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Atheismus


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Geschrieben
vor 5 Minuten schrieb KevinF:

Doch, siehe Physik und Technik 🙂

Auch die ergebnisse dieser adisziplinen werden interpretiert.

 

vor 5 Minuten schrieb KevinF:

Sklavenhaltung ;) ?

Wenn ich so manche Arbeitsbedingungen sehe...

Geschrieben (bearbeitet)
vor 30 Minuten schrieb Flo77:

Es gibt nunmal nichts wirklich Neues unter der Sonne.

 

Dem würde ich ausdrücklich zustimmen. Hat sich der Mensch binnen 2000 Jahren denn wirklich wesenhaft verändert? Ich würde fast sagen Nein. 

 

Sicher, wie angesprochen gibt es ethische und juristische Fortschritte. Nach dem letzten großen Krieg, der in weltgeschichtlicher Sicht erst einen Wimpernschlag vorüber ist, haben Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterschrieben und die Furie des Krieges geächtet. Darüber tauschen wir uns aus, während der Ukrainekrieg im dritten Jahr tobt. 

 

Durch Fortschritt in Wissenschaft und Technik werden wir älter, transplantieren Herzen und aus Eitelkeit auch Haare. Wir kommunizieren über elektronische Zigarettenschachteln und können an jedem Ort der Welt Bilder von unserem Essen auf Socialmedia posten. 

 

Hat das den Menschen im Kern verändert? Gebessert gar? 

 

Ich bleibe zur Abwechslung auf Seiten des Widersachers, zumindest des faustischen: Der kleine Gott der Welt bleibt stets vom gleichen Schlag / Und ist so wunderlich als wie am ersten Tag. 

 

Deshalb, und da kann man mir gerne widersprechen, ist trotz aller Unterschiede in Zeit und Kultur, das, was vom Menschen und über den Menschen in der Heiligen Schrift gesagt ist, durchaus bis auf unsere Tage anwendbar und aktuell. 

bearbeitet von Studiosus
Geschrieben
vor 10 Minuten schrieb Studiosus:

Deshalb, und da kann man mir gerne widersprechen, ist trotz aller Unterschiede in Zeit und Kultur, das, was vom Menschen und über den Menschen in der Heiligen Schrift gesagt ist, durchaus bis auf unsere Tage anwendbar und aktuell. 

Darauf ein klares Jein.

 

Der Mensch hat sich in seiner grundsätzlichen Funktionalität nicht verändert. Seine Bedürfnisse, Motivationen und Gefühle sind immer noch die gleichen. Auch die Wege, wie der Mensch seine Normen und Werte findet sowie seine Grundverhaltensmuster entwickelt sind vom Schema her unverändert.

 

Was sich aber definitiv verändert hat, ist der Inhalt der Normen, Werte und des akezeptierten Verhaltens.

 

Diese Veränderungen der Inhalte findet man ja sogar in der Schrift (wie z.B. beim Umgang mit Kinderopfern). Insofern ist der Tod des letzten Apostels nur bedingt ein sicherer Stichtag für die Festlegung eines "immerwährenden" Menschenbildes.

Geschrieben (bearbeitet)
vor 13 Minuten schrieb Flo77:

Was sich aber definitiv verändert hat, ist der Inhalt der Normen, Werte und des akezeptierten Verhaltens.

 

 

 

Das ist so und das will ich gar nicht abstreiten, aber das betrifft ja, zumindest in meiner Wahrnehmung, den Menschen als solchen nicht, sondern eher Kollektive, ums moderner zu sagen Gemeinwesen, die sich so oder so auf soziale Spielregeln einigen müssen. 

 

Das Wesen (ich weiß, den Begriff magst Du nicht) tastet das nicht an. 

 

bearbeitet von Studiosus
Geschrieben
vor 4 Minuten schrieb Studiosus:

 

Das ist so und das will ich gar nicht abstreiten, aber das betrifft ja, zumindest in meiner Wahrnehmung, den Menschen als solchen nicht, sondern eher Kollektive, ums moderner zu sagen Gemeinwesen, die sich so oder so auf soziale Spielregeln einigen müssen. 

Ich bin mir ziemlich sicher, daß Du weitaus mehr aus der Schrift in eine Beschreibung des Wesens des Menschen übernehmen würdest als ich (angefangen bei der Erlösungsbedürftigkeit).

 

vor 4 Minuten schrieb Studiosus:

Das Wesen (ich weiß, den Begriff magst Du nicht) tastet das nicht an.

