisch konsistent sein soll, notwendig zu einem extremen Skeptizismus führt. Schematisch:

 

1. Alles Wissen über eine womöglich bestehende physische Welt "hinter" der Sinneserfahrung ist uns nur durch das Medium der Sinneserfahrung "gegeben". (Potentielle außersinnliche Wahrnehmungen lasse ich hier einfach mal unbeachtet.)

2. Wir können daher auch nicht durch die Sinneserfahrung überprüfen, ob es jenseits der Sinneserfahrung eine physische Welt wirklich gibt - und ob sie ggf. so aussieht, wie die Sinneserfahrung das nahelegt.  

3. Jede empirische Prüfung eines Sachverhaltes hängt letztlich von der Sinneserfahrung ab.

4. Ob es eine Welt jenseits der Sinneserfahrung gibt und wie diese ggf. aussieht, können wir also nicht durch eine empirische Prüfung feststellen.

5. Wenn nur dasjenige als "Wissen" gelten kann, was empirisch prüfbar ist, kann es kein Wissen sein, dass es die physische Welt jenseits der Sinneserfahrung gibt und wie sie aussieht, falls es sie gibt. (Es kann dann auch kein Wissen sein, dass es diese Welt wahrscheinlich gibt und wie sie wahrscheinlich aussieht.)

 

Insofern führt Deine Position unbedingt in die radikale Skepsis. Falls Du das anders siehst, wäre es zielführend mir zu sagen, was an meinem Argument denn nicht stimmt. Wenn Du das nicht können solltest, solltest Du jedoch in Betracht ziehen, dass mein Argument womöglich doch gar nicht ganz so falsch ist. Das wäre aus meiner Sicht generell hilfreich. Immer wieder führe ich konkrete Argumente an, die Du einerseits nicht widerlegst, andererseits aber offenbar auch nicht akzeptierst. ;)

 

bearbeitet von iskander
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(Diesen letzten Beitrag von Dir hatte ich irgendwie noch nicht gesehen, als ich meine Antwort formuliert hatte.)

 

vor 21 Stunden schrieb Marcellinus:

Nur lieferst gerade du selbst keine Gründe, sondern kleidest dein Nichtwissen und deine Spekulationen nur in philosophische Begriffe, die du dann "Gründe" nennst, die aber entweder einfache Alltagsvermutungen sind wie im Falle deines "Induktionsbegriffs", oder einfach inhaltsleer. 

 

Erneut: Es geht mir nicht darum, einen Begriff für "Alltagsvermutungen" zu finden, sondern zu begründen, was dafür spricht, dass diese "Alltagsvermutungen" als begründet gelten sollen. Nochmals: Was konkret gefällt Dir nicht an meiner Argumentation? Hast Du sie noch präsent? Soll ich sie nochmals wiederholen?

 

vor 21 Stunden schrieb Marcellinus:

Dann konstruierst du noch das, was aus deiner Sicht meine (dazu noch nicht eingestandene) philosophische Position sei, und nennst sie "radikalen Empirismus" oder "Positivismus". Nun ist der Vorwurf weder originell noch neu. Vergiß nicht, ich bin in der Zeit des "Positivismusstreit" aufgewachsen. 

 

Mir geht es nicht um einen "Vorwurf", sondern eine Bezeichnung. Wenn nur das als "Wissen" gelten soll, was empirisch prüfbar ist, dann ist das eine Spielart des Empirismus und Positivismus im Sinne der üblichen Definitionen (und so strikt, wie Du das aufziehst, ist das eine radikale Variante).

 

vor 21 Stunden schrieb Marcellinus:

Könnte es sein, daß du es bist, der Begriffe unkritisch übernimmt, nicht ich? :D

 

Ich übernehme die übliche Begrifflichkeit, wie man sie überall findet, d.h. beispielsweise in jedem Lexikon oder Fachbuch. (Ich will allerdings nicht ausschließen, dass diese übliche Begrifflichkeit Comte womöglich nicht gerecht wird, und dass das unglücklich wäre, weil er ja als wesentlicher Proponent des Positivismus gilt.)

 

vor 21 Stunden schrieb Marcellinus:

(Hier sind sie wieder, die beiden bösen Begriffe "Induktion" und "Deduktion", aber eben nicht im philosophischen Sinne)

 

Wenn "Deduktion" und "Induktion" zu Wissen führen sollen, weil sie valide Schlussfolgerungen erlauben und somit Wissen generieren, dann sind es die gleichen Begriffe wie in der Philosophie. Wenn hingegen beides anders gemeint ist, haben wir es mit einem Spiel zu tun, bei dem kognitive Prozesse in einem Wechselspiel stehen, ohne dass dann aber etwas Begründetes über die wirkliche Welt ausgesagt wird.
 

vor 21 Stunden schrieb Marcellinus:

Das ist der entscheidende Punkt, der, der eine wiesensoziologische Erkenntnistheorie von einer philosophischen, rein spekulativen unterscheidet: Alle unsere wissenschaftliche Erkenntnis beruht auf dem Wechsel zwischen Tatsachenbeobachtung und Theoriebildung, wobei keine Tatsachenbeobachtung möglich ist ohne ein theoretisches Modell (letztlich ist unsere Wahrnehmungsapparat auch nichts anderes als eine im Laufe der Evolution entstandene, Zellen und Nerven gewordene Theorie über die Eigentümlichkeiten dieser Welt), wie andererseits jedes theoretische Modell, das zu unserem Wissen beiträgt, und nicht nur bloße Spekulation ist, auf Tatsachenbeobachtungen beruhen muß.

 

Anders gesagt: Der Philosoph spekuliert in seinem Sessel darüber, wie eine Zelle aufgebaut sein muss, ohne auch nur ein Mikroskop in die Hand zu nehmen, während der Wissenschaftler und der Wissenssoziologe sich dafür interessieren, was die Beobachtung zu sagen hat? ;)

 

Nein, das tut der Philosoph eben nicht. Er betreibt eben nicht empirische Wissenschaft ohne Empirie. Es gibt vielmehr Fragestellungen, die zwar durchaus auf die Wirklichkeit bezogen sind, aber nicht empirischer Art sind, und zu denen man dennoch etwas sagen kann. Um mein Beispiel zu wiederholen:

 

1. Die Wissenschaft, sofern sie Erkenntnisse gewinnen möchte, ist auf Überprüfungen angewiesen.

2. Überprüfungen setzen valide Testverfahren voraus.

3. Dass ein bestimmtes Testverfahren valide ist, müssen wir (induktiv) aus der bisherigen Erfahrung schließen.

4. Ohne gültige (induktive) Schlüsse aus der Erfahrung gäbe es also keine validen Tests - und somit auch keine Wissenschaft.

5. Sofern die Wissenschaft also in der Lage sein soll, Erkenntnisse zu gewinnen, ist sie also darauf angewiesen, dass induktive Schlüsse gültig sind (d.h. das solche Schlüsse, sachgemäß angewandt, Wissen generieren und nicht einfach "Fehlschlüsse" darstellen).

 

(3. setzt noch eine genauere Begründung und Erläuterung voraus, die aber unproblematisch ist.)

 

Das wäre ein Beispiel für ein philosophisches Argument. Es bezieht sich unzweifelhaft auf die reale Welt und in einem gewissen Sinne auch auf "Erfahrung", aber eben nicht in der gleichen Form wie dies in den empirischen Wissenschaften geschieht.

