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Atheismus


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Geschrieben
Am 30.12.2024 um 00:10 schrieb Studiosus:

Jeder Satz, wenn nicht durch eindeutige, werkimmanente Indikatoren klar ist, dass es sich um Allegorie oder Metapher handelt (z. B. beim Hohelied), muss erst einmal historisch verstanden werden. Der sensus literalis/historicus habe immer Vorrang. 

 

Was genau sind "eindeutige, werkimmanente Indikatoren" die klar machen, ob es sich bei einem Text um Allegorie oder Metapher handelt? Diese Indikatoren muss man klar benennen, sonst ist es unmöglich einen Text daraufhin zu überprüfen. 

 

Am 30.12.2024 um 00:10 schrieb Studiosus:

Ich habe leider sein Buch nicht im Druck hier, sonst könnte ich die Verweise angeben, aber er schildert das u. a. anhand der Historizität des Gartens Eden als realem, geschichtlichem Ort. Er zitiert Augustinus, der zwar die allegorische Auslegung der Schrift bereits kannte, aber, bevor man über allegorische Mehrbedeutungen sprechen könne, erst das Bekenntnis einforderte, dass der Garten Eden tatsächlich existiert habe. Auch Thomas von Aquin geht von der Geschichtlichkeit Edens aus und schreibt, ich glaube in seiner Summe, Eden existiere noch heute (13. Jahrhundert), aber sei so weit in unwirtliche Weltgegenden entrückt, das Kartographen es nicht finden könnten.

 

Welche werkimmanenten Indikatoren für eine Allegorie fehlen in der Erzählung vom Garten Eden, dass man sagen könne, dass es sich nicht um eine Allegorie oder Metapher handelt? Das Einfordern des Bekenntnisses, dass der Garten Eden tatsächlich existiert habe, ist kein werkimmanenter Indikator, sondern schließt das Nachdenken darüber, und jegliche Überprüfung auf werkimmanente Indikatoren die ihn als Allegorie oder Metapher kenntlich machen kategorisch aus. 

 

Mir ist klar, dass die Entscheidung darüber einzig dem supremen Lehramt obliegt, wäre aber dankbar, wenn diese werkimmanenten Indikatoren eindeutig benannt werden würden, um weltliche Literatur besser verstehen zu können.  

 

Geschrieben (bearbeitet)

Ich kann nur dazu ermutigen, den alten Auslegern (den Kirchenschriftstellern und -vätern) mehr zuzutrauen, als das gemeinhin geschieht. Wir (als neuzeitliche Menschen) haben in dieser Hinsicht das Rad nicht neu im 18. und 20. Jahrhundert erfunden und unsere Methoden sind den Alten nicht so überlegen, dass ihnen automatisch der Vorzug gebührte. Im Gegenteil sollte man sich vergegenwärtigen, dass von den rechtgläubigen Vätern viele entweder in ihrem zivilen Leben oder zusätzlich zu ihrer kirchlichen Laufbahn ausgewiesene Gelehrte und Fachmänner waren. Der Hl. Augustinus etwa war vor seiner Bekehrung Rhetoriklehrer, man kann also davon ausgehen, dass er Ahnung von Literatur, von Texten und deren Komposition hatte. Auch unter den heterodoxen Schriftstellern, so beispielsweise einem Origenes der alexandrinischen Schule, findet sich bereits vertieftes literaturkritisches Potenzial. Kurzum: Auch die Exegeten der alten Zeit konnten selbstverständlich erkennen, ob es sich bei einem Stück der Schrift um Poesie, einen Hymnus, narrative Szenen o. ä. handelte. Was sie nicht taten, war, wie angedeutet, den Literalsinn oder den historischen Sinn auszuschließen oder geringzuschätzen. Er nimmt den ersten Platz ein, die weiteren denkbaren sensus treten als Ergänzungen, als Erweiterungen hinzu, um zusätzliche Bedeutungsebenen aufzuschließen. Das ist ein entscheidender Unterschied zur gegenwärtigen Herangehensweise der sogenannten wissenschaftlichen Schriftauslegung.

