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Bewusstes Erleben (Qualia)


KevinF

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13 hours ago, Volker said:

Qualia besagt nichts weiter, als das wir aus unterschiedlichen Perspektiven die Dinge unterschiedlich sehen

 

Nein, siehe die Eingangsfrage in meinem fiktiven, stark vereinfachten Dialog oben.

 

Dein gesamter Beitrag geht an der Sache vorbei. Auch Gott und spezielle Relativitätstheorie haben mit dem Thema nichts zu tun.

Ich glaube auch gar nicht an die Existenz Gottes.

 

Wir streiten uns übrigens nur über unterschiedliche Varianten des Naturalismus.

Außerhalb der Philosophie haben diese Unterscheidungen keine Bedeutung.

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13 hours ago, Volker said:

Der Vergleich hinkt ein bisschen, weil wir, wenn wir an der Position X sind, wir herausfinden können, was Y und Z sehen. Wenn wir das mit rein subjektiven Perspektiven tun, kann das aber nicht funktionieren.

 

Der Vergleich geht sogar ganz fehl. Ein Beobachter im Sinne der speziellen Relativitätstheorie ("Perspektive") ist ein Koordinatensystem und hat nichts mit der Perspektive der ersten Person im Sinne der Philosophie des Geistes zu tun.

 

Du kannst auch einen Roboter ohne Bewusstsein als Beobachter nehmen, dann hat dessen Perspektive immer noch nichts mit der Perspektive der ersten Person in der Philosophie des Geistes zu tun.

 

Erst wenn er ein Bewusstsein mit Qualia hat, wenn sich etwas auf eine bestimmte Art für ihn anfühlt, wird es interessant.

 

Du verwendest dasselbe Wort ("Perspektive") in zwei unterschiedlichen Bedeutungen.

 

 

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Am 22.9.2024 um 16:24 schrieb Marcellinus:

Für dich scheint das eine Art Konstante zu sein, für mich hat sich das entwickelt, und zwar sozial wie psychisch.

 

Dass sich unser Selbstverständnis und unsere Haltung im Hinblick auf das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft entwickelt hat, würde ich keineswegs bestreiten wollen. Mein Punkt ist ein anderer: Unabhängig von allen gesellschaftlichen Wandlungen gibt es so etwas wie ein Empfinden, Denken, bewusstes Erleben usw. - und da diese Phänomene zumindest prima facie vom Materiellen verschieden zu sein scheint, stellt sich die Frage nach dem genaueren Verhältnis. Das sind einfach andere Fragen.

 

Am 22.9.2024 um 16:24 schrieb Marcellinus:

Diese Veränderungen, die man im Sozialen mit Begriffen wie Auflösung traditioneller Herrschaft, Differenzierung der sozialen Interdependenzketten, sowie der Entstehung neuer Einheiten der sozialen Integration (Aufstieg von Städten und Staaten) beschreiben kann, und im psychischen mit der Verschiebung der Ich-Wir-Balance in Richtung auf das Ich in den einzelnen Menschen, hatten auch sichtbare Ergebnisse zB in der Kunst. [...] Ein solches Verständnis ist meilenweit entfernt von irgendeiner "Philosophie des Geistes".

 

Richtig - aber das liegt daran, dass das einfach ganz andere Fragen sind. Auf der einen Seite (vereinfacht): Wie hat sich unsere Vorstellung über das Individuum und sein Verhältnis zur Gesellschaft im Laufe der Zeit verändert? Auf der anderen Seite (vereinfacht): Was ist das: Bewusstsein, Vorstellen, Denken - und wie verhält sich das zur physischen Welt?

 

Zitat

Daß wir da zu keiner Einigung kommen, sollte also keinen wundern.

 

Wenn das so ist, wie Du es beschreibst, dann läge das aber nicht daran, dass wir auf die gleichen Fragen unterschiedliche Antworten geben, sondern daran, dass wir auf unterschiedliche Fragen unterschiedliche Antworten geben. Damit gäbe es keinen Widerspruch. Denn was Du da beispielsweise über die historisch-gesellschaftlichen Entwicklungen sagst, würde ich - soweit meine Kenntnisse reichen - sogar ausdrücklich akzeptieren. :)

 

Mein Eindruck ist allerdings, dass Du immer wieder These aufstellst, die nicht nur soziale, historische und kulturelle Entwicklungen betreffen, sondern in jenes Feld hineinreichen, welches man gewöhnlich der Philosophie zuordnet.

 

Am 22.9.2024 um 16:24 schrieb Marcellinus:

Daß deine Behauptungen keine sozialen Begriffe enthalten, würde ich nie bestreiten.

 

Wie gesagt scheint mir das auch auf etliche Deiner Äußerungen zutreffen - und zwar auf genau diejenigen, die zwischen uns umstritten sind. Etwa folgende:

 

1) Bewusstsein (Geist, Erleben, das "Mentale") ist eine Form der Materie.

2) Bewusstsein ist eine emergente Funktion der Materie.

3) Logik ist nicht mehr als ein System menschengemachter Symbolsysteme. (Meine Formulierung.)

4) Erkenntnis kann es nur geben, wo es eine empirische Prüfung gibt - alles andere kann unmöglich Erkenntnis sein.

5) Philosophie kann keine "positiven" Erkenntnisse gewinnen, sondern nur falsche Glaubenssysteme kritisieren.

6) Die Naturwissenschaft nähert sich der Wahrheit nicht an.

 

Mir geht es dabei jetzt gar nicht um den Inhalt dieser Äußerungen, sondern darum, dass sie sich nicht unmittelbar auf soziale Verhältnisse, soziale Bedingungen und soziale Prozesse beziehen.

Natürlich hat alles irgendwo im weiteren Sinne auch einen Bezug zum Sozialen. Dennoch sind Fragestellungen wie "Welche Bedeutung hat Logik?" oder "Ist der Geist eine emergente Funktion der Materie, und was soll das konkret bedeuten?" keine sozialwissenschaftlichen Fragen. Es geht hier nicht um spezifisch soziale Angelegenheiten, und es tauchen in solchen Fragen auch keine spezifisch sozialen Begriffe auf.

 

Ein Sozialwissenschaftler würde nicht fragen: "Ist Bewusstsein eine Form der Materie?", sondern: "Welche sozialen Prozesse und veränderten sozialen Einstellungen haben dazu geführt, dass der Materialismus heute populärer ist als früher?"

 

Es existiert nach meiner Überzeugung schon aus methodischen Gründen auch keine Möglichkeit, die obigen Thesen 1)-6) oder ähnliche Aussagen mithilfe empirischer Sozialforschung (oder auch naturwissenschaftlicher Forschung) zu belegen. Und es hat ja bisher hier auch niemand versucht.

 

Der Widerspruch zwischen unseren Positionen entsteht m.E. nicht, weil ich Behauptungen von Dir über historische, soziale und kulturelle Prozesse in Abrede stellen würde, sondern weil Du Thesen äußerst, die über das Historische, Soziale und Kulturelle hinausgehen - und weil ich dort nicht mitgehen kann.

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vor 2 Stunden schrieb iskander:
Am 22.9.2024 um 16:24 schrieb Marcellinus:

Diese Veränderungen, die man im Sozialen mit Begriffen wie Auflösung traditioneller Herrschaft, Differenzierung der sozialen Interdependenzketten, sowie der Entstehung neuer Einheiten der sozialen Integration (Aufstieg von Städten und Staaten) beschreiben kann, und im psychischen mit der Verschiebung der Ich-Wir-Balance in Richtung auf das Ich in den einzelnen Menschen, hatten auch sichtbare Ergebnisse zB in der Kunst. [...] Ein solches Verständnis ist meilenweit entfernt von irgendeiner "Philosophie des Geistes".

 

Richtig - aber das liegt daran, dass das einfach ganz andere Fragen sind. Auf der einen Seite (vereinfacht): Wie hat sich unsere Vorstellung über das Individuum und sein Verhältnis zur Gesellschaft im Laufe der Zeit verändert? Auf der anderen Seite (vereinfacht): Was ist das: Bewusstsein, Vorstellen, Denken - und wie verhält sich das zur physischen Welt?

 

Zitat

Daß wir da zu keiner Einigung kommen, sollte also keinen wundern.