Das Argument beruht eben nicht auf einer Konstatierung dessen, was "faktisch" der Fall ist. Ob beispielsweise die Wissenschaft faktisch valide Tests benutzt oder solche, die nicht valide sind, spielt hier keine Rolle. Ebensowenig muss ich in der realen Welt nachsehen, ob Naturwissenschaftler sich faktisch auf die Erfahrung berufen, wenn sie meinen, dass eines ihrer Testverfahren valide ist. Es geht hier darum, wie die Wissenschaft vorgehen muss, falls sie tatsächlich begründbare Erkenntnisse generieren möchte.

 

Es geht hier also, wenn man so will, um "Geltungszusammenhänge". Es geht um apriroische Zusammenhänge - aber nicht im Sinne des von Elias kritisierten Kantischen Apriori, sondern einfach darum, dass man bestimmte Dinge verstehen muss. Es geht um eine Reflexion solcher Zusammenhänge.

 

Entsprechend könnte man die Prämissen meiner obigen Argumentation auch nicht durch ein Experiment überprüfen - und selbst wenn, wäre ein solches Unterfangen zumindest in diesem Fall überflüssig. Experimentelle Überprüfung ergibt dort Sinn, wo es um Zusammenhänge geht, die faktisch so sind, wie sie sind, aber auch ganz anders sein könnten. Dass beispielsweise die Materie so beschaffen ist, wie sie ist, ist für uns letztlich ein factum brutum, das wir nur konstatieren, aber nicht verstehen oder erklären können.

Das ist bei meinem Beispiel aber gerade nicht der Fall. Dass wir eine These mit einem Test nur dann überprüfen können, wenn wir wissen, dass der Test auch wirklich das misst, was er messen soll: Das ist nicht etwas, was eben zufällig so ist und eigentlich auch ganz anders sein könnte. Indem wir verstehen, dass es so ist, verstehen wir vielmehr auch, warum es so ist und so sein muss. Es geht hier also nicht um ein factum brutum, sondern um etwas Intelligibles.

 

Und obwohl mein Argument nicht empirisch geprüft werden kann, ist es doch weit davon entfernt, eine "Fantasie" zu sein. Es beruht vielmehr auf einem Wissen und Verständnis, das so grundlegend ist, dass Wissenschaft ohne eine derartige Form des Begreifens gar nicht möglich wäre.

 

Wie schon oft gesagt, bin ich mir zudem sicher, dass Deine eigenen zentralen Auffassungen ebenfalls nicht empirisch prüfbar sind - aber um das genauer zu klären, müssten eben jene Prämissen bekannt sein, auf denen sie aufbauen. ;)

Und natürlich ist beispielsweise selbst die simple Feststellung, dass es jenseits unserer Sinneserfahrung eine reale Körperwelt gibt, von der unsere Sinneserfahrung uns etwas erzählt, nicht empirisch prüfbar.

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Am 28.11.2024 um 18:04 schrieb iskander:
Zitat

Du kleidest eine Alltagsvermutung in einen philosophischen Mantel namens "Induktionsprinzip", damit es sich in dieser Verkleidung in einer Diskussion sehen lassen kann, mit der du zeigen willst, wie notwendig für unsere Erkenntnis Philosophie sei - Philosophie, die sich bei näherer Betrachtung als Schimäre herausstellt.

 

Das klingt bei Dir so als würde die Philosophie ein alltägliches Phänomen mit einem Etikett versehen und sich dann einbilden, sie hätte etwas Relevantes gesagt. Das ist natürlich nicht so.

Es ist keine philosophische, sondern eine rein sprachpragmatische Frage, ob man bestimmte Schlüsse als "induktiv" bezeichnen mag oder nicht. Philosophisch hingegen ist die Frage ob derartige Schlüsse begründet sind oder unbegründete "Vermutungen" darstellen - und ggf. wie man sie begründen kann. Und das geht über den Alltag hinaus. Dort zieht man einfach induktive Schlüsse, reflektiert diese aber gewöhnlich nicht in grundsätzlicher Weise.

 

Beim Begriff "Induktion" selbst handelt es sich um keine "Verkleidung", mit der irgendwer irgendwen täuschen möchte, sondern einfach nur eine Nomenklatur, die die Verständigung erleichtert. Mitunter spreche ich ja auch (etwas ungenau) von Schlüssen, bei denen man aus der Erfahrung etwas ableitet, was jenseits der Erfahrung liegt.

 

Ich behaupte auch nicht, dass man sich erst mit der Philosophie befassen muss, um zu wissen, dass (geeignete) Schlüsse dieser Art gültig sind - ich meine nur, dass die (philosophische) Reflexion dazu, warum sie gültig ist, sinnvoll sein kann.

(Wenn jemand hingegen glaubt, dass induktive Schlüsse ungültig sind (was bei Dir ja teilweise so klingt), dann bestünde die Rolle der Philosophie darin, den Menschen von dem alltäglichen Vorurteil der Induktion zu befreien.)

 

Ich muß deinen Text mal etwas abkürzen. Du behauptest, wir alle würden ständig von der Vergangenheit auf die Zukunft schließen. Weil gestern ein Stein, den ich hochgeschmissen habe, wieder heruntergekommen ist, schließen wir daraus, das werde auch heute und morgen so sein. 

 

Du bestreitest nicht, daß diese Art Schlüsse "gültig" sein, sondern nur, daß nur die Philosophie die Begründung dafür liefern könne, warum es sich um gültige Schlüsse handele. 

 

Nun bin ich ein schlichtes Gemüt, und würde in diesem Fall auf die Schwerkraft verweisen, aber ich befürchte, du als Philosoph würdest behaupten, ich könne ohne deine Hilfe ja nicht wissen, ob die Schwerkraft auch morgen noch gelte. 

 

Mein Einwand in Kürze: Es handelt sich, wie du selbst zugibst, um einen Alltagsschluß, auf dem das gesamte Leben auf diesem Planeten beruht. Sonst könnten Lebewesen keine Erfahrungen machen, nicht nur Menschen. Und ja, es funktioniert, aber eben nicht immer. Je nach Zusammenhang gibt es mal mehr mal weniger Fälle, in denen dieser Schluß falsch ist, und das Subjekt ist dann der Dumme.

 

Mein erster Punkt: Es ist kein Schluß, sondern bloß eine mehr oder weniger begründete Vermutung, und sie ist umso mehr begründet, je mehr sie auf Tatsachenbeobachtungen beruht.

 

Mein zweiter Punkt: Du behauptest, nur die Philosophie könne Gründe dafür liefern, warum ein solcher Schluß (du nennst es Induktion) berechtigt sein, und diese Gründe lägen nicht in Tatsachenbeobachtungen. Vielleicht habe ich ja ein Aufmerksamkeitsproblem, aber meines Wissens hast du zwar immer nur behauptet, die Philosophie könne diese Gründe liefern, es aber meiner Ansicht nach nie getan. 

 

Könntest du einfach mal kurz und schmerzlos und für einen schlichten Zeitgenossen wie mich verständlich aufschreiben, womit die Philosophie die Begründung für Schlüsse liefert, die nicht auf Tatsachenbeobachtungen beruhen. 

 

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On 11/21/2024 at 3:36 PM, iskander said:

Die Gefahr von Gamma-Blitzen ist zum Glück übrigens wohl sehr gering, weil die Kandidaten, die das Potential hätten, Gamma-Blitze auszulösen, welche uns gefährlich zu werden, offenbar zu weit weg sind (aber da weiß Kevin im Zweifelsfall sicher mehr als ich).

 

 

Disclaimer: Ich bin kein Physiker.

 

 

On 11/24/2024 at 10:09 PM, iskander said:

Es muss ja irgendeinen Grund geben, dass konstante Naturgesetze wahrscheinlicher sind als die Änderung X. Sonst hat man eine (spieltheoretisch) absolut symmetrische Situation, wo man in beiden Fällen Glück oder Pech haben kann.

