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Bewusstes Erleben (Qualia)


KevinF

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vor 9 Stunden schrieb Volker:

Es kann nur eine korrekte Position geben: Entweder, Primat des Bewusstseins ist wahr, oder Primat der Materie. Eine Zwischenposition, weder-noch, sondern beides sei gleichzeitig entstanden, ist logisch nicht möglich.

 

Das gilt allerdings nur dann, wenn man etwas von der Falschheit eines neutralen Monismus (Psychisches und Physisches sind zwei "gleichberechtigte" Aspekte einer zugrundeliegenden Wirklichkeit) ausgeht. (Neutrale Monismen werden auch von Atheisten wie etwa Russell vertreten.)

 

vor 9 Stunden schrieb Volker:

Das Primat des Bewusstseins wird meist mit einem logisch ungültigen Argument vertreten: Wir wissen nicht, was Bewusstsein ist, und wie es entstand, daher muss das Primat des Bewusstseins wahr sein. Das ist ein non sequitur und Berufung auf Ignoranz bzw. Berufung auf Unwissenheit, beruht also auf Denkfehlern.

 

Das wäre in der Tat ein sehr merkwürdiges Argument, das ich in dieser Form aber auch nicht kenne.

 

vor 9 Stunden schrieb Volker:

Das Phänomen der Qualia kann auch im Rahmen eines rein materiellen Denkens erklärt werden. Es ist nicht überraschend, dass unterschiedliche Perspektiven zu unterschiedlichem Erleben führen.

 

Unterschiedliche Perspektiven setzen aber schon bereits ein bewusstes Subjekt voraus, welches ein Erleben besitzt und daher überhaupt erst unterschiedliche Perspektiven einnehmen kann. Und während es kein Problem darstellt, eine Münze aus zwei unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten und beide Seiten, welche wir auf diese Weise sehen, einem rein physikalischen Objekt zuzuschreiben, liegen die Dinge im Fall von bewusstem Erleben und Hirnprozessen doch etwas anders.

Die eine "Seite", die wir aus der einen Perspektive "sehen" - das bewusste Erleben - entzieht sich einer physikalischen Beschreibung, so wie die andere Seite - die Gehirnprozesse - sich einer psychologischen Beschreibung entziehen.

Deshalb auch meine Position, dass wir so zumindest zu einem Aspekte-Dualismus kommen, bei welchem der eine Aspekt (Psychisches) nicht auf den anderen Aspekt (Physisches) reduzierbar ist oder umgekehrt.

 

Und wir wissen auch nicht, wie die bewusst-erlebnishafte "Seite" mit der anderen "Seite" - nämlich den neurophysiologischen Prozessen -, eine Einheit bilden könnte. Diese Unwissenheit mag ohne Weiteres noch keine Unmöglichkeit implizieren; aber zumindest liegt die Sache hier offensichtlich anders als bei Standard-Beispielen wie dem vom Morgenstern, der mit dem Abendstern identisch ist (beide sind die Venus). Und selbst bei letzterem Beispiel wird der Morgenstern ja nicht auf den Abendstern reduziert oder umgekehrt, sondern beide Perspektiven und die mit ihnen korrespondierenden Eigenschaften bleiben erhalten: Die Eigenschaft, das hellste Gestirn am Morgenhimmel zu sein und die Eigenschaft, das hellste Gestirn am Abendhimmel zu sein (außer dem Mond).

 

vor 9 Stunden schrieb Volker:

Was die Vertreter des Primats des Bewusstseins u. a. zu ihrem Fehler veranlasst, ist die Verwechslung von denkendem Geist mit geistigen Produkten. 1 + 1 = 2 ist ein simples Beispiel für ein geistiges Produkt, es handelt sich um eine Abstraktion, und man kann sie durchaus als immateriell bezeichnen.

 

Begeht wirklich jemand mit professionellem Hintergrund einen solchen Fehler? Es gibt ja die bekannte Unterscheidung zwischen noesis (in etwa "Denkakt") und noema (in etwa "gedanklicher Inhalt").

 

Zitat

 [...] nur die Materie verfügt über die Fähigkeit der Zustandsänderung, und das ist die Voraussetzung für jede mögliche Form des Denkens.

 

Davon ausgehend gäbe es dann zwei Möglichkeiten: Entweder man sagt, dass Denken und bewusstes Erleben im strikten Sinne nichts anderes als physikalische Prozesse sind, die sich (im Prinzip) vollständig durch die Physik beschreiben lassen. Das läuft dann auf eine Elimination hinaus.

Oder man sagt, dass Psychisches eine nicht-physikalische Eigenschaft physikalischer Objekte ist - dann hat man einen Eigenschaftsdualismus. ("Eigenschaft" wäre hier im weitesten Sinne zu verstehen und kann beispielsweise auch Prozesse, Zustände usw. umfassen.)

 

Zitat

Man kann anschaulich mit einem Baseballschläger verdeutlichen, dass alles Bewusstsein eine rein materielle Grundlage hat. Denn anderes kann man nicht erklären, wieso ein harter Schlag auf den Kopf zum zeitweisen (oder permanentem) Erlöschen des Bewusstseins führen kann. Wie soll eine rein physikalische Energie, oder die chemische Wirkung einer Droge, oder Überhitzung, Unterkühlung und viele andere rein materielle Phänomene, einen immateriellen "Prozess" beeinflussen können.

 

Zumindest folgt, dass bestimmte neurophysiologische Prozesse eine notwendige Bedingung für bewusstes Erleben darstellen. Ein (interaktionistischer) Substanz-Dualist steht an dieser Stelle außerdem tatsächlich vor einem Rätsel, weil wir nicht erkennen können, wie Psychisches und Physisches, wenn sie unterschiedlich sind, einander beeinflussen können.

 

Zitat

Alles Bewusstsein setzt ein Sein außerhalb des Bewusstseins voraus - sonst gäbe es kein Bewusstsein. Das Bewusstsein ist nicht selbstgenügsam, es bezieht sich immer auch auf etwas, was sich außerhalb meines Selbst befindet, es ist sozusagen die Schnittstelle zwischen mir und einer von mir unabhängig existierenden Außenwelt. Wäre das Primat des Bewusstseins wahr, steht das im logischen Widerspruch zur Annahme einer Außenwelt, Gott hätte dann ein Bewusstsein, aber, ohne dass es ein Sein außerhalb und unabhängig von ihm gibt.

 

Das kann ich jetzt offen gesagt nicht ganz nachvollziehen. Intentionales Bewusstsein setzt per definitionem immer einen "Gegenstand" voraus, auf welchen es sich bezieht. Das kann aber alles sein - unter anderem auch (andere) Bewusstseinsakte, abstrakte Gegenstände (wie Zahlen) oder oder das Subjekt selbst. Oder auch eine nur gedachte oder vorgestellte oder halluzinierte, in Wahrheit jedoch irreale Außenwelt.

Natürlich gibt es sehr gute Gründe für die Akzeptanz einer "Außenwelt" und dafür, dass diese für unser bewusstes Leben, so wie wir es kennen, notwendig ist. Aus der Tatsache hingegen, dass Bewusstsein oft mit Intentionalität verbunden ist (dass Bewusstsein sich auf etwas "richtet"), würde noch nichts über eine Außenwelt folgen.

 

Zitat

Wenn sich die Gegner des Primats der Materie aufmachen, um zu zeigen, dass Bewusstsein unerklärlich ist, nützt ihnen das überhaupt nichts, das Argument ist für ihre Position ebenso wertlos wie Qualia und andere erfundene Ideen (die sie nicht erwägen könnten, wenn das Primat der Materie nicht wahr wäre).

 

Sind Qualia - verstanden als qualitatives Erleben wie etwa im Fall von Lust und Schmerz - "Erfindungen"? Oder doch eher Grunderfahrungen, die uns zudem unmittelbarer zugänglich sind als das meiste andere?

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vor 4 Stunden schrieb Marcellinus:

Das ist ein philosophische Frage, und diesem Glauben hänge ich nun mal nicht an. Ich glaube auch nicht an Geister. Damit ist für mich die Frage der "Beziehung zwischen Geist und Materie" keine. Weil es eben keine Geister gibt. Damit wird aus dieser Pseudo-Frage die der Beziehungen zwischen Materie und Materie, also die nach der Organisation der Materie, die wir Gehirn nennen. 

 

Das ist ein nun allerdings ein Missverständnis. Denn gemeint ist hier natürlich nicht, dass die Geist und Materie unterschiedliche Dinge sein müssten, und dass ihre Beziehung keine der Identität sein könne. Damit wäre ja das Problem vor jeder Diskussion bereits autoritativ gelöst, und das ist eindeutig auch nicht, was Nagel an dieser Stelle tun will.

 

Es ist allerdings so, dass Geist und Materie zumindest prima facie unterschiedlich sind, und dass sich deswegen die Frage des Verhältnisses stellt. Und natürlich ist auch die Position, dass das Verhältnis eine Identität darstellt, keine empirische, sondern eine philosophische. Denn empirisch lassen sich nur Korrelationen feststellen - und das ist nicht nur heute so, sondern wird auch noch in 10.000 Jahren so sein. Und aus einer Korrelation folgt bekanntlich noch keine Identität.

 

vor 4 Stunden schrieb Marcellinus:

Denn das ist mittlerweile klar, aus den physikalischen Eigenschaften der einzelnen Atome, die unser Gehirn bilden, kann man seine Funktionen nicht erklären, aber das gilt ja auch schon für ein simples Rad, für dessen Funktion die Form entscheidend ist, nicht so sehr das Material, aus dem es besteht. 

 

Nicht aus den einzelnen Atomen und Molekülen allein. Aber man kann das Rad und sein Verhalten aus seinen Atomen und Molekülen zusammen mit deren Anordnung und deren Wechselwirkungen verstehen. ;)

Zu den Eigenschaften der Atome und Moleküle gehört eben auch, wie sie Verbindungen eingehen und dadurch Makro-Objekte bilden, die dann wiederum bestimmte System-Eigenschaften haben. Und das gleiche gilt nicht nur für das Rad, sondern generell. Wenn wir das Verhalten eine Makro-Systems nicht aus seinen Bestandteilen zusammen mit der Anordnung und den Eigenschaften dieser Bestandteile verstehen könnten, dann hätten wir zurecht den Eindruck, dass unser Wissen über die Mikro-Ebene unvollständig ist.