 

Und freilich gibt es auch in der Schrift deutliche Anzeichen, wann einzelne Passagen oder ganze Bücher allegorisch, metaphorisch oder als Gleichnisse zu verstehen sind. Wenn es im Evangelium heißt "Und er erzählte ihnen ein Gleichnis" und Jesus selbst die Deutung dieser Bildrede mitliefert, dann ist der Fall ja sogar innerhalb der Grenzen des Textes klar. "Mit dem Königreich der Himmel ist es wie...": Ein Mann ging..., ein Mann kaufte..., ein Vater hatte zwei Söhne..., ein Reicher und ein Armer...; parabolische Rede mit Ankündigung. Dass hier nicht (unbedingt; ob es den armen Lazarus und den reichen Prasser als historische Personen um die Zeit Jesus herum gegeben haben mag, kann man diskutieren) Realgeschichte vermittelt werden soll, ist eigentlich jedem nachvollziehbar. Der Fokus liegt auf der Botschaft hinter dem Gleichnis. Das ist bei anderen, ja der Vielzahl der Stellen nicht so, dass der Text selbst diesen Leseschlüssel mitgibt. Die meisten Texte der Evangelien sind klare Aussagesätze in Standardgriechisch: Jesus ging dahin und dorthin, tat und sagte dieses und jenes etc. Da schaltet sich auch der Evangelist oder Redaktor nicht als "Stimme aus dem Off" ein und macht eine Vorbemerkung: "Jesus strahlte eine solche Gottesnähe aus, dass den Leuten, die zu ihm kamen, war als würden die Blinden wieder sehen und die Lahmen gehen." Das geschieht nun gerade nicht. Die Evangelien sind da im Gegenteil, außer bei den ausführlichen Heilungswundern, bisweilen lakonisch: Jesus kam in diesen und jenen Ort, heilte viele, trieb Dämonen aus und predigte. Ebenso taten die Apostel. Punkt. Auch an einem neuralgischen Punkt, der Auferstehung, findet sich kein Hinweis, den der Text selbst gibt, dass Auferstehung im übertragenen Sinne gemeint sein würde: "Da gingen die Jünger zum Grabe und plötzlich kam ihnen die Erinnerung an Jesus wieder so lebhaft in ihre Herzen, dass es ihnen so war, als wäre der Stein vom Eingang weggewälzt und das Grab leer [dabei liegt der tote Körper Jesu tatsächlich darinnen]." Das gibt es ja nun nicht. Das sind, wenn überhaupt, sehr späte, in meinen Augen rein rationalistisch-psychologisierende Sekundärdeutungen, die in der langen Geschichte von Kirche und Theologie keine Tradition haben. 

 

Dieser Umstand führte die alten Ausleger nachvollziehbarerweise dazu, den historischen Sinn als Standardsinn der Heiligen Schrift festzuhalten. 

 

Daneben gibt es punktuell auch den gegenteiligen Fall, in dem zumindest den alten Theologen recht eindeutig erschien, dass der Literalsinn hinter einer allegorischen Deutung zurückstehen müsse. Das ist beim schon angesprochenen Hohelied der Fall, das in der christlichen Tradition nahezu ausschließlich allegorisch und sublimiert hin auf die Liebe Gottes zu seinem Volk/der einzelnen Seele interpretiert wurde. Denn natürlich konnten die Alten schon Gattungen unterscheiden; dazu brauchten sie nicht auf protestantische Exegeten Anno 1780 warten. Das Hohelied ist, bisweilen erotische, Liebesdichtung. Dass sich christliche Kommentatoren, die an die Inspiration der Heiligen Schrift durch den Geist Gottes glaubten, in einem zweiten Schritt fragten, warum sich derselbe Gott gewürdigt haben sollte, diese wörtlich genommen doch recht profane, orientalische Liebeslyrik zu unserem Heil zu offenbaren, ist konsequent. Und damit war der Sprung von einer wörtlichen Auslegung hin zu einer allegorischen Interpretation schon fast getan und die "sittliche Unreife", die man diesem Werk bei oberflächlicher Betrachtungsweise christlicherseits beilegen konnte, zugunsten einer theologisch wertvollen Auslegung überwunden. Also ich kann die Gedankengänge der alten Theologen vollkommen nachvollziehen, auch wenn uns Jahrtausende trennen. Ich glaube, auch unabhängig vom konkreten Beispiel des Hohelieds, die christliche Theologie macht diesbezüglich wieder unschöne Rückschritte. 

bearbeitet von Studiosus
Geschrieben
vor 4 Stunden schrieb SteRo:

Aber der Mensch, der ja bekannterweise mehr ist als Körper, der wurde ganz sicher von Gott geschaffen.