 

 

Die "Asymmetrie" besteht darin, dass es sich um zwei verschiedene Quellen der Erkenntnis handelt:

 

Du kannst entweder nur das reine Denken nehmen und eine Vorhersage  somit völlig frei erfinden (Auswahl aus unendlich vielen logisch möglichen Hypothesen) oder Dich bei der Bildung von Hypothesen an empirischen Daten orientieren (Erfahrung als Kriterium) um besagte Unendlichkeiten loszuwerden.


Also entweder reines Denken oder Erfahrung als zusätzliche Quelle der Erkenntnis.

 

Für die Erfahrung spricht, dass wir mit reinem Denken sicher keine Chance haben, denn die Wahrscheinlichkeit unter unendlich vielen logisch möglichen Hypothesen zufällig eine richtige zu erwischen, geht gegen Null.

 

Du kannst nun fragen, woher wir wissen, dass Orientierung an Erfahrung besser ist als eine willkürlich ausgewählte Hypothese.
Deduktiv folgt es nicht, anderen Konstruktionen a priori traue ich nicht und der Verweis auf Erfahrung wäre zirkulär.
Aber welche Alternative haben wir, als davon ausgehen, wenn wir auch nur eine Chance auf Erfolg haben wollen?
Wie sonst sollten wir in dieser Welt operieren?
Und warum sollten wir eine Wette eingehen gegen die Fundamente der Wirklichkeit (soweit sie uns bekannt sind)?

 

 

On 11/24/2024 at 10:09 PM, iskander said:

Wir könnten so gesehen dann beispielsweise nicht einmal sagen: "Es ist wahrscheinlich der Fall, dass morgen die Sonne aufgehen wird."

 

Nein, das würde ich so nicht sagen:

Kein mir bekanntes Modell rechnet damit, dass sich die Naturgesetze morgen ändern.


Wenn Du unbedingt eine Wahrscheinlichkeit dafür möchtest, dass sich die Naturgesetze morgen ändern, dann würde ich sie mit nahe Null und vernachlässigbar angeben.


Das ist aber eben keine wissenschaftliche Angabe einer Wahrscheinlichkeit (eine solche würde die Geltung der Naturgesetze bereits voraussetzen), sondern wir bewegen uns hier auf einer Metaebene und die Angabe dieser Wahrscheinlichkeit besagt nur, dass wir diese Möglichkeit vernünftigerweise ignorieren sollten.


Weil es erstens eine Wette gegen die Fundamente wäre und wir zweitens ohnehin keine andere Wahl haben, eben weil es um die Fundamente geht.

 

Aber wissen können wir es strenggenommen nicht, dass die Naturgesetze morgen auch noch gelten.

 

Du kannst nun sagen, dass damit all unser naturwissenschaftliches Wissen kein "echtes" Wissen ist.
Aber dieses Urteil hätte dann eben Bedeutung nur auf besagter philosophischer Metaebene.

Eine Ebene, die im Alltag und in den empirischen Wissenschaft ignoriert wird.


Scheint bislang noch keine negativen Auswirkungen gehabt zu haben...

(Dass naturwissenschaftliches Wissen stets vorläufig ist und auch nicht voraussetzungslos, setze ich mal als Konsens voraus)

 

 

On 11/21/2024 at 11:19 AM, iskander said:

3. Wir wissen, dass die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass die Gleichförmigkeit wahrscheinlicher ist als die Option, dass die Welt sich morgen in der spezifischen Weise X ändert (wobei X eine beliebige aus unendlich vielen Möglichkeiten ist).

(war als Frage an mich formuliert, ob ich das so sehe)

 

Anzunehmen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Naturgesetze morgen auch noch gelten, gegen Null geht, wäre absurd.
Denn spätestens nach einigen Tagen hätte man dann ein Erklärungsproblem...

 

 

 

On 11/21/2024 at 1:32 AM, iskander said:

Die Situation ist hier doch vergleichbar mit der folgenden: Man hat einen Strahl, der bei der Null beginnt und dann alle positiven reellen Zahlen erfasst. Wir wandern von der Null ausgehend diesen Strahl entlang und befinden uns jetzt, sagen wir mal, bei der zehn. Wir wissen nicht, ob der Strahl je enden wird, während wir uns immer weiter "in Richtung Unendlichkeit" bewegen - doch nehmen wir das im Sinne einer Fallunterscheidung an. Wir besitzen absolut kein Wissen darüber, ob der Strahl bei 10,1 oder bei 10 hoch 1.000 oder ganz woanders endet. Zwar kann es Gründe geben, die es wahrscheinlicher (oder sogar sicher machen), dass der Strahl an einer bestimmten Stelle endet - aber wir haben keinerlei Hinwiese dieser Art. In einer solchen Situation wäre es für uns nicht rational, davon auszugehen, dass der Strahl mit höherer Wahrscheinlichkeit an einer Stelle als an einer anderen endet. Die einzig vernünftige Vorgehensweise ist hier, alle Möglichkeiten als gleich wahrscheinlich zu betrachten. In diesem Fall ist es aber praktisch ausgeschlossen, dass der Strahl bei der 10,1 oder schon vorher endet.

 

Vielleicht kann man die Sache aber auch pessimistischer analysieren: Alles was wir kennen, vergeht früher oder später. Das gilt für Meere, Gebirge und sogar Sterne. Vielleicht mag man es so gesehen für plausibel halten, dass eben auch die Naturgesetze nicht mehr allzu lange existieren werden. Aber selbst, wenn wir annehmen, dass die Naturgesetze in ihrer jetzigen Form 99% ihrer Zeit hinter sich haben, blieben uns noch knapp 140 Mio. Jahre, wenn wir annehmen, dass die Naturgesetze seit Entstehung des Universums gelten und dass aktuelle Schätzungen, nach welchen das Universum 13,7 Mrd. Jahre als ist, verlässlich sind. 140 Mio. Jahre dürften zumindest für mittelfristige Planungen ausreichen. ;)

 

 

 

Gefällt mir eigentlich ganz gut.
Ein Problem sehe ich darin, dass dieses Modell schon ein Verständnis von Raum, Zeit und Kausalität voraussetzt (gilt auch für das "Induktionsproblem" insgesamt)?
Und dieses kommt ja eigentlich aus der Physik.
Wenn die Naturgesetze nicht mehr gelten, sind aber auch hier "all bets off".
(Davon abgesehen, dass die "Restlaufzeit" gemäß diesem Modell mit zunehmendem Alter des Universums dann ja immer größer werden würde, weil man ja immer von den 99 Prozent ausgehen kann.)
Und so oder so, auf derartige Letztbegründungen, die an die Transzendentalphilosophie erinnern, möchte ich mich lieber nicht verlassen.


Schließlich noch zu Deiner Einschätzung, mein Geschreibsel sei ja auch Philosophie:

Eigentlich versuche ich nur zu zeigen, dass das naturwissenschaftliche Weltbild keiner Ergänzung durch die Philosophie bedarf.

Es handelt sich also eher um Metaphilosophie.
Und dass jede Art von Metaphilosophie auch zur Philosophie gezählt wird, ist nun nicht meine Schuld 😉

 

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@Marcellinus

 

Zitat

Mein erster Punkt: Es ist kein Schluß, sondern bloß eine mehr oder weniger begründete Vermutung, und sie ist umso mehr begründet, je mehr sie auf Tatsachenbeobachtungen beruht.