 

vor 4 Stunden schrieb Marcellinus:

Das ist auch der Grund, warum ein physikalischer Reduktionismus nicht funktioniert. Kein auch nur etwas komplizierteres Objekt dieses Universums läßt sich allein aus den Eigenschaften seiner Bestandteile erklären. Es braucht immer auch die Organisation dieser Materie. So werden aus Atomen Moleküle, aus Molekülen Eiweißbausteine, daraus Zellen, daraus Lebewesen, die ihrerseits wieder Arten bilden, und in höheren Formen Gruppen, Sippen und Gesellschaften.

 

Vielleicht haben wir hier eine andere Begrifflichkeit: Aber zu den Eigenschaften von Atomen und Molekülen würde ich auch ihre Disposition zählen, sich miteinander zu verbinden, wenn entsprechend günstige Bedingungen vorliegen. Doch wäre das eh nur eine sprachliche Differenz. Der Sache nach jedenfalls gilt, dass Atome zusammen mit ihrer Anordnung und zusammen mit ihrer Disposition, sich miteinander zu verbinden, eine befriedigende Erklärung darstellen sollten, warum sie sich in der beobachtbaren Weise zu Molekülen verbinden. Ähnlich sollte erklärbar sein, wieso sich einzelne Moleküle zu Makro-Molekülen verbinden. (Mithilfe des Konzepts der Elektronen lässt sich das dann genauer erklären; siehe hier.) Wenn man von der Mikro-Ebene ausgeht, sollte man also bequem zur Makro-Ebene gelangen, ohne dass da ein Rätsel übrigbleibt - in diesem Sinne jedenfalls sollte Reduktion durchaus funktionieren. Wir können beispielsweise offenbar durchaus aus den Eigenschaften von Kohlenstoffatomen, die sich in einer bestimmten Weise zueinander verbinden, erklären, wieso diese einen Diamanten mit seinen typischen Eigenschaften bilden (siehe hier).

 

Genau hier besteht nun die Disanalogie zum Materie-Geist-Problem. Wenn wir noch so viele einzelne Neuronen miteinander verbinden, können wir immer nur einen komplexen Verband an Neuronen, der sich in einer bestimmten Weise verhält, vorhersagen, nicht mehr.

Ganz abgesehen einmal davon, dass wir in allen bekannten Fällen das "emergente" System und seine Eigenschaften problemlos mit dem Vokabular der Physik beschreiben können - und den Geist eben nicht.

 

vor 4 Stunden schrieb Marcellinus:

Jede dieser Stufen der Entwicklung der Materie und des Lebens bildet eine eigene Integrationsstufe, mit Zusammenhängen, die es auf den jeweils niedrigeren Stufen noch nicht gab, und damit auch mit der Möglichkeit wie auch der Notwendigkeit, eigene Modelle zu entwickeln, die diese Zusammenhänge erklären, und die sich nicht auf die Erklärungsmodelle der jeweils niedrigeren Integrationsstufe erklären lassen. 

 

Wie gesagt: In den üblichen Fällen sollte es durchaus gelingen, die Integrationsstufe und die Zusammenhänge zwar nicht aus den "isolierten" Komponenten, wohl aber aus der Anordnung der Komponenten sowie den Eigenschaften der Komponenten zu erklären. Die Notwendigkeit, eigene Modelle zu bilden, wäre so gesehen vor allem eine pragmatische: Es ist viel einfacher von einem "Rad" zu sprechen als von einem "so und so geformten Cluster von Atomen und Molekülen, welche aufgrund ihrer Bindungskräfte einen stabilen Festkörper bilden".

 

vor 4 Stunden schrieb Marcellinus:

Das ist die Rechtfertigung für unterschiedliche theoretisch-empirische Wissenschaften, einfach weil es unterschiedliche Arten von beobachtbaren Zusammenhängen gibt. Was man allerdings nicht braucht, ist irgendeine Form von Metaphysik, die immer nur nichts anderes tut, als Behauptungen aufzustellen, für die es keine empirischen Belege gibt, und deren Antworten daher dem Reich der Fantasie und der Wunschträume entstammen. Wie die "Philosophie des Geistes". ;)

 

Ärgerlich nur, dass nichts von dem, was Du hier behauptest, in irgendeiner Weise einen "beobachtbaren Zusammenhang" darstellt - mit dem Ergebnis, dass nach Deinem eigenen Verdikt alles, was Du sagst, ins "Reich der der Fantasie und der Wunschträume" fällt. ;)

 

Das gilt etwa für folgende Behauptungen:

 

- Dass man Moleküle nicht aus den Eigenschaften von Atomen erklären könne und Eiweiße (Makromoleküle) nicht aus den Eigenschaften von gewöhnlichen Molekülen. (Immerhin ist diese Behauptung im weitesten Sinne empirisch prüfbar; sie scheint dann aber falsch zu sein.)

 

- Dass Geist eine Form der Materie sei.

 

- Dass Geist in der gleichen Weise durch Emergenz erklärbar sei wie im anderen Fällen, in denen mikrophysikalische Systeme makrophysikalische Systeme erklären.

 

- Dass alles, was nicht empirisch prüfbar ist, "Fantasie" sei. Letztere Behauptung enthält sogar einen impliziten Selbstwiderspruch, denn diese Behauptung ist selbst nicht empirisch prüfbar und somit laut Selbstaussage "Fantasie".

 

Nun magst Du entgegnen, dass Du zwar keine Experimente nennen kannst, die Deine Thesen unmittelbar beweisen, aber dass Du doch vernünftige Gründe aufführen kannst, die Deine Meinung stützen; und dass manche oder alle dieser Gründe auch auf die empirische Wirklichkeit Bezug nehmen.

 

Nur: Genau das können und tun Philosophen auch. Alles, was Du etwa zur Identität von Geist und Materie gesagt hast, haben auch schon Philosophen vertreten, und ich garantiere Dir, das jedes Argument, das Dir dazu einfällt (sofern Du nicht wirklich sehr gründlich darüber nachdenkst), auch schon Philosophen eingefallen ist. Einschließlich aller Argumente mit empirischem Bezug - also solchen, die beanspruchen, beispielsweise durch die Erkenntnisse der Hirnforschung oder Psychologie plausibilisiert zu werden.

 

Und was die "Emergenz" angeht, so wurde die ganze Idee natürlich auch schon von Philosophen gründlichst behandelt:

https://iep.utm.edu/emergence/#SSH2ai

 

Wenn Du einmal Deine Vorurteile über die Philosophie zurückstellen würdest, könntest Du vielleicht erkennen, dass Du zahlreiche These vertrittst, die weder in den Gegenstandsbereich der Naturwissenschaften noch in den der Soziologie fallen. Thesen, die zudem auch weder mit den Methoden der Naturwissenschaften noch mit denen der (empirischen) Sozialwissenschaften bewiesen wurden (oder auch nur mit diesen Methoden untersuchbar sind). ;)

bearbeitet von iskander
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vor 17 Minuten schrieb iskander:

Ärgerlich nur, dass nichts von dem, was Du hier behauptest, in irgendeiner Weise einen "beobachtbaren Zusammenhang" darstellt - mit dem Ergebnis, dass nach Deinem eigenen Verdikt alles, was Du sagst, ins "Reich der der Fantasie und der Wunschträume" fällt. ;)

 

Und ich finde ärgerlich, daß du immer wieder genau mit dieser Behauptung kommst. Dabei müßtest auch du wissen, daß wir hier nur ÜBER etwas reden, nicht von der Sache selbst, und dieses Drüberreden daher zwangsläufig etwas Theoretisches (man könnte auch sagen: Spinnertes) hat. Solange du zu solchen Tricks greifst, können wir uns diese Debatte sparen. 

 

P.S.: Ich habe keine Vorurteile gegenüber der Philosophie, sondern es ist das durch die Arbeit unzähliger Philosophen bestätigte Urteil, daß die Philosophie nicht in der Lage ist, positiv belegbares Wissen zu erarbeiten, und die Philosophen wissen das selbst natürlich auch. Ihre Arbeiten beruhen auf Glaubensvorstellungen und das einzige Qualitätskriterium ist der Geschmack, die Mode. Wer Spaß daran hat, mag das gern betreiben, aber außenphilosophische Gründe dafür gibt es nicht. Das von dir hier angeführte "Geist-Materie-Problem" ist ein schönes Beispiel dafür. Nimm den "Geist" als metaphysische Erfindung weg, und es löst sich in Luft auf.  

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vor 5 Stunden schrieb Volker:

Dass unser auf physischen Gegebenheiten beruhendes Bewusstsein in der Lage ist, künstliches Bewusstsein ebenfalls auf physischen Gegebenheiten beruhend erzeugen kann, ist kein Gegenargument.

 

Vor allem ist es nicht mein Gegenargument. Das war mein Gegenargument:

vor 13 Stunden schrieb Weihrauch:

Beim Computer muss man wohl sagen, dass es ein Primat des Bewusstseins gibt, denn ohne menschliches Bewusstsein gäbe es kein Materiekonglomerat, welches den Namen Computer verdient.

 

Ein künstliche Bewusstsein findet sich derzeit wo? Oder anders: ein künstliches Bewusstsein gibt es meines Wissens nicht. 

 

vor 5 Stunden schrieb Volker:

Primat des Bewusstseins heißt, dass Bewusstsein vor der Materie existierte, nicht, dass materielles Bewusstsein deswegen kein weiteres materielles Bewusstsein hervorbringen kann.

Primat heißt zuerst, anfänglich, vor allem anderen. Aber es heißt nicht "von da ab in Ewigkeit immer zuerst bei allem, was daraus folgt".

 

Das weiß ich auch. Aber um das "Fürwahrhalten in der Religion" aus dem dieser Thread entstanden ist, geht es hier schon lange nicht mehr. Deshalb schrieb ich:

vor 13 Stunden schrieb Weihrauch:

Beim Computer muss man wohl sagen, dass es ein Primat des Bewusstseins gibt, denn ohne menschliches Bewusstsein gäbe es kein Materiekonglomerat, welches den Namen Computer verdient.

 

vor 5 Stunden schrieb Volker:

Es ändert auch nichts daran, dass menschliches Bewusstsein auf Materie beruht, wie das der Computer auch.

 

Ein künstliche Bewusstsein findet sich derzeit in welchem Computer? Oder anders: ein künstliches Bewusstsein gibt es meines Wissens nicht.

 

vor 5 Stunden schrieb Volker:

Immer noch ist kein Bewusstsein ohne Materie möglich, es ist immer substratgebunden. 