Der Primat auch.

Geschrieben (bearbeitet)
vor 1 Minute schrieb gouvernante:

Der Primat auch.

Welcher? Der Petri? 

 

scnr

bearbeitet von Studiosus
Geschrieben
vor 2 Minuten schrieb Studiosus:

Welcher? Der Petri? 

 

scnr

Kontextsensibel lesen hilft.

Geschrieben (bearbeitet)
vor 11 Minuten schrieb gouvernante:

Kontextsensibel lesen hilft.

 

Du gehst zum Lachen auch in den Keller. Bist Du im realen Leben auch so miesepetrig? Wäre vielleicht eine geeignete Neujahrsresolution, daran zu arbeiten. 

 

bearbeitet von Studiosus
Geschrieben

Ich glaube zu wissen, dass Augustinus von seiner wissenschaftlichen Ausbildung her die Bibel als Ammenmärchen bezeichnet hat. Bis er sich durchgerungen hat zu einem Gläubigen. Und Wunder hat es im Jahre 400 auch schon nicht mehr gegeben. 

Geschrieben (bearbeitet)
vor 14 Minuten schrieb Einsteinchen:

Ich glaube zu wissen, dass Augustinus von seiner wissenschaftlichen Ausbildung her die Bibel als Ammenmärchen bezeichnet hat.

 

Das stimmt. Das ist in einem seiner Briefe überliefert, in dem er sinngemäß schreibt: "Ich würde dem Evangelium nicht geglaubt haben, wenn mich nicht das Zeugnis der Kirche dazu gebracht hätte." Das hat allerdings nur bedingt mit der Textgestalt der Bibel zu tun, eher mit ihren Inhalten. 

 

 

Und in der Tat ist es so - und ich weiß, dass ich damit jetzt wieder Leute gegen den Strich bürste, aber ich riskiere es -, dass man meiner bescheidenen Meinung nach als Ungläubiger, der sich nicht von der Kirche dabei anleiten lässt, die Heilige Schrift nicht richtig oder eigentlich überhaupt nicht verstehen kann. Da könnte man genauso gut 60 Jahre lang den Einband der Bibel anstarren, das wäre ebenso sinnvoll (oder eben nicht sinnvoll). 

 

 

Die Heilige Schrift wird seit längerer Zeit leider gewaltsam aus dem Busen der Kirche (ja, das ist eine Metapher) herausgerissen und zum Sandkasten für alle möglichen Leute umfunktioniert, die darin mit ihren Rechen und Eimerchen herumwühlen. 

 

 

bearbeitet von Studiosus
Geschrieben
vor 15 Minuten schrieb Studiosus:

Im Gegenteil sollte man sich vergegenwärtigen, dass von den rechtgläubigen Vätern viele entweder in ihrem zivilen Leben oder zusätzlich zu ihrer kirchlichen Laufbahn ausgewiesene Gelehrte und Fachmänner waren. Der Hl. Augustinus etwa war vor seiner Bekehrung Rhetoriklehrer,

Wäre er es geblieben, wäre der Welt viel erspart geblieben, aber der Satan bedient sich mitunter halt merkwürdiger Wege.

 

Aber davon mal ab ist es sehr simpel ein Gleichnis als solche zu erkennen. Es zu verstehen ist aber bei weitem nicht jedem gegeben (Wort des Herrn). Siehe Lk 18,9-14.

Augustinus mag geschliffenes Griechisch beherrscht haben (was ihm die Offenbarung des Johannes zur Qual gemacht haben dürfte), aber er hatte keine Ahnung von jüdischer Messianik über der er sich meilenweit überlegen fühlte. Ohne die ist aber Johannes dT, Jesus noch Paulus wirklich verständlich.

 

Dazu kommt, daß Augustinus durch Ambrosius eine ganz klare Agenda verfolgt hat. Eine - seiner Zeit gemäße - wissenschaftliche Analyse der Texte war für ihn überhaupt nicht das Ziel.