 

Wenn das so ist, wie Du es beschreibst, dann läge das aber nicht daran, dass wir auf die gleichen Fragen unterschiedliche Antworten geben, sondern daran, dass wir auf unterschiedliche Fragen unterschiedliche Antworten geben. Damit gäbe es keinen Widerspruch. Denn was Du da beispielsweise über die historisch-gesellschaftlichen Entwicklungen sagst, würde ich - soweit meine Kenntnisse reichen - sogar ausdrücklich akzeptieren. :)

 

Mein Eindruck ist allerdings, dass Du immer wieder These aufstellst, die nicht nur soziale, historische und kulturelle Entwicklungen betreffen, sondern in jenes Feld hineinreichen, welches man gewöhnlich der Philosophie zuordnet.

 

Vielleicht täuscht dich dein Eindruck. Gehen wir mal einen Schritt zurück, und stellen fest, daß du (und mit dir die Philosophie?) andere Fragen stellst als die der theoretisch-empirischen Wissenschaften. 

 

Philosophie, wie auf etwas andere Art auch die Theologie, versuchen endgültige und absolute Antworten auf Fragen zu bekommen, die für sie selbst, für den Philosophen, von emotionaler oder sogar existenzieller Bedeutung sind. Es sind Fragen nach absoluten Anfängen und absoluten Zielen, und das Ergebnis soll daher auch absolut und befriedigend sein, von Philosophen gemeinhin "Wahrheit" genannt. Während die Religion sich ihren Antworten mit dem Glauben nähert, versuchen die Philosophen dies mit ihrem Denken. 

 

Die Naturwissenschaften gingen dagegen von Anfang an anders vor. Nicht mehr absolute Anfänge, absolute Ziele, die zwar für den Fragenden selbst von großer affektiver Bedeutung waren, sich aber durch Tatsachenbeobachtungen nicht belegen ließen, sondern die eher praktischen Fragen, herauszufinden, wie beobachtbare Ereignisse miteinander in nachprüfbarem Zusammenhang stehen.

 

Als wissenschaftlich gilt seitdem eine Hypothese nur dann, wenn man angeben kann, durch welche Tatsachenbeobachtungen sie sich belegen bzw. widerlegen ließe. Die Antworten, die man so bekommt, sind so in höherem Maße objektorientiert (am beobachtbaren Objekt orientiert), kurz in höherem Maße objektiv, aber aufgrund der Unvollkommenheit unserer Erkenntnismittel immer nur vorläufig. Wobei gerade diese Vorläufigkeit, und damit die Möglichkeit und Notwendigkeit aus Fehlern zu lernen, den theoretisch-empirischen Wissenschaften ihren Erfolg beschert hat. 

 

Viele Fragen, für die in vorwissenschaftlichen Zeiten Theologie und Philosophie zuständig waren, sind heute, meistens ein wenig umformuliert, wissenschaftlich beantwortet. Die Philosophie, so wie sie hier dargestellt wird, kümmert sich seitdem um Fragen, die sich empirisch nicht belegen lassen. Diese Fragen, für die es keine empirischen Belege gibt, haben es daher an sich, daß sie sich mehr am Subjekt, der Person des Fragenden, seinen Wünschen und Bedürfnissen orientieren, also in hohem Maß (wenn nicht ausschließlich) subjektiv sind. 

 

Ihr Kritierium ist nicht die empirische Belegbarkeit, sondern die subjektive Glaubwürdigkeit, die allerdings ihrerseits auf den jeweiligen theoretischen, weltanschaulichen Grundannahmen beruht, letztlich eine Frage des, wenn auch nicht notwendig religiösen, Glaubens ist. 

 

Um ein konkretes (aber eben nicht praktisches) Beispiel zu nennen: die "Philosophie des Geistes". Sie setzt eben voraus, daß man an so etwas wie einen "Geist" glaubt. Wenn nicht, sagt einem das alles nichts. 

 

Und hier kommen wir zum Verhältnis von Religion, Philosophie und Wissenschaft. Religion sagt einem nur etwas, wenn einen religiöse Fragen (und Antworten) interessieren, etwas flapsig formuliert: wenn man an Götter glaubt. Philosophie sagt einem nur etwas, wenn einen metaphysische Fragen und absolute Begriffe interessieren. Außerhalb von Philosophie haben sie keine Bedeutung. Wissenschaften dagegen handeln nicht von Fragen subjektiver Bedeutung oder Befindlichkeit, sondern suchen nach Modellen beobachtbarer Zusammenhänge, jenseits unserer Wünsche, jenseits von absoluten Anfängen oder Zielen. Und sie taugen auch nicht als Weltanschauungen (und scheitern, wenn man sich trotzdem dazu zu machen versucht). 

 

 

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3 hours ago, Marcellinus said:

Um ein konkretes (aber eben nicht praktisches) Beispiel zu nennen: die "Philosophie des Geistes". Sie setzt eben voraus, daß man an so etwas wie einen "Geist" glaubt. Wenn nicht, sagt einem das alles nichts. 

 

Naja, das ist etwas zu flapsig formuliert:

 

"Geist" bedeutet hier ja so viel wie "Psyche" oder im engeren Sinne "Bewusstsein" und diese "Dinge" existieren ja zweifellos.

 

Ich würde einfach sagen, wir müssen es als grundlegende Eigenschaft der Natur anerkennen, dass bestimmte funktionale Vorgänge (Prozesse in Gehirnen bei Menschen und einigen Tieren, denkbar wäre auch starke KI) mit bewusstem Erleben (in verschiedenen Formen) einhergehen.

 

Wir können prinzipiell alles bezüglich der neurologischen Korrelate erklären und alles Verhalten, aber eben nicht, warum es überhaupt Bewusstsein gibt.

 

Die Natur ist eben so.
Mehr kann man objektiv dazu nicht sagen und damit ist das Qualiaproblem imo gelöst.

 

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vor 13 Minuten schrieb KevinF:
vor 3 Stunden schrieb Marcellinus:

Um ein konkretes (aber eben nicht praktisches) Beispiel zu nennen: die "Philosophie des Geistes". Sie setzt eben voraus, daß man an so etwas wie einen "Geist" glaubt. Wenn nicht, sagt einem das alles nichts. 

 

Naja, das ist etwas zu flapsig formuliert:

 

Nein, einfach flapsig! ;) Wenn ich das nicht mehr darf, bin ich hier falsch. Aus meiner Sicht ist das hier kein Oberseminar. 

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17 hours ago, KevinF said:

 

Der Vergleich geht sogar ganz fehl. Ein Beobachter im Sinne der speziellen Relativitätstheorie ("Perspektive") ist ein Koordinatensystem und hat nichts mit der Perspektive der ersten Person im Sinne der Philosophie des Geistes zu tun.

 

Du kannst auch einen Roboter ohne Bewusstsein als Beobachter nehmen, dann hat dessen Perspektive immer noch nichts mit der Perspektive der ersten Person in der Philosophie des Geistes zu tun.

 

Erst wenn er ein Bewusstsein mit Qualia hat, wenn sich etwas auf eine bestimmte Art für ihn anfühlt, wird es interessant.

 

Du verwendest dasselbe Wort ("Perspektive") in zwei unterschiedlichen Bedeutungen.

 

 

Ja, Perspektiven können ganz simpel einfach eine unterschiedliche Position in der Raumzeit bedeuten. Wir sehen Dinge verschieden, weil wir uns an unterschiedlichen Stellen befinden. Es ist aber mehr: Meine Binnenperspektive, bei der ich weiß, was ich gerade denke, unterscheidet sich von der Außenperspektive, Deiner, weil Du nicht wahrnehmen kannst, was ich denke. Die Analogie mit der Raumzeit mag ein wenig hinken, aber beide Perspektiven sind unterschiedlich, das ist der wesentliche Punkt.

 

Daraus hat man das Problem der Qualia abgeleitet. Aber das scheint nur ein anderes Problem zu sein, weil meine bewusste Binnenperspektive auf komplexen Vorgängen beruht, während unterschiedliche Perspektiven durch Positionen in der Raumzeit entstehen, die sehr simpel zu erklären sind. Aber man muss nicht erklären, warum unterschiedliche Perspektiven gleich welcher Art zu unterschiedlichen Sichtweisen führen. Ich habe ja auch gesagt, wo der Vergleich hinkt: Bei dem Beispiel mit den Sonnen kann man sich in die Perspektive des anderen hineinversetzen und nachvollziehen, warum bei dem anderen die Sonnen in unterschiedlicher Reihenfolge explodieren. Beim Bewusstsein kann man das nicht. Wenn man sich vorstellt, dass man dies bei den verschiedenen Positionen in der Raumzeit auch nicht die Perspektive des Anderen nachvollziehen kann, funktioniert die Analogie wieder. Es ist eine Frage der Informationen, die man über die Perspektive des Anderen hat.

