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Bewusstes Erleben (Qualia)


KevinF

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vor 21 Minuten schrieb KevinF:
vor 24 Minuten schrieb Marcellinus:

Meine Lösung kennst du: Auf Philosophie zu verzichten! (Nein, ich muß von keinen Fragen „geheilt“ werden)

 

Das ist natürlich der effizienteste Weg 😁

 

D.h. es gibt nicht nur "gute" und "schlechte" Philosophie, sondern auch Nicht-Philosophie, was letztlich nichts anderes ist als der Verzicht auf philosophische Glaubensüberzeugungen. 

 

Wobei Philosophen spätestens an dieser Stelle mit der Behauptung kommen, jeder müsse notwendig eine Philosophie haben. Sie nennen es "Voraussetzungsmetaphysik", und sie sei (die gedankliche) Grundlage der Naturwissenschaften, gewissermaßen die Axiome, auf denen die Wissenschaften beruhten, vergleichbar der Mathematik.

 

Dabei wird aber übersehen, daß die Mathematik ein rein theoretisches, von Menschen gemachtes Symbolsystem ist, die theoretisch-empirischen Wissenschaften aber nicht. Genauer gesagt sind die Wissenschaften natürlich schon von Menschen gemacht, nur ihre Grundlage sind nicht theoretisch Axiome, die man am Ende nur glauben kann, sondern die beobachtbare Wirklichkeit selbst, und die ist, so unvollkommen wir sich auch nur sehen können, sicherlich nicht von Menschen gemacht. Und nichts was man glauben müßte.

 

Damit sind die Grundlagen der Wissenschaften auch nicht philosophische Axiome, sondern einfach die Erkenntnisse und Vorstellungen, die vorher kamen. Niemand von uns ist ein absoluter Anfang, jeder von uns setzt nur fort, was er vorgefunden hat. Gleiches gilt für die Wissenschaften. Sie sind entstanden aus vorwissenschaftlichen Vorstellungen, und deren Scheitern an der beobachtbaren Wirklichkeit. 

 

Bei Licht betrachtet ist das, was Philosophen jeweils als nicht streng beweisbare Voraussetzungsmetaphysik erscheint, nichts anderes, als ein Punkt in einer langen Kette von Tatsachenbeobachtungen und Modellbildung, die bis weit in vorwissenschaftliche Zeiten zurückreicht, bis in die Zeit, wo die heutigen Menschen sich entwickelt haben. Auch da gibt es keinen absoluten Anfang, das a priori des einen ist nichts anderes als das a posteriori derer, die vor ihm kamen.

 

 

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vor 16 Stunden schrieb KevinF:

Wenn es gute Philosophie  ist, dann ist es ihr Zweck, uns von den Fragen der Philosophie des Geistes zu heilen (sagte nicht Wittgenstein etwas ähnliches über die gesamte Philosophie?):

 

Die richtige Methode der Philosophie wäre eigentlich die: Nichts zu sagen, als was sich sagen lässt, also Sätze der Naturwissenschaft – also etwas, was mit Philosophie nichts zu tun hat –, und dann immer, wenn ein anderer etwas Metaphysisches sagen wollte, ihm nachzuweisen, dass er gewissen Zeichen in seinen Sätzen keine Bedeutung gegeben hat. Diese Methode wäre für den anderen unbefriedigend – er hätte nicht das Gefühl, dass wir ihn Philosophie lehrten – aber sie wäre die einzig streng richtige.

(Ludwig Wittgenstein)

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9 hours ago, Marcellinus said:

 

Die richtige Methode der Philosophie wäre eigentlich die: Nichts zu sagen, als was sich sagen lässt, also Sätze der Naturwissenschaft – also etwas, was mit Philosophie nichts zu tun hat –, und dann immer, wenn ein anderer etwas Metaphysisches sagen wollte, ihm nachzuweisen, dass er gewissen Zeichen in seinen Sätzen keine Bedeutung gegeben hat. Diese Methode wäre für den anderen unbefriedigend – er hätte nicht das Gefühl, dass wir ihn Philosophie lehrten – aber sie wäre die einzig streng richtige.

(Ludwig Wittgenstein)

 

 

Danke.

 

Ich dachte hieran:


 „Der Philosoph behandelt eine Frage, wie eine Krankheit.“


PU, § 255

 

(zitiert nach Wikipedia)

 

bearbeitet von KevinF
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vor 18 Minuten schrieb KevinF:

Ich dachte hieran:


 „Der Philosoph behandelt eine Frage, wie eine Krankheit.“

 

Ja, den hatte ich auch gefunden. Ich finde sehr anregend, was du hier schreibst. Danke dafür!

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10 hours ago, Marcellinus said:

 

Ja, den hatte ich auch gefunden. Ich finde sehr anregend, was du hier schreibst. Danke dafür!

 

 

Danke, freut mich.
 
Mir geht es umgekehrt auch so. Dein nüchterner Blick auf Philosophie und Theologie ist immer wieder hilfreich 🙂

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vor 10 Minuten schrieb KevinF:

Dein nüchterner Blick auf Philosophie und Theologie ist immer wieder hilfreich 🙂

 

„Nüchterner Blick!“ Der ist gut! Obschon ich nicht sicher bin, ob das jeder so sieht. ;) 

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On 9/30/2024 at 10:14 AM, Marcellinus said:

 

„Nüchterner Blick!“ Der ist gut! Obschon ich nicht sicher bin, ob das jeder so sieht. ;) 

 

Ich weiß nicht genau, was daran lustig war, aber freut mich, dass Du es amüsant fandest 🙂

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Meine "Philosophie" bezüglich Bewusstsein zusammengefasst
("C" steht im Folgenden für Chalmers "Consciousness and its Place in Nature"):
 
-Bewusstsein ist ein emergentes Phänomen der Materie und als solches  evolutionär entstanden.
 
-Bewusstsein (nicht seine neurologischen Korrelate) hat den Anschein, als sei es prinzipiell nicht auf die Physik reduzierbar (vgl. "schwieriges Problem des Bewusstseins", zum Beispiel in C).
 
-Bis zum Beweis des Gegenteils gilt, dass die Physik kausal geschlossen ist (keine Einwirkung von etwas nicht-physischem ("Geist") auf die Physik).
 
-Psychische Eigenschaften supervenieren über physikalischen Eigenschaften.
 