 

Für das Hohelied gilt dasselbe wiefür die Bücher der Richter und Könige - ohne das Wissen von heute, waren die damaligen Lesarten völlig logisch. Heute bekommen diese Lesarten nunmal Risse mit denen sich das Lehramt auseinamdersetzen sollte, anstatt sie zu ignorieren.

Geschrieben (bearbeitet)
vor 6 Minuten schrieb Flo77:

aber er hatte keine Ahnung von jüdischer Messianik über der er sich meilenweit überlegen fühlte.

 

Wer sagt uns, dass die lectio christiana, so nenne ich sie einmal ganz unbescheiden, der "jüdischen Messianik" nicht auch tatsächlich meilenweit und haushoch überlegen ist? Und diese tatsächlich der intendierte Sinn der Schriften des Neuen Testaments ist? 

 

Das würde mich mal interessieren. Mir ist bewusst, dass es seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs auch in der katholischen Theologie die Tendenz gibt, die jüdische Lesart mehr oder weniger gleichwertig neben die katholische zu stellen. Aber das hat doch eher externe, nicht in der Sache liegende Gründe, um es mal mit aller Vorsicht zu sagen. Dass Christen ihre Lesart immer für das Nonplusultra gehalten haben und viele sie bis heute dafür halten, sollte eigentlich der Normalfall sein. 

bearbeitet von Studiosus
Geschrieben (bearbeitet)
vor 10 Minuten schrieb Studiosus:

 

Wer sagt uns, dass die lectio christiana, so nenne ich sie einmal ganz unbescheiden, der "jüdischen Messianik" nicht auch tatsächlich meilenweit und haushoch überlegen ist? Und diese tatsächlich der intendierte Sinn der Schriften des Neuen Testaments ist? 

Jesus war messianischer Jude. Und selbst, wenn man den Menschen Jesus völlig ignorieren will und sich auf den Christus, den Paulus gesehen haben will, beschränkt, hat man in Paulus wieder einen messianischen Juden. Ich halte die beiden ohne genaue Kenntnis dessen, worum es ihnen ging, schlicht nicht für verstehbar.

 

Die christliche Lesart geht - nach meinem Eindruck - mit dem AT, den paulinischen Briefen und den Evangelien um wie jemand, der aus dem Niebelungenlied die Grundlagen der deutschen Rechtsordnung des Jahres 1400 AD belegen will.

 

vor 10 Minuten schrieb Studiosus:

Das würde mich mal interessieren. Mir ist bewusst, dass es seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs auch in der katholischen Theologie die Tendenz gibt, die jüdische Lesart mehr oder weniger gleichwertig neben die katholische zu stellen. Aber das hat doch eher externe Gründe. 

Traust Du der Kirche dieses Maß der Einsichtsfähigkeit nicht zu?

bearbeitet von Flo77
Geschrieben (bearbeitet)
vor 29 Minuten schrieb Flo77:

Traust Du der Kirche dieses Maß der Einsichtsfähigkeit nicht zu?

 

Ich traue der Kirche (wirklich, im positiven Sinne) alles zu. Was mir persönlich allerdings schwerfällt, zu glauben, ist, dass sich dieselbe Kirche in Gestalt nahezu aller von ihr angenommenen und rezipierten rechtgläubigen Theologen, Kirchenväter und -lehrer, von Konzilien und Päpsten in fast zwei Jahrtausenden in einer derart wichtigen Angelegenheit grundsätzlich geirrt haben sollte. Das fällt mir in der Tat sehr schwer. 

 

Ich teile schlechterdings einfach nicht diesen Fortschrittsoptimismus, der im Jahr 1521, 1798 oder 1965 sich selbst zur Bestätigung zuruft: Seht her, wir sind der neue Mensch, der neue Wissenschaftler, der neue Theologe, die neue Kirche, die endlich nach jahrhundertelanger Wanderung durchs Nebeltal verstanden haben, wie die Dinge wirklich liegen! 