 

Der Punkt ist, dass man das aufgrund der unterschiedlichen Informationslage nicht erklären kann und nicht nachvollziehen. Wenn man behauptet, dass dies ein lösbares Problem sei, postuliert man indirekt eine übergeordnete, unabhängig von Raumzeit und jeglicher Perspektive bestehende Position. Von einer solchen Position könnte man dann beispielsweise genau sagen, in welcher Reihenfolge die Sonnen explodieren, oder wie ich die Röte einer Rose wahrnehme. Letzteres ist nur einfach viel komplizierter, subjektiver. Aber auch wenn man das Beispiel extrem simplifiziert, dann bleibt das Problem bestehen - weil es keine Lösung dafür gibt. Daher ist das weder ein Argument dafür, dass Theismus irgendeines dieser Probleme lösen kann, noch ein Argument dafür, dass es eine übergeordnete Position gibt (Gott).

 

Denn indirekt läuft das immer darauf hinaus, dass mit "Gott" eine Art Hyperrealität geschaffen wird, von der aus sich alles erklären lässt, von der aus es keinen subjektiven Standpunkt mehr geben kann. Man kann es auch so formulieren: Gott kennt alle meine Gedanken. Das ist jedoch schlicht nicht möglich. Man mag das auch als Atheist versuchen, ohne Gott, eine solche Hyperrealität zu postulieren, wird aber aus denselben Gründen daran scheitern. Aus diesem Scheitern lassen sich keine Argumente ableiten, für irgendeine Position, ob nun Solipsismus, Konstruktivismus, Realismus, oder was auch immer.

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Was ich an dem ganzen Qualia-Problem nicht verstehe: Es besteht meiner Ansicht nach kein Zweifel daran, daß Menschen (und vermutlich auch einige Tiere) über ein Bewußtsein verfügen. Man selbst ist einer davon. Zumindest bei mir weiß ich, wie es sich anfühlt. Meine Ich-Perspektive kenne ich. Und damit kenne ich indirekt auch die Ich-Perspektive der anderen. Unsere Ich-Perspektive dient der Orientierung in dieser Welt. Sie ist evolutionär entstanden, und es ist unsinnig anzunehmen, etwas derartig Aufwendiges wäre entstanden ohne einen evolutionären Nutzen. Dieser evolutionäre Nutzen aber wäre futsch, wenn unsere Ich-Perspektiven nicht (sehr) ähnlich wären.

 

Diese Ähnlichkeit kann man sogar überprüfen. Man denke nur an die Fähigkeit, Farben zu sehen. Rein theoretisch wissen wir natürlich nicht, ob ich "Rot" genauso sehe wie du. Aber indirekt kann ich es natürlich herausfinden, und es ist ja auch nachvollziehbar. Farben sehen zu können sind eine wichtige Eigenschaft, um zu überleben. Bestimmte Halbaffen können zB. kein Rot sehen, aber durch Gentherapie kann man ihnen diese Fähigkeit vermitteln, und auf einmal können sie reife von unreifen Früchten unterscheiden. 

 

Entscheidend ist doch nicht, ob ich direkt in den Kopf eines anderen schauen kann, um zu zeigen, daß es verschiedenen Bewußtseinszustände gibt. Das Qualia-Problem scheint mir eine Abwandlung des Descartschen Irrtums zu sein, der Fehlannahme, nur das eigene "Ich" sei real, alles andere müsse erst bewiesen werden.

 

Ich weiß, ganze Generationen von Philosophen haben von dieser Fantasievorstellung gelebt (denn so irreal erschien ihnen die "Außenwelt" ja nun auch nicht, daß sie auf ihr Gehalt verzichtet hätten). Denn wenn ich an allem zweifle, warum dann nicht auch am eigenen "Ich"? Und dann ist man beim Solipsismus. Wenn man dagegen das eigenen "Ich" für real hält, dann muß man einfach zur Kenntnis nehmen, daß diese "Ich" nicht vom Himmel gefallen ist, sondern anderen "Ichs" aufgezogen und unterrichtet wurde. 

 

Wenn ich mein "Ich" für real halte, sind es all die anderen mehr oder weniger auch, wenn nicht, dann kann ich mir sowieso jeden Gedanken sparen. 

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1 hour ago, Volker said:

Ja, Perspektiven können ganz simpel einfach eine unterschiedliche Position in der Raumzeit bedeuten. Wir sehen Dinge verschieden, weil wir uns an unterschiedlichen Stellen befinden. Es ist aber mehr: Meine Binnenperspektive, bei der ich weiß, was ich gerade denke, unterscheidet sich von der Außenperspektive, Deiner, weil Du nicht wahrnehmen kannst, was ich denke. Die Analogie mit der Raumzeit mag ein wenig hinken, aber beide Perspektiven sind unterschiedlich, das ist der wesentliche Punkt.

 

Daraus hat man das Problem der Qualia abgeleitet. Aber das scheint nur ein anderes Problem zu sein, weil meine bewusste Binnenperspektive auf komplexen Vorgängen beruht, während unterschiedliche Perspektiven durch Positionen in der Raumzeit entstehen, die sehr simpel zu erklären sind. Aber man muss nicht erklären, warum unterschiedliche Perspektiven gleich welcher Art zu unterschiedlichen Sichtweisen führen.

 

 

(Hervorhebung von mir)
 
Nein, denn die Frage ist nicht, warum unterschiedliche Perspektiven existieren, sondern warum manche dieser Perspektiven mit Bewusstsein einhergehen, obwohl wir dies aus unserer Beschreibung der Natur logisch nicht ableiten können.
 
Um noch einmal die Qualiafrage in einer ihrer Formulierungen zu stellen:
 
Sind "P-Zombies" (Wesen, die physikalisch mit uns identisch sind, aber kein Bewusstsein haben, deren "Qualia" also nur virtuelle Konzepte ohne bewusstes Erleben sind) logisch möglich?
 
Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, dann scheint Bewusstsein nicht auf die Physik reduzierbar zu sein.
 
Dann wäre, und ich denke, dass es so ist, die Fähigkeit Erleben bei Mensch und Tier hervorzubringen eine weitere, fundamentale Eigenschaft der Natur (logisch gibt es auch noch andere Möglichkeiten, aber das ist imo die naheliegendste).

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vor 16 Minuten schrieb KevinF:

Nein, denn die Frage ist nicht, warum unterschiedliche Perspektiven existieren, sondern warum manche dieser Perspektiven mit Bewusstsein einhergehen, obwohl wir dies aus unserer Beschreibung der Natur logisch nicht ableiten können.

 

Was soll: „können wir logisch nicht ableiten“? Menschen haben ein Bewußtsein, und dieses Bewußtsein hat eine notwenige Funktion in unserem (vor allem, aber nicht nur) sozialen Leben. Das ist einfach eine beobachtbare Tatsache. Oder möchte das hier jemand bezweifeln?
 

Ob wir eines Tages Roboter bauen können, die über echte Intelligenz und damit Bewußtsein verfügen (nicht so etwas Simuliertes wie KI), ist im Moment nicht zu entscheiden. Aber ob zB. Kernfusion jemals technisch nutzbar sein wird, wissen wir ja Stand jetzt auch noch nicht.

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3 hours ago, KevinF said:

Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, dann scheint Bewusstsein nicht auf die Physik reduzierbar zu sein.
 
Dann wäre, und ich denke, dass es so ist, die Fähigkeit Erleben bei Mensch und Tier hervorzubringen eine weitere, fundamentale Eigenschaft der Natur (logisch gibt es auch noch andere Möglichkeiten, aber das ist imo die naheliegendste).

Mal angenommen, es wäre nicht auf Physik reduzierbar. Ob man Bewusstsein hinzunimmt oder nicht, ändert daran nichts. Auch Tiere können rot von grün unterscheiden, selbst solche, denen wir kein Bewusstsein unterstellen können. Ich denke, man versucht das Kernproblem zu umgehen, indem man einfach zur Frage noch etwas hinzufügt, das zu komplex ist, als dass wir es verstehen können. Aber wir können unser Nichtverstehen, unser Unwissen, nicht einfach zu einer fundamentalen Eigenschaft der Natur erklären. Wozu sollte das gut sein?