- Für metaphysische Theorien bezüglich Bewusstsein, die mit diesen Aussagen kompatibel sind und über sie hinausgehen, wie Materialismus, Eigenschaftsdualismus (F-Monismus) und Epiphänomenalismus (E-Dualismus) (diese Klassifizierung folgt C), gilt (solange obige Aussagen gelten):
Es ist unmöglich, objektiv zu entscheiden, welche von ihnen wahr ist.
Sie sind außerhalb von philosophischen Glaubensübezeugungen bedeutungslos.

bearbeitet von KevinF
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vor 10 Stunden schrieb KevinF:
Am 30.9.2024 um 10:14 schrieb Marcellinus:

„Nüchterner Blick!“ Der ist gut! Obschon ich nicht sicher bin, ob das jeder so sieht. ;) 

 

Ich weiß nicht genau, was daran lustig war, aber freut mich, dass Du es amüsant fandest 🙂

 

Mach' dir keine Gedanken! Hatte nichts mit dir zu tun.

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Allgemein: Da ich hier ziemlich hinterherhinke, versuche ich, nach und nach die vor mir liegenden Beiträge einigermaßen abzuarbeiten. Ich bitte um Geduld und Verzeihung, wenn das etwas dauert. Es mag zudem sein, dass ich bei der Reihenfolge nicht allein systematische, sondern auch chronologische Gesichtspunkte berücksichtige.

 

Am 24.9.2024 um 11:00 schrieb Volker:

Ein paar Anmerkungen zu der Kritik an meiner Position:

 

Etwas kann zu 100 % auf physikalischen Phänomen beruhen, wird aber trotzdem von uns nicht auf einer rein physikalischen Ebene verstanden. Zwei Beispiele: Das Verhalten eines Knickpendels lässt sich nicht vorhersagen. Das Drei-Körper-Problem lässt sich nicht lösen.

 

Wie auch @KevinF sehe ich da aber eine bedeutende Disanalogie. Im hiesigen Fall haben wir es mit einem physkalischen Explanandum zu tun - mit physikalischen Strukturen und physikalischen Funktionen. Wir haben auch keine "grundsätzlichen" Verständnis-Schwierigkeiten damit, dass physikalische Zustände andere physikalische Zustände verursachen, auch wenn wir das nicht genau berechnen können.

 

Das Bewusstsein hingegen stellt überhaupt kein physikalisch "fassbares" Ding dar, und wir verstehen überhaupt nicht, wie es durch physikalische Prozesse verursacht werden sollte. Wir können seine Entstehung nicht nur nicht approximativ, sondern überhaupt nicht berechnen.

 

Am 25.9.2024 um 11:59 schrieb Volker:

Qualia besagt nichts weiter, als das wir aus unterschiedlichen Perspektiven die Dinge unterschiedlich sehen, was eine vollkommen triviale Erkenntnis ist.

 

Dass es neben "reinen Sachen" überhaupt Entitäten mit einer Ich-Perspektive gibt, ist m.E. keineswegs trivial. Ansonsten schließe ich mich Kevin an, dass es hier auf den Begriff "Perspektive" und seine jeweilige Bedeutung ankommt.

bearbeitet von iskander
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Am 26.9.2024 um 20:07 schrieb Volker:

Meine Binnenperspektive, bei der ich weiß, was ich gerade denke, unterscheidet sich von der Außenperspektive, Deiner, weil Du nicht wahrnehmen kannst, was ich denke.

 

Das Problem ist hier aber nicht nur ein epistemisches, sondern auch ein ontologisches. Es geht darum, dass sich die Gehalte "Bewusstsein" und "physikalischer Prozess" völlig unterscheiden. Wenn das unterschiedliche Aspekte sind, die unter unterschiedlichen Perspektiven auftauchen, dann muss man mindestens schließen, dass bestimmte Phänomene zwei sehr unterschiedliche Seiten haben, von denen wir nicht sagen können, wie sie zusammenpassen, und wo sich eine der Seiten auch einer physikalischen Beschreibung vollständig entzieht.

 

Zudem kann man im Sinne der Relativitätstheorie von der einen "Perspektive" ausgehend durchaus ableiten, wie andere "Perspektiven" aussehen müssen - und "Perspektiven" in diesem physikalischen Sinne sind "Perspektiven" gar nicht an ein subjektives Erleben gebunden. Sie kommen dort eigentlich nicht oder nur hilfsweise vor. Die Relativitätstheorie beschreibt, wie physikalische Systeme sich zueinander verhalten; wie das ein subjektiver Beobachter, der einem der Systeme zugehört, das jeweils "perspektivisch" erleben würde, ist zwar illustrativ, aber gehört m.W. nicht zum Kern der Theorie. Inertialsysteme sind keine Subjekte und bedürfen solcher auch nicht. Rein physikalische Systeme lassen sich, egal welches Inertialsystem gewählt wird, immer auf Grundlage einer Dritten-Person-Perspektive beschreiben - also ohne ein "Wie fühlt es sich für dieses Subjekt, das und jenes zu erleben?".

Selbst wenn das anders wäre, wäre ein bewusster Beobachter, der eine subjektive Perspektive einnehmen kann, aber vorausgesetzt und nicht erklärt. Das entsprechende Rätsel wäre damit nicht gelöst.

 

Am 27.9.2024 um 01:24 schrieb Volker:

Mal angenommen, es wäre nicht auf Physik reduzierbar. Ob man Bewusstsein hinzunimmt oder nicht, ändert daran nichts. Auch Tiere können rot von grün unterscheiden, selbst solche, denen wir kein Bewusstsein unterstellen können.