 

Wer hat hier im Zusammenhang mit den Qualia etwas anderes behauptet? Das menschliche Bewusstsein ist evolutionär entstanden - ein Computer fundamental anders. 

 

Ich wiederhole meine Frage:

vor 14 Stunden schrieb Weihrauch:

Wer hat hier vom Primat des Bewusstseins gesprochen?

 

Hier geht es doch nicht mehr um Religion, sondern um andere (ideologische) Weltanschauungen, was man bei dir daran erkennen kann, dass du vom Bewusstsein von Computern redest, als wäre das ein Faktum. Kenn ich halt nicht. Was steckt dahinter? Science-Fiktion ala "Golem XIV", Ein Faible für Kybernetische Märchenliteratur, Phantasien, Illusionen, ein Hang zu Utopien, Wunschdenken? Nichts davon meine ich abwertend, kann ja jeder halten, wie er will.

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15 hours ago, iskander said:

Das wäre dann sozusagen eine Art des Epiphänomenalismus

 

Nicht notwendigerweise.

 

Auch ein Eigenschaftsdualismus oder eine Art naturalistischer Monismus scheint mir mit meiner Auffassung kompatibel zu sein.

 

Ich würde bis zum Beweis des Gegenteils lediglich darauf bestehen, dass die physikalische Welt in sich kausal geschlossen ist.

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On 9/21/2024 at 12:06 AM, iskander said:

Das wäre dann aber nicht der typische reduktive Funktionalismus, sondern eher der non-reduktive Funktionalismus, wie ihn etwa David Chalmers vertritt. (Leider finde ich auf die Schnelle nichts Passendes dazu.)

 

Hier zumindest mal eine Klassifizierung der unterschiedlichen Positionen in der Philosophie des Geistes durch Chalmers:

 

https://consc.net/papers/nature.pdf

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vor 25 Minuten schrieb KevinF:
vor 15 Stunden schrieb iskander:

Da ich zur Zeit mit einem Infekt zu kämpfen habe

 

Gute Besserung 🙂

 

Gute Besserung auch von mir!

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19 minutes ago, KevinF said:

 

Hier zumindest mal eine Klassifizierung der unterschiedlichen Positionen in der Philosophie des Geistes durch Chalmers:

 

https://consc.net/papers/nature.pdf

 

Kompatibel mit meiner Auffassung scheinen mit Typ-E-Dualismus (Epiphänomenalismus) und Typ-F-Monismus (in einer naturalistischen bzw. neutralen Variante, nicht in der panpsychischen) zu sein.

 

@iskander

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13 hours ago, Marcellinus said:

Das von dir hier angeführte "Geist-Materie-Problem" ist ein schönes Beispiel dafür. Nimm den "Geist" als metaphysische Erfindung weg, und es löst sich in Luft auf.  

 

War nicht an mich gerichtet, aber trotzdem eine Bemerkung dazu:

 

Das Problem ist, dass wir verstehen wollen, wie ein paar Milliarden Nervenzellen es schaffen, ein Bewusstsein zu erzeugen.

 

Du kannst natürlich sagen:

 

"Wartet doch einfach, bis die empirischen Wissenschaften soweit sind und ein Modell vorlegen (konzeptionelle Modellierung beherrschen ja nicht nur Philosophen)."

 

Das wäre dann aber doch eine sehr langweilige Antwort 🙂

 

Die Philosophie des Geistes zeigt zumindest mögliche Modelle auf, das finde ich durchaus interessant.

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vor 2 Stunden schrieb KevinF:

Das Problem ist, dass wir verstehen wollen, wie ein paar Milliarden Nervenzellen es schaffen, ein Bewusstsein zu erzeugen.

 

Du kannst natürlich sagen:

 

"Wartet doch einfach, bis die empirischen Wissenschaften soweit sind und ein Modell vorlegen (konzeptionelle Modellierung beherrschen ja nicht nur Philosophen)."

 

Das wäre dann aber doch eine sehr langweilige Antwort 🙂

 

Die Philosophie des Geistes zeigt zumindest mögliche Modelle auf, das finde ich durchaus interessant.

 

Ich liebe Fantasy-Geschichten, aber dann sollte man sie auch so nennen. Und ich sehe auch nicht ein, warum man diesen Teil der Unterhaltungsindustrie staatlich subventionieren sollte. ;)

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@Marcellinus

 

Zitat

Das von dir hier angeführte "Geist-Materie-Problem" ist ein schönes Beispiel dafür. Nimm den "Geist" als metaphysische Erfindung weg, und es löst sich in Luft auf.

 

Man braucht den Geist nicht als eine "metaphysische Erfindung" - was immer das sein soll, - sondern kann von der ganz normalen täglichen Erfahrung ausgehen, dass wir es mit einer Wirklichkeit zu tun haben, von der wir nicht wissen, wie wir sie physikalisch beschreiben oder untersuchen sollten. Und diesen Befund hat man in all den von Dir genannten vermeintlichen Analogie-Fällen wie dem mit dem Makro-Molekül eben nicht.

 

vor 15 Stunden schrieb Marcellinus:

Und ich finde ärgerlich, daß du immer wieder genau mit dieser Behauptung kommst. Dabei müßtest auch du wissen, daß wir hier nur ÜBER etwas reden, nicht von der Sache selbst, und dieses Drüberreden daher zwangsläufig etwas Theoretisches (man könnte auch sagen: Spinnertes) hat. Solange du zu solchen Tricks greifst, können wir uns diese Debatte sparen. 

 

- Ein Philosoph sagt, dass der Geist eine bestimmte Form der Materie sei - das ist eine "Philosophie des Geistes", welche ins "Reich der Fantasie und der Wunschträume" gehört.

Marcllinus sagt, dass der Geist eine bestimmte Form der Materie sei - das ist offenbar durchaus eine vernünftige und gehaltvolle Aussage.

 

- Ein Philosoph sagt, der Geist sei ein emergentes Produkt der Materie - das ist eine "Fantasy-Geschichte". 

Marcellinus sagt, dass der Geist sei ein als emergentes Produkt der Materie - das ist offenbar eine rationale und informative These.

 

- Ein Philosoph tätigt grundlegende Aussagen über das Verhältnis von Empirie und Erkenntnis - und wenn er ein (logischer) Empirist ist, vielleicht sogar ganz ähnliche Aussagen wie Marcellinus. Aber das taugt nichts, denn es ist ja Philosophie.

Marcellunus tätigt grundlegende Aussagen über das Verhältnis von Empirie und Erkenntnis - und hier nun erhalten wir wesentliche Einsichten über das menschliche Erkenntnisvermögen, seine Fähigkeiten und seine Grenzen. Denn wenn es aus dem Munde oder der Feder von Marcellinus stammt, hat es mit Philosophie offenbar nichts zu tun. ;)

 

Wenn der Philosoph A sagt, dann spricht er von A. Wenn Marcellinus A sagt, dann spricht er nur über A. Und wenn ich das nicht verstehe, dann bediene ich mich eines "Tricks". Offenbar bewegt Marcellinus sich stets auf einer nicht-philosophischen Meta-Ebene, selbst wenn seine Äußerungen den gleichen Wortlaut haben wie philosophische Aussagen.

Und auf jener Meta-Ebene scheint es auch nicht weiter erklärungsbedürftig zu sein, wieso Aussagen, die nicht empirisch prüfbar sind, keine Erkenntnisse darstellen können - aber wieso Aussagen über das Erkennen, die nicht empirisch prüfbar sind, eben durchaus Erkenntnisse darstellen können.

 

Tatsächlich jedoch äußerst Du ständig Thesen, die thematisch nach allen Definitionen (schau in einem beliebigen Lexikon nach) in die Philosophie gehören: Von der Metalogik über die Erkenntnistheorie, von der Wissenschaftstheorie bis zur Ontologie. Manche Deiner Thesen entsprechen sogar inhaltlich bestimmten spezifischen philosophischen Auffassungen.

 

Spricht man Dich darauf an, sagst Du, dass Deine Thesen nicht philosophisch, sondern wissenssoziologisch zu verstehen seien. Ich habe Dich in Folge etliche male darauf hingewiesen, dass diejenigen Deiner Behauptungen, um die es mir geht, sich überhaupt nicht auf irgendwelche sozialen Bedingungen oder Aspekte von Wissenserwerb beinhalten - und dass sie in der Tat nicht einmal "soziale" Begriffe enthalten. Und ich habe angemerkt, dass es keine sozialwissenschaftlich-empirischen Belege für Deine entsprechenden Thesen gibt, und dass Du im Hinblick auf die Aussagen, um die es mir hier geht, auch keine sozialwissenschaftlichen Forschungsarbeiten als Argumente anführst. Und dass Du in derartigen Fällen allem Anschein so vorgehst wie ein Philosoph: Du durchdenkst eine Frage vor dem Hintergrund dessen, was man zu ihr weiß, und kommst dann zu Schlüssen, die Dir vernünftig erscheinen.

 

Eine Antwort dazu habe ich nie erhalten. Stattdessen kommen von Dir weiterhin im Ton der festen Überzeugung Antworten zu Fragen, von denen (außer Dir) niemand bezweifeln wird, dass sie philosophisch sind - verbunden mit der Versicherung, dass die Philosophie keinerlei Kompetenz besitze, etwas Sinnvolles zu diesen Fragen zu sagen.

 

Leider scheinst Du nie in Erwägung zu ziehen, dass das Problem auf Deiner Seite liegen könnte; dass es Dir bei bestimmten Themen einfach an Wissen und Verständnis mangeln könnte. Oder dass womöglich Standpunkte, wie Du sie vertrittst, schon längst von Philosophen vertreten wurden, oft gründlicher und umfangreicher ausgearbeitet. Und dass derartige Positionen analysiert wurden und offenbar wurde, dass sie erhebliche Schwächen aufweisen. 

 

Dir scheint beispielsweise einfach nicht klar zu sein, dass eine Aussage, die sinnvoll sein soll, sich nicht selbst aufheben darf. Dass also beispielsweise im Hinblick auf die These, dass es ohne empirische Prüfung keine Erkenntnis gibt, erklärt werden müsste, warum diese Behauptung selbst (obwohl sie empirisch auch nicht prüfbar ist) dennoch erkennbar wahr sein soll. Es müsste begründet werden, warum diese These eine Ausnahme von ihrer eigenen Behauptung darstellt; warum sie nicht auf sich selbst bezogen werden darf. Und diese Begründung wäre mit Sicherheit ihrerseits nicht empirisch prüfbar.