 

Statt also zu sagen: Es gibt unterschiedliche Perspektiven, addiert man noch das unerklärte Bewusstsein hinzu, ändert man daran nichts, man fügt lediglich eine weitere Perspektive hinzu, die man nicht versteht. Das Problem besteht aber auch ohne diese Erweiterung. Im Grunde könnte man auch sagen: Es gibt fundamentale Eigenschaften der physikalischen Natur, die wir nicht verstehen. Aber dann ist es nicht logisch ableitbar, diese für fundamental zu erklären, man kann nur sagen, man weiß es nicht. Aus Nichtwissen kann man logisch nichts ableiten, außer der Tatsache, dass man es nicht weiß. Man weiß daher nicht, ob man Bewusstsein auf Physik reduzieren kann oder nicht, und mehr kann man nicht sagen.

 

Ich verstehe Marcellinus Abneigung gegen Philosophie, obwohl ich die nicht teile. Ich habe aber eine starke Abneigung gegen schlechte Philosophie, da bin ich mit ihm völlig auf einer Linie. Es handelt sich um schlechte Philosophie, wenn man jetzt schon versucht, sich fundamentale Prinzipien auszudenken, um Dutzend billiger, wo unsere Physik noch unvollständig ist. Ich kann die Ungeduld verstehen, diese Abneigung, zu sagen "Wir wissen es nicht". Aber das ist oft die einzig valide Antwort auf Fragen.

 

Ist Bewusstsein auf Physik reduzierbar? Das wissen wir nicht. Man muss dazu auch etwas verstehen, was wir nie in der Schule gelernt haben, und was von Philosophen nur am Rande behandelt wurde: Was bedeutet es, etwas zu verstehen? So wie sich die Philosophen lange nicht mit der Sprache beschäftigt haben, obwohl das ihr Werkzeug ist, haben sich die meisten nicht damit beschäftigt, was verstehen bedeutet. Eine der wenigen Ausnahmen: Riedl, Rupert. Strukturen der Komplexität: eine Morphologie des Erkennens und Erklärens. Berlin Heidelberg: Springer, 2000.

 

Verstehen ist die Kehrseite des Erklärens. Was man erklären kann, kann man verstehen, was man verstanden hat, kann man erklären. Zu sagen, man kann etwas nicht auf Physik reduzieren, ist bloß ein anderer Ausdruck dafür, dass man es nicht verstanden hat und daher auch nicht erklären kann. Es gibt zwei Arten des Verstehens:

 

1. Etwas Unbekanntes auf etwas Bekanntes zurückführen (oder reduzieren).

2. Die Entwicklungsgeschichte einer Sache rekapitulieren.

 

Ich sage nur: Wir verstehen Bewusstsein nicht. Punkt. Das heißt nicht: Wir werden es niemals verstehen, oder wir können es nicht auf (unsere unvollständige) Physik reduzieren, oder es muss ein fundamentales Prinzip der Natur sein, das man deswegen nicht auf Bekanntes zurückführen kann, oder vielleicht doch. Oder wir müssen es auf ein "göttliches Prinzip" zurückführen, was nichts weiter bedeutet, als das Unerklärliche mit dem Unerklärlichen zu "erklären", was ich als verklären bezeichne, oder verkehrtes Erklären (Pseudoerklärung). Das ist voreilige, also schlechte Philosophie, und da bin ich mit Marcellinus einer Meinung.

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5 hours ago, Marcellinus said:

Was soll: „können wir logisch nicht ableiten“?

 

Wie ich es in den Zeilen nach dem Zitat beschrieben habe.

Ich verweise auch gerne noch einmal auf den Artikel von Chalmers, der die Qualiafrage in drei Varianten mit ausführlicher Beschreibung stellt und mögliche Antworten aufzeigt:

 

https://consc.net/papers/nature.pdf

("Consciousness and its Place in Nature")


Wenn wir die aus meiner Sicht exotischeren Antworten ausschließen, dann läuft es meiner Ansicht nach auf die Frage hinaus, ob die Fähigkeit der Natur bewusstes Erleben zu erzeugen (bei Mensch und einigen Tieren (wenn auch in anderer Form), theoretisch denkbar auch bei KI) auf die Physik reduziert werden kann oder ob sie fundamental ist.

 

Für beides gibt es Argumente, letztlich ist beides eine Art von Glauben.

Ich habe meinen Standpunkt daher noch einmal angepasst und bin nun diesbezüglich agnostisch.

 

Für alle praktischen Belange inklusive der gesamten empirischen Wissenschaft ist die (per Definition philosophische) Antwort auch egal (wie gesagt, solange wir die aus meiner Sicht exotischeren Varianten ausschließen).

 

Was ich sicher sagen kann, ist, dass es so scheint, als wäre besagte Fähigkeit eine fundamentale Eigenschaft der Natur.
Ob sie wirklich fundamental ist, kann ich nicht sicher sagen.

bearbeitet von KevinF
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1 hour ago, Volker said:

Aber wir können unser Nichtverstehen, unser Unwissen, nicht einfach zu einer fundamentalen Eigenschaft der Natur erklären. Wozu sollte das gut sein?

 

 

Das Argument ist, dass die Physik per Definition nur Struktur und Funktion erklären kann und Qualia dadurch per Definition nicht erklärt werden können.

 

Aus meiner Sicht bist Du immer noch nicht auf die Qualiafrage eingegangen, sondern schreibst immer am Thema vorbei.

 

1 hour ago, Volker said:

Ist Bewusstsein auf Physik reduzierbar? Das wissen wir nicht.

 

Sehe ich wie im letzten Beitrag geschrieben auch so (Edit: Bzw. ist die Frage wie gesagt, ob die Fähigkeit Bewusstsein zu erzeugen fundamental ist oder nicht, Physik im weitesten Sinne ist es immer).

 

Allerdings denke ich, dass dies für immer so sein wird. Die Qualiafrage ist im Kern eine philosophische Frage, man kann sie immer stellen, egal welche Ergebnisse die empirische Wissenschaft hervorbringt (von exotischen, rein hypothetisch möglichen Ergebnissen bezüglich Quantenphysik abgesehen).

 

Für die möglichen Antworten gibt es Argumente, aber letztlich ist es Glaubenssache.

 

Darum bin ich Agnostiker.

bearbeitet von KevinF
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vor 8 Stunden schrieb KevinF:

Wenn wir die aus meiner Sicht exotischeren Antworten ausschließen, dann läuft es meiner Ansicht nach auf die Frage hinaus, ob die Fähigkeit der Natur bewusstes Erleben zu erzeugen (bei Mensch und einigen Tieren (wenn auch in anderer Form), theoretisch denkbar auch bei KI) auf die Physik reduziert werden kann oder ob sie fundamental ist.

 

Ich verstehe das nicht! Was soll bedeuten: "kann auf die Physik reduziert werden"? Was ist "die Fähigkeit der Natur, bewußtes Leben zu erzeugen"? Warum fragst du nicht gleich, ob "die Natur Leben erzeugen kann"? 

 

Physik ist die Integrationsebene des Universums, die von anorganischer Materie gebildet wird. Sobald die Organisation der Materie komplexer wird, können organische Verbindungen entstehen, und damit die Voraussetzung für Leben. Die Wissenschaft, die sich damit beschäftigt, ist die Biologie. Sobald Lebewesen miteinander Gesellschaften bilden, ist das Gegenstand der Soziologie. Nicht, weil diese drei Integrationsebenen voneinander getrennt wären, sondern weil sich auf jeder Ebene neue Eigenschaften und Zusammenhänge bilden, die es sinnvoll machen, dafür eigene wissenschaftliche Modelle zu entwickeln, die relativ unabhängig von den Modellen der vorangegangenen Ebenen sind. 

 

Wissenschaft (Achtung, Verallgemeinerung!) setzt gedankliche Distanzierung voraus. Um ein sachgerechtes Bild von unserem Sonnensystem zu erstellen, mußten die Menschen sich gedanklich auf eine Position außerhalb begeben, eine Perspektive, die damals nur gedanklich möglich war. Um ein sachgerechtes Bild von der Entstehung des Lebens und der Entwicklung der Arten zu erhalten, mußten die Menschen von der Illusion Abschied nehmen, "Krone der Schöpfung" zu sein, und mit dem auf den ersten Blick weit weniger befriedigenden Bild vorlieb nehmen, Teil der Evolution des biologischen Lebens zu sein. Kreationisten haben bis heute ihre Schwierigkeiten damit. 