 

Nein; dazu sei erneut das zitiert, was Egeter (hier Kap. 7) dazu schreibt

 

"... Daraus wiederum folgert Beckermann, dass sehr viel dafür spreche, dass bspw. auch ein Roboter mit Hilfe der Parameter Farbton, Sättigung und Helligkeit bestimmte Farbeindrücke »für ähnlicher hält«49 als andere. Das Tripel jener drei Parameter sei durch »diskriminatorische Zustände«50 im Roboter physisch realisiert. Und wenn man annehme, dass diese diskriminatorischen Zustände des Roboters »[…] genau die gleichen dispositionellen Eigenschaften haben, die Farbeindrücke in uns haben, dann unterscheiden sie sich in nichts von munseren Farbeindrücken«.51 So kommt Beckermann zu einem Fazit, das im Hinblick auf das Desiderat phänomenaler Adäquatheit ziemlich überrascht: »Was für den Roboter gilt, gilt aber auch für uns. Wenn die physischen und dispositionellen Eigenschaften unserer diskriminatorischen Zustände zur Erklärung dessen völlig ausreichen, wofür wir ansonsten Qualia verantwortlich machen, dann gibt es keinen Grund mehr zu der Annnahme […]«52 von intrinsischen
Eigenschaften. Hier mag man sich fragen, wie Beckermann auf die Idee kommt, dass »diskriminatorische Zustände«53 eines Roboters »völlig ausreichen «54 würden, um Erleben zu erklären.
Schaut man jedoch genauer auf den Wortlaut dieser Passage, wird klar, dass Beckermann sich gar nicht auf das Explanandum ›Erleben‹ bezieht, sondern nur auf das, wofür wir Qualia »verantwortlich machen«55 – und damit meint er wohl die Fähigkeit eines Roboters (oder eines Menschen), die Information von Farbparametern
funktional nutzbar zu machen (bspw. für das Aussortieren von Gegenständen). Beckermann vergisst hier auf eine typische Weise, dass das Explanandum nicht darin besteht, wie bspw. Farbparameter funktional nutzbar gemacht werden können. Auch mit einem lichtempfindlichen Widerstand können die Parameter Licht und Dunkelheit funktional nutzbar gemacht werden, heisst das aber, dass der Widerstand hell versus dunkel erlebt?"

 

Zitat

Ist Bewusstsein auf Physik reduzierbar? Das wissen wir nicht.

 

Doch, das wissen wir. Zumindest, wenn wir Reduktion hier im naheliegenden Sinne verstehen. Dann geht es nicht und kann es auch nicht gehen, weil Bewusstsein keine physikalische Struktur oder Funktion ist. Das weiß jeder, der Bewusstsein besitzt und auch nur auf einer ganz prinzipiellen Ebene versteht, was eine physikalische Struktur oder Funktion ist. Wer das anders sieht, möge mir sagen, welchem konkreten physikalischen Phänomen beispielsweise eine Überzeugung oder Empfindung auch nur vage ähnelt.

 

Dem Einwand, dass Bewusstsein doch eine physikalische Struktur sei und wir das nur nicht erkennen, würde ich entgegnen, dass diese Aussage nur zwei Dinge bedeuten kann:

 

a) Es gibt eine physikalische Struktur, die mit dem Bewusstsein identisch ist, auch wenn wir nicht verstehen können, wie diese Identität aussieht oder auch nur möglich ist. Dann hat man aber ein Ding mit zwei Seiten, die nicht aufeinander reduzierbar sind - was aber auch heißt, dass die psychische Seite nicht auf die physikalische reduzierbar ist.

 

b) Bewusstsein so, wie es uns introspektiv gegeben zu sein scheint, existiert nicht. Alles was existiert, hat allein eine Dritte-Person-Ontologie, so wie ein Stein und ist restlos physikalisch beschreibbar. Alles andere ist "Illusion". Das wäre dann ein Eliminativismus, der völlig unhaltbar ist.

 

Es gibt hier für die Physik wie gesagt auch keinen Ansatzpunkt. Um sinngemäß nochmals das Beispiel von Nagel aufzugreifen: Es ist gut möglich, das Gehirn darauf zu untersuchen, ob es aus Nervenzellen (zusammen mit anderen Zellen) besteht. Ebenfalls ist es möglich, das Gehirn darauf zu untersuchen, ob es aus bestimmten Atomen und Molekülen besteht, oder ob es eine bestimmte funktionale Struktur aufweist.

Wie willst Du aber untersuchen, ob die Empfindung von Schokoladengeschmack oder eine Überzeugung aus Nervenzellen, Atomen usw besteht?

 

Das Problem ist hier nicht, dass die Physik noch nicht fortgeschritten genug ist, sondern hat den folgenden, bereits in diesem Thread angegebenen Grund (siehe hier😞

 

"Da die Physik nun ausschließlich über räumlich charakterisierte Objekte und ihre Relationen spricht, kann - egal wie man die Sache angeht - eine physikalische Erklärung immer nur genau solche Sachverhalte erklären oder vorhersagen, die sich eben durch ihre räumlichen und relationalen Eigenschaften bestimmt sind. [...] Beim bewussten Erleben haben wir es mit bestimmten (intrinsischen) "Qualitäten" zu tun. Es gibt das Subjekt, für das sich etwas so und so "anfühlt". Wir können daher einen Sachverhalt wie "Er freut sich" nicht dadurch beschreiben, dass wie über solche Entitäten sprechen, die allein durch ihre räumlichen Eigenschaften und ihre Relationen zu anderen Objekten mit räumlichen Eigenschaften charakterisiert sind. Das bedeutet: Wir können einen solchen Sachverhalt nicht in der Sprache der Physik beschreiben, geschweige denn erklären."

 

Wen das nicht überzeugt, der möge mir sagen, was daran falsch ist.

bearbeitet von iskander
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Am 25.9.2024 um 07:15 schrieb KevinF:

Diese Lücke kann gefüllt werden durch einen  Epiphänomenalismus (Typ-E-Dualismus) oder durch einen Monismus (Typ F), der sich hypothetischer intrinsischer Eigenschaften physikalischer Objekte bedient.
Beides kann man imo als Varianten des Physikalismus ansehen.
Den Epiphänonenalismus, weil dort die Welt vollständig durch physikalische Tatsachen bestimmt ist und den Monismus, weil er weitere (wenn auch intrinsische) Eigenschaften physikalischer Objekte postuliert, was (in der hier relevanten Variante) dieselbe Konsequenz hat.

 

Das ist vielleicht eine semantische Frage, oder eine der Wertung. Man könnte vielleicht nämlich auch sagen: Wenn es überhaupt etwas (Reales) gibt, was kein physikalisches Objekt ist, ist das eigentlich kein Physikalismus im strengen Sinne mehr.

Wie dem auch sei: Was den Monismus angeht, so wären die (proto)psychischen "intrinsischen" Eigenschaften der Dinge allerdings ja doch sehr verschieden von allen Eigenschaften, zu denen die Physik irgendeinen Zugang - sei es empirisch oder auch nur begrifflich - einen Zugang hat. Vielleicht könnte man hier dann auch sagen: Aus einer derartigen monistischen Sicht sind physikalische Eigenschaften "nur" extrinsische Eigenschaften von dem, was seiner intrinsischen Natur nach psychisch ist. So betrachtet könnte man das vielleicht auch als eine Sichtweise ansehen, bei der das Psychische im Vordergrund und das Physikalische im Hintergrund steht.