Ich mag den Begriff im kirchlichen Zusammenhang nicht, weil die Anthropologie der Kirche zum einen nicht in einer laienverständlichen Darstellung vorliegt (und jetzt komm bitte nicht mit dem KKK) und der Begriff "Wesen" meinem Eindruck nach nicht stringent in der gleichen Bedeutung benutzt wird.

Geschrieben
vor 5 Stunden schrieb gouvernante:

Der Primat auch.

Ganz sicher, weil Gott alle Kreaturen geschaffen hat. Bloß hat er nur den Menschen nach seinem Bilde geschaffen.

Geschrieben (bearbeitet)
vor 5 Stunden schrieb Studiosus:

Ich kann nur dazu ermutigen, den alten Auslegern (den Kirchenschriftstellern und -vätern) mehr zuzutrauen, als das gemeinhin geschieht. Wir (als neuzeitliche Menschen) haben in dieser Hinsicht das Rad nicht neu im 18. und 20. Jahrhundert erfunden und unsere Methoden sind den Alten nicht so überlegen, dass ihnen automatisch der Vorzug gebührte. Im Gegenteil sollte man sich vergegenwärtigen, dass von den rechtgläubigen Vätern viele entweder in ihrem zivilen Leben oder zusätzlich zu ihrer kirchlichen Laufbahn ausgewiesene Gelehrte und Fachmänner waren. Der Hl. Augustinus etwa war vor seiner Bekehrung Rhetoriklehrer, man kann also davon ausgehen, dass er Ahnung von Literatur, von Texten und deren Komposition hatte. Auch unter den heterodoxen Schriftstellern, so beispielsweise einem Origenes der alexandrinischen Schule, findet sich bereits vertieftes literaturkritisches Potenzial.

 

Bedauerlicherweise haben Origenes und viele andere alte Ausleger z.B. der Synagoge ihr bereits vertieftes literaturkritisches Potenzial ohne Anleitung der Kirche nicht bis zur vollen Blüte entwickeln können.

 

vor 5 Stunden schrieb Studiosus:

Kurzum: Auch die Exegeten der alten Zeit konnten selbstverständlich erkennen, ob es sich bei einem Stück der Schrift um Poesie, einen Hymnus, narrative Szenen o. ä. handelte.

 

Und was ist mit der Allegorie?

 

vor 5 Stunden schrieb Studiosus:

Was sie nicht taten, war, wie angedeutet, den Literalsinn oder den historischen Sinn auszuschließen oder geringzuschätzen. Er nimmt den ersten Platz ein, die weiteren denkbaren sensus treten als Ergänzungen, als Erweiterungen hinzu, um zusätzliche Bedeutungsebenen aufzuschließen. Das ist ein entscheidender Unterschied zur gegenwärtigen Herangehensweise der sogenannten wissenschaftlichen Schriftauslegung.

 

Unerhört! Ist es wirklich schon so weit gekommen, dass die Kirche keine Möglichkeit mehr hat, wenigstens auf die Wissenschaftler der katholischen Fakultäten heilsamen Einfluss zu nehmen?

 

vor 5 Stunden schrieb Studiosus:

Und freilich gibt es auch in der Schrift deutliche Anzeichen, wann einzelne Passagen oder ganze Bücher allegorisch, metaphorisch oder als Gleichnisse zu verstehen sind.

 

Gewiss, ohne solch eindeutige, werkimmanente Indikatoren die klar machen, ob es sich bei einem Text um eine Allegorie handelt, könnte man das ja gar nicht verstehen.

 

vor 5 Stunden schrieb Studiosus:

Wenn es im Evangelium heißt "Und er erzählte ihnen ein Gleichnis" und Jesus selbst die Deutung dieser Bildrede mitliefert, dann ist der Fall ja sogar innerhalb der Grenzen des Textes klar. "Mit dem Königreich der Himmel ist es wie...": Ein Mann ging..., ein Mann kaufte..., ein Vater hatte zwei Söhne..., ein Reicher und ein Armer...; parabolische Rede mit Ankündigung. Dass hier nicht (unbedingt; ob es den armen Lazarus und den reichen Prasser als historische Personen um die Zeit Jesus herum gegeben haben mag, kann man diskutieren) Realgeschichte vermittelt werden soll, ist eigentlich jedem nachvollziehbar. Der Fokus liegt auf der Botschaft hinter dem Gleichnis. Das ist bei anderen, ja der Vielzahl der Stellen nicht so, dass der Text selbst diesen Leseschlüssel mitgibt. Die meisten Texte der Evangelien sind klare Aussagesätze in Standardgriechisch: Jesus ging dahin und dorthin, tat und sagte dieses und jenes etc. Da schaltet sich auch der Evangelist oder Redaktor nicht als "Stimme aus dem Off" ein und macht eine Vorbemerkung: "Jesus strahlte eine solche Gottesnähe aus, dass den Leuten, die zu ihm kamen, war als würden die Blinden wieder sehen und die Lahmen gehen." Das geschieht nun gerade nicht. Die Evangelien sind da im Gegenteil, außer bei den ausführlichen Heilungswundern, bisweilen lakonisch: Jesus kam in diesen und jenen Ort, heilte viele, trieb Dämonen aus und predigte. Ebenso taten die Apostel. Punkt. Auch an einem neuralgischen Punkt, der Auferstehung, findet sich kein Hinweis, den der Text selbst gibt, dass Auferstehung im übertragenen Sinne gemeint sein würde: "Da gingen die Jünger zum Grabe und plötzlich kam ihnen die Erinnerung an Jesus wieder so lebhaft in ihre Herzen, dass es ihnen so war, als wäre der Stein vom Eingang weggewälzt und das Grab leer [dabei liegt der tote Körper Jesu tatsächlich darinnen]." Das gibt es ja nun nicht. Das sind, wenn überhaupt, sehr späte, in meinen Augen rein rationalistisch-psychologisierende Sekundärdeutungen, die in der langen Geschichte von Kirche und Theologie keine Tradition haben. 

 

Dieser Umstand führte die alten Ausleger nachvollziehbarerweise dazu, den historischen Sinn als Standardsinn der Heiligen Schrift festzuhalten.

 

Ja, das kann ich gut nachvollziehen. 

 

vor 5 Stunden schrieb Studiosus:

Daneben gibt es punktuell auch den gegenteiligen Fall, in dem zumindest den alten Theologen recht eindeutig erschien, dass der Literalsinn hinter einer allegorischen Deutung zurückstehen müsse. Das ist beim schon angesprochenen Hohelied der Fall, das in der christlichen Tradition nahezu ausschließlich allegorisch und sublimiert hin auf die Liebe Gottes zu seinem Volk/der einzelnen Seele interpretiert wurde.

 

Jetzt kommen wir am Beispiel des Hoheliedes, welches ich so sehr schätze, zu den eindeutigen, werkimmanenten Indikatoren die klar machen, dass es sich beim Lied der Lieder um eine Allegorie handelt.

 

vor 5 Stunden schrieb Studiosus:

Denn natürlich konnten die Alten schon Gattungen unterscheiden; dazu brauchten sie nicht auf protestantische Exegeten Anno 1780 warten.

 

Ja, ja; iwo. 

 

vor 5 Stunden schrieb Studiosus:

Das Hohelied ist, bisweilen erotische, Liebesdichtung. Dass sich christliche Kommentatoren, die an die Inspiration der Heiligen Schrift durch den Geist Gottes glaubten, in einem zweiten Schritt fragten, warum sich derselbe Gott gewürdigt haben sollte, diese wörtlich genommen doch recht profane, orientalische Liebeslyrik zu unserem Heil zu offenbaren, ist konsequent.

 

Jubilate! Einen eindeutigen, werkimmanenten Indikator der klar macht, warum das Hohelied eine Allegorie ist, haben wir schon: den Geist Gottes. 

 

vor 5 Stunden schrieb Studiosus:

Und damit war der Sprung von einer wörtlichen Auslegung hin zu einer allegorischen Interpretation schon fast getan und die "sittliche Unreife", die man diesem Werk bei oberflächlicher Betrachtungsweise christlicherseits beilegen konnte, zugunsten einer theologisch wertvollen Auslegung überwunden.

 

Fast, aber noch nicht ganz, denn die anderen eindeutigen, werkimmanenten Indikatoren die klar machen, warum das Hohelied eine Allegorie ist, fehlen ja noch. Ach ist das spannend.

 

vor 5 Stunden schrieb Studiosus:

Also ich kann die Gedankengänge der alten Theologen vollkommen nachvollziehen, auch wenn uns Jahrtausende trennen. 

 

Ja, ja, ich auch, ich auch. 

 

vor 5 Stunden schrieb Studiosus:

Ich glaube, auch unabhängig vom konkreten Beispiel des Hohelieds, die christliche Theologie macht diesbezüglich wieder unschöne Rückschritte. 