 

Ich versuche mir das oft als eine Art Verlaufsdiagramm zu visualisieren: Was die Kirche seit den Vätern zu einer Sache gesagt hat, bleiben wir mal bei der Exegese, ist ein riesiger, grüner Balken, der fast den gesamten Streifen einnimmt, und ganz hinten, irgendwo so ab Mitte 20. Jahrhundert ist ein Fitzelchen rote Farbe zu erkennen. Und das soll jetzt den Ausschlag geben? In weltliche Kategorien unsrer Tage übersetzt hieße das, die 99,99% der Wissenschaft zu verwerfen, die ein kugelförmige Erde verteten, um dem einen Promill Flacherdler zu folgen. 

bearbeitet von Studiosus
Geschrieben

Zumal Theologie, historische Theologie vielleicht ausgenommen, nicht einfach so funktioniert wie jede andere Wissenschaft. In anderen Disziplinen kann ein Forscher ein Fossil ausgraben oder mit besseren Instrumenten neue Messwerte ermitteln und alle können recht umstandslos sagen: "Ok, da lagen wir falsch". Dann korrigiert man das Lemma im Lexikon und schreibt ein paar Papers. Das Ergebnis wird in der Fachwelt (und falls es den Normalsterblichen betrifft auch in der Bevölkerung) rezipiert und der Rest ist Wissenschaftsgeschichte. 

 

So einfach funktioniert das mit theologischen Gegenständen nicht. Zumal hier auch die Kirche nicht nur ein Wort, sondern ein entscheidendes Wort mitzureden hat. 

Geschrieben
vor 2 Minuten schrieb Studiosus:

Ich traue der Kirche (wirklich, im positiven Sinne) alles zu.

Ich im positiven wie im negativen, aber das tut ja nichts zur Sache.

 

vor 2 Minuten schrieb Studiosus:

Was mir persönlich allerdings schwerfällt, zu glauben, ist, dass sich dieselbe Kirche in Gestalt nahezu aller von ihr angenommenen und rezipierten rechtgläubigen Theologen, Kirchenvätern und -lehrern, von Konzilien und Päpsten in fast zwei Jahrtausenden in einer derart wichtigen Angelegenheit grundsätzlich geirrt haben sollte. Das fällt mir in der Tat sehr schwer. 

Wieso "Irrtum"? Für die Generationen vor uns war es wahr und es mindert weder ihre Arbeit noch ihren Glauben, daß wir andere Möglichkeiten haben.

 

Allerdings ist die Formulierung "von der Kirche als rechtgläubig rezipiert und angenommen" auch nicht ganz ohne. Um in diesen erlauchten Kreis zu kommen, musste man seit den Siegen der ersten "Rechtgläubigen" im 2. und 3. Jahrhundert ja überhaupt erstmal einer bestimmten "Schule" angehören. Und selbst dann war es bei strittigen Themen meist eine Machtfrage, wer gewann.

 

vor 2 Minuten schrieb Studiosus:

Ich teile schlechterdings einfach nicht diesen Fortschrittsoptimismus, der im Jahr 1521, 1798 oder 1965 sich selbst zur Bestätigung zuruft: Seht her, wir sind der neue Mensch, der neue Wissenschaftler, der neue Theologe, die neue Kirche, die endlich nach jahrhundertelanger Wanderung durchs Nebeltal verstanden hat, wie die Dinge wirklich liegen! 

Es mag heutige Zeitgenossen geben, die das so sehen mögen, ich halte diese schwarz-weiß-Malerei weder für angemessen noch für hilfreich. Und sie wird weder dem Glauben der Alten noch der Kommenden gerecht.

 

Und noch eine Anmerkung am Rande: ich glaube nicht, daß der Glaube der Gläubigen über das Bekenntnis hinaus dem Glauben der Kirche entsprach. Bis auf den kleinen Kreis von studierten, philosophisch und theologisch Geschulten, erwarte ich nicht, daß die Altvorderen nach 500 noch wirklich verstanden haben, was da von den Kanzeln gelehrt wurde. Altgriechische Philosophie wird im ländlichen Frankenreich kaum zur Erziehung gehört haben.

Geschrieben
On 12/30/2024 at 3:42 PM, Weihrauch said:

Ich weiß gar nicht wie ich das freundlicher formulieren soll, dass als ob eben als ob bedeutet.

 

"Als ob" kann durchaus auch neutral sein.

 

Zum Beispiel in "Unabhängig von der Frage, ob einige von uns an Gott glauben, gehen wir methodisch so vor, als ob Gott nicht existieren würde."