 

Generell würde ich folgende Auffassung vertreten wollen: Wir können recht einfach erkennen, dass es das Psychische gibt - und zwar als Psychisches.

 

Alles andere ist dann aber m.E. deutlich schwieriger. Die Philosophie hat sich mit der Frage, welche mögliche Variante einer nicht-reduktiven These zum Verhältnis von Bewusstsein und Materie die plausibelste (oder vielleicht sogar einzig mögliche) ist, auch weniger intensiv befasst als mit der Frage, ob reduktive Theorien möglich und überzeugend sind. Trotzdem wäre hier ein interessanter Punkt und man müsste zusehen, wie weit man kommt, ohne zu sehr der reinen Spekulation zu verfallen.

 

Zitat

Mangels Informationen können wir keine über diese Feststellung hinausgehende Entscheidung treffen, wobei imo zu erwarten ist, dass uns die empirische Wissenschaft hier wenig bis gar nicht helfen kann, wir diese Informationen aus prinzipiellen Gründen also nie erhalten werden.

 

Manche Fragen lassen sich empirisch nicht beantworten - beispielsweise die, ob Bewusstsein physikalische Prozesse "begleitet" oder mit ihnen schlechterdings identisch sind. Sie lassen sich m.E aber durchaus philosophisch befriedigend beantworten - durch Besinnung auf sehr grundlegende Erkenntnisse beispielsweise dazu, was Identität bedeutet.

Ob man nun, wenn man den reduktiven Physikalismus überwunden hat, empirisch bestimmen kann, welche Theorie dann richtig ist? Grundsätzlich mag das in einem gewissen Rahmen möglich sein - aber selbst wenn es prinzipiell möglich ist, bliebe die Frage, ob es praktisch möglich ist oder je möglich sein wird.
 

Zitat

Für alle praktischen Zwecke läuft das wieder auf einen Materialismus vom Typ A hinaus:
 
Wenn die empirischen Wissenschaften die funktionalen Aspekte des Bewusstseins erklärt haben, haben sie praktisch alles erklärt, was erklärbar ist. Es bleiben dann nur noch nicht beantwortbare metaphysische Detailfragen übrig.

 

Nicht wenige Leute würde behaupten, dass das Bewusstsein schlechterdings auf Physikalisches reduzierbar ist - wenn wir die Frage, ob das stimmt oder nicht, beantworten können, dann haben wir bereits eine bedeutende Frage beantwortet (würde ich jedenfalls meinen).

Wenn man den Reduktionismus in diesem Sinne negiert, dann gibt es unterschiedliche Optionen. Ob die Frage, welche die beste ist, nur eine "metaphysische Detailfrage" ist, ist wohl eine Sache der subjektiven Bewertung.


Ob das in der Praxis auf einen starken reduktiven Materialismus hinausläuft? Ich würde das bezweifeln, weil es die Praxis eigentlich kaum berührt, ob man einen strikten Reduktionismus vertritt oder eine andere Sichtweise. Die "Praxis" scheint mir diesbezüglich neutral zu sein. Es würde die Praxis nur berühren, wenn man einen so starken Materialismus verträte, dass man eben auch in der Praxis alles Psychologische eliminativ beseitigt und beispielsweise versucht, psychologisches Vokabular und psychologische Methoden durch neurophysiologisches Vokabular und neurophysiologische Methoden zu ersetzen (was dem Eliminativen Materialismus zumindest im sinne einer Zukunftsversion tatsächlich vorzuschweben scheint).
 

Zitat

 

Ich bin in die Diskussion gestartet mit einem Typ-A-Materialismus, war dann gezwungen, einer Teilmenge Deiner Argumente zu folgen und bin nun bei der oben beschriebenen Position angekommen.
Danke für das Erweitern meines Horizontes!

Wie gesagt, in der Praxis ist das fast kein Unterschied, aber aus akademischer Sicht sehr interessant.
Ich mag die Philosophie 🙂

 

 

Es freut mich natürlich, wenn der Gedankenaustausch Dich bereichert und Dir neue Perspektiven eröffnet. Umgekehrt fand und finde ich die Diskussion auch interessant und bereichernd. ;)

 

Zitat

Wo siehst Du Dich eigentlich genau in dem Schema von Chalmers?


Wahrscheinlich würde ich mich da ähnlich verorten wie Du. Ich würde allerdings (mit Chalmers) auch die Position D in die nähere Auswahl ziehen. Sie macht zwar stärkere Annahmen und hat auch ihre spezifischen Probleme, hat dafür aber auch das Potential, bestimmte Probleme zu lösen.

 

bearbeitet von iskander
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Am 24.9.2024 um 11:00 schrieb Volker:

Das Bewusstsein ist kein rein physikalisches Phänomen, weil wir es nicht verstehen (können).

Das Knickpendel ist kein rein physikalisches Phänomen, weil wir es nicht verstehen (können).

Ein System aus drei materiellen Körpern ist kein rein physikalisches Phänomen, weil wir es nicht verstehen (können).

 

Das Bewusstsein ist nicht deswegen kein rein physikalisches System, weil wir es nicht exakt berechnen können, sondern weil es sich phänomenologisch so radikal von jedem beliebigen physikalischen System unterscheidet, dass wir es nur dann restlos im reduktiven Sinne mit einem physikalischen System identifizieren können, wenn wir behaupten, es sei in Wahrheit etwas radial anderes als das, als was es uns erscheint. Es sei, so müsste man behaupten, nichts von dem, was es zu sein scheint, und alles von dem, was es nicht zu sein scheint.

Das liefe auf eine Elimination hinaus - denn zu sagen "X gibt es nicht" oder zu sagen "Es gibt X, aber es hat rein gar nichts mit dem zu tun, was man unter dem Begriff 'X' versteht", läuft aus dasselbe hinaus.

(Ob man sagt, dass es Schokoladengeschmack gar nicht gibt, oder ob man sagt, dass er gar nichts anderes sei als ein bestimmter Gehirnzustand, der sich vollständig in der Sprache der Physik beschrieben lasse, ist im Effekt dasselbe; der Schokolandengeschmack als Schokoladengeschmack wird so oder so eliminiert. Ist einem das zu radikal, landet man mindestens wieder bei einer Doppelaspekt-Lehre.)