 

Ja, in einem gewissen Sinne handelt es sich in Fällen dieser Art tatsächlich um Vermutungen, und zwar solche, die im günstigen Fall auf Tatsachenbeobachtungen beruhen. Doch was begründet ist (oder auch nur begründet zu sein vorgibt), lässt sich auch als Argument formulieren - und das heißt eben auch: als logischer Schluss. Eine konkrete Begründung für eine Vermutung wird dann durch die Prämissen repräsentiert, und die eigentliche Vermutung durch die Konklusion. Zu den Prämissen können dabei natürlich auch Aussagen gehören, die Tatsachenbeobachtungen beschreiben. Am Beispiel:

 

1) Bisher haben sich alle Steine, die wir nach oben geworfen haben, so verhalten, dass sie wieder nach unten gefallen sind.

2) Falls sich bisher bei unzähligen Beobachtungen stets alle X auf die Weise W verhalten haben, werden sich vermutlich auch in Zukunft die allermeisten X auf die Weise W verhalten. [X und W sind Platzhalter.]

3) Also werden vermutlich auch in Zukunft die allermeisten Steine, die wir nach oben werfen, wieder nach unten fallen.

 

Wir müssen beides wissen - dass 1) der Fall ist und dass 2) der Fall ist; nur dann können wir wissen, dass 3) der Fall ist. Fehlt und 1) oder 2), so kommen wir nicht zu 3).

 

1) ist (vergleichsweise) unproblematisch, weil es sich hier um ein Wissen aus der Erfahrung handelt - oder um Deine Formulierung aufzugreifen: Um ein Wissen aus Tatsachenbeobachtungen.

2) ist das Problem: Es ist die These, dass die beobachtete Vergangenheit (vermutlich) der Zukunft gleichen wird. Das ist nichts anderes als das Induktionsprinzip (in einer bestimmten Form), welches als - oftmals implizite - Prämisse sehr vielen unserer erfahrungsbasierten Vermutungen/Schlüssen zugrundeliegt.

"Implizit" heißt hier: Normalerweise wird 2) gar nicht explizit verbalisiert, sondern als unausgesprochene Prämisse genommen. Wenn ein Kind einen fragen würde, wieso wir wissen, dass Steine immer herunterfallen, würde man vielleicht sagen: "Weil das bisher immer so war." Der andere Teil, der da lautet: "...und was bisher immer so war, wird vermutlich auch in Zukunft so sein", wird oft nicht einmal ausgesprochen, ist aber unverzichtbar. Er stellt sozusagen die Brücke von der Erfahrung zu dem, was außerhalb der Erfahrung liegt, dar.

 

Im konkreten Fall könnte 2) natürlich auch einfach so lauten: "Falls bisher bei unzähligen Beobachtungen stets alle Steine nach unten gefallen sind, werden vermutlich auch in Zukunft die allermeisten Steine nach unten fallen." Aber zu dieser spezifischen Überzeugung kommen wir ja doch nur, weil wir es für richtig halten, dass ganz allgemein ein Zusammenhang zwischen bisherigen Beobachtungen und künftigem Verhalten besteht. Nur weil wir von diesem allgemeinen Induktions-Prinzip ausgehen, nehmen wir an, dass es auch im konkreten Fall mit den Steinen gilt. Deshalb habe ich 2) gleich entsprechend allgemein (mit Platzhaltern) formuliert.

 

Zitat

Nun bin ich ein schlichtes Gemüt, und würde in diesem Fall auf die Schwerkraft verweisen, aber ich befürchte, du als Philosoph würdest behaupten, ich könne ohne deine Hilfe ja nicht wissen, ob die Schwerkraft auch morgen noch gelte.

 

Für ein schlichtes Gemüt halte ich Dich gewiss nicht, und meine Hilfe wirst Du auch kaum benötigen. ;) Einige Überlegungen können m.E. für die Begründung induktiver Schlüsse tatsächlich hilfreich sein.

 

Tatsächlich geht Deine Antwort in die richtige Richtung (s.u.), genügt aber noch nicht. Denn es stellt sich an dieser Stelle natürlich tatsächlich die Frage, woher wir wissen, dass noch morgen das Gravitations-Gesetz gilt.
Der Induktions-Skeptiker wird an dieser Stelle sagen, dass unser vermeintliches Wissen über allgemeine Gesetzesaussagen zentral auf einer induktiven Verallgemeinerungen von Beobachtungen beruht. Wir haben in der Vergangenheit immer beobachtet, dass die Dinge sich so verhalten, wie es dem Gesetz der Gravitation es entspricht - daraus schließen wir dann, dass die Dinge sich auch morgen noch so verhalten werden, wie es das Gravitations-Gesetz vorhersagt.

Doch genau dies sei eben ein Fehlschluss: Es könne schon morgen sein, dass wir eine Beobachtung machen, die unsere Überzeugungen über die Gravitation widerlegt. Und wir könnten noch nicht einmal sagen, dass dies unwahrscheinlich sei - bzw. dass es wahrscheinlich sei, dass das Gravitations-Gesetz auch noch morgen gilt. Alle bisherigen Erfahrungen seien diesbezüglich bedeutungslos, eben weil induktive Schlüsse - etwa von vergangenen Beobachtungen auf die Zukunft - einfach ungültig seien.

Aus Sicht des Induktionsskeptikers sind allgemeine Aussagen über die Natur (wie unsere Naturgesetze) daher stets nur Hypothesen, die bisher noch nicht widerlegt wurden. Man könne nur sie nur falsifizieren, nie aber verifizieren.

Deshalb ist es, wenn man die Induktion ablehnt, in der Tat nicht möglich, aus den Naturgesetzen zu folgern, dass die Welt morgen grundsätzlich noch immer so aussehen müsse wie heute.

 

Wie kann nun eine Begründung der Induktion aussehen? Ich habe mich dazu in der Tat schon geäußert, aber nur sehr knapp. Ich versuche eine zwar immer noch schematische und vereinfachte, aber doch etwas ausführlichere Darstellung, wie dieses Ziel aus meiner Sicht erreicht werden kann.

 

Im ersten Schritt geht es tatsächlich darum, dass "Naturgesetze" gelten bzw. zumindest bisher gegolten haben. ("Naturgesetze" hier nicht verstanden als komplexe Modelle und Theorien, sondern erst mal um basale Aussagen über die Wirklichkeit. Wie etwa: "Mindestens die allermeisten Steine waren bisher so disponiert, dass, wenn man sie in die Luft geworfen hat/hätte, sie wieder heruntergefallen sind/wären." "Mindestens die allermeisten Krähen sind bisher schwarz gewesen." Dabei ist selbstredend klar, dass es sich bei solchen "Gesetzesaussagen" um "Beschreibungen" und nicht um "Vorschriften" handelt.)


Da wir an dieser Stelle noch nicht per Induktionsprinzip auf solche "Naturgesetze" schließen dürfen – die Validität induktiver Schlüsse muss ja erst bewiesen werden – vollziehen wir hier einen abduktiven Schluss von unserer Erfahrung auf das, was unsere Erfahrung erklärt. Dieser geht so: Unsere bisherige Erfahrung mit der enormen Regelmäßigkeit der Welt wäre so gut wie unmöglich, wenn die Natur nicht bestimmte, weitgehend stabile Eigenschaften besäße, welche diese Erfahrung der Regelmäßigkeit ermöglichen und sich in Gesetzesaussagen ausdrücken lassen.

Wenn die Welt eigentlich völlig chaotisch wäre, und wenn in jedem neuen Augenblick die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich in einer x-beliebigen Weise ändert, so groß wäre wie die, dass sie prinzipiell gleich bleibt; oder wenn die Welt völlig anders wäre als unsere ganz basalen Annahmen über sie es uns glauben machen: dann wäre unsere Erfahrung praktisch unmöglich.