 

Die Menschenwissenschaften fügen diesem Problem der notwendigen Distanzierung noch einmal eine Stufe hinzu, weil nun wir Menschen selbst nicht nur forschendes Subjekt, sondern auch betrachtetes Objekt sind. Und das ist erwiesenermaßen ein schwieriger Perspektivwechsel, erfordert es doch zu allererst die Einsicht, daß wir, trotz oder gerade wegen unseres direkten und täglichen Umgangs mit uns selbst, für uns noch ein viel größerer weißer Fleck auf der Landkarte unseres Wissens sind als für frühere Generationen die Rückseite des Mondes. 

 

Wenn man aber das einmal beiseite läßt, und sich einfach nur die Fakten anschaut, dann ist das, was wir "Bewusstsein" nennen, ein gut beobachtbares und häufig anzutreffendes Phänomen (allein bei Menschen ca. 8 Mrd. mal). Wir gebrauchen es auch täglich, und es ist kaum schwer festzustellen, daß ohne Bewusstsein, ohne ein Bild von uns selbst in Beziehung zu anderen unsere Gesellschaften überhaupt nicht funktionsfähig wären. Da selbst Primaten über ein Bewusstsein zu verfügen scheinen, sollte uns das auch nicht wundern. 

 

Irgendwie erinnert mich das an die Debatte, was "Leben" sei, da man es nicht sehen, wiegen oder messen kann. „Übrigens lehrte mich das Studium von medizinischen Grundwissenschaften wie Physiologie und Anatomie zugleich auch der Vorstellung zu mißtrauen, daß der Mensch ein Stück Materie sei. Was sich zeigte, war, daß der Mensch eine enorm komplizierte Organisation von Materie ist. Die gesamte Materie, aus der ein Mensch besteht, mag noch beieinander sein - wenn die Organisation der Materie nicht mehr richtig funktioniert oder ganz zusammenbricht, verliert der Organismus die Fähigkeit, sich selbst zu rekonstruieren, und wir sagen dann: der Mensch ist tot.“ (Norbert Elias) Leben ist einfach das, was entsteht, wenn Materie nur hoch genug organisiert ist, und erlischt wieder, wenn diese Organisation zusammenbricht, mögen die einzelnen Bestandteile noch da sein oder nicht. 

 

Mit dem Bewusstsein ist es ähnlich. Sobald das zentrale Nervensystem einer Art nur hoch genug organisiert ist, und diese Art anfängt, mit einander Gruppen zu bilden, ist es ein evolutionärer Vorteil, nicht nur ein Bild von seiner Umgebung zu haben, sondern vor allem von der Gruppe, in der man lebt. Da jedes einzelne Individuum nicht nur Mitglied dieser Gruppe ist, sondern die Gruppe auch von nichts anderem gebildet wird als von ihren einzelnen Mitglieder und deren Beziehungen untereinander, und diese Beziehungen notwendig immer wieder neu ausgehandelt werden müssen, braucht jeder einzelne ein möglich realistisches Bild der eigenen Verhaltensmuster wie denen der anderen. Es muß sich selbst sehen, wie es in den Augen der anderen erscheint, und das ist Bewusstsein. (Das ist nur zu umgehen, wenn die die Gruppenmitglieder gar keine Individuen sind, sondern Automaten, wie bei Insekten.) Bewusstsein ist also eine notwendige Voraussetzung für die Entstehung von Gruppen oder Gesellschaften. Übrigens nicht zufällig auch ein Akt der Distanzierung, und zu dem gleichen Zweck: dem Gewinnen eines realistischeren Bildes dieser Welt. 

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8 hours ago, Marcellinus said:

 

Ich verstehe das nicht! Was soll bedeuten: "kann auf die Physik reduziert werden"? Was ist "die Fähigkeit der Natur, bewußtes Leben zu erzeugen"? Warum fragst du nicht gleich, ob "die Natur Leben erzeugen kann"? 

 

Physik ist die Integrationsebene des Universums, die von anorganischer Materie gebildet wird. Sobald die Organisation der Materie komplexer wird, können organische Verbindungen entstehen, und damit die Voraussetzung für Leben. Die Wissenschaft, die sich damit beschäftigt, ist die Biologie. Sobald Lebewesen miteinander Gesellschaften bilden, ist das Gegenstand der Soziologie. Nicht, weil diese drei Integrationsebenen voneinander getrennt wären, sondern weil sich auf jeder Ebene neue Eigenschaften und Zusammenhänge bilden, die es sinnvoll machen, dafür eigene wissenschaftliche Modelle zu entwickeln, die relativ unabhängig von den Modellen der vorangegangenen Ebenen sind. 

Wir können manchmal nicht einmal simple, rein physikalische Systeme, komplett auf bekannte Physik reduzieren. Ich habe zwei Beispiele dafür genannt: Knickpendel und Drei-Körper-Systeme. Dass wir das mit erheblich komplexeren Systemen ebenfalls nicht können, ist trivial. Man kann daraus so wenig ableiten, dass dies prinzipiell nicht möglich ist, als auch, dass es eine geheimnisvolle nicht-physikalische Welt existiert, in der man es irgendwie doch "erklären" kann. Wenn man eine Erklärung findet, muss diese auf bekanntem Wissen aufbauen, sonst handelt es sich nicht um eine Erklärung.

 

Und hier passt, was Du sagst: Wir haben nicht umsonst nicht nur eine Wissenschaft, Physik, auf die wir dann Chemie und Biologie reduzieren. Was sollte das bringen? Das ist so, als ob man darauf beharren würde, dass man ein Computerprogramm nur dann verstehen kann, wenn man jeden einzelnen Transistor kennt und seinen Zustand zu jeder Zeit im Programm. Viel Vergnügen, um diesen Datenwust auszuwerten, bräuchte man für ein einfaches Programm schon Jahre! Dann wüsste man aber auch nicht mehr. Stattdessen sieht man sich die High-Level-Programmiersprache an, wenn man das versteht, hat man das Programm verstanden, ohne jedes Detail (jeden Transistor) zu kennen.

 

Es reicht, zu wissen, dass nichts in der Chemie passiert, was man nicht rein theoretisch auf Physik reduzieren könnte, wenn man zu viel Zeit hat. D. h., es passiert nichts in der Chemie, was der Physik widerspricht. Dann nimmt man die nächste Betrachtungsebene, die Biologie. Es reicht zu wissen, dass dort nichts geschieht, was der Chemie widerspricht, usw. usf., bis zum höchsten Level, der Neurologie, die sich mit dem Bewusstsein beschäftigt. Auf der Ebene des Gehirns basieren alle Teile auf Biologie, Chemie und letztlich Physik. Man muss nicht für jedes Detail auf die unterste Ebene runter, so wenig wie bei der Analogie mit dem Computerprogramm. Das wäre absurde Zeitverschwendung ohne jeden Erkenntnisgewinn. Auf die absurde Idee, dass es nötig wäre, alles bis auf die letzte Ebene herunterzubrechen, um dann zu behaupten, man habe es erst dann verstanden, kann nur ein schlechter Philosoph kommen!

 

Erinnert mich an einen Medizinstudenten, der, nachdem er die Muskulatur des Beines kennengelernt hat, versucht hat, bewusst einen Schritt zu machen, bei dem er jeden Muskel gezielt einzeln anspricht. Er hat für einen Schritt einen Tag gebraucht. Wenn er das auf Biologie, Chemie und schließlich auf Physik reduziert hätte, hätte er vermutlich mehrere Jahrhunderte gebraucht.

 

Als Argument für eine Realität jenseits unserer Physik taugt das nichts. Das wäre so, als wenn ich sage, dass ein Prozessor für einen Computer auf einer uns unbekannten Realität beruht, weil ich nicht jeden Transistor und seinen Zustand während einer Programmausführung kenne. Um zu wissen, ob ein Gehirn auf Physik beruht, muss ich nur jemanden einen Baseballschläger überziehen und beobachten, ob dann sein Bewusstsein zusammenbricht. Wenn es das tut - und genau das geschieht - basiert das Gehirn auf reiner Physik, damit auch das Bewusstsein. Oder auf Chemie, wenn ich jemanden das Bewusstsein raube, wenn ich ihm eine Droge gebe.

 

Das Qualia-Problem haben wir auch bei einer CPU. Ich weiß auch nicht, wie das Programm aus der Sicht einer CPU aussieht. Ich hätte auch keinen Erkenntnisgewinn, wenn ich es wüsste. Man weiß trotzdem, dass nichts davon gegen die Physik verstößt, denn das hätte man längst bemerkt.