 

Im Reliunterricht in der Schule damals nannten wir dies "methodischen Atheismus". "Methodischer Naturalismus" ist noch etwas allgemeiner, meint ansonsten aber dasselbe.

Geschrieben (bearbeitet)

Moderne Bibelexegese hat so ein bisschen was von diesen Cholesterinwerten, die in regelmäßigen Abständen von der Europäischen Kardiologengesellschaft und der Amerikanischen Gesellschaft für Arteriosklerose (?, ist ein Arzt anwesend0?) herausgeben werden. Vor 20 Jahren war man mit der Hälfte des derzeitigen Wertes eigentlich schon auf dem Weg zur Herzkatheter-OP, heute ist man damit noch altersentsprechend gesund. Oder umgekehrt. 

 

Was ich damit sagen will: Es wird quasi alle paar Jahrzehnte eine neue Sau durchs Theologendorf getrieben. Da bleibe ich doch lieber bei Butter und Schmalz. Das nährt, ist geschmackvoll und die Alten habens auch überlebt. 

bearbeitet von Studiosus
Geschrieben
25 minutes ago, Studiosus said:

Ich teile schlechterdings einfach nicht diesen Fortschrittsoptimismus, der im Jahr 1521, 1798 oder 1965 sich selbst zur Bestätigung zuruft: Seht her, wir sind der neue Mensch, der neue Wissenschaftler, der neue Theologe, die neue Kirche, die endlich nach jahrhundertelanger Wanderung durchs Nebeltal verstanden haben, wie die Dinge wirklich liegen! 

 

Ich versuche mir das oft als eine Art Verlaufsdiagramm zu visualisieren: Was die Kirche seit den Vätern zu einer Sache gesagt hat, bleiben wir mal bei der Exegese, ist ein riesiger, grüner Balken, der fast den gesamten Streifen einnimmt, und ganz hinten, irgendwo so ab Mitte 20. Jahrhundert ist ein Fitzelchen rote Farbe zu erkennen. Und das soll jetzt den Ausschlag geben? In weltliche Kategorien unsrer Tage übersetzt hieße das, die 99,99% der Wissenschaft zu verwerfen, die ein kugelförmige Erde verteten, um dem einen Promill Flacherdler zu folgen. 

 

Naja, Du weißt doch aber wie jung die moderne Naturwissenschaft ist, von daher könnte man den Vergleich auch genau umgekehrt interpretieren.

 

Ansonsten stellst Du die alte Frage nach "Kern" und "Schale" der christlichen Botschaft.

 

Ich meine, dass der Kern nicht von Fragen der Naturwissenschaft oder Geschichtswissenschaft abhängen kann.

Sonst kann er nach 2000 Jahren kaum noch etwas taugen.

 

Die genannten Fragen bzw. die heutigen Antworten darauf sind einfach Teil eines veränderten, realistischeren Weltbildes.

Und auch im moralischen Bereich haben wir unbestreitbar Fortschritte gemacht.

 

Dies beeinflusst und verändert natürlich auch die Spiritualität, aber im Kern kann sie auch heute noch funktionieren imho.

Geschrieben
vor 3 Minuten schrieb Studiosus:

Was ich damit sagen will: Es wird quasi alle paar Jahrzehnte eine neue Sau durchs Theologendorf getrieben. Da bleibe ich doch lieber bei Butter und Schmalz. Das nährt, ist geschmackvoll und die Alten habens auch überlebt.

Wenn vor 30-40 Jahren meine Großeltern zu Besuch kamen oder was gefeiert wurde, gab es jedesmal Suppe, Hauptgericht und Pudding - wenn ich die Mengen heute sehe, weiß ich beim besten Willen nicht mehr, wie man das alles verdrückt hat.

 

Von den 4.000 bis 6.000 Kalorien, die im Mittelalter pro Tag in einem Menschen landeten ganz zu schweigen.

Geschrieben (bearbeitet)
vor 27 Minuten schrieb KevinF:

Die genannten Fragen bzw. die heutigen Antworten darauf sind einfach Teil eines veränderten, realistischeren Weltbildes.