Wenn beispielsweise Krähen bisher gar keine feste Farbe gehabt hätten, oder wenn ziemlich viele Krähen in den von uns beobachteten Gebieten eigentlich weiß gewesen wären, dann wäre es unerklärlich, dass alle von uns beobachteten Krähen bisher schwarz waren. Dass wir beispielsweise alle weißen Krähen übersehen haben sollen, auch wenn es eigentlich viele davon gibt, ist ausgesprochen unplausibel.

 

Wir schließen hier also nicht ganz unmittelbar und direkt aus der wiederholten Beobachtung auf eine Gesetzmäßigkeit, sondern wir schließen aus dem Befund, dass die Beobachtung nur erklärbar ist, wenn wir annehmen, dass die entsprechende Gesetzmäßigkeit "gilt", darauf, dass sie tatsächlich "gilt".

 

Wir sagen also nicht:

 

1) Alle Krähen, die wir bisher beobachtet haben, sind schwarz.
2) Also sind (fast) alle Krähen schwarz.

 

Das wäre ohne begründetes induktives Prinzip tatsächlich einfach nur ein Fehlschluss. Sondern wir sagen:

 

1) Alle Krähen, die wir bisher beobachtet haben, sind schwarz.
2) Diese Beobachtung wäre unerklärlich bzw. extrem unwahrscheinlich, wenn nicht (fast) alle Krähen schwarz wären.
3) Also sind (fast) alle Krähen schwarz.

 

Der Unterschied mag subtil sein, ist aber wichtig. (Die Konstanz der Welt mit ihren Regelmäßigkeiten und Mustern würde dann also bestimmte induktive Schlüsse rechtfertigen - wobei wir an dieser Stelle noch nicht sehr weit kommen.)

 

Dass die hier genutzte Art des abduktiven Schließens berechtigt ist, wird man als apriorische Feststellung betrachten müssen. Apriorisch heißt hier einfach: Nicht die Erfahrung sagt es einem, sondern man muss es einsehen - oder aus Eingesehenem ableiten.

Die Behauptung lautet hier wohlgemerkt nicht, dass es "für sich genommen" einsichtig sei, dass die Welt sich durch Regelmäßigkeit auszeichnet und auf eine bestimmte Weise geordnet ist, so dass wir sie mit bestimmten Gesetzesaussagen beschreiben können.

Die Behauptung lautet vielmehr: Angesichts unserer Erfahrung von der Welt ist es einsichtig, dass diese Welt (oder jedenfalls der uns bekannte Ausschnitt von ihr) sich durch Regelmäßigkeit auszeichnet und auf eine bestimmte Weise geordnet ist, so dass wir sie mit Gesetzesaussagen charakterisieren können.

So können wir beispielsweise nicht apriorisch feststellen, dass (fast) alle Krähen schwarz sind - sondern nur, dass es angesichts unserer Erfahrung höchstwahrscheinlich der Fall ist, dass (fast) alle Krähen schwarz sein müssen (eben weil unsere Erfahrung andernfalls so gut wie unerklärlich wäre).

 

Damit sind wir aber leider noch nicht am Ziel. Denn wenn wir auch wissen, dass die Welt bisher und in den von uns untersuchten Gebieten relativ konstante Eigenschaften hatte, könnte es ja noch immer sein, dass die Welt schon morgen und wenige Kilometer außerhalb des von uns untersuchten Raums ganz andere Eigenschaften hat bzw. haben wird.

Wir müssen nach meinem Dafürhalten konzedieren, dass es in der Tat nicht auszuschließen ist, dass die Natur (und damit die uns bekannten Naturgesetze) sich irgendwann fundamental ändern wird, oder dass sie irgendwo im Universum schon jetzt tatsächlich fundamental anders aussieht als bei uns. Man kann vielleicht argumentieren, dass dies nicht plausibel sei, aber mit einem hohen Maß an Gewissheit kann man das vermutlich kaum ausschließen.

 

Allerdings heißt das nicht, dass uns nur Resignation und Skepsis blieben. Für die weitere Argumentation können hier eine Fallunterscheidung vornehmen: Entweder die Natur bleibt im Hinblick auf ihre fundamentale Struktur und ihre grundlegenden Gesetze für immer so, wie sie heute ist. Dann sind viele induktive Schlüsse grundsätzlich auch im Hinblick auf die fernste Zukunft "objektiv" berechtigt.

Oder die uns bekannten Naturgesetze werden wirklich irgendwann einmal "enden". Hier wäre mein Punkt nun dieser: Wenn es einen sehr langen Zeitraum gibt, in welchem die uns bekannten Naturgesetze und Beschreibungen der physischen Welt gegolten haben und noch immer gelten, und wenn dieser Zeitraum endlich ist, dann wissen wir zwar nicht, wann er endet. Er könnte in einem Augenblick oder in 10 hoch einer Milliarde Jahre enden, oder zu einem beliebigen anderen Zeitpunkt. Wenn allerdings absolut kein Grund zur Annahme besteht, dass die Natur sich eher zu einem bestimmten Zeitpunkt als zu einem andern Zeitpunkt wandelt, ist es höchst unwahrscheinlich, dass sie sich sehr bald wandelt.

Oder anders formuliert: Falls wir uns in einem riesigen, aber womöglich endlichen Kontinuum befinden und keine Ahnung haben, wo sein Rand ist (falls es einen hat), so ist es sehr unwahrscheinlich, dass wir uns ausgerechnet extrem nahe am äußersten Rande dieses Kontinuums befinden - so, wie es auch sehr wenig wahrscheinlich ist, dass wir uns ganz in der Nähe seines absoluten Zentrum befinden.

 

Selbst wenn wir pessimistisch sind und aus irgendeinem Grund annehmen, dass dass die Naturgesetze den größten Teil ihrer Geltung hinter sich haben, hätten wir vermutlich immer noch eine erhebliche Zeitspanne vor uns. Wenn beispielsweise 99% der Zeit, in denen die Natur konstant ist, vergangen sind, würden uns noch immer knapp 140 Mio. Jahre bleiben, in denen die Natur prinzipiell so sein wird, wie wir sie kennen (wenn aktuelle Schätzungen zum Alter des Universums richtig sind.) Die Aussage, dass auch morgen - oder auch in tausend Jahren - die Sonne noch höchstwahrscheinlich aufgehen wird, wäre damit jedenfalls gedeckt.

 

Was für die zeitliche Ausdehnung gilt, das gilt auch für die räumliche. Auch hier ist es unter der Annahme, dass die uns bekannten Naturgesetze irgendwo im Raum enden, ist es sehr unwahrscheinlich, dass wir uns gerade am äußersten Rand jenes Teil des Raums befinden, in dem sie gelten. Anders ausgedrückt: Es ist sehr unplausibel, dass die Grenzen, die den Raum unserer bisherigen Erfahrung markieren und jene Grenzen, die den Raum der uns bekannten Naturgesetze beschreiben, zufällig nahezu deckungsgleich sein sollen.
 

Um es an einem Beispiel zu illustrieren (bei welchem der Begriff "Naturgesetze" allerdings nur Anwendung finden kann, wenn man ihn lax gebraucht): Falls jemand 1.000 km durch Waldgebiete gewandert ist und auf seiner Reise nur Nadelbäume und keine Laubbäume gesehen hat, ist er nicht berechtigt zu schließen, dass alle Bäume auf der Erde Nadelbäume sind. Die Wahrscheinlichkeit aber, dass aber auch innerhalb der nächsten 50 Meter, die er zurücklegt, alle oder fast alle Bäume Nadelbäume sein werden, ist sehr hoch.