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13 hours ago, Marcellinus said:

 

Ich verstehe das nicht! Was soll bedeuten: "kann auf die Physik reduziert werden"? Was ist "die Fähigkeit der Natur, bewußtes Leben zu erzeugen"? Warum fragst du nicht gleich, ob "die Natur Leben erzeugen kann"? 

 

Physik ist die Integrationsebene des Universums, die von anorganischer Materie gebildet wird. Sobald die Organisation der Materie komplexer wird, können organische Verbindungen entstehen, und damit die Voraussetzung für Leben. Die Wissenschaft, die sich damit beschäftigt, ist die Biologie. Sobald Lebewesen miteinander Gesellschaften bilden, ist das Gegenstand der Soziologie. Nicht, weil diese drei Integrationsebenen voneinander getrennt wären, sondern weil sich auf jeder Ebene neue Eigenschaften und Zusammenhänge bilden, die es sinnvoll machen, dafür eigene wissenschaftliche Modelle zu entwickeln, die relativ unabhängig von den Modellen der vorangegangenen Ebenen sind. 

 

Wissenschaft (Achtung, Verallgemeinerung!) setzt gedankliche Distanzierung voraus. Um ein sachgerechtes Bild von unserem Sonnensystem zu erstellen, mußten die Menschen sich gedanklich auf eine Position außerhalb begeben, eine Perspektive, die damals nur gedanklich möglich war. Um ein sachgerechtes Bild von der Entstehung des Lebens und der Entwicklung der Arten zu erhalten, mußten die Menschen von der Illusion Abschied nehmen, "Krone der Schöpfung" zu sein, und mit dem auf den ersten Blick weit weniger befriedigenden Bild vorlieb nehmen, Teil der Evolution des biologischen Lebens zu sein. Kreationisten haben bis heute ihre Schwierigkeiten damit. 

 

Die Menschenwissenschaften fügen diesem Problem der notwendigen Distanzierung noch einmal eine Stufe hinzu, weil nun wir Menschen selbst nicht nur forschendes Subjekt, sondern auch betrachtetes Objekt sind. Und das ist erwiesenermaßen ein schwieriger Perspektivwechsel, erfordert es doch zu allererst die Einsicht, daß wir, trotz oder gerade wegen unseres direkten und täglichen Umgangs mit uns selbst, für uns noch ein viel größerer weißer Fleck auf der Landkarte unseres Wissens sind als für frühere Generationen die Rückseite des Mondes. 

 

Wenn man aber das einmal beiseite läßt, und sich einfach nur die Fakten anschaut, dann ist das, was wir "Bewusstsein" nennen, ein gut beobachtbares und häufig anzutreffendes Phänomen (allein bei Menschen ca. 8 Mrd. mal). Wir gebrauchen es auch täglich, und es ist kaum schwer festzustellen, daß ohne Bewusstsein, ohne ein Bild von uns selbst in Beziehung zu anderen unsere Gesellschaften überhaupt nicht funktionsfähig wären. Da selbst Primaten über ein Bewusstsein zu verfügen scheinen, sollte uns das auch nicht wundern. 

 

Irgendwie erinnert mich das an die Debatte, was "Leben" sei, da man es nicht sehen, wiegen oder messen kann. „Übrigens lehrte mich das Studium von medizinischen Grundwissenschaften wie Physiologie und Anatomie zugleich auch der Vorstellung zu mißtrauen, daß der Mensch ein Stück Materie sei. Was sich zeigte, war, daß der Mensch eine enorm komplizierte Organisation von Materie ist. Die gesamte Materie, aus der ein Mensch besteht, mag noch beieinander sein - wenn die Organisation der Materie nicht mehr richtig funktioniert oder ganz zusammenbricht, verliert der Organismus die Fähigkeit, sich selbst zu rekonstruieren, und wir sagen dann: der Mensch ist tot.“ (Norbert Elias) Leben ist einfach das, was entsteht, wenn Materie nur hoch genug organisiert ist, und erlischt wieder, wenn diese Organisation zusammenbricht, mögen die einzelnen Bestandteile noch da sein oder nicht. 

 

Mit dem Bewusstsein ist es ähnlich. Sobald das zentrale Nervensystem einer Art nur hoch genug organisiert ist, und diese Art anfängt, mit einander Gruppen zu bilden, ist es ein evolutionärer Vorteil, nicht nur ein Bild von seiner Umgebung zu haben, sondern vor allem von der Gruppe, in der man lebt. Da jedes einzelne Individuum nicht nur Mitglied dieser Gruppe ist, sondern die Gruppe auch von nichts anderem gebildet wird als von ihren einzelnen Mitglieder und deren Beziehungen untereinander, und diese Beziehungen notwendig immer wieder neu ausgehandelt werden müssen, braucht jeder einzelne ein möglich realistisches Bild der eigenen Verhaltensmuster wie denen der anderen. Es muß sich selbst sehen, wie es in den Augen der anderen erscheint, und das ist Bewusstsein. (Das ist nur zu umgehen, wenn die die Gruppenmitglieder gar keine Individuen sind, sondern Automaten, wie bei Insekten.) Bewusstsein ist also eine notwendige Voraussetzung für die Entstehung von Gruppen oder Gesellschaften. Übrigens nicht zufällig auch ein Akt der Distanzierung, und zu dem gleichen Zweck: dem Gewinnen eines realistischeren Bildes dieser Welt. 

 

 

"Ich verstehe das nicht!"
 
Ich möchte versuchen, es zu erklären.
 
Es geht um die Frage, die Philosophen als das "harte Problem des Bewusstseins" (im Folgenden: hpb) bezeichnen.
 
Die erste Frage, auf die ich mich zunächst beschränke, ist: Existiert dieses Problem oder handelt es sich um ein Scheinproblem?
 
Wie stehe ich dazu?
 
Ich sage, erstens, außerhalb der Philosophie hat diese Frage keine Bedeutung.
 
Zweitens: Innerhalb der Philosophie kann man sich wahrscheinlich endlos darüber streiten. Die Kontroverse wird nicht auflösbar sein. Ich selbst bin hier Agnostiker.
 
Vertreter des hpb fragen so:
 
Es ist unstrittig, dass Bewusstsein mit bestimmten Prozessen im Gehirn korreliert ist. Kann diese Korrelation aus der Funktionsweise des Gehirns abgeleitet werden oder hat es zumindest den Anschein, dass es sich um ein factum brutum handelt, also um eine nicht weiter ableitbare Tatsache?
 
Falls Du sagst, es hat diesen Anschein, dann können wir den zweiten Schritt in der Argumentation der Vertreter des hpb besprechen.
Aber erst einmal beschränke ich mich auf die Darstellung dieses ersten Schrittes.
 
Die Argumentation der Vertreter des hpb ist hier simpel:
 
Sie sagen, wir können uns vorstellen, dass das Gehirn genau so funktioniert (= funktional beschreibbar ist) wie es funktioniert, ohne dass damit Bewusstsein einhergeht.
Wichtig ist, dass nicht behauptet wird, dass dies in der Realität vorkommt.
Die Behauptung ist nur, dass es vorstellbar ist.
 
Manche Gegner des hpb bestreiten, dass dies vorstellbar ist. Andere Gegner des hpb stimmen zu, dass es vorstellbar ist.
 
Ist es soweit nachvollziehbar? Weil, wenn nicht, dann brauche ich nicht weiter zu schreiben.
 
" Was soll bedeuten: "kann auf die Physik reduziert werden"?"
 

Die Frage ist, ob es prinzipiell auf die uns bekannte Physik reduzierbar ist.
Nicht, ob es in der Praxis möglich ist, denn dies ist selbstverständlich nicht der Fall.
 
Beispiel:
 
Es ist unmöglich, die Chemie in der Praxis auf die Physik zu reduzieren.
Dennoch sollte es prinzipiell möglich sein. Zumindest wenn die Physik vollständig wäre und ein hinreichend starker Supercomputer existieren würde.
 
"Was ist "die Fähigkeit der Natur, bewußtes Leben zu erzeugen"?"
 
"Erleben", nicht "Leben".
Ich möchte erst den ersten Schritt oben besprechen, vorher macht der Rest keinen Sinn.
 
 

 

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4 hours ago, Volker said:

Wir können manchmal nicht einmal simple, rein physikalische Systeme, komplett auf bekannte Physik reduzieren.

 

So war "reduzieren" selbstverständlich nicht gemeint. Siehe meine Antwort an Marcellinus.