 

Das Gesagte gilt nun eben nicht für vermeintliche Analogien, bei denen man a) ganz unstrittig physikalische Objekte oder Prozesse hat und bei denen man b) im Prinzip auch versteht, wie sie durch banalere physikalische Objekte und Prozesse konstituiert werden, das aber nicht exakt berechnen kann.

bearbeitet von iskander
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Am 26.9.2024 um 00:15 schrieb KevinF:

Die Fragestellung gründet nicht in einer Beobachtung. Es geht um rein philosophische Fragestellungen, die außerhalb der Philosophie ohne Bedeutung sind: [...]


Das Qualiaproblem bietet innerhalb der Philosophie Stoff für komplexe Diskussionen, außerhalb ist es ohne Bedeutung.

 

Das stimmt zwar, ist aber für viele Dinge mutatis mutandis wahr: Wann Caesar gelebt hat und und warum er ermordet wurde; wie die Ägypter ihre Pyramiden bauten; ob bzw. wie sehr Beethoven von Bach beeinflusst wurde; ob die Goldbachsche Vermutung in der Zahlentheorie wahr ist; ob es Exoplaneten mit Leben gibt - diese und viele andere Fragen haben (sehr wahrscheinlich) keine grundsätzliche Bedeutung außerhalb der jeweiligen Disziplin und außerhalb des allgemeinen menschlichen Interesses.

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Am 26.9.2024 um 19:00 schrieb KevinF:

Die Natur ist eben so.
Mehr kann man objektiv dazu nicht sagen und damit ist das Qualiaproblem imo gelöst.

 

Das hängt wohl davon ab, wie man die Ausdrücke das "Qualia-Problem" und "gelöst" definiert. ;)

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Am 24.9.2024 um 11:00 schrieb Volker:

Wir verstehen nicht, wie ein rein physikalisches System Bewusstsein hervorbringt, aber das ist kein Beweis dafür, dass es sich nicht um ein zu 100% physikalisches System handelt.

 

Mitunter scheinst Du zu sagen, dass Bewusstsein ein rein physikalisches System ist und mitunter, dass es von einem rein physikalischen System hervorgebracht wird - wobei letztere Formulierung nahezulegen scheint, dass das Bewusstsein dann eben doch nicht schlechterdings ein physikalisches System ist.

 

Vielleicht interpretiere ich da auch zu viel hinein, aber dieser zumindest sprachlichen Ambiguität Ambivalenz begegnet man immer wieder bei Physiklisten.

bearbeitet von iskander
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Am 27.9.2024 um 11:25 schrieb Marcellinus:

Leben ist einfach das, was entsteht, wenn Materie nur hoch genug organisiert ist, und erlischt wieder, wenn diese Organisation zusammenbricht, mögen die einzelnen Bestandteile noch da sein oder nicht. 

 

Mit dem Bewusstsein ist es ähnlich.

 

Nur besteht da ein grundsätzlicher Unterschied bei unseren Versuchen des Verstehens und Erklärens - jedenfalls, wenn die moderne Biologie recht hat. Mit Glück mag man in der Lage sein, zumindest prinzipiell zu verstehen, wie allein auf physikalischer Grundlage die Entstehung von Leben möglich war - aber diesen Erfolg kann man so beim Bewusstsein nicht haben.

Chalmers ("Facing up the problem of Consciousness") erläutert das im Hinblick auf den Vitalismus - eine Position, die eine besondere Kraft oder ein besonderes Prinzip annahm, welches zur Erklärung von Leben notwendig sei. Ich zitiere ihn nochmals sehr ausführlich, weil er m.E. den Kern des eigentlichen Problems gut darstellt (Fettungen von mir):

 

"Purely physical explanation is well-suited to the explanation of physical structures, explaining macroscopic structures in terms of detailed microstructural constituents; and it provides a satisfying explanation of the performance of functions, accounting for these functions in terms of the physical mechanisms that perform them. This is because a physical account can entail the facts about structures and functions: once the internal details of the physical account are given, the structural and functional properties fall out as an automatic consequence. But the structure and dynamics of physical processes yield only more structure and dynamics, so structures and functions are all we can expect these processes to explain. [...]

Reductive methods are successful in most domains because what needs explaining in those domains are structures and functions, and these are the kind of thing that a physical account can entail. When it comes to a problem over and above the explanation of structures and functions, these methods are impotent.
This might seem reminiscent of the vitalist claim that no physical account could explain life, but the cases are disanalogous. What drove vitalist scepticism was doubt about whether physical mechanisms could perform the many remarkable functions associated with life, such as complex adaptive behaviour and reproduction. The conceptual claim that explanation of functions is what is needed was implicitly accepted, but lacking detailed knowledge of biochemical mechanisms, vitalists doubted whether any physical process could do the job and put forward the hypothesis of the vital spirit as an alternative explanation. Once it turned out that physical processes could perform the relevant functions, vitalist doubts melted away. 
With experience, on the other hand, physical explanation of the functions is not in question. The key is instead the conceptual point that the explanation of functions does not suffice for the explanation of experience. This basic conceptual point is not something that further neuroscientific investigation will affect. In a similar way, experience is disanalogous to the elan vital. The vital spirit was put forward as an explanatory posit, in order to explain the relevant functions, and could therefore be discarded when those functions were explained without it. Experience is not an explanatory posit but an explanandum in its own right, and so is not a candidate for this sort of elimination.
It is tempting to note that all sorts of puzzling phenomena have eventually turned out to be explainable in physical terms. But each of these were problems about the observable behaviour of physical objects, coming down to problems in the explanation of structures and functions. Because of this, these phenomena have always been the kind of thing that a physical account
might explain, even if at some points there have been good reasons to suspect that no such explanation would be forthcoming. The tempting induction from these cases fails in the case of consciousness, which is not a problem about physical structures and functions. The problem of consciousness is puzzling in an entirely different way. An analysis of the problem shows us that conscious experience is just not the kind of thing that a wholly reductive account could succeed in explaining."

 

Quelle: https://personal.lse.ac.uk/ROBERT49/teaching/ph103/pdf/chalmers1995.pdf

 

Zitat

Sobald das zentrale Nervensystem einer Art nur hoch genug organisiert ist, und diese Art anfängt, mit einander Gruppen zu bilden, ist es ein evolutionärer Vorteil, nicht nur ein Bild von seiner Umgebung zu haben, sondern vor allem von der Gruppe, in der man lebt.