 

Ich kann verstehen, dass die heutige Herangehensweise "realistischer" erscheint. Sie entspricht einem wissenschaftlichen Kritizismus und wohl auch einem naturalistischen Positivismus. Passt also durchaus in die Zeit (seit ~ 1800).

 

Wenn man sich allerdings für eine Sekunde den Gedanken erlaubt (kann ja jeder als Gedankenexperiment mitmachen), auch wenn einem diese Vorstellung vielleicht fürs Erste den Atem raubt, dass sich tatsächlich alles so ereignet hat, wie es die Heilige Schrift bezeugt und die Kirche es verkündet, dann ist das, was moderne Theologen so in die Welt setzen, alles andere als "realistisch", sondern tatsächlich ausgemachter Blödsinn. 

 

Nun wäre Blödsinn allein noch kein Problem, aber es wäre schädlicher Blödsinn, der es Menschen (die doch noch heute, in einer Zeit, in der man vor Soutane und Krummstab keinen Respekt mehr hat, aber vor einem Männlein mit Doktortitel auf einem bibelwissenschaftlichen Lehrstuhl ehrfürchtig staunt) schwerer bis unmöglich macht, den Glauben anzunehmen. 

 

 

Und ich persönlich glaube - eindeutig als persönliche Meinung gekennzeichnet -, dass hier auch der Hase im Pfeffer liegt, was diesen Wandel im Verhältnis zur Heiligen Schrift, also zur Offenbarung selbst angeht: Viele Menschen könnten es schlichtweg nicht ertragen, wenn das Wort Gottes im historischen Sinne wahr wäre, nicht nur im Sinne einer gefälligeren "inneren Wahrheit". Sie würden daran verzweifeln und wohl über kurz oder lang existentiell zerbrechen. Ich glaube, das würde manche wirklich irre machen (im wahrsten Sinne des Wortes). Da ist es natürlich existentiell weniger fordernd, lieber auf die Einflüsse mesopotamischer Mythen und griechischer Heroengeschichten auf die Bibel als "Kulturprodukt" auszuweichen. Das tut keinem weh, publizieren kann man trotzdem und der Lohn ist auch Ende des Monats auf dem Konto. Auswirkung auf das persönliche Leben: nicht vorhanden. 

bearbeitet von Studiosus
Geschrieben (bearbeitet)
19 minutes ago, Studiosus said:

(die doch noch heute, in einer Zeit, in der man vor der Soutane keinen Respekt mehr hat, aber vor einem Männlein mit Doktortitel auf einem bibelwissenschaftlichen Lehrstuhl ehrfürchtig staunt)

 

off topic:

 

Das könnte ein Irrtum sein.

 

Ich habe eher den Eindruck, dass einige Akademiker in einigen Jahren hart auf dem Boden der Realität aufschlagen werden, weil irgendwann auch Politiker und Steuerzahler merken werden, was sie eigentlich alles an Blödsinn finanzieren.

 

Und damit meine ich durchaus auch Teile der theoretischen Physik.

 

Ist aber nur mein Verdacht, Vorhersagen sind ja immer schwierig, wenn sie die Zukunft betreffen 😉

bearbeitet von KevinF
Geschrieben
10 minutes ago, Studiosus said:

Ich kann verstehen, dass die heutige Herangehensweise "realistischer" erscheint. Sie entspricht einem wissenschaftlichen Kritizismus und wohl auch einem naturalistischen Positivismus. Passt also durchaus in die Zeit (seit ~ 1800).

 

Unser Weltbild ist zweifellos realistischer.

Und auch unsere Moral ist fortschrittlicher.

 

Die Frage wäre nun, welcher Teil der christlichen Verkündigung der letzten zweitausend Jahre "Schale" ist, also bedingt durch ein veraltetes Weltbild, und was der eigentliche Kern sein soll.

 

Von dieser Entscheidung hängt dann eben auch ab, welche Kriterien man für die Auslegung der Bibel heranzieht.

Geschrieben (bearbeitet)
vor 10 Minuten schrieb KevinF:

Von dieser Entscheidung hängt dann eben auch ab, welche Kriterien man für die Auslegung der Bibel heranzieht.

 

Dieses Schale-und-Kern-Bild verwenden ja viele Leute gerne, ja auch Bischöfe. 