Kurz: Man müsste unterscheiden zwischen einer Klasse von Behauptungen, die ohne empirische Prüfung kein Wissen darstellen können, und solchen, die auch ohne empirische Prüfung Wissen darstellen können. Darum kommt man ohne Selbstwiderspruch nicht herum. Und dann müsste man erläutern, welche Aussagen in welche Kategorie fallen und warum.

 

Nur kommt von Dir nichts Derartiges. Und man fragt sich: Ist Dir, als Du Deine erkenntnistheoretische Position entwickelt hast, das Problem selbstbezüglicher Aussagen, die einen impliziten bzw. performativen Widerspruch beinhalten und sich auf diese Weise in den eigenen Fuß schießen, überhaupt bewusst gewesen?

 

Und mehr noch: Selbst die eigentliche These, dass es Erkennen nicht ohne empirische Prüfung geben könne, begründest Du nicht argumentativ. Was einer Begründung noch am nächsten kommt, scheint ein Appell an den gesunden Menschenverstand zu sein - aber dazu hatte ich schon wie folgt Stellung genommen:

 

"Diese Aussage [dass es Erkenntnis nur mit empirischer Prüfung geben könne], lässt sich wie folgt aufgliedern:

a) Dort, wo man etwas empirisch prüfen kann, ist Erkenntnis möglich.

b) Dort, wo man etwas nicht empirisch prüfen kann, ist Erkenntnis nicht möglich.

 

Lassen wir a) im Sinne des gesunden Menschenverstandes gelten (auch wenn man mehr dazu sagen kann). Dann stellt sich aber immer noch die Frage, wie man b) begründen will. Empirisch geht es jedenfalls nicht, und eine nicht-empirische Begründung führt zur Selbstaufhebung."

 

Und dasselbe findet man überall: Du vertrittst bestimmte Thesen (die nach allen üblichen Definitionen völlig unzweifelhaft philosophisch sind) - aber für die Behauptungen, die Du dabei tätigst, finden sich kaum irgendwelche echten Argumente.

 

Mehr noch: Bitte verüble es mir nicht, aber in vielen Fällen stellt sich tatsächlich die Frage, wie weit Du Dich überhaupt mit den jeweiligen Fragestellungen befasst hast. Bei Deinen Ausführungen zum Thema "Emergenz" beispielsweise fragt man sich unter anderem, ob Dir die Unterscheidung von "schwacher" und "starker" Emergenz (und ihre Relevanz) geläufig ist.

 

Aus Deiner eigenen Perspektive mag es so erscheinen, als würden die Philosophen (abgesehen von ein paar kritischen Aufgaben, die Du ihnen zubilligst) sich in abwegige Scheinprobleme verrennen und nur dummes Zeug reden, während Du zu den Dingen, mit denen sie sich befassen, fundierte Dinge sagst.

 

Aus meiner Perspektive stellt es sich hingegen so dar, dass Du andauernd philosophische Behauptungen aufstellst, die aber deutlich hinter dem zurückbleiben, was sich oftmals in der professionellen Philosophie findet. Viele Deiner Äußerungen zeugen von einem begrenztem Kenntnisstand, einem begrenzten Verständnis, einem Mangel an kritischer Reflexion (wie kann man beispielsweise implizite Widersprüche der eigenen Position vermeiden?); und in aller Regel kommen Deine Aussagen als reine Behauptungen ohne Begründungsansatz daher. Gleichzeitig sagst Du, dass es sich bei Deinen Einlassungen gar nicht um Philosophie handele, obwohl weder im Hinblick auf den Gegenstand noch auf die Methoden ein Anlass zum Zweifel erkennbar ist.

(Und nochmals: Ich will Dir nichts "unterstellen". Wenn das, was Du sagst, in der Tat keine Philosophie sein sollte, dann nehme ich das gerne so hin. Ich möchte dann aber zumindest wissen, warum Deine Äußerungen entgegen dem Anschein keine Philosophie sind, und was sie denn dann stattdessen sind.)

 

Leider bist Du auch nicht bereit, Dich für Argumente und Informationen zu öffnen. Das gilt selbst in Fällen, in denen die Sachen völlig klar und unstrittig sind.

Nachdem Du Dich beispielsweise ziemlich eigenwillig über die Logik und ihre Bedeutung geäußert hattest ("Logik ist ursprünglich erfunden worden, um auf dem Forum oder Agora bei öffentlichen Gerichtsverhandlungen den Gegner blöd ausschauen zu lassen. Letztlich ist es eine Ansammlung von argumentativen Tricks. Unsere Formen der Erkenntnis sind älter, sehr viel älter."), habe ich dargelegt, wieso Logik für Alltagserkenntnis ebenso wie für die wissenschaftliche Erkenntnis absolut zentral ist (siehe hier). Das ist wie gesagt nicht einmal umstritten; jeder, der sich mit diesen Fragen befasst hat - auch ein mathematischer Logiker - wird das bestätigen. Genutzt hat es offenbar nichts.

 

Bezogen auf den letzteren Fall führt das übrigens dazu, dass Dir bedeutende Gesichtspunkte des wissenschaftlichen Vorgehens unbekannt bleiben müssen. Und damit sind philosophische Probleme im engeren Sinne noch nicht einmal berührt.

 

Eigentlich schade.

 

bearbeitet von iskander
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19 hours ago, iskander said:

Die von Dir aufgeführten Argumente scheinen mir aber nicht zu beweisen, dass es keine funktionalen P-Zombies geben kann, sondern nur, dass es keine P-Zombies geben muss - und dass man im Zweifelsfall pragmatisch besser davon ausgeht, dass ein System kein P-Zombie ist, sondern Bewusstsein beisitzt. ;)

 

Richtig.

 

Aber reicht das nicht?

 

Meine Ablehnung des Solipsismus basiert ja auch "nur" auf pragmatischen Gründen.

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vor 2 Stunden schrieb KevinF:

"Wartet doch einfach, bis die empirischen Wissenschaften soweit sind und ein Modell vorlegen (konzeptionelle Modellierung beherrschen ja nicht nur Philosophen)."

 

Das Problem ist hier, dass Begriffen wie "Bewusstsein", "Denken" und "Erleben" nicht auf physikalische Entitäten abzielen. Sie bezeichnen weder physikalische Strukturen noch physikalischeFunktionen. Ganz anders als der Begriff "Gehirn" (oder selbst der Begriff "Pulsar"). Chalmers beschreibt das in Conscious Mind wie folgt (Fettung von mir):

 

"It is not uncommon for people to agree with critiques of specific reductive accounts, but to qualify this agreement: ''Of course that doesn't explain consciousness, but if we just wait a while, an explanation will come along." I hope the discussion here has made it clear that the problems with this kind of explanation of consciousness are more fundamental than that. The problems with the models and theories presented here do not lie in the details; at least, we have not needed to consider the details in order to see what is wrong with them. The problem lies in the overall explanatory strategy. These models and theories are simply not the sort of thing that could explain consciousness.
It is inevitable that increasingly sophisticated reductive "explanations" of consciousness will be put forward, but these will only produce increasingly sophisticated explanations of cognitive functions. Even such "revolutionary" developments as the invocation of connectionist networks, nonlinear dynamics, artificial life, and quantum mechanics will provide only more powerful functional explanations. This may make for some very interesting cognitive science, but the mystery of consciousness will not be removed. Any account given in purely physical terms will suffer from the same problem. It will ultimately be given in terms of the structural and dynamical properties of physical processes, and no matter how sophisticated such an account is, it will yield only more structure and dynamics. While this is enough to handle most natural phenomena, the problem of consciousness goes beyond any problem about the explanation of structure and function, so a new sort of explanation is needed. It might be supposed that there could eventually be a reductive explanatory technique that explained something other than structure and function, but it is very hard to see how this could be possible, given that the laws of physics are ultimately cast in terms of structure and dynamics. The existence of consciousness will always be a further fact relative to structural and dynamic facts, and so will always be unexplained by a physical account."

 

Die von mir gefetteten Passagen scheinen mir besonders wichtig zu sein: Physik befasst sich (sozusagen per definitiom) allein mit physikalischen Strukturen und physikalischen Funktionen; es liegt daher in der Natur der Sache, dass ihre Begriffe, Kategorien und Theorien physikalische Strukturen und Funktionen benennen, beschreiben und erklären. Ein Phänomen, das keine physikalische Struktur bzw. Funktion ist, fällt damit notwendigerweise durch das Raster.

 

Deshalb gibt es (bedeutende) Fragen, die auch die künftige Physik nicht empirisch wird klären können.

 

Das sehen übrigens auch durchaus Naturwissenschaftler. Um einen in diesem Zusammenhang unverdächtigen Zeugen zu benennen, den prominenten Physiker Seven Weinberg, sei nochmals Chalmers zitiert:

 

"In his book Dreams of a Final Theory (1992), physicist Steven Weinberg notes that what makes a fundamental theory in physics special is that it leads to an explanatory chain all the way up, ultimately explaining everything. But he is forced to concede that such a theory may not explain consciousness. At best, he says, we can explain the "objective correlates" of consciousness. "That may not be an explanation of consciousness, but it will be pretty close" (p. 45). But it is not close enough, of course. It does not explain everything that is happening in the world."

 

Weinberg hat in diesem Punkt völlig recht: Was man physikalisch erklären (und physikalisch beschreiben und messen) kann sind eben die (neuronalen) Korralata von bewusstem Erleben. Nur würde ich mit Chalmers sagen, dass damit ein wichtiges Phänomen unerklärt bleibt.

 

Danke für die gute Besserung - auf den Rest Deiner Beiträge gehe ich später noch ein.

 

bearbeitet von iskander
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5 minutes ago, iskander said:

Das Problem ist hier, dass Begriffen wie "Bewusstsein", "Denken" und "Erleben" nicht auf physikalische Entitäten abzielen. Sie bezeichnen weder physikalische Strukturen noch physikalischeFunktionen. Ganz anders als der Begriff "Gehirn" (oder selbst der Begriff "Pulsar"). Chalmers beschreibt das in Conscious Mind wie folgt (Fettung von mir):

 

Schon klar, aber die Wissenschaftler sind ja auch nicht auf den Kopf gefallen:

 

Wenn konzeptionelle Modelle, die über die Empirie hinausgehen für eine umfassende Erklärung des Bewusstseins nötig sind, dann werden Wissenschaftler diese auch verwenden.