 

Das ist richtig - nur ist das allein noch keine ausreichende Erklärung. Nicht alles, was evolutionär nützlich wäre, passiert oder kann auch nur passieren.

bearbeitet von iskander
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@iskander

 

Die Diskussion war ja schon ein paar Runden weiter.
 
Meine aktuellen Beiträge zum Thema:
 
https://www.mykath.de/topic/36234-bewusstes-erleben-qualia/?do=findComment&comment=2568752
 

https://www.mykath.de/topic/36234-bewusstes-erleben-qualia/?do=findComment&comment=2568943

bearbeitet von KevinF
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@KevinF

 

Okay, ich wollte nur nichts unbeachtet lassen. Ich versuche aus systematischen  Gründen, erst Deine zuletzt verlinkten Beiträge und dann auf die "erkenntnistheoretische" Diskussion zur Philosophie einzugehen - hoffend, dass das Ganze genug Ordnung und Struktur hat!

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Am 28.9.2024 um 21:08 schrieb KevinF:

 Dies gilt auch für die Entscheidung zwischen Materialismus ("Bewusstsein ist ein schwach emergentes Phänomen der Materie") und Eigenschaftsdualismus (bzw. naturalistischer Monismus:  "Bewusstsein ist ein stark emergentes Phänomen der Materie und ich bin trotzdem identisch mit meinem Gehirn").


Und die philosophische Entscheidung basiert im Kern nicht auf formalen Argumenten, sondern auf Intuition: [...] Beides, Materialismus und Eigenschaftsdualismus, sind damit eine Art von Glauben.

 

Das würde ich bestreiten wollen - es sei denn man fasst den Begriff "Intuition" so weit, dass er jene grundlegende Kenntnis eines Phänomens bezeichnen soll, auf der alle weiteren Erkenntnisse aufbauen (aber dann würde alles Intuition beruhen).

 
Man kann ansonsten m.E. durchaus "formale" Argumente entwickeln, die auf erkennbar wahren Prämissen beruhen, wie ich es bereits anzudeuten versucht habe:

 

1. Bewusstsein (Denken, Empfinden usw.) ist von jedem beliebigen physikalischen Prozess phänomenologisch (also "der Erscheinung nach") grundverschieden. Es existiert nicht einmal eine phänomenologische Ähnlichkeit. Es ist auch fast unmöglich, auch nur gemeinsame Eigenschaften zu nennen, die Bewusstsein und physikalische Ereignisse gemeinsam haben - außer solche fundamentale Merkmale wie Realität, Zeitlichkeit, Einheit, Identität mit sich selbst usw.

Das hat seinen Grund darin darin, dass ein Bewusstsein sich durch sein spezifisches qualitatives "Erlebt-Werden" auszeichnet, während physikalische Prozesse, so wie sie (potentieller) Gegenstand der Physik sind, allein durch ihre räumlichen Eigenschaften und durch ihre relationalen Eigenschaften untereinander charakterisiert sind.

 

2. Wenn zwei Dinge phänomenologisch (also der Erscheinung nach) absolut verschieden sind, können sie nur dann "schlechterdings" und in jeglicher Hinsicht identisch sein, wenn sie allein als radikal verschieden erscheinen, es aber in Wirklichkeit gar nicht sind; wenn ihre radikale Verschiedenheit also illusionär ist. 

 

3. Letzteres wäre aber nur möglich, wenn wir uns über mindestens einen der beiden "Gegenstände" - Bewusstsein oder physikalische Gegenstände - im Hinblick auf sein So-Sein grundlegend täuschen würden.

 

4. Im Fall des Bewusstseins liefe das auf einen Eliminativismus hinaus; denn zu sagen, dass das Bewusstsein zwar existiert, aber in Wahrheit etwas völlig anderes ist als das, als was es und gegeben ist, ist gleichbedeutend damit, dass das Bewusstsein nicht existiert, sondern nur ein davon ganz verschiedener Gegenstand. Nur die Formulierung wäre verschieden. Wenn das Bewusstsein keine der Eigenschaften besitzt, die wir ihm zuschreiben, sondern nur solche, die wir ihm nicht zuschreiben, ist es eliminiert.

 

5. Der Eliminativismus ist aus verschiedenen Gründen völlig inakzeptabel. (Dazu hatte ich auch im anderen Thread schon etwas geschrieben. Es fängt schon damit an, dass eine Aussage wie die, dass das Bewusstsein eine "Illusion" sei, keinen Sinn ergibt, denn wenn der Begriff "Illusion" überhaupt etwas bedeuten soll, dann doch ein bewusstes Phänomen.)

 

6. Auch die These, dass die physikalische Wirklichkeit nicht einmal ungefähr das sein soll, als was wir sie verstehen, sondern etwas völlig anderes (also beispielsweise bewusstes Erleben!) ist sehr unbefriedigend und läuft auf ein Abstreiten der physikalischen Welt hinaus. (Allerdings ist diese These nicht so absolut denkunmöglich wie ein eliminative Materialismus.)

 

7. Bewusstsein und Physikalisches existieren also tatsächlich - und zwar als etwas, was zumindest unserem Grundverständnis dieser Phänomene entspricht. (Oder anders formuliert: Bewusstsein existiert als Bewusstsein und physikalische Prozesse existieren als physikalische Prozesse.)

 

8. Mit 1., 2., 3. und 7. folgt, dass Bewusstsein und physikalische Prozesse uns nicht nur als grundverschieden erscheinen, sondern dass sie tatsächlich verschieden sind - und also nicht "schlechterdings" identisch sein können.

 

9. Es könnte dann bestenfalls noch eine Identität im Sinne einer Doppelaspekt-Theorie bestehen, bei der das Bewusstsein als eine "Seite" anerkannt wird, die sich der physikalischen Beschreibung bezieht. 

 

Diese Argumentation scheint mir nicht auf - womöglich fragwürdigen - "Intuitionen" zu beruhen, die kaum mehr sein mögen als ein "Glauben", sondern zum einen auf einer uns allen gegebenen fundamentalen "Bekanntheit" mit den infrage stehenden Phänomenen und zum anderen auf völlig einsichtigen Prämissen wie etwa der, dass zwei Dinge, die sich uns als absolut verschieden und "inkommensurabel" präsentieren, nur dann völlig identisch sein könnten, wenn Erscheinung und Wirklichkeit (weit) auseinanderfallen.
 