Dass die Bäume in manchen Gebieten (vorwiegend) aus Nadelbäumen und in anderen (vorwiegend) aus Laubbäumen bestehen, ist keinem absoluten Chaos geschuldet, sondern spezifischen Faktoren (wie etwa Anpassung an bestimmte klimatische Bedingungen). Dass diese spezifischen Faktoren aber gerade so geartet sind, dass ausgerechnet in 50 Metern zahlreiche Laubbäume zu finden sein werden, wenn in den letzten 1.000 km lang kein einziger Laubbaum kam, ist sehr unwahrscheinlich.

 

Diese Überlegungen (oder vielleicht teilweise noch grundlegendere Überlegungen, die ihnen implizit zugrundeliegen) sind erneut zum Teil apriorisch in dem Sinne, dass man sie einsehen muss und nicht (zirkelfrei) aus der Erfahrung ableiten kann. Dennoch beziehen sie sich natürlich auf die wirkliche Welt.
 

An dieser Stelle soll ein induktiver Schluss ohne weitere Begründung mit einem verwandten induktiven Schluss, wie ich ihn begründen würde, verglichen werden. Es wird dadurch hoffentlich auch noch deutlicher, was der konkrete Bezug der bisherigen Überlegungen zur Induktion ist. Der induktive Schluss ohne Begründung würde lauten:

 

1. Alle bisher von uns beobachteten Schwäne sind weiß. [Wir nehmen hier die Perspektive eines Europäers vor der Entdeckung Australiens ein.]
2. Also sind alle Schwäne weiß.

 

Das ist für sich genommen natürlich einfach ein Fehlschluss. Hier nun ein verwandter Schluss mit einer Begründung im Sinne der obigen Ausführungen:

 

1. Alle bisher von uns beobachteten Schwäne sind weiß.
2. Das lässt sich nur erklären, wenn (fast) alle Schwäne in den uns bekannten Gebieten weiß sind.
3. Also sind höchstwahrscheinlich tatsächlich (fast) alle Schwäne in den uns bekannten Gebieten weiß.
4. Das uns bekannte Gebiet, auf dem alle Schwäne weiß sind, ist riesig.
5. Es ist [aus den oben dargelegten Gründen] ausgesprochen unwahrscheinlich, dass knapp jenseits der Grenzen dieses Gebiets, also vielleicht 100 km weiter, die Situation ganz anders aussieht und es da nun zahlreiche nicht-weiße Schwäne gibt.
6. Also sind sehr wahrscheinlich auch im Umkreis von 100 km über die Grenzen der uns bekannten Welt hinaus (fast) alle Schwäne weiß.

 

Ist damit das Induktionsprinzip begründet? Ich meine: Ja, auch wenn die Begründung vereinfacht und schematisch ist, man mehr sagen könnte und wohl auch mehr in die Tiefe gehen müsste.

Mit welchem Grad an Gewissheit gilt diese Rechtfertigung der Induktion? Darüber mag man diskutieren, aber nach meiner Überzeugung ist sie einsichtig genug, damit sich sagen lässt, dass die Akzeptanz hinreichend sorgfältiger induktiver Schlüsse wesentlich vernünftiger ist als ihre Ablehnung.

Muss man derartige Erwägungen anstellen? Nicht unbedingt; man wird sich wie gesagt auch einfach auf Intuition und gesunden Menschenverstand berufen können. Aber wie ebenfalls schon gesagt, halte ich es zumindest für legitim, genauer zu untersuchen, was denn nun der Intuition bzw. dem gesunden Menschenverstand zugrunde liegt.

bearbeitet von iskander
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vor 5 Stunden schrieb KevinF:

Du kannst nun fragen, woher wir wissen, dass Orientierung an Erfahrung besser ist als eine willkürlich ausgewählte Hypothese.
Deduktiv folgt es nicht, anderen Konstruktionen a priori traue ich nicht und der Verweis auf Erfahrung wäre zirkulär.
Aber welche Alternative haben wir, als davon ausgehen, wenn wir auch nur eine Chance auf Erfolg haben wollen?
Wie sonst sollten wir in dieser Welt operieren?

 

Nur: Ist das nun nicht eben selbst zirkulär? ;)

Wird hier nicht eben doch implizit angenommen, dass es für die These, dass uns die sorgfältige und tausendfache Erfahrung - möglicherweise - etwas über die Zukunft verrät, einen besseren Grund gibt als für die Annahme, dass mein Kaffeesatz uns etwas über die Zukunft verrät?

Wenn man wirklich ganz konsequent und kompromisslos davon ausginge, dass es absolut nicht mehr Grund gibt, etwas aus der Erfahrung anstatt aus meinem Kaffeesatz zu schließen, dann könnte ich ja auch sagen: Welche andere Alternative habe ich, als meinen Kaffee-Satz zu befragen, wenn ich auch nur eine Chance auf Erfolg haben will?

 

Nur wenn man annimmt, dass doch irgendein Anlass zur Vermutung besteht, dass die Erfahrung einem eine bessere Chance auf Erfolg bietet als die Kaffeesatz-Leserei, lässt sich hier eine epistemische Asymmetrie aufmachen. Wenn die Annahme, dass wir mit der Erfahrung vielleicht doch besser fahren als mit dem Kaffeesatz nicht so beliebig sein soll wie ihre Umkehrung (welche dem Kaffee-Satz den Vorrang vor der Erfahrung einräumt), muss es irgendeinen Grund für die epistemische Überlegenheit der Erfahrung geben. Und dieser Grund wäre dann zugleich auch ein Grund, der - wenn vielleicht auch nur schwach - für eine gewisse Geltung der Induktion spricht.

 

Aus meiner Sicht gehst Du nicht rigide von jenen Voraussetzungen aus, von denen ein "waschechter" Induktionsskeptiker ausgeht - falls ich Dir damit nicht zu nahe trete. ;)

 

Zitat

 

Nein, das würde ich so nicht sagen:

Kein mir bekanntes Modell rechnet damit, dass sich die Naturgesetze morgen ändern.

 

 

Wenn aber induktive Schlüsse nicht begründet sind (bzw. wenn die Annahme der Gleichförmigkeit der Natur nicht begründet ist), dann ist die Annahme der Modelle, dass auch morgen noch die Naturgesetze gelten, willkürlich. Es könnte sich dann höchstens um noch nicht falsifizierte Hypothesen im Popperschen Sinne handeln. Und aus unbegründeten Hypothesen kann ich kein Wissen ableiten - auch nicht solches, dass morgen die Sonne aufgeht.

 

Zitat

Weil es erstens eine Wette gegen die Fundamente wäre und wir zweitens ohnehin keine andere Wahl haben, eben weil es um die Fundamente geht.

 

Aber auch hier scheint mir die Annahme im Hintergrund zu stehen, dass es eben doch irgendein Grund dafür spricht, dass die Natur eine gewisse Gleichförmigkeit oder Konstanz besitzt. Denn ohne diese Annahme wären die Fundamente ja hohl (bestenfalls eben die noch nicht falsifizierten Hypothesen), und wir hätten dann jede und keine und jede Wahl, ohne dass die eine Option gegenüber der andere irgendwie "privilegiert" wäre.

 

Zitat

Wenn Du unbedingt eine Wahrscheinlichkeit dafür möchtest, dass sich die Naturgesetze morgen ändern, dann würde ich sie mit nahe Null und vernachlässigbar angeben.

 

Das sehe ich genauso, glaube aber wie gesagt, dass man dafür eine (andere?) Begründung braucht (und sei es mindestens die Berufung auf eine Intuition, die sich dann aber näher analysieren lässt).