 

Oder anders gesagt:

 

Die von Philosophen erzeugten Modelle werden entweder irgendwann in eine Theorie des Bewusstseins eingehen (falls wir eine solche hinbekommen) oder sie werden sich als überflüssig erweisen.

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vor 1 Stunde schrieb iskander:

Spricht man Dich darauf an, sagst Du, dass Deine Thesen nicht philosophisch, sondern wissenssoziologisch zu verstehen seien. Ich habe Dich in Folge etliche male darauf hingewiesen, dass diejenigen Deiner Behauptungen, um die es mir geht, sich überhaupt nicht auf irgendwelche sozialen Bedingungen oder Aspekte von Wissenserwerb beinhalten - und dass sie in der Tat nicht einmal "soziale" Begriffe enthalten.

 

Daß deine Behauptungen keine sozialen Begriffe enthalten, würde ich nie bestreiten. Nur ist das genau der Grund, warum wir aneinander vorbeireden. Nehmen wir den Begriff "Bewusstsein". Du nennst es "Geist", und dabei sind wir schon in verschiedenen Universen unterwegs. 

 

Für dich scheint das eine Art Konstante zu sein, für mich hat sich das entwickelt, und zwar sozial wie psychisch. Ich habe auf die verschiedenen Aspekte von Bewußtsein verwiesen, aber darauf keine Antwort bekommen. Z.B. das, was ich Ich-Wir-Balance nennen würde, die Gewichtung zwischen dem Selbstbild als Ich, als Individuum,  und als Wir, als Gruppe. Es besteht kein Zweifel, daß diese Ich-Wir-Balance sich mit dem Ende des Mittelalter und dem Beginn der Neuzeit, also der Zeit von Humanismus und Renaissance in Richtung auf das Ich verschiebt.

 

Die sozialen Bedingungen dafür waren die aufkommenden bürgerlichen Gesellschaften, die Binnendifferenzierung der Gesellschaften durch die Entstehung von Städten, und dort allerlei neuen Berufen, damit die Chance für manche, sich in höherem Maße zu vereinzelnen, weil sie nicht mehr von der starren Ständeordnung behindert wurden. 

 

Aber das hatte auch psychische Auswirkungen, die Entstehung eines neuen Typs von Menschen (manche nennen ihn den Renaissance-Typ). Man findet ihn in der Kunst, in der Technik, im Militär und in der Politik, ja sogar in der Kirche. Michelangelo, Leonardo da Vinci oder die Familie der Medici. Sie alle zeichnen sich durch eine hohen Individualismus aus, der sie Konventionen der vergangenen Zeiten überschreiten läßt, im Guten wie im Schlechten. 

 

Diese Veränderungen, die man im Sozialen mit Begriffen wie Auflösung traditioneller Herrschaft, Differenzierung der sozialen Interdependenzketten, sowie der Entstehung neuer Einheiten der sozialen Integration (Aufstieg von Städten und Staaten) beschreiben kann, und im psychischen mit der Verschiebung der Ich-Wir-Balance in Richtung auf das Ich in den einzelnen Menschen, hatten auch sichtbare Ergebnisse zB in der Kunst. Naturalistischere Darstellung durch Erfindung der Zentralperspektive, zurückdrängen von plakativen religiösen Darstellungen zugunsten von natürlicheren Körpern und vor allem Gesichtern und das Aufkommen von individuellen Portraits im privaten Bereich. 

 

Ein solches Verständnis ist meilenweit entfernt von irgendeiner "Philosophie des Geistes". Daß wir da zu keiner Einigung kommen, sollte also keinen wundern. Ist vielleicht auch meine Schuld, weil ich nicht immer Lust habe, seitenweise historische und soziologisch-psychologische Abhandlungen zu zitieren oder zu schreiben. Andererseits habe ich sie auch häufig genug erwähnt. Wer es also wissen wollte, konnte es. 

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Am 22.9.2024 um 14:44 schrieb KevinF:

Wenn konzeptionelle Modelle, die über die Empirie hinausgehen für eine umfassende Erklärung des Bewusstseins nötig sind, dann werden Wissenschaftler diese auch verwenden.

 

Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass die empirische Wissenschaft an dieser Stelle allzu weit kommen wird. Um zu verdeutlichen, wieso ich das meine, hole ich etwas weiter aus und fange mit einem weiteren Zitat von Chalmers an:

 

The strategy to which I am most drawn stems from the observation that physical theory only characterizes its basic entities relationally, in terms of their causal and other relations to other entities. Basic particles, for instance, are largely characterized in terms of their propensity to interact with other particles. Their mass and charge is specified, to be sure, but all that a specification of mass ultimately comes to is a propensity to be accelerated in certain ways by forces, and so on. Each entity is characterized by its relation to other entities, and these entities are characterized by their relations to other entities, and so on forever (except, perhaps, for some entities that are characterized by their relation to an observer). The picture of the physical world that this yields is that of a giant causal flux, but the picture tells us nothing about what all this causation relates. Reference to the proton is fixed as the thing that causes interactions of a certain kind, that combines in certain ways with other entities, and so on; but what is the thing that is doing the causing and combining? As Russell (1927) notes, this is a matter about which physical theory is silent."

 

Ich würde das insofern etwas anders formulieren wollen, als dass die räumlichen Bestimmungen der physikalischen Objekte Eigenschaften darstellen, die nicht relational sind, sondern intrinsisch (jedenfalls wenn wir Realisten sind, die davon ausgehen, dass unsere grundlegenden Konzepte einigermaßen auf die physische Welt zutreffen). Es gibt Lage, Form, Bewegung usw. In der modernen Physik finden solche räumlichen Konzepte zwar oft eine (aus unserer menschlichen Warte) seltsame Ausgestaltung - aber das scheint nichts daran zu ändern, dass die Physik sich mit Dingen befasst, die in einem grundlegenden Sinne "räumlich" sind.

Wir haben dann also in der Physik (und Chemie usw.) zwei Arten von Bestimmungen für physische Entitäten: Räumlichkeit (mit allem, was das beinhaltet) - und (kausale) Beziehungen zwischen diesen räumlich charakterisierten Entitäten.

 

Betrachten wir nun das von Dir bereits erwähnte deduktiv-nomologisches Modell der wissenschaftlichen Erklärung, welches im Prinzip, wenn man mal die Fachbegriffe beiseite lässt, ja sehr einfach ist. (Andere Modelle der Erklärung würden m.E. nichts Grundlegendes an der Richtigkeit der nachfolgenden Überlegungen ändern.)

 

"Eine deduktiv-nomologische Erklärung eines Sachverhaltes ist ein logisch korrektes Argument, das aus dem Explanans (den erklärenden Sätzen) – allgemeingültigen (wissenschaftlichen) Gesetzen und speziellen Bedingungen – und dem daraus ableitbaren Explanandum (dem zu erklärenden Satz) besteht. Die Erklärung des Phänomens besteht im Nachweis, dass das Phänomen den bekannten allgemeinen Gesetzen gehorcht, die auf die speziellen Gegebenheiten anzuwenden sind.

Explanans:

    L1, ..., Ln (zu lat. lex, Gesetze)
    C1, ..., Cr (zu lat. conditio, Bedingungen)

- - - - - - - - - - - - (impliziert)
Explanandum

Folgendes Beispiel stammt von Karl Popper (L=Gesetz, C=Rand- oder Anfangsbedingungen):

Explanans:

    (L) Jedes Mal, wenn ein Faden der Stärke r mit einem Gewicht von mindestens K belastet wird, reißt er.
    (C1) Dies ist ein Faden der Stärke r.
    (C2) Das angehängte Gewicht ist mindestens K.

Explanandum:

    (E) Der Faden reißt."

https://de.wikipedia.org/wiki/Deduktiv-nomologisches_Modell

 

(Und auf die gleiche Weise, in der man ein Ereignis nachträglich erklären kann, kann man es oft auch vorhersagen.)

 

Da die Physik nun ausschließlich über räumlich charakterisierte Objekte und ihre Relationen spricht, kann - egal wie man die Sache angeht - eine physikalische Erklärung immer nur genau solche Sachverhalte erklären oder vorhersagen, die sich eben durch ihre räumlichen und relationalen Eigenschaften bestimmt sind. Das ist unmittelbar intuitiv einsichtig.

 

(Formal ließe es sich damit beweisen, dass jede Erklärung in diesem Sinne ein logischer Schluss ist, und dass in der Konklusion nur Terme auftauchen können, die bereits in den Prämissen auftauchen. Wenn in den Prämissen der Erklärung - also bei den physikalischen Gesetzen und bei den Beschreibungen eines konkreten Sachverhalts - nun allein räumliche und relationale "Vokabeln" auftauchen, dann gilt Entsprechendes auch für die Konklusion; auch dort können dann nur derartige Begriffe erscheinen. Die Konklusion ist ja nun gerade das Explanandum, also das, was erklärt werden soll. Das bedeutet, dass auf der Grundlage physikalischer Gesetze und physikalischer Beschreibungen nur solche Explananda erklärt werden können, die ausschließlich räumliche und relationalen Begriffe beinhalten.)

 

Wo führt und das im Hinblick auf Bewusstsein, Erleben usw. hin? Beim bewussten Erleben haben wir es mit bestimmten (intrinsischen) "Qualitäten" zu tun. Es gibt das Subjekt, für das sich etwas so und so "anfühlt". Wir können daher einen Sachverhalt wie "Er freut sich" nicht dadurch beschreiben, dass wie über solche Entitäten sprechen, die allein durch ihre räumlichen Eigenschaften und ihre Relationen zu anderen Objekten mit räumlichen Eigenschaften charakterisiert sind. Das bedeutet: Wir können einen solchen Sachverhalt nicht in der Sprache der Physik beschreiben, geschweige denn erklären. 

 

Auch die Mess-Methoden der Physik sind ungeeignet, "subjektives Erleben" zu untersuchen. Physikalische Messungen beruhen immer auf den kausalen Wirkungen, die physikalische Gegenstände auf andere physikalische Gegenstände (Messinstrumente) ausüben. Damit befinden wir uns jedoch vollständig in der Sphäre der "räumlichen" Entitäten, die in kausalen Relationen miteinander verbunden sind. Die "Innerlichkeit" des bewussten Erlebens wird damit nicht erreicht. (Deshalb wird ein Gehirnforscher auch mit futuristischen Untersuchungsmethoden immer nur Gehirnaktivitäten und keine Gedanken oder Gefühle sehen.)

