Jump to content

Friedelehe


Domingo

Recommended Posts

Ich wollte das schon eine Weile fragen, jetzt ist es mir wieder eingefallen:

 

Der bei mir udn anderen hier sehr beliebte Scholten sagt in einem Video etwas zur Friedelehe (ab etwa 1:12:00 bis etwa 1:15:30), die ja die rkK erfunden haben soll. Stimmt seine Rekonstruktion der historischen Rolle der Kirche dabei? Hat er im Allgemeinen recht oder gibt es mehr Kontext zum Ganzen?

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 23 Stunden schrieb Domingo:

Der bei mir udn anderen hier sehr beliebte Scholten sagt in einem Video etwas zur Friedelehe (ab etwa 1:12:00 bis etwa 1:15:30), die ja die rkK erfunden haben soll.

 

Ich sehe keinen Grund seine etymologische Herleitung in unserem deutsch- bzw indogermanischsprachigen Kulturraum anzuzweifeln, aber dass die Liebesehe eine Erfindung RKK sei, glaube ich nicht - eine Wiederentdeckung halte ich für viel plausibler.   

 

vor 21 Stunden schrieb Domingo:

Stimmt seine Rekonstruktion der historischen Rolle der Kirche dabei? Hat er im Allgemeinen recht ...

 

Keine Ahnung - aber seine Begründung ist mit Sicherheit falsch. Erstens wurden bei der Hochzeit von Kanaan von Jesus nicht auch Fische "gezaubert", sondern nur Wasser in Wein verwandelt. Zweitens wurden auch schon zu Jesu Zeiten Hochzeiten von Priestern, also von Gott Beauftragten vollzogen. Drittens leitet die RKK die Ehe aus alttestamentlichen Schriften der Tora her.

 

Da erzählt Scholten wirklich Mist, wenn er meint, dass die RKK die Ehe zu einem Wunsch von Jesus Christus "machen" musste, damit später niemand mehr etwas gegen diesen Kaufvertrag einwenden kann, wenn sie von einem Priester der RKK als Trauzeugen vollzogen wurde. Im Judentum konnte der Mann sehr wohl etwas gegen diesen Kaufvertrag unternehmen, also der Frau einen Scheidebrief ausstellen (Dtn 24,1). Die RKK brauchte Jesus im NT vielmehr dafür, um eine Ehe als unauflöslich darzustellen (Mt 5,31-32; Mt 19,7-10; Mk 10,4-9). Dafür liefert die Hochzeit von Kanaan aber kein Argument.
       

 

vor 21 Stunden schrieb Domingo:

oder gibt es mehr Kontext zum Ganzen?

 

Ich denke, dass es entwicklungsgeschichtlich viel mehr Kontext zum Ganzen gibt. Dazu muss man das ganze Bild betrachten und das bedeutet weit ausholen. Bei Adam und Eva damit anzufangen genügt da bei weitem nicht. Im Grunde genommen geht es dabei seit jeher um das jeweilige gruppendynamische Verständnis darüber, was "Vollendete Tatsachen" zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Kulturen waren und sind (z.B. Judentum vs. Christentum).

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

War die Friedelehe nicht auch auf die Unterschichten beschränkt? Ich meine, Jahrunderte lang haben die Armen mW ganz informell "geheiratet", dh einfach zusammengelebt und als de facto-Paar dagestanden. Probleme mit förmlichen Eheschließungen und -scheidungen gab es eher bei Königen. Meines Wissens ist es auch immer so gewesen, dass die Aristokratie strengeren sozialen Normen unterlag, weil bei ihnen mehr daran hing - Eigentum, Nachfolge usw.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Am 18.10.2024 um 17:01 schrieb Weihrauch:

Hochzeit von Kanaan

Kana bitte.

Kanaan ist was anderes

 

Werner

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Am 17.10.2024 um 16:23 schrieb Domingo:

Ich wollte das schon eine Weile fragen, jetzt ist es mir wieder eingefallen:

 

Der bei mir udn anderen hier sehr beliebte Scholten sagt in einem Video etwas zur Friedelehe (ab etwa 1:12:00 bis etwa 1:15:30), die ja die rkK erfunden haben soll. Stimmt seine Rekonstruktion der historischen Rolle der Kirche dabei? Hat er im Allgemeinen recht oder gibt es mehr Kontext zum Ganzen?

Also bei aller Begeisterung für das Urgermanische und das PIE, aber ich habe nicht den Eindruck, als hätte Scholten sich sonderlich ernsthaft mit der Materie beschäftigt. Linguistisch kann ich die Herleitung nachvollziehen, aber in der Sache nicht.

 

Unter "Friedelehe" hat Meyer noch eine Ehe verstanden, die am allgemeinen Recht und an der Kirche vorbei geschlossen wird. Die kirchliche Konsensehe hat sicherlich Parallelen, bis Trient war aber die Gültigkeit der Ehe an die rechtliche Anerkennung gebunden. Wenn ich es richtig erinnere, war noch in Trient umstritten, ob die Kirche die Eheschließung überhaupt regeln könne.

 

Der Fauxpas mit der Hochzeit in Kanaan und den Fischen fördert das Vertrauen in den Vortrag nicht wirklich, zumal ich die Herleitung des Ehesakraments aus der Hochzeit zu Kana noch nie von kirchlicher Seite gehört habe.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 23 Stunden schrieb Flo77:

Unter "Friedelehe" hat Meyer noch eine Ehe verstanden, die am allgemeinen Recht und an der Kirche vorbei geschlossen wird.