Zitat

Die wirklich formalen Argumente (wie Chalmers Verwendung der zweidimensionalen Semantik gegen den Materialismus) kommen erst nach dieser ersten, auf Intuition basierenden Entscheidung. Und rein logisch kann es auch gar nicht anders sein.

 

Wie gesagt erscheint mir hier der Begriff "Intuition" als problematisch. Wenn wir überhaupt über irgendetwas sprechen wollen, brauchen wir immer ein gewisses inhaltliches, intuitives "Verständnis" von dieser Sache; eine Art fundamentale, wenn vielleicht auch sehr eingeschränkte "Bekanntheit" mit ihr. Erst dann können das logisch-diskursive Denken und die (empirische) Erforschung beginnen.

Wenn es ein Wesen gäbe, das keinerlei Begriff oder Vorstellung von Raum und Materie hat, könnte es auch keine Physik betreiben. Höchstens könnte es vielleicht physikalische Theorien als rein formale Systeme begreifen; aber diese würden dann ohne Bezug zur physikalischen Welt rein mathematische Systeme bleiben. Und selbst für formale Systeme bedarf es eines gewissen "inhaltlichen" Verständnisses (etwa dessen, was ein "Element" oder eine "Relation" ist).

 

In diesem unverdächtigen Sinne beruht natürlich auch jede Befassung mit dem Bewusstseinsproblem auf "Intuition" - so wie überhaupt jede Erkenntnisanstrengung. Aber der Begriff wird eben oftmals verwendet, um etwas zu bezeichnen, was man eigentlich nicht wirklich wissen kann und was einem nur mehr oder wenig plausibel erscheinen mag. Und ich würde wie gesagt bestreiten, dass alle relevanten Argumente an dieser Stelle allein auf "Intuition" in diesem schwachen Sinne beruhen.
 

Zitat

Darum schreibt Dennett in der Einleitung zu "Quining Qualia", einem Versuch, das hpb zu widerlegen:
 
"Rigorous arguments only work on well-defined materials, and since my goal is to destroy our faith in the pretheoretical or "intuitive" concept, the right tools for my task are intuition pumps, not formal arguments."

 

Hier zeigt sich m.E. allerdings eine Schwäche des Ansatzes von Dennett: Anstatt unsere grundlegenden menschlichen Erfahrungen von bewusstem Erleben (Lust und Schmerz, Denken und Fühlen) als unmittelbar gegebene, sichere und fundamentale Bestandteile unserer Existenz zu akzeptieren, scheint er sie als falsche vortheoretische "Intuitionen" entlarven zu wollen, im Sinne von "kommt mir intuitiv plausibel vor, ist aber gar nicht so". Damit werden Qualia ähnlich wie "Annahmen" oder "plausible Vorurteile" verstanden.

 

Bei derartigen Ansätzen werden jedoch unmittelbare Erleben und (falsche) Annahmen über das Erleben verwechselt: Wenn ich einen Schmerz empfinde, dann empfinde ich eben einen Schmerz - noch vor allen unangemessenen begrifflichen Konzepten, fragwürdigen Intuitionen oder unsinnigen Theorien, und auch unabhängig von ihnen. Der Begriff "Schmerz" ist in diesem Sinne auch kein theoretischer Begriff, der ein Phänomen (auf irreführende Weise) erklären will - er bezeichnet vielmehr einfach ein Phänomen, welches ein Datum darstellt.

Die Aussage, dass wir ein bewusstes Erleben haben, beruht auch nicht auf einer falschen Intuition über unser bewusstes Erleben - sie beruht auf unserem bewussten Erleben selbst. Sie ist keine "fragwürdige Theorie" über das uns Gegebene, sondern eine simple Feststellung dazu, was uns gegeben ist.

 

Um nochmals Egeter zu zitieren:

 

"Die Tatsache, dass Knut Nordby, ein bekannter norwegischer Wahrnehmungspsychologe und Spezialist für visuelle Wahrnehmung, der seit seiner Geburt vollständig Farbenblind [sic] war, keine Farben erleben kann, egal wie viel er über sie weiss, bleibt bestehen, selbst wenn das Farbensehen kein ›Wissen‹ im üblichen Sinne darstellen würde.55 Aufgrund seiner präzisen Schilderungen der prinzipiellen epistemischen Unzugänglichkeit,56 die ihn durch seine Farbenblindheit direkt betroffen hat, kann es auch nicht überzeugen, wenn Reduktionsoptimisten57 behaupten, die Unterscheidung von visuellem Erleben und damit verbundenen physiologischen Prozessen sei eine »vortheoretische Konstruktion«58 bzw. basiere auf »Intuitionspumpen«59 oder sei – im Gegensatz zu empirischen Befunden – bloss eine »Armchair-Analyse«.60"
 

Zitat

Wenn es gute Philosophie  ist, dann ist es ihr Zweck, uns von den Fragen der Philosophie des Geistes zu heilen (sagte nicht Wittgenstein etwas ähnliches über die gesamte Philosophie?):


Da müsste ich nachfragen, was genau damit gemeint ist, um mir eine Meinung dazu bilden zu können.

bearbeitet von iskander
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Am 2.10.2024 um 00:44 schrieb KevinF:

 -Bewusstsein (nicht seine neurologischen Korrelate) hat den Anschein, als sei es prinzipiell nicht auf die Physik reduzierbar (vgl. "schwieriges Problem des Bewusstseins", zum Beispiel in C).

 

Hier wäre tatsächlich die Frage, ob das nur der Anschein ist oder nicht. In diesem Zusammenhang wäre relevant, worauf der Anschein beruht und was es bedeuten würde, dass er falsch ist. Wie in meinem Beitrag gerade eben dargelegt, würde ich argumentieren, dass eine Täuschung hier nur möglich wäre, wenn wir uns über den Charakter des Psychischen und/oder des Physischen radikal irren - was ich jedoch für äußerst unplausibel und im Hinblick auf das Bewusstsein sogar für unmöglich halte, aus den dargelegten Gründen.
 