 

Diese "sprachlichen" und "methodischen" Schwierigkeiten verweisen natürlich auf eine sachliche Problematik: Bewusstes Erleben gehört einfach nicht zum Gegenstandsbereich der Physik - jedenfalls nicht, solange die Physik ihren Gegenstandsbereich nicht radikal neu definiert. Bewusstes Erleben bzw. Qualia unterscheiden sich in der hier erwähnten Weise kategorial von den Gegenständen der Physik. Würde die Physik ihren Gegenstandsbereich derart erweitern, dass plötzlich auch das Bewusstsein zu ihm gehört, mag sie sich zwar noch Physik nennen - der Sache nach aber wäre es eine neue Wissenschaft.

 

Eng zusammen mit alledem hängt der von mir bereits erwähnte Umstand, dass die Phänomenbereiche des bewussten Erlebens und der "physischen Dinge" so unterschiedlich sind, dass eine Reduktion des einen Phänomens auf das andere nicht möglich ist. Ein Diamant und ein Stück Grafit sind zwar verschieden, aber es spricht nichts a priori gegen die Annahme, dass beide aus kleineren Komponenten zusammengesetzt sind (und sie sind es dann ja auch). Das ist nun aber nicht der Fall, wenn wir Psychisches und Physisches betrachten. Wie Nagel es sinngemäß ausdrückt, kann man sich zwar (zumindest abstrakt) problemlos vorstellen, wie ein Gehirn sich aus einzelnen Nervenzellen zusammensetzen soll - aber sicher nicht, wie sich eine Geschmacksempfindung aus Nervenzellen zusammengesetzt sein könnte. Umgekehrt wäre natürlich auch die Idee, dass ein neuronaler, messbarer Gehirnprozess aus einer Komposition einzelnen Gedanken oder Empfindungen "bestehe", absurd.

 

Aus solchen Gründen käme m.E. beim Versuch, eine umfassende Theorie zu entwerfen letztlich nichts anderes heraus als eine Theorie der Korrelationen zwischen Psychischem und Physischem. Die haben wir - wenn auch rudimentär - bereits heute. Natürlich könnten wir auf diese Weise neue Dinge lernen - aber grundlegende Fragen blieben offen. Einem "umfassenden" Verständnis kommen wir auf diese Weise nach meinem Dafürhalten jedenfalls nur sehr bedingt näher.

 

Es gibt bei manchen zwar die Hoffnung, dass man vielleicht eine "basale" Theorie findet, in der dann sowohl Bewusstsein wie Materie ihren Platz haben. Aus verschiedenen Gründen bin ich skeptisch, dass man eine solche Theorie finden wird und dass - selbst wenn man sie finden würde - sie uns die Dinge wesentlich besser verständlich machen würde. Jedenfalls wäre das dann ebenfalls keine Naturwissenschaft im heutigen Sinne mehr.

 

Am 22.9.2024 um 14:44 schrieb KevinF:

Die von Philosophen erzeugten Modelle werden entweder irgendwann in eine Theorie des Bewusstseins eingehen (falls wir eine solche hinbekommen) oder sie werden sich als überflüssig erweisen.

 

Ich weiß, dass beispielsweise Dennett ein Modell des Bewusstsein - oder genauer gesagt: der funktionalen Abläufe, die menschliches Verhalten erklären sollen - entwickelt hat. Normalerweise entwickeln Philosophen aber keine derartigen Modelle (obwohl sie es natürlich gerne dürfen). Das ist eher Aufgabe der Kognitions- und Neurowissenschaftler, würde ich meinen.

 

Sachgemäße Aussagen von Philosophen zum Bewusstsein adressieren typischerweise andere Probleme als diejenigen, mit denen die empirischen Wissenschaften sich befassen. Philosophische Aussagen sollten natürlich mit allen sinnvollen Modellen der empirischen Wissenschaften vereinbar sein. Typischerweise scheint es sich do darzustellen: (Fundierte) philosophische Aussagen basieren wesentlich auf dem, was die empirische Wissenschaft uns verrät; oder (und das ist oft der Fall) sie bauen auf so grundlegenden Einsichten auf, dass sie einer detaillierten empirischen Forschung vorausgehen bzw. von dieser (weitgehend) unabhängig sind.

 

Eine solch grundlegende Einsicht wäre etwa die folgende, die ich schon referiert hatte: Wenn zwei Dinge uns als radikal verschieden erscheinen und wenn keine der beiden Erscheinungen eine fundamentale Täuschung darstellt, dann müssen die beiden Dinge auch verschieden sein - mindestens im Sinne verschiedener Aspekte. Oder anders formuliert: Wenn es das bewusste Erleben als bewusstes Erleben gibt, und wenn es ein physikalisches Objekt als physikalisches Objekt gibt, dann können beide zumindest nicht "schlechterdings" identisch sein. (Eine derartige Aussage ist fundamentaler als alles, was eine empirische Wissenschaft herausfinden kann - denn in unserem Fall geht es (u.a.) um Einsichten zum Verhältnis von "Identität" und "Differenz", die von der empirischen Wissenschaft bereits vorausgesetzt werden müssen.)

 

Oder die obige Argumentation beispielsweise hat darzulegen versucht, dass zumindest eine Physik im Sinne des üblichen Verständnisses grundsätzlich nicht in der Lage ist, Bewusstsein (so, wie wir es kennen) als solches zu beschreiben oder zu erklären. Jene Argumentation beruht vor allem auf dem, was die Physik tut (wenn sie etwas erklärt und misst) und auf dem, was Bewusstsein ist. Im Grundsatz basiert also auch diese Argumentation auf recht elementaren Prinzipien - und dennoch scheint mir das Ergebnis nicht völlig trivial zu sein. (Das wären jetzt natürlich nur zwei Beispiele.)

 

Philosophie und empirische Wissenschaft bearbeiten (nicht nur) beim Thema Bewusstsein oftmals ziemlich unterschiedliche Felder, so dass "philosophische Modelle" oftmals von den empirisch-wissenschaftlichen Modellen weder abgelöst noch "geschluckt" oder "überholt" werden können. Sinnvolle Aussagen kann die Philosophie m.E. dennoch oft tätigen - aber eben gewöhnlich zu anderen Fragestellungen als denen der empirischen Wissenschaften.

 

(Die von "positivistische" Auffassung, dass die Philosophie eine Art schlechte Naturwissenschaft sein wolle und sein müsse (oder sonst gar nichts sein könne), ist ein Missverständnis. Und es ist im Übrigen paradoxerweise ein Missverständnis, das auf natur- oder sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen beruht, sondern auf fragwürdigen philosophischen Überlegungen.)

bearbeitet von iskander
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Am 22.9.2024 um 11:19 schrieb Marcellinus:

Gute Besserung auch von mir!

 

Danke natürlich auch an Dich - den Beitrag hatte ich irgendwie übersehen.

 

bearbeitet von iskander
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Am 22.9.2024 um 11:37 schrieb KevinF:

Kompatibel mit meiner Auffassung scheinen mit Typ-E-Dualismus (Epiphänomenalismus) und Typ-F-Monismus (in einer naturalistischen bzw. neutralen Variante, nicht in der panpsychischen) zu sein.

 

Das wäre auch mein Eindruck von dem her, wie ich Deine Position verstehe.

 

Am 22.9.2024 um 14:25 schrieb KevinF:

Richtig.

 

Aber reicht das nicht?

 

Meine Ablehnung des Solipsismus basiert ja auch "nur" auf pragmatischen Gründen.

 

Für die Möglichkeit eines nicht-reduktiven Funktionalismus würde das sicher genügen (sofern sich keine überzeugenden Einwände finden).

 

(Ist das Wort "Solipsismus" an dieser Stelle Absicht?)

 

  

Am 22.9.2024 um 10:52 schrieb KevinF:

Nicht notwendigerweise.

 

Auch ein Eigenschaftsdualismus oder eine Art naturalistischer Monismus scheint mir mit meiner Auffassung kompatibel zu sein.

 

Ich würde bis zum Beweis des Gegenteils lediglich darauf bestehen, dass die physikalische Welt in sich kausal geschlossen ist.

 

Das käme aus meiner Sicht darauf an. Wenn man dem Psychischen eine eigene, von der Physik unabhängige Dynamik zubilligt, dann könnten solche Positionen einen Epiphänomenalismus (wonach der Geist kausal irrelevant bleibt) vermeiden. Wenn allerdings - um mal beim Monismus zu bleiben - die "physikalische Seite" der Medaille das gesamte Geschehen (einschließlich "geistiger" Seite) vollständig bestimmt, dann würde ich bezweifeln, dass ein Epiphänomenalismus sich vermeiden ließe.

 

bearbeitet von iskander
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Ein paar Anmerkungen zu der Kritik an meiner Position:

 

Etwas kann zu 100 % auf physikalischen Phänomen beruhen, wird aber trotzdem von uns nicht auf einer rein physikalischen Ebene verstanden. Zwei Beispiele: Das Verhalten eines Knickpendels lässt sich nicht vorhersagen. Das Drei-Körper-Problem lässt sich nicht lösen.

 

Wir haben es hier sogar mit sehr simplen physikalischen Problemen zu tun. Man kann hier jede Form der Magie ausschließen, wir kennen die Naturgesetze gut genug, um zu wissen, dass da nichts Geheimnisvolles geschieht, trotzdem sind die Ergebnisse nicht zu berechnen und nicht vorherzusagen. Wir verstehen nicht, was da passiert, obwohl wir es mit rein physikalischen Fakten zu tun haben.

 

Wenn man die Argumentation beim Bewusstsein darauf überträgt, dann müsste man zu den gleichen Schlüssen kommen. Entweder, man gesteht zu, dass rein physikalische Prozesse etwas hervorbringen können, was man nicht versteht. Oder man behauptet, dass alles, was mit Physik zu tun hat, auch zu 100% durch Physik erklärt werden kann. Aber letzteres ist nicht der Fall, daher muss ersteres stimmen.