 

Diese Frage kann man sich immer wieder vorlegen, sollte es sogar tun. Für die Bewertung der Heiligen Schrift (Wer hat uns überhaupt ermächtigt, das Wort Gottes "bewerten" zu dürfen, nur am Rande gefragt) ist sie eher nicht zu gebrauchen, geht es hier doch nicht in erster Linie um die Ableitungen aus der Heiligen Schrift (wir leben vollkommenen eindeutig nicht im Israel des. 1 Jahrhunderts), sondern im ersten Schritt wirklich ums Eingemachte: Überliefert uns die Schrift jenseits "innerer Wahrheiten" und moralischer Lehren zuverlässig, was Gott gesprochen und getan hat - oder eben nicht. [Als zuverlässig würde ich auch noch die Deutung "Gotteswort in Menschenwort" gelten lassen, auch wenn mit dieser Formulierung viel Schindluder getrieben wurde und wird] 

 

Schale und Kern sind in dieser Hinsicht gar nicht trennbar, sondern im Sinne der Geschichtlichkeit und des inkarnatorischen Charakters des christlichen Glaubens miteinander aufs Engste verbunden. 

bearbeitet von Studiosus
Geschrieben
vor 14 Minuten schrieb KevinF:

Unser Weltbild ist zweifellos realistischer.

Und auch unsere Moral ist fortschrittlicher.

Nein.

 

Unser Weltbild beruht genauso auf bekannten Fakten wie damals und ist genauso interpretatorisch.

 

Und bezüglich der Moral stellt sich schon die Frage nach welchen Maßstäben man das beurteilen will. Die Moral der alten Römer war glaube ich von unserer nicht so wahnsinnig verschieden. Es gibt nunmal nichts wirklich Neues unter der Sonne.

 

Geschrieben (bearbeitet)
16 minutes ago, Studiosus said:

 

Dieses Schale-und-Kern-Bild verwenden ja viele Leute gerne, ja auch Bischöfe. 

 

Diese Frage kann man sich immer wieder vorlegen, sollte es sogar tun. Für die Bewertung der Heiligen Schrift (Wer hat uns überhaupt ermächtigt, das Wort Gottes "bewerten" zu dürfen, nur am Rande gefragt) ist sie eher nicht zu gebrauchen, geht es hier doch nicht in erster Linie um die Ableitungen aus der Heiligen Schrift (wir leben vollkommenen eindeutig nicht im Israel des. 1 Jahrhunderts), sondern im ersten Schritt wirklich ums Eingemachte: Überliefert uns die Schrift jenseits "innerer Wahrheiten" und moralischer Lehren zuverlässig, was Gott gesprochen und getan hat - oder eben nicht. [Als zuverlässig würde ich auch noch die Deutung "Gotteswort in Menschenwort" gelten lassen, auch wenn mit dieser Formulierung viel Schindluder getrieben wurde und wird] 

 

Schale und Kern sind in dieser Hinsicht gar nicht trennbar, sondern im Sinne der Geschichtlichkeit und des inkarnatorischen Charakters des christlichen Glaubens miteinander aufs Engste verbunden. 

 

Bin nicht sicher, ob ich das verstehe.

Wenn die Kriterien für die Exegese nicht von der Unterscheidung zwischen Schale und Kern abhängen sollen, wovon denn dann?

 

Geht es Dir wirklich nur um die geschichtliche Wahrheit der Bibel, also ob zum Beispiel der Exodus so stattgefunden hat, wie beschrieben?

 

Da wären wir dann wieder bei meiner Warnung, dass man sein Herz nicht an Fragen der Geschichtswissenschaft hängen, diese also nicht mit existentieller Bedeutung aufladen sollte.

 

Das gilt dann aber natürlich auch für die Frage nach dem historischen Jesus.

 

Dass es hier für die konservative Theologie schwierig wird, kann ich nachvollziehen.

 

Für mich persönlich spielt die Frage nach dem historischen Jesus keine Rolle, mich interessiert nur der kerygmatische.

bearbeitet von KevinF
Geschrieben
9 minutes ago, Flo77 said:

Nein.

 

Doch, siehe Physik und Technik 🙂

 

10 minutes ago, Flo77 said:

Die Moral der alten Römer war glaube ich von unserer nicht so wahnsinnig verschieden.

 

Sklavenhaltung ;) ?

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