Wenn man übrigens schon begründet davon ausgehen kann, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Naturgesetze sich morgen ändern, äußerst gering ist, dann hat man damit zugleich die (höchstwahrscheinliche) Geltung induktiver Schlüsse. Wenn ich tausend mal beobachte, dass Wasserstoff brennt, und wenn morgen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Hinblick auf die Interaktion von Wasserstoff und Sauerstoff noch die gleichen Gesetze gelten werden wie heute, dann kann ich aus meiner Erfahrung auch folgern, dass morgen Wasserstoff immer noch brennen wird. Dann sind induktive Schlüsse gerechtfertigt und dann ist das Induktionsproblem gelöst. (Hume hat richtig gesehen, dass das Prinzip der Gleichförmigkeit der Natur und die Geltung der Induktion sehr eng zusammenhängen.)

 

Zitat

Aber wissen können wir es strenggenommen nicht, dass die Naturgesetze morgen auch noch gelten.

 

Mir geht es nur um das Wissen, dass sie (sehr) wahrscheinlich auch morgen gelten werden. Auch wenn das kein Wissen in einem ganz strengen bzw. "absoluten" Sinne sein mag, halte ich das an dieser Stelle für völlig ausreichend und befriedigend.

 

Zitat

 

Du kannst nun sagen, dass damit all unser naturwissenschaftliches Wissen kein "echtes" Wissen ist.
Aber dieses Urteil hätte dann eben Bedeutung nur auf besagter philosophischer Metaebene.

Eine Ebene, die im Alltag und in den empirischen Wissenschaft ignoriert wird.

 

 

Man kann das auch "umdrehen": Zweifel an der Induktion haben im Alltag und in der realen Praxis der Wissenschaften keinen oder kaum einen Platz, und die Induktion funktioniert im allgemeinen sehr gut (oder hat es bisher jedenfalls getan). Aber dann stellt sich eben auch die Frage, warum das so ist - und hier wäre die Aufgabe der Philosophie m.E. wie gesagt, zu klären, wie der gesunde Menschenverstand zu seinem Urteil kommt. (Nicht wie er faktisch zu seinem Urteil kommt - das würde eher in die Psychologie gehören - sondern warum er zurecht zu seinem Urteil gelangt.)

 

Zitat

Anzunehmen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Naturgesetze morgen auch noch gelten, gegen Null geht, wäre absurd.
Denn spätestens nach einigen Tagen hätte man dann ein Erklärungsproblem...

 

Bei "Erklärungsproblem" wären wir wieder beim Stichwort abduktiver Schluss (Schluss auf die Erklärung), der, wie ich in meiner Antwort von vorhin an @Marcellinus dargelegt habe, aus meiner Sicht eine wichtige Rolle bei der Lösung des Induktions-Problems spielt.

 

Zitat

Ein Problem sehe ich darin, dass dieses Modell schon ein Verständnis von Raum, Zeit und Kausalität voraussetzt (gilt auch für das "Induktionsproblem" insgesamt)?
Und dieses kommt ja eigentlich aus der Physik.

 

In der verfeinerten Form teilweise sicher aus der wissenschaftlichen Physik, teils aber setzt letztere sicherlich bereits auch ein gewisses alltägliches "protophysikalisches" Verständnis voraus, welches aus unserer Alltagserfahrung zusammen mit unseren mentalen Dispositionen, die uns die "Verwertungen" Erfahrungen ermöglichen, entstehen dürfte. (Um hier der Kritik von Elias zuvorzukommen, räume ich ausdrücklich ein, dass es auch überindividuelle und tradierte Erfahrungen gibt.)

Man müsste das jetzt genauer durchexerzieren, aber ich würde meinen, dass man aufbauend auf diesem alltäglichen Grundverständnis und dieser alltäglichen Erfahrung bereits bestimmte Formen der Induktion rechtfertigen kann, und auf dieser Basis dann auch anspruchsvollere Physik, wobei auf dieser Grundlage dann wiederum bestimmte (andere) Induktionsschlüsse gerechtfertigt werden können.

 

Zitat

Wenn die Naturgesetze nicht mehr gelten, sind aber auch hier "all bets off".

 

Das Argument will allerdings ja zeigen, dass es unwahrscheinlich ist, dass wir uns gerade an einem Punkt befinden, an dem das Ende der Naturgesetze unmittelbar bevorsteht. (Weil, falls wir uns irgendwo innerhalb eines gigantischen aber begrenzen Kontinuums befinden, es unwahrscheinlich wir ausgerechnet ganz am äußersten Rand stehen. Das "Kontinuum" wäre sozusagen die Epoche seit Beginn des Universums, in welcher die Naturgesetze gelten.)

 

Zitat

(Davon abgesehen, dass die "Restlaufzeit" gemäß diesem Modell mit zunehmendem Alter des Universums dann ja immer größer werden würde, weil man ja immer von den 99 Prozent ausgehen kann.)

 

Sicher, aber ist das nicht unproblematisch? Wenn das Universum nur seit 1.000 Jahren existiert, scheint mir die Annahme, dass es vielleicht schon in 500 Jahren endet (um mal eine andere Relation zu wählen) naheliegender zu sein, als wenn das Universum über 10 Mrd. Jahre alt ist.

 

Oder vielleicht an einem anderen Beispiel: Wenn ich die Halbwertszeit eines neuen Elementes mithilfe eines einzigen radioaktiven Atoms bestimmen müsste, und seit zehn Minuten auf seinen Zerfall warte, dann erscheint es mir als wahrscheinlicher, dass das Atom innerhalb der nächsten Stunde zerfallen wird, als wenn ich schon seit einer Million Jahre vergebens auf den Zerfall warte. (Ob das eine berechtigte Analogie ist? Ich würde spontan meinen: Grundsätzlich ja, trotz gewisser Unterschiede.)

 

Zitat

Und so oder so, auf derartige Letztbegründungen, die an die Transzendentalphilosophie erinnern, möchte ich mich lieber nicht verlassen.

 

Unabhängig davon, was meine Begründung taugt, brauchen wir allerdings ja immer irgendwo Letztbegründungen. Ohne eine Letztbegründung hängt nämlich jede Begründung-Kette in der Luft; sie kann nichts begründen, nicht mal in dem Sinne, dass sie etwas wahrscheinlicher macht. In gewisser Weise kann natürlich die Erfahrung (wenn wir hier ganz strikt beim "Gegebenen" bleiben) eine solche Letztbegründung darstellen, aber für sich allein genügt diese nicht; denn man muss ja immer auch einsehen/verstehen, was eine Erfahrung bedeutet und was sie impliziert. Wenn es um die Fundamente geht, muss man also immer irgendwo etwas einsehen. Nur manches ist eben einsichtiger als anderes.

 

Zitat

Eigentlich versuche ich nur zu zeigen, dass das naturwissenschaftliche Weltbild keiner Ergänzung durch die Philosophie bedarf.

Es handelt sich also eher um Metaphilosophie.
Und dass jede Art von Metaphilosophie auch zur Philosophie gezählt wird, ist nun nicht meine Schuld 😉

 

Das natürlich nicht. ;) Aber zum einen hat es natürlich seinen Grund, dass die Metaphilosophie zur Philosophie und nicht etwa zur Immunbiologie, zur Romanistik oder auch zur Physik gehört. Sowohl thematisch wie im Hinblick auf die gewählten Methoden scheint die Metaphilosophie nirgendwo besser untergebracht zu sein als bei der Philosophie.