 

Man kann sich auch auf den Standpunkt stellen, dass wir Knickpendel, das Drei-Körper-Problem und Bewusstsein noch nicht verstehen. Das impliziert dann nicht, dass wir es niemals verstehen werden oder verstehen können. Damit wäre das Problem gelöst: Wir verstehen nicht, wie ein rein physikalisches System Bewusstsein hervorbringt, aber das ist kein Beweis dafür, dass es sich nicht um ein zu 100% physikalisches System handelt. Wäre man anderer Ansicht, müsste man auch begründen können, warum ein Knickpendel oder ein System aus drei Körpern eben doch irgendwie kein rein physikalisches System ist. Man nimmt sich natürlich ein so komplexes Phänomen wie Bewusstsein, weil man da nicht so leicht sieht, wie sehr man in die Irre gegangen ist. Dabei könnten wir statt über Qualia und Bewusstsein zu diskutieren, auch über Knickpendel und drei Körper diskutieren, ohne dass sich an unseren Argumenten etwas ändern würde. Wenn man also in den Diskussionen Qualia und Bewusstsein immer durch "Knickpendel" und "Drei Körper" ersetzt, kann man besser verstehen, worauf die Argumentation hinausläuft, und wo wir so vehement in die Irre gegangen sind.

 

Nur springt einem dann sofort ins Auge, dass wir es hier mit einem Argument aus Unwissenheit zu tun haben: 

 

Das Bewusstsein ist kein rein physikalisches Phänomen, weil wir es nicht verstehen (können).

Das Knickpendel ist kein rein physikalisches Phänomen, weil wir es nicht verstehen (können).

Ein System aus drei materiellen Körpern ist kein rein physikalisches Phänomen, weil wir es nicht verstehen (können).

 

Nehmen wir ein einfacheres Beispiel als das hochkomplexe Bewusstsein, dann wird der Fehler viel deutlicher. Aber das Prinzip ist immer dasselbe.

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On 9/23/2024 at 11:33 PM, iskander said:

Ich weiß, dass beispielsweise Dennett ein Modell des Bewusstsein - oder genauer gesagt: der funktionalen Abläufe, die menschliches Verhalten erklären sollen - entwickelt hat. Normalerweise entwickeln Philosophen aber keine derartigen Modelle (obwohl sie es natürlich gerne dürfen). Das ist eher Aufgabe der Kognitions- und Neurowissenschaftler, würde ich meinen.

 

Sachgemäße Aussagen von Philosophen zum Bewusstsein adressieren typischerweise andere Probleme als diejenigen, mit denen die empirischen Wissenschaften sich befassen. Philosophische Aussagen sollten natürlich mit allen sinnvollen Modellen der empirischen Wissenschaften vereinbar sein. Typischerweise scheint es sich do darzustellen: (Fundierte) philosophische Aussagen basieren wesentlich auf dem, was die empirische Wissenschaft uns verrät; oder (und das ist oft der Fall) sie bauen auf so grundlegenden Einsichten auf, dass sie einer detaillierten empirischen Forschung vorausgehen bzw. von dieser (weitgehend) unabhängig sind.

 

Das bedeutet doch aber, dass es in der Philosophie des Geistes, dort, wo sie nicht völlig von den empirischen Wissenschaften abhängt (wie bei der Entscheidung über den Typ-D-Dualismus), "nur" noch um metaphysische Details geht?
 
Wenn wir den Typ-D-Dualismus (der postuliert, dass die Physik nicht kausal geschlossen ist) und noch spekulativere Möglichkeiten mal ausschließen (Chalmers selbst schließt Typ D hingegen explizit nicht aus), dann komme ich durch die Lektüre des oben verlinkten Papers von Chalmers ("Consciousness and its Place in Nature") zu folgenden Schlussfolgerungen:
 
Das bewusste Erleben  ist aus prinzipiellen Gründen nicht auf die Physik reduzierbar.
 
Diese Lücke kann gefüllt werden durch einen  Epiphänomenalismus (Typ-E-Dualismus) oder durch einen Monismus (Typ F), der sich hypothetischer intrinsischer Eigenschaften physikalischer Objekte bedient.
Beides kann man imo als Varianten des Physikalismus ansehen.
Den Epiphänonenalismus, weil dort die Welt vollständig durch physikalische Tatsachen bestimmt ist und den Monismus, weil er weitere (wenn auch intrinsische) Eigenschaften physikalischer Objekte postuliert, was (in der hier relevanten Variante) dieselbe Konsequenz hat.
 
Mangels Informationen können wir keine über diese Feststellung hinausgehende Entscheidung treffen, wobei imo zu erwarten ist, dass uns die empirische Wissenschaft hier wenig bis gar nicht helfen kann, wir diese Informationen aus prinzipiellen Gründen also nie erhalten werden.
 
Wir können das Leib-Seele-Problem also lösen durch verschiedene Varianten des Naturalismus, zwischen denen wir nicht mehr unterscheiden können.
 
Ich würde sagen, das ist ein Problem, das kein Problem ist.
 
Für alle praktischen Zwecke läuft das wieder auf einen Materialismus vom Typ A hinaus:
 
Wenn die empirischen Wissenschaften die funktionalen Aspekte des Bewusstseins erklärt haben, haben sie praktisch alles erklärt, was erklärbar ist. Es bleiben dann nur noch nicht beantwortbare metaphysische Detailfragen übrig.
 
Und auch die Möglichkeit starker KI können wir nicht ausschließen.
 

On 9/23/2024 at 11:58 PM, iskander said:
On 9/22/2024 at 11:37 AM, KevinF said:

Kompatibel mit meiner Auffassung scheinen mit Typ-E-Dualismus (Epiphänomenalismus) und Typ-F-Monismus (in einer naturalistischen bzw. neutralen Variante, nicht in der panpsychischen) zu sein.

 

Das wäre auch mein Eindruck von dem her, wie ich Deine Position verstehe.

 


 Da sieht man mal.
Ich bin in die Diskussion gestartet mit einem Typ-A-Materialismus, war dann gezwungen, einer Teilmenge Deiner Argumente zu folgen und bin nun bei der oben beschriebenen Position angekommen.
Danke für das Erweitern meines Horizontes!

Wie gesagt, in der Praxis ist das fast kein Unterschied, aber aus akademischer Sicht sehr interessant.
Ich mag die Philosophie 🙂
 
Besonders gut gefallen an dem Paper Chalmers hat mir, Achtung Spoiler, seine Verwendung der "zweidimensionalen Semantik" als Argument gegen den Materialismus vom Typ B. Und wie er dann den F-Monismus als Schlupfloch einführt.
Ein toller Moment.
 
Wo siehst Du Dich eigentlich genau in dem Schema von Chalmers?
 

 

 

bearbeitet von KevinF
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20 hours ago, Volker said:

Nur springt einem dann sofort ins Auge, dass wir es hier mit einem Argument aus Unwissenheit zu tun haben: 

 

Das Bewusstsein ist kein rein physikalisches Phänomen, weil wir es nicht verstehen (können).

Das Knickpendel ist kein rein physikalisches Phänomen, weil wir es nicht verstehen (können).

Ein System aus drei materiellen Körpern ist kein rein physikalisches Phänomen, weil wir es nicht verstehen (können).

 

Nehmen wir ein einfacheres Beispiel als das hochkomplexe Bewusstsein, dann wird der Fehler viel deutlicher. Aber das Prinzip ist immer dasselbe.

 

Nein, das geht an der Sache vorbei.
Beispiel 2 und 3 sind prinzipiell reduzierbar auf Struktur und Funktion, "Qualia" nicht.

 

@iskander hat das mehrfach erklärt. Du findest eine ausführliche Darstellung mit weiteren Argumenten außerdem in dem oben verlinkten Paper von Chalmers.

 

Wenn Dich und @Marcellinus das alles nicht überzeugt und Ihr auch keine neuen Argumente bringt, die dort nicht schon diskutiert wurden, dann haben wir hier schlicht einen Dissens, der nicht auflösbar ist.

 

Macht aber nichts, wie im Beitrag oben erklärt, ist dieser eher akademischer Natur.

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3 hours ago, KevinF said:

 

Nein, das geht an der Sache vorbei.
Beispiel 2 und 3 sind prinzipiell reduzierbar auf Struktur und Funktion, "Qualia" nicht.

 

Das ist eben die Frage, die auch Chalmers nicht beantwortet, denn da haben wir es mit einem anderen Phänomen zu tun, der unterschiedlichen subjektiven Perspektive. 

 

Man sollte beides nicht durcheinander werfen. Dass wir eine subjektive Perspektive nicht nachvollziehen können, liegt in der Natur der Subjektivität. Das Subjekt hat exklusiven Zugang zu Informationen - allerdings nicht zu ihrer Verarbeitung - und einen anderen Standpunkt, der notwendig zu einer anderen Verarbeitung führen muss.

 

Es ist wie in dem Beispiel mit der Nichtexistenz von Gleichzeitigkeit im Universum. Wir haben zwei Sonnen, A und B, und einen Beobachter X, der sich dazwischen befindet:

A----------X----------B

Jeder Strich steht für ein Lichtjahr, A und B befinden sich also je 10 Lichtjahre von X entfernt. X sieht, dass beide Sonnen, A und B, sich gleichzeitig in eine Supernova verwandeln. Aber hier ist ein anderer Beobachter, Y:

A----Y----------------B

Für Y explodiert die Sonne A zuerst, und 12 Jahre später explodiert B. Beide Ereignisse finden nicht gleichzeitig statt.

Dann ist da der Beobachter Z:

A------------------Z--B

Für Z explodiert B zuerst, und 16 Jahre später wird A zu einer Supernova.

 

Jetzt ist die Frage: Welche Sonne ist zuerst explodiert, A oder B? Das hängt von der Position eines Beobachters in Zeit und Raum statt, und niemand kann sagen, wann welches Ereignis in Relation zum anderen stattfand. Es gibt im Universum keinen speziellen Standort, der sich vor allen anderen auszeichnet. Je nach Wahl des Standorts habe ich eine andere Sicht, was bedeutet, dass es im Universum keine Gleichzeitigkeit geben kann, da niemand sagen kann, in welcher Reihenfolge Ereignisse stattfanden.

 

Hier fehlt die Subjektivität sogar, jeder an der Position X wird es so sehen, dass A und B gleichzeitig explodieren. Jeder an den Positionen Y und Z wird es anders sehen, und es kann nicht anders sein.

 

Der Vergleich hinkt ein bisschen, weil wir, wenn wir an der Position X sind, wir herausfinden können, was Y und Z sehen. Wenn wir das mit rein subjektiven Perspektiven tun, kann das aber nicht funktionieren. Natürlich kommt dieses Problem noch zusätzlich zu dem, dass wir bestimmte komplexe Phänomene nicht verstehen. Im Beispiel mit den beiden Sonnen ist alles noch recht einfach.