Zitat

- Für metaphysische Theorien bezüglich Bewusstsein, die mit diesen Aussagen kompatibel sind und über sie hinausgehen, wie Materialismus, Eigenschaftsdualismus (F-Monismus) und Epiphänomenalismus (E-Dualismus) (diese Klassifizierung folgt C), gilt (solange obige Aussagen gelten):
Es ist unmöglich, objektiv zu entscheiden, welche von ihnen wahr ist.

 

Da wäre ich mir wie gesagt weniger sicher. Den reduktiven bzw. eliminativen Materialismus und alles, was darauf hinausläuft, würde ich wie gesagt für erweislich falsch ansehen. Und eine weitere - und kompliziertere - Analyse zu dem, was dann noch bleibt, würde dann womöglich doch mehr Klarheit bringen. Zudem würde ich auch nicht ausschließen wollen, dass die empirische Forschung zumindest "prinzipiell" zu manchen verbleibenden Fragen etwas Gewinnbringendes beitragen könnte.  

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vor 11 Stunden schrieb iskander:
Am 27.9.2024 um 11:25 schrieb Marcellinus:

Leben ist einfach das, was entsteht, wenn Materie nur hoch genug organisiert ist, und erlischt wieder, wenn diese Organisation zusammenbricht, mögen die einzelnen Bestandteile noch da sein oder nicht. 

 

Mit dem Bewusstsein ist es ähnlich.

 

Nur besteht da ein grundsätzlicher Unterschied bei unseren Versuchen des Verstehens und Erklärens - jedenfalls, wenn die moderne Biologie recht hat. Mit Glück mag man in der Lage sein, zumindest prinzipiell zu verstehen, wie allein auf physikalischer Grundlage die Entstehung von Leben möglich war - aber diesen Erfolg kann man so beim Bewusstsein nicht haben.

 

Was soll das sein: „allein auf physikalischer Grundlage“? Es mag sein, daß wir bisher nicht alles verstehen, was mit der Funktionalität menschlicher Gehirne zusammenhängt. Aber das ist doch schon lange kein Grund mehr, irgendwelche Metaphysik zur Hilfe zu nehmen. In anderen Wissenschaftsbereichen tun wir das doch auch nicht. Man stellt einfach (noch) Nicht-Wissen fest, und gut ist‘s.

 

Es bleibt dabei, Wissen entsteht nur da, wo Modelle beobachtbarer Zusammenhänge an der empirischen Wirklichkeit getestet werden. Philosophie dagegen diskutiert Fragen, die für den Fragenden von existenzieller Bedeutung sein mögen, auf die es aber mangels empirischer Belege keine überprüfbaren Antworten gibt, sondern nur Meinungen und Glaubensvorstellungen. 

 

Mit anderen Worten: Philosophie dient der Diskussion philosophischer Fragen, und liefert, wenn überhaupt, Antworten, die man glauben kann, aber nicht muß.

 

Bedeutung hat Philosophie daher nur für Philosophen. Es ist, ähnlich wie Religion, eine Glaubensfrage. Wer diesen Glauben nicht teilt, dem sagt das nichts.

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vor 6 Stunden schrieb Marcellinus:

Was soll das sein: „allein auf physikalischer Grundlage“? Es mag sein, daß wir bisher nicht alles verstehen, was mit der Funktionalität menschlicher Gehirne zusammenhängt. Aber das ist doch schon lange kein Grund mehr, irgendwelche Metaphysik zur Hilfe zu nehmen. In anderen Wissenschaftsbereichen tun wir das doch auch nicht. Man stellt einfach (noch) Nicht-Wissen fest, und gut ist‘s.

 

Weil bei anderen Fragestellungen das Explanandum - also dass, was erklärt werden soll - eine physikalische Struktur oder eine physikalische Funktion ist, die man auch physikalisch beschreiben und beobachten kann. Das gilt nun aber für das Bewusstsein gerade nicht. Damit sind sowohl eine ontologisch-reduktive wie eine funktionale Erklärung nicht möglich. Wie ich es zuletzt schrieb:

 

"Es ist gut möglich, das Gehirn darauf zu untersuchen, ob es aus Nervenzellen (zusammen mit anderen Zellen) besteht. Ebenfalls ist es möglich, das Gehirn darauf zu untersuchen, ob es aus bestimmten Atomen und Molekülen besteht, oder ob es eine bestimmte funktionale Struktur aufweist.

Wie willst Du aber untersuchen, ob die Empfindung von Schokoladengeschmack oder eine Überzeugung aus Nervenzellen, Atomen usw besteht?"

 

Das liegt nicht an einem fehlende Fortschritt der Physik, sondern hat prinzipielle Gründe, die zugleich auch eine funktionale Reduktion verunmöglichen:

 

"Da die Physik nun ausschließlich über räumlich charakterisierte Objekte und ihre Relationen spricht, kann - egal wie man die Sache angeht - eine physikalische Erklärung immer nur genau solche Sachverhalte erklären oder vorhersagen, die [...] eben durch ihre räumlichen und relationalen Eigenschaften bestimmt sind. [...] Beim bewussten Erleben haben wir es mit bestimmten (intrinsischen) "Qualitäten" zu tun. Es gibt das Subjekt, für das sich etwas so und so "anfühlt". Wir können daher einen Sachverhalt wie "Er freut sich" nicht dadurch beschreiben, dass wie über solche Entitäten sprechen, die allein durch ihre räumlichen Eigenschaften und ihre Relationen zu anderen Objekten mit räumlichen Eigenschaften charakterisiert sind. Das bedeutet: Wir können einen solchen Sachverhalt nicht in der Sprache der Physik beschreiben, geschweige denn erklären."

 

Stimmst Du dem zu? Wenn nein, warum nicht?

bearbeitet von iskander
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Am 27.9.2024 um 20:12 schrieb Volker:

Das Qualia-Problem haben wir auch bei einer CPU. Ich weiß auch nicht, wie das Programm aus der Sicht einer CPU aussieht. Ich hätte auch keinen Erkenntnisgewinn, wenn ich es wüsste. Man weiß trotzdem, dass nichts davon gegen die Physik verstößt, denn das hätte man längst bemerkt.

 

Wir wissen nicht, ob eine CPU überhaupt eine bewusste Sicht oder Perspektive hat - und es scheint mir recht zweifelhaft zu sein. Du scheinst wie selbstverständlich davon auszugehen, dass funktionale Abläufe, die etwas leisten, auch mit einem bewussten Erleben verbunden sein müssen - ja, Du scheinst beides gleichzusetzen.

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