 

Zweitens würde man Deine inhaltlichen Thesen normalerweise eigentlich eher zur Philosophie als zur Metaphilosophie rechnen, etwa was Deine Ausführungen zur Induktion betrifft. Diese scheinen - zumindest auf den ersten Blick - denen von Hume und Popper nahezustehen, auch wenn ich wie gesagt den Eindruck habe, dass Du doch nicht so induktionsskeptsich bist wie diese Herren.

bearbeitet von iskander
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vor 15 Stunden schrieb iskander:
Zitat

Mein erster Punkt: Es ist kein Schluß, sondern bloß eine mehr oder weniger begründete Vermutung, und sie ist umso mehr begründet, je mehr sie auf Tatsachenbeobachtungen beruht.

 

Ja, in einem gewissen Sinne handelt es sich in Fällen dieser Art tatsächlich um Vermutungen, und zwar solche, die im günstigen Fall auf Tatsachenbeobachtungen beruhen. Doch was begründet ist (oder auch nur begründet zu sein vorgibt), lässt sich auch als Argument formulieren - und das heißt eben auch: als logischer Schluss.

 

Ja, man könnte, aber man muß nicht, und was auf einer Vermutung beruht, ist und bleibt eine Vermutung und kein Schluß!

 

vor 15 Stunden schrieb iskander:

Wir schließen hier also nicht ganz unmittelbar und direkt aus der wiederholten Beobachtung auf eine Gesetzmäßigkeit, sondern wir schließen aus dem Befund, dass die Beobachtung nur erklärbar ist, wenn wir annehmen, dass die entsprechende Gesetzmäßigkeit "gilt", darauf, dass sie tatsächlich "gilt".

 

Wir sagen also nicht:

 

1) Alle Krähen, die wir bisher beobachtet haben, sind schwarz.
2) Also sind (fast) alle Krähen schwarz.

 

Das wäre ohne begründetes induktives Prinzip tatsächlich einfach nur ein Fehlschluss. Sondern wir sagen:

 

1) Alle Krähen, die wir bisher beobachtet haben, sind schwarz.
2) Diese Beobachtung wäre unerklärlich bzw. extrem unwahrscheinlich, wenn nicht (fast) alle Krähen schwarz wären.
3) Also sind (fast) alle Krähen schwarz.

 

Der Unterschied mag subtil sein, ist aber wichtig. (Die Konstanz der Welt mit ihren Regelmäßigkeiten und Mustern würde dann also bestimmte induktive Schlüsse rechtfertigen - wobei wir an dieser Stelle noch nicht sehr weit kommen.)

 

Das halte ich für eine Taschenspielertrick, der sich nicht mal die Mühe macht, seinen Charakter zu verbergen. Es bleibt ein Schluß von "fast alle" auf "alle", und der ist unzulässig. Ehrlicher müßte es heißen: Alle Krähen, die wir bisher beobachtet haben, sind schwarz. Ob alle schwarz sind, weiß ich nicht. Punkt!

 

vor 15 Stunden schrieb iskander:

Ist damit das Induktionsprinzip begründet? Ich meine: Ja, auch wenn die Begründung vereinfacht und schematisch ist, man mehr sagen könnte und wohl auch mehr in die Tiefe gehen müsste.

 

Nein (und bitte nicht)! Und zwar aus zwei Gründen: 1. weil es keine Begründung, sondern einfach nur eine umformulierte Vermutung ist. 2. Es hat mit Philosophie so viel oder wenig zu tun, wie Fisch mit Fahrrad. Es ist eigentlich ein schlechtes Beispiel für schlechte Empirie. 

 

Meine Frage war: 

 

Am 29.11.2024 um 19:41 schrieb Marcellinus:

Könntest du einfach mal kurz und schmerzlos und für einen schlichten Zeitgenossen wie mich verständlich aufschreiben, womit die Philosophie die Begründung für Schlüsse liefert, die nicht auf Tatsachenbeobachtungen beruhen. 

 

Stattdessen hast du vorläufige Beobachtungen ("Alle Krähen, die wir bisher beobachtet haben, sind schwarz") in eine Behauptung verwandelt ("Diese Beobachtung wäre unerklärlich...") und das eine Begründung genannt für ein vermeintliche "philosophisches Prinzip". Ich hoffe, du nimmst mir nicht übel, daß ich das wenig überzeugend finde.

 

Vielleicht solltest du beginnen, dir einzugestehen, daß deine Form von Philosophie eine Art ist, an Probleme heranzugehen, die nicht jedem einleuchtet, daß du stattdessen Probleme erzeugst, wo für andere, die deiner Philosophie nicht so viel Wertschätzung entgegenbringen, gar keine sind.   

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vor 16 Stunden schrieb iskander:

Ist damit das Induktionsprinzip begründet? Ich meine: Ja, auch wenn die Begründung vereinfacht und schematisch ist, man mehr sagen könnte und wohl auch mehr in die Tiefe gehen müsste.

 

Nein. Weil es kein Prinzip ist, sondern, so wie du es verwendest, einfach nur ein anderes Wort für eine mehr oder weniger begründete Vermutung, die man auch ohne hatte. Schon gar nicht ist es eine „Begründung“. Es werden nur immer mehr Worte, um aus meiner Sicht nichts zu sagen.

 

vor 16 Stunden schrieb iskander:

Mit welchem Grad an Gewissheit gilt diese Rechtfertigung der Induktion? Darüber mag man diskutieren, aber nach meiner Überzeugung ist sie einsichtig genug, damit sich sagen lässt, dass die Akzeptanz hinreichend sorgfältiger induktiver Schlüsse wesentlich vernünftiger ist als ihre Ablehnung.

 

Gar keine Gewißheit, und schon gar keine, die man nicht auch schon vorher hatte.

 

vor 16 Stunden schrieb iskander:

Muss man derartige Erwägungen anstellen? Nicht unbedingt; man wird sich wie gesagt auch einfach auf Intuition und gesunden Menschenverstand berufen können. Aber wie ebenfalls schon gesagt, halte ich es zumindest für legitim, genauer zu untersuchen, was denn nun der Intuition bzw. dem gesunden Menschenverstand zugrunde liegt.

 

Wenn es weitergehende Gedanken wären, wenn es etwas „zugrunde liegendes“ zum Vorschein bringen würde. Aber da ist nichts. Einfach nur Umformulierung von etwas, was schon längst da ist. Und viele Worte, um genau das zu verbergen.

 

 

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15 hours ago, iskander said:

Nur: Ist das nun nicht eben selbst zirkulär? ;)

 

 

Drei Punkte:

Erstens haben wir wirklich keine Wahl (wie soll ich auch nur einen Fuß vor den anderen setzen, wenn ich nicht von der Geltung der Naturgesetze ausgehe?). Zweitens halte ich Erfahrung als Kriterium in dem Sinne, wie ich es beschrieben hatte, nicht für weiter begründungsbedürftig.
Und drittens heißt das nicht, dass Erfolg garantiert ist.

 

Bezüglich Wahrscheinlichkeit möchte ich noch einmal meine Aussage von oben betonen:

 

"Das ist aber eben keine wissenschaftliche Angabe einer Wahrscheinlichkeit (eine solche würde die Geltung der Naturgesetze bereits voraussetzen), sondern wir bewegen uns hier auf einer Metaebene und die Angabe dieser Wahrscheinlichkeit besagt nur, dass wir diese Möglichkeit [dass die Naturgesetze morgen nicht mehr gelten] vernünftigerweise ignorieren sollten."

 

Ich halte es insgesamt einfach nicht für sinnvoll, sich lange mit dieser Metaebene zu befassen.

 

Die Antwort lautet am Ende ohnehin immer "Macht weiter, wie bisher." Nur die Begründung unterscheidet sich von Philosoph zu Philosoph.

 

Das braucht Dich beim Philosophieren aber nicht weiter zu stören 🙂

 

bearbeitet von KevinF
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