 

Es gibt für Subjektivität und für subjektive Perspektiven keinen ausgezeichneten oder privilegierten Standpunkt. Wir können nur sagen, dass es für unterschiedliche Subjekte verschieden aussehen muss. Dass wir es trotzdem auf dieselbe (physikalische) Realität zurückführen können, liegt daran, dass es genügend Punkte gibt, bei denen wir Invarianzen finden. Was wir subjektiv wahrnehmen ist z. B. dass weiter entfernte Gegenstände kleiner Aussehen als nähere. Unser Gehirn gleicht das jedoch aus, wir empfinden, dass ein Gegenstand seine Größe nicht ändert, wenn wir ihm näher kommen oder uns von ihm entfernen. Gegenstände ändern auch nicht ihre Form, obwohl unsere Augen genau das sehen. Aber wer annahm, dass der Tiger da hinten klein sei, weil er weit entfernt ist, und daher ungefährlich, der gehört mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zu unseren Vorfahren, und unser Gehirn hat gelernt, das zu kompensieren. Unser Gehirn berechnet die Invarianz, was übrigens mächtig kompliziert ist, und gaukelt uns vor, was real ist: Gegenstände schrumpfen nicht, wenn sie sich von uns entfernen, sie wachsen nicht, wenn sie näher kommen, und sie ändern ihre Form nicht, wenn wir die Perspektive wechseln, obwohl es genau das ist, was wir tatsächlich sehen. Wir sehen nicht, was wir sehen, sondern eine Rekonstruktion der Realität aus dem, was wir sehen.

 

Wissenschaft ist die Suche nach Invarianzen für eine Rekonstruktion der Realität. Wir machen das, was unser Gehirn auch tut, nur bewusst. Wir erfinden Verfahren, die beweisen, dass ein Gegenstand nicht schrumpft, wenn er sich von uns entfernt. Es bleiben aber noch genug subjektive Varianzen übrig, und wiederum, das muss so sein.

 

Daraus kann man sogar einen Solipsismus konstruieren, wenn der aber auch den Nachteil hat, dass er nur die Varianzen, aber nicht die Invarianzen erklären kann.

 

Qualia besagt nichts weiter, als das wir aus unterschiedlichen Perspektiven die Dinge unterschiedlich sehen, was eine vollkommen triviale Erkenntnis ist. Bewusstsein heißt nur, dass wir enorm komplexe Verfahren haben, in aller Varianz Invarianzen zu finden, aber dass die Welt nie für alle gleich aussehen kann. Es fehlt die privilegierte Position, von der aus sich alle Unterschiede nachvollziehen lassen. Im Universum gibt es keine Gleichzeitigkeit, in unserem Weltbild keine Gleichheit.

 

Gerade als religiöser Mensch sollte man wissen, wie unterschiedlich die Welt je nach religiösem oder nichtreligiösen Blickwinkel aussieht. Die fehlende Invarianz ist ja ein starkes Argument gegen die Wahrheit jeder beliebigen Religion, obwohl ja jeder glaubt, seine Religion verfüge irgendwie aus unbekannten und nicht nachvollziehbaren Gründen über die privilegierte Perspektive, die nicht existiert. Aber das bedeutet nichts weiter, als das Religionen prinzipiell eine falsche Sichtweise haben müssen. Und dann entstehen so seltsame Phänomene wie physikalische Systeme, die irgendwie nicht physikalisch sein sollen, und subjektive Perspektiven bereiten auch große Probleme. Wenn es Gott gäbe, gäbe es nämlich Gleichzeitigkeit und Gleichheit in der Welt. Da beides nicht existiert, kann es auch keinen Gott geben, der müsste nämlich genau den privilegierten Standpunkt haben, der nicht existiert und nicht existieren kann. Und genau diese Annahme vernagelt dann die realistische Sicht auf die Dinge.

 

Die Annahme, dass Gott existiert, verstellt eine realistische Sichtweise auf die Welt, und führt zwangsläufig zu einer verzerrten Sichtweise, die dann wieder dazu führt, die Existenz eines Gottes für plausibel zu halten. Das ist eine negative Feedback-Schleife.

 

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vor 4 Stunden schrieb KevinF:

 

@iskander hat das mehrfach erklärt. Du findest eine ausführliche Darstellung mit weiteren Argumenten außerdem in dem oben verlinkten Paper von Chalmers.

 

Wenn Dich und @Marcellinus das alles nicht überzeugt und Ihr auch keine neuen Argumente bringt, die dort nicht schon diskutiert wurden, dann haben wir hier schlicht einen Dissens, der nicht auflösbar ist.

 

Ich will man versuchen, diesen Dissens aus meiner Sicht zu beleuchten. Es steht hier die Behauptung im Raum, das Problem des "Bewußtseins" oder auch das "Geist-Materie"-Problem seien wissenschaftlich nicht zu beantworten, weil es keine empirischen Belege für die Fragestellung gäbe. Dabei lasse ich mal außen vor, ob das grundsätzlich so ist, oder nur gegenwärtig, oder ob wir nur die Belege nicht kennen. 

 

@iskander leitet daraus die Aufgabe der Philosophie ab, Antworten da zu finden, wo empirische Belege nicht vorhanden sind oder nicht ausreichen. 

 

Dagegen bin ich der Ansicht, daß nachprüfbares Wissen nur da entsteht, wo Theorien an der beobachtbaren Wirklichkeit getestet werden. Das bedeutet, daß ein Modell, für das es keine beobachtbaren Belege gibt, Spekulation, Fantasie ist.

 

Nun sind Fantasien täglichen wie wissenschaftlichen Leben durchaus an der Tagesordnung, und auch kein Problem, solange man sie nimmt als was sie sind. Problematisch wird es, wenn ein Fach für sich in Anspruch nimmt, "wahre" Aussagen zu tätigen, die ausdrücklich ohne empirische Belege daherkommen. Das schafft sonst eigentlich nur die Theologie, die aber zumindest so ehrlich ist, zuzugeben, daß sie auf Glauben beruht.  

 

Wenn es für eine Fragestellung keine Antwort gibt, die auf empirischen Beobachtungen gründet, dann würde ich davon ausgehen, daß der Gegenstand noch nicht hinreichend untersucht ist, oder die Frage einfach falsch gestellt. Aber stattdessen den "kurzen" Weg zu gehen, ich finde keine empirischen Belege, also nehme ich einfach metaphysische, erklärt vielleicht, warum philosophische "Erkenntnisse" von so kurzer Dauer sind. ;)

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12 hours ago, Marcellinus said:

Wenn es für eine Fragestellung keine Antwort gibt, die auf empirischen Beobachtungen gründet, dann würde ich davon ausgehen, daß der Gegenstand noch nicht hinreichend untersucht ist, oder die Frage einfach falsch gestellt.

 

 

Die Fragestellung gründet nicht in einer Beobachtung. Es geht um rein philosophische Fragestellungen, die außerhalb der Philosophie ohne Bedeutung sind:
 
Alle Fragen bezüglich des Bewusstseins aus der Perspektive der dritten Person können die empirischen Wissenschaften prinzipiell beantworten.
 
Übrig bleibt nur noch das Qualia-Problem, das nur innerhalb der Philosophie Bedeutung hat.
 
 
Fiktiver Dialog:
 
Philosoph: "Warum existiert überhaupt bewusstes Erleben (warum existieren Qualia), wenn wir uns eine Welt mit allen uns bekannten Naturgesetzen vorstellen können ohne Qualia?"
 
Kevin: "Factum brutum."
 
Philosoph: "Ha! Du hast es nicht geschafft, das Bewusstsein auf die Physik zu reduzieren, sondern hast eben ein neues Naturgesetz eingeführt.
Eine Reduktion wäre auch nicht möglich, das kann ich beweisen.
Der Materialismus ist gescheitert!"
 
Kevin: "Okay, mich stört das neue Gesetz nicht, mein Weltbild ist immer noch naturalistisch."
 
Philosoph: "Dann schauen wir weiter. Ist die Physik Deiner Ansicht nach kausal geschlossen oder wirkt die Psyche als nicht physikalische Entität auf die Physik ein, zum Beispiel via Quantenmechanik?"
 
Kevin: "Bis zum Beweis des Gegenteils gehe ich davon aus, dass die Physik kausal geschlossen ist. Die genannte Interpretation der Quantenphysik lehne ich solange ab."
 
Philosoph: "Okay. Bist Du identisch mit Deinen entsprechenden Hirnprozessen oder geht Dein Bewusstsein bzw. Deine Psyche nur mit diesen einher?"
 
KevinF: "Solange die Physik kausal geschlossen ist, ist beides nicht falsifizierbar. Den Epiphänomenalismus mag ich nicht so, ich sage daher, ich bin identisch mit meinem Gehirn. Factum Brutum."
 
Philosoph: "Ha! Schon wieder ein neues Gesetz! Ohne ein solches wäre die Behauptung der Identität auch unhaltbar. Und Du betreibst spekulative Metaphysik! Der Materialismus ist so was von gescheitert!"
 
Kevin: "Okay, ist mir egal, mein Weltbild ist immer noch naturalistisch. Und ich mag es, mit meinem Hirn identisch zu sein. Für alle praktischen Belange ist das Scheitern des Reduktionismus (Materialismus) ohne Bedeutung. Nur Philosophen interessiert so etwas "
 
Philosoph: "Na, wenn das so ist. Das Qualia-Problem ist damit abgehakt. Ein schönes Leben wünsche ich Dir noch."
 
Kevin: "Danke."
 
Für eine etwas weniger vereinfachte Argumentation vgl.

https://www.mykath.de/topic/36234-bewusstes-erleben-qualia/?do=findComment&comment=2568402


Wobei ich ergänze, dass es unmöglich ist, zu unterscheiden, ob E-Dualismus (Epiphänomenalismus) oder F-Monismus wahr sind, solange die Physik kausal geschlossen ist.
Und dass die "hypothetischen intrinsischen Eigenschaften" des F-Monismus eine Fiktion sind. Sie dienen als Abkürzung um nicht wie im Dialog die dort genannte Identität explizit postulieren zu müssen und dazu, dass alles etwas "natürlicher" wirkt.

 

Das Qualiaproblem bietet innerhalb der Philosophie Stoff für komplexe Diskussionen, außerhalb ist es ohne Bedeutung.

bearbeitet von KevinF
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