 

4 hours ago, Volker said:

Das Qualia-Problem haben wir auch bei einer CPU. Ich weiß auch nicht, wie das Programm aus der Sicht einer CPU aussieht. Ich hätte auch keinen Erkenntnisgewinn, wenn ich es wüsste. Man weiß trotzdem, dass nichts davon gegen die Physik verstößt, denn das hätte man längst bemerkt.

 

Ich habe nicht behauptet, dass das Bewusstsein gegen die Physik verstößt.

 

Und eine CPU hat kein Bewusstsein und damit per Definition keine Qualia.

 

Du gehst von Deiner privaten Definition von "Qualia" aus und verprügelst damit einen Strohmann. Und das schon die ganze Zeit.

 

Solange Du nicht mal in 1-2 Sätzen beschreibst, was "Qualia" in der Philosophie des Geistes bedeutet, so dass erkennbar ist, dass wir vom selben Thema sprechen, ist eine weitere Diskussion mit Dir über dieses Thema sinnlos.

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9 hours ago, KevinF said:

 

So war "reduzieren" selbstverständlich nicht gemeint. Siehe meine Antwort an Marcellinus.

 

 

Ich habe nicht behauptet, dass das Bewusstsein gegen die Physik verstößt.

 

Und eine CPU hat kein Bewusstsein und damit per Definition keine Qualia.

 

Du gehst von Deiner privaten Definition von "Qualia" aus und verprügelst damit einen Strohmann. Und das schon die ganze Zeit.

 

Solange Du nicht mal in 1-2 Sätzen beschreibst, was "Qualia" in der Philosophie des Geistes bedeutet, so dass erkennbar ist, dass wir vom selben Thema sprechen, ist eine weitere Diskussion mit Dir über dieses Thema sinnlos.

Oha. 

 

Qualia (Singular: das Quale) sind subjektive Erlebnisgehalte mentaler Zustände. Sie beschreiben, wie sich bestimmte Sinneseindrücke für eine Person anfühlen, unabhängig von den objektiven Eigenschaften des auslösenden Reizes. Ein klassisches Beispiel ist die Wahrnehmung von Farben: Wie es sich anfühlt, die Farbe “Rot” zu sehen, ist ein Quale.

 

Qualia sind ein zentrales Thema in der Philosophie des Geistes, da sie schwer objektiv zu beschreiben und zu analysieren sind. Sie stellen die phänomenalen Eigenschaften des bewussten Erlebens dar und sind oft Gegenstand von Diskussionen darüber, ob sie vollständig durch neuro- und kognitionswissenschaftliche Methoden erklärbar sind.

Zufrieden?

 

Das mit der CPU ist eine Analogie. Diese zeigt, dass das Problem auch ganz ohne Bewusstsein besteht. Es gilt schließlich auch für Tiere, von denen zwar viele ein Bewusstsein entwickelt haben, aber längst nicht alle. Es spielt nämlich keine Rolle, ob eine CPU reflektiert, was sie verarbeitet, anders als ein Mensch. Wobei: Man hat ein LLM (Large Language Model) mit einer großen Reihe von Büchern über Programmierung gefüttert. Inmitten des Textes hat man an eine Stelle einen Satz eingefügt, der sich mit dem Topping von Pizzas beschäftigt. Normalerweise macht man das, um herauszufinden, ob der Adressat eines Textes den auch gelesen hat. An sonnigen Tagen höre ich gerne Reggae. Wenn der Leser dabei stutzig wird, weiß man, dass er den Text auch gelesen hat, weil darin etwas vorkommt, was mit dem sonstigen Text nichts zu tun hat.

 

Die Reaktion der KI war interessant: Sie hatte nicht nur bemerkt, dass der Satz in den Büchern über Programmierung nichts zu suchen hatte, sie fragte zurück: Ist das ein Fehler, oder wollte man mich testen? Man fragt sich, wer das "Ich" in dieser Frage ist, und man muss doch annehmen, dass die KI irgendwie reflektiert hat, was sie verarbeitet. Wie ist sie auf die Idee gekommen, dass es sich um einen Test handeln könnte?

 

Es geht darum, ob Quale vollständig durch wissenschaftliche Methoden (Neurologie, Psychologie) erklärt werden können. Ich sage, dass dies eine überzogene Forderung ist, die keinen Sinn macht. Es existiert an dieser Stelle kein lösbares Problem. Es existiert nicht einmal ein Problem: Auch die rein physikalische Anordnung von Objekten kann erstaunliche, neue Eigenschaften aufweisen. Verschiedene Perspektiven lassen Dinge verschieden aussehen, und manchmal können wir eine Perspektive nachvollziehen, manchmal fehlen uns dazu die Informationen. Es wäre höchst uninteressant, wenn man alle diese Informationen hätte, weil der Erkenntnisgewinn bei NULL liegt. Es ist nichts weiter als schlechte Philosophie, die hier ein Problem sieht, eines ohne Bezug zur Realität und ohne Relevanz. Man erschafft sich hier Probleme, die man bei realistischer Betrachtungsweise nicht hätte.

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5 hours ago, Volker said:

Zufrieden?

 

Ja. Danke für die sachliche Antwort.

 

 

5 hours ago, Volker said:

Das mit der CPU ist eine Analogie. Diese zeigt, dass das Problem auch ganz ohne Bewusstsein besteht.

 

Das halte ich eben für einen Fehler:

 

5 hours ago, Volker said:

Verschiedene Perspektiven lassen Dinge verschieden aussehen, und manchmal können wir eine Perspektive nachvollziehen, manchmal fehlen uns dazu die Informationen

 

Du scheinst davon auszugehen, dass das Qualiaproblem reduzierbar ist auf das "Problem" der verschiedenen Perspektiven. Aus meiner Sicht geht dies an der Frage vorbei. Ich habe ja oben angefangen die Argumentation zu skizzieren.

 

 

5 hours ago, Volker said:

Es gilt schließlich auch für Tiere, von denen zwar viele ein Bewusstsein entwickelt haben, aber längst nicht alle.

 

Exakt. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.

 

 

5 hours ago, Volker said:

Die Reaktion der KI war interessant:

 

Wie gesagt, ich schließe nicht aus, dass starke KI in der Zukunft theoretisch möglich ist.

 

 

5 hours ago, Volker said:

Es geht darum, ob Quale vollständig durch wissenschaftliche Methoden (Neurologie, Psychologie) erklärt werden können. Ich sage, dass dies eine überzogene Forderung ist, die keinen Sinn macht. Es existiert an dieser Stelle kein lösbares Problem.

 

Das sehe ich tatsächlich auch so.

 

 

5 hours ago, Volker said:

Es existiert nicht einmal ein Problem:

 

Doch, schon. Es ist lediglich rein akademischer Natur. Es ist Philosophie, nicht Wissenschaft. Ohne Bedeutung außerhalb der Philosophie. Das schreibe ich doch die ganze Zeit.

 

 

 

5 hours ago, Volker said:

Auch die rein physikalische Anordnung von Objekten kann erstaunliche, neue Eigenschaften aufweisen.

 

Ah, aber hier wird es doch interessant:

 

Handelt es sich beim Bewusstsein um "schwache Emergenz" (prinzipiell auf die Physik reduzierbar) oder um "starke Emergenz" (auch prinzipiell nicht mehr reduzierbar, wobei aber die psychischen Eigenschaften über den physikalischen supervenieren).

 

Ich wüsste nicht, wie man dies je empirisch testen sollte. Man kann die Frage quasi immer stellen. Es ist Philosophie, nicht Wissenschaft.

 

 

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vor 18 Stunden schrieb KevinF:

Es geht um die Frage, die Philosophen als das "harte Problem des Bewusstseins" (im Folgenden: hpb) bezeichnen.
 
Die erste Frage, auf die ich mich zunächst beschränke, ist: Existiert dieses Problem oder handelt es sich um ein Scheinproblem?
 
Wie stehe ich dazu?
 
Ich sage, erstens, außerhalb der Philosophie hat diese Frage keine Bedeutung.
 
Zweitens: Innerhalb der Philosophie kann man sich wahrscheinlich endlos darüber streiten. Die Kontroverse wird nicht auflösbar sein.

 

Das scheint mir ein interessanter Punkt! Wenn "hpb" außerhalb der Philosophie keine Bedeutung hat, dann drängt sich ja sofort die Frage auf, warum nicht, oder anders formuliert: Was ist eigentlich Philosophie?