 

Wer ist Meyer?

 

Und seltsamerwieise finde ich im Grimmschen Wörterbuch keinen Eintrag, der "Freidelehe" lautet; "Friedel(in)" ist aber shcon drin.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 3 Minuten schrieb Domingo:

 

Wer ist Meyer?

 

Und seltsamerwieise finde ich im Grimmschen Wörterbuch keinen Eintrag, der "Freidelehe" lautet; "Friedel(in)" ist aber shcon drin.

Herbert Meyer hat den Begriff erst in den 1920ern geprägt.

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Friedelehe

bearbeitet von Flo77
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

17 hours ago, Domingo said:

 

Wer ist Meyer?

 

Und seltsamerwieise finde ich im Grimmschen Wörterbuch keinen Eintrag, der "Freidelehe" lautet; "Friedel(in)" ist aber shcon drin.

 

Ich würde sagen, die Grimmeinträge übersetzt man am besten mit Geliebte/Geliebter.

„Ehe“ konnte verschiedenes bedeuten, aber ich denke, die wesentliche Bedeutung war in Rom als auch bei den Germanen die Verbindung zwischen zwei Familien, mit Rechtsfolgen für das Eigentum und die Nachkommen, in strikt patriarchalischen Gesellschaft. 

Z.B. Munt-Ehe, Manusehe.

 

Für alle nicht „standesgemäßen“ Beziehungen gab es verschiedene andere Rechtsinstrumente, z.B. die Kebsehe, die morganatische Ehe oder das Konkubinat. Sogen. „Winkelehen“, die ohne Zeugen geschlossen wurden, verbot die Kirche bereits im 13. Jh. Gegen die Kebsehe ging sie angeblich schon deutlich früher vor.

 

Da die meisten nichtoffiziellen Ehe ohne die Kirche stattfanden, wäre mir nicht ganz klar, was das Interesse der Kirche daran gewesen sein sollte?

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 5 Minuten schrieb Shubashi:

 

Ich würde sagen, die Grimmeinträge übersetzt man am besten mit Geliebte/Geliebter.

„Ehe“ konnte verschiedenes bedeuten, aber ich denke, die wesentliche Bedeutung war in Rom als auch bei den Germanen die Verbindung zwischen zwei Familien, mit Rechtsfolgen für das Eigentum und die Nachkommen, in strikt patriarchalischen Gesellschaft. 

Z.B. Munt-Ehe, Manusehe.

 

Für alle nicht „standesgemäßen“ Beziehungen gab es verschiedene andere Rechtsinstrumente, z.B. die Kebsehe, die morganatische Ehe oder das Konkubinat. Sogen. „Winkelehen“, die ohne Zeugen geschlossen wurden, verbot die Kirche bereits im 13. Jh. Gegen die Kebsehe ging sie angeblich schon deutlich früher vor.

 

Da die meisten nichtoffiziellen Ehe ohne die Kirche stattfanden, wäre mir nicht ganz klar, was das Interesse der Kirche daran gewesen sein sollte?

Wie gesagt ist "Friedelehe" ein Kunstwort des 20. Jahrhunderts (ich nehme an, deshalb steht es auch nicht im Grimm).

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 6 Minuten schrieb Flo77:

(ich nehme an, deshalb steht es auch nicht im Grimm).

 

Eine ziemlich sichere Annahme, da das Grimm-Wörterbuch im frühen 19. Jh. verfasst wurde...

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 14 Minuten schrieb Shubashi:

Da die meisten nichtoffiziellen Ehe ohne die Kirche stattfanden, wäre mir nicht ganz klar, was das Interesse der Kirche daran gewesen sein sollte?

 

Macht? "Alles, was ich nicht absegne, ist sündhaft. Jetzt kommt alle zu mir und macht Euer Leben von mir abhängig"?

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Gerade eben schrieb Domingo:

 

Eine ziemlich sichere Annahme, da das Grimm-Wörterbuch im frühen 19. Jh. verfasst wurde...

Ich war nicht sicher, ob das Grimmsche WB nicht auch aktualisiert wird.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Gerade eben schrieb Domingo:

 

Macht? "Alles, was ich nicht absegne, ist sündhaft. Jetzt kommt alle zu mir und macht Euer Leben von mir abhängig"?

Es hat immerhin bis Trient gedauert, bis der Priester obligatorisch war. Davor galten die Regeln des jeweiligen Landes und da gab es wohl der kirchlichen Eheschließung über den Segen nach der weltlichen Eheschließung bishin zu rein "weltlichen" Eheschließungen alles mögliche (interessante Frage, ob Shakespeare in Romeo und Julia einfach etwas anachronistisch war).

 

Die Frage ist wohl eher, wann die Konsens-Idee auf breiterer Front Fuß fassen konnte oder ob der Konsens als notwendige Bedingung zur Eheschließung auch erst mit Trient wirklich festgeschrieben wurde.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Join the conversation

You can post now and register later. If you have an account, sign in now to post with your account.

Gast
Auf dieses Thema antworten...

×   Du hast formatierten Text eingefügt.   Formatierung jetzt entfernen

  Only 75 emoji are allowed.

×   Dein Link wurde automatisch eingebettet.   Einbetten rückgängig machen und als Link darstellen

×   Dein vorheriger Inhalt wurde wiederhergestellt.   Clear editor

×   You cannot paste images directly. Upload or insert images from URL.

×
×
  • Neu erstellen...