 

[disclaimer] Religion, Philosophie und Wissenschaft sind soziale Prozesse, die sich im Falle der Wissenschaften über Jahrhunderte, im Falle der Philosophie über mehr als zweieinhalb Jahrtausende und der Religion über sicherlich 10.000 Jahre entwickelt haben. Jeder Versuch, sich darüber einen Überblick zu verschaffen (denn mehr kann es hier nicht sein) ist immer eine hoffnungslose Vereinfachung. [/disclaimer]

 

Wenn man diese Frage stellt, kommt man kaum an einem Vergleich mit den beiden anderen Versuchen der Menschen vorbei, sich in dieser Welt zu orientieren, der Religion und der Wissenschaft. 

 

Den Anfang machte die Religion, in der die Menschen die Antwort auf Fragen von existenzieller Bedeutung für sie selbst in den Absichten, Handlungen und Zielen von als übermenschliche Personen gedachten Wesen oder Kräften suchten, gemeinhin "Götter" genannt. Zugang zu dieser Welt der "Götter" bekommt man durch den Glauben. 

 

Der zweite Versuch war die Philosophie. Sie stellte zwar immer noch die gleichen Fragen von existenzieller Bedeutung für die Fragenden, die nach absoluten Anfängen und Zielen, nach dem "Wesen" der Dinge und dieser Welt, aber sie suchten die Antworten nicht mehr in den Absichten, Handlungen und Zielen übermenschlicher Wesen, sondern in metaphysischen Abstraktionen, wie „Wahrheit“ oder „Vernunft“, denen sie mit ihrem eigenen Denken auf die Spur zu kommen hofften.

 

Der dritte Versuch waren die theoretisch-empirischen Wissenschaften. Sie versuchten nicht, religiöse oder philosophische Fragestellungen zu beantworten, die zwar von großer emotionaler Bedeutung für die Fragenden waren, sich aber durch keine Tatsachenbeobachtungen belegen ließen, sondern ihr Erkenntnisziel richtet sich darauf, herauszufinden, wie beobachtbare Ereignisse nachprüfbar miteinander in Zusammenhang stehen. 

 

Trotzdem ließ es sich nicht vermeiden, daß die Wissenschaften besonders mit der Religion zunehmend in Konflikt gerieten. Zumindest in unseren Breiten haben sich die Religionen weitgehend aus dem Versuch zurückgezogen, mit den theoretisch-empirischen Wissenschaften in Fragen der beobachtbaren Wirklichkeit konkurrieren zu wollen.

 

Die Philosophie nimmt eine merkwürdige Mittelstellung zwischen Religion und Wissenschaft ein. Einerseits lehnt sie Erklärungsmodelle auf der Grundlage von Gottesvorstellungen und Offenbarungen ab. Andererseits beharrt sie darauf, Fragestellungen beantworten zu wollen (und zu können), für die es keine empirischen Belege gibt.

 

So hat die Philosophie Methoden der gedanklichen Kritik entwickelt, die religiösen Überzeugungen die Begründung zu entziehen trachten, und war in dieser Religionskritik auch ziemlich erfolgreich. Es hat die Religionen zwar nicht zum Verschwinden gebracht, ihnen aber weitgehend die rationale Legitimation entzogen.

 

Weniger erfolgreich war die Philosophie da, wo sie selbst versucht, „Wahrheiten“ zu propagieren. Da ihre Fragen wie Antworten empirisch nicht zu belegen sind, scheitern ihre Behauptungen an der gleichen Stelle wie die von ihnen kritisierten Religionen, dem Mangel an Begründung.

 

Die Konsequenz daraus erscheint mir klar. Wo wir empirische Beobachtungen manchen können, sind die Wissenschaften der richtige Weg, nach nachprüfbaren Antworten zu suchen.

 

Für Fragen des Glaubens findet man (vielleicht) Antworten in den Religionen.

 

Bleibt die Philosophie, nur wofür? Für Fragen von existenzieller oder emotionaler Bedeutung für die Fragenden selbst, also für Fragen nach dem „Wesen“ der Dinge, für deren Antworten es aber keine empirischen Belege gibt? Es ist wohl so! Aber dann muß man sich auch klar darüber sein, daß die „Gültigkeit“ solcher Antworten reine Glaubenssache ist. Philosophie ist, so könnte man sagen, Religion ohne Götter.

 

P.S.: Damit mich niemand mißversteht, Antworten auf religiöse Fragen bekommt man nur in der Religion, und Antworten auf philosophische Fragen nur in der Philosophie. Wissenschaften sind kein Ersatz dafür. Das ist einfach nicht ihre Aufgabe. Sowohl Religion als auch Philosophie geben auf ihre jeweilige Art Antworten, aber es sind subjektive Antworten. Wer dagegen an objektiven Antworten interessiert ist, kommt an der Wissenschaft nicht vorbei.

 

 

 

 

 

bearbeitet von Marcellinus
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2 hours ago, Marcellinus said:

Bleibt die Philosophie, nur wofür? Für Fragen von existenzieller oder emotionaler Bedeutung für die Fragenden selbst, also für Fragen nach dem „Wesen“ der Dinge, für deren Antworten es aber keine empirischen Belege gibt? Es ist wohl so! Aber dann muß man sich auch klar darüber sein, daß die „Gültigkeit“ solcher Antworten reine Glaubenssache ist. Philosophie ist, so könnte man sagen, Religion ohne Götter.

 

 

 
Und nun kommen wir zum entscheidenden Punkt:
 
Dies gilt auch für die Entscheidung zwischen Materialismus ("Bewusstsein ist ein schwach emergentes Phänomen der Materie") und Eigenschaftsdualismus (bzw. naturalistischer Monismus:  "Bewusstsein ist ein stark emergentes Phänomen der Materie und ich bin trotzdem identisch mit meinem Gehirn").
 
Beides ist empirisch nicht prüfbar (außer beide wären falsch, dann vielleicht).
 
Und die philosophische Entscheidung basiert im Kern nicht auf formalen Argumenten, sondern auf Intuition:
 
Auf der Entscheidung für oder gegen das "harte Problem des Bewusstseins" (hpb).
Die Argumente auf dieser ersten Ebene sind nicht formaler Natur, sondern sind eine besondere Art von Gedankenexperimenten, die Daniel Dennett, als einer der Hauptkritiker des hpb, treffend als "Intuitionspumpen" beschrieb.
 
Die wirklich formalen Argumente (wie Chalmers Verwendung der zweidimensionalen Semantik gegen den Materialismus) kommen erst nach dieser ersten, auf Intuition basierenden Entscheidung. Und rein logisch kann es auch gar nicht anders sein.
 
Darum schreibt Dennett in der Einleitung zu "Quining Qualia", einem Versuch, das hpb zu widerlegen:
 
"Rigorous arguments only work on well-defined materials, and since my goal is to destroy our faith in the pretheoretical or "intuitive" concept, the right tools for my task are intuition pumps, not formal arguments."
 
 
@Volker hingegen meint anscheinend, ein formales Argument (via "Perspektive") gefunden zu haben, das noch niemand vor ihm gefunden hat und mit dem er das hpb definitiv widerlegen kann.
 
Ich halte dies für eine Illusion.  Erstens, weil das Argument imo an der Sache vorbeigeht, zweitens, weil die Entscheidung im Kern eben auf Intuition basiert. Beides, Materialismus und Eigenschaftsdualismus, sind damit eine Art von Glauben.
 
Dennett oder Chalmers? Es ist (im Kern) eine Glaubensfrage.
 
Was nützt uns nun die Philosophie des Geistes?
 
Wenn es gute Philosophie  ist, dann ist es ihr Zweck, uns von den Fragen der Philosophie des Geistes zu heilen (sagte nicht Wittgenstein etwas ähnliches über die gesamte Philosophie?):
 
Wenn wir in uns widerstreitende Intuitionen fühlen, für oder gegen hpb, dann können wir uns die Philosophie anschauen und sehen:
 
"Ich kann ja beiden Wegen folgen. Und es ist (zumindest wenn wir uns mal auf diese beiden Richtungen beschränken) in der Praxis völlig egal, welchen Weg ich wähle. Na, dann kümmere ich mich besser wieder um wichtigere Dinge."
 
Schlechte Philosophie hingegen versucht uns dazu zu drängen, eine der beiden Intuitionen definitiv auszuschließen, versucht uns dazu zu drängen, einen Glauben anzunehmen.

bearbeitet von KevinF
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