 

Sehr bedauerlich, für die christliche Theologie ... nein, bitte sag jetzt nicht, dass die Kirche etwa auch die weiteren eindeutigen, werkimmanenten Indikatoren, die klar machen, warum das Hohelied eine Allegorie ist, vergessen hat. Das kann ich nicht glauben, dass die traditionsbewusste Kirche etwas wegschmeißt. Da gibt es bestimmt irgendwo in den tiefen der Archive ein Dokument, auf dem diese vor langer Zeit niedergeschrieben worden sind. Daran glaube ich fest.  

bearbeitet von Weihrauch
Geschrieben
vor 54 Minuten schrieb Weihrauch:

Unerhört! Ist es wirklich schon so weit gekommen, dass die Kirche keine Möglichkeit mehr hat, wenigstens auf die Wissenschaftler der katholischen Fakultäten heilsamen Einfluss zu nehmen?

 

Was meinst du? Zensur, Entlassung, Scheiterhaufen? ;)

Geschrieben
2 hours ago, Flo77 said:

Ich bin mir ziemlich sicher, daß Du weitaus mehr aus der Schrift in eine Beschreibung des Wesens des Menschen übernehmen würdest als ich (angefangen bei der Erlösungsbedürftigkeit).

 

 

Dieser Vermutung bezüglich @Studiosus schließe ich mich an.

 

Bei mir kommt dann eben noch hinzu, dass das, was ich als den Kern der christlichen Spiritualität betrachte, nicht den Glauben an die Existenz von Übernatürlichem voraussetzt.

 

Und dass die Bibel für mich kein Kriterium für Ethik ist, sondern umgekehrt Ethik ein Kriterium zur Bewertung von Religion.

 

Mein "Kern" dürfte also anders sein als Eurer.

Geschrieben (bearbeitet)
On 12/31/2024 at 8:03 PM, Studiosus said:

Und ich persönlich glaube - eindeutig als persönliche Meinung gekennzeichnet -, dass hier auch der Hase im Pfeffer liegt, was diesen Wandel im Verhältnis zur Heiligen Schrift, also zur Offenbarung selbst angeht: Viele Menschen könnten es schlichtweg nicht ertragen, wenn das Wort Gottes im historischen Sinne wahr wäre, nicht nur im Sinne einer gefälligeren "inneren Wahrheit". Sie würden daran verzweifeln und wohl über kurz oder lang existentiell zerbrechen. Ich glaube, das würde manche wirklich irre machen (im wahrsten Sinne des Wortes).

 

Und was sagt dies über ein so gezeichnetes Gottesbild aus?

 

Mich erinnert es an eine Kritik Tillichs an einem bestimmten Gottesbild, das er in "Der Mut zum Sein" unter der Kategorie "theologischer Theismus" einordnet:

 

"Gott erscheint als der unbesiegbare Tyrann, das Wesen, dem gegenüber alle anderen Wesen ohne Freiheit und Subjektivität sind. Er erscheint uns wie die Tyrannen unserer Zeit, die mit Hilfe des Terrors Menschen in bloße Objekte zu verwandeln suchen, in Dinge unter Dingen, in Rädchen einer Maschine, die sie dirigieren. Er wird zum Muster alles dessen, wogegen der Existentialismus revoltiert. Er ist der Gott, von dem Nietzsche den Mörder Gottes sagen läßt, daß er getötet werden mußte, weil niemand ertragen kann, zu einem bloßen Objekt absoluten Wissens und absoluter Beherrschung gemacht zu werden. Hier liegt die tiefste Wurzel des Atheismus. Es ist ein Atheismus, der gerechtfertigt ist als Reaktion gegen den theologischen Theismus und dessen erdrückende Konsequenzen."

bearbeitet von KevinF
Geschrieben (bearbeitet)

@KevinF

 

In dieser Richtung habe ich das gar nicht gemeint. Mir ging es eher ums Grundsätzliche (und darin erkennst Du Dich vielleicht wieder, weil Du ja selbst vergröbernd gesagt die Position vertrittst, dass ein Gott "der der naturwissenschaftlichen Welterklärung widerspricht" für Dich nicht denkbar oder wünschenswert wäre):

 

Da geht man 13 Jahre lang auf die Schule, bekommt dort gelehrt, wie die Welt "funktioniert" (Gott, eine "Übernatur" braucht es da nicht), man lernt fast schon fromm wie neue Gebete die Axiome der Mathematik, Physik, Biologie und Chemie auswendig und verinnerlicht diese. Dann geht man in Ausbildung oder Studium und dort geht es in dieser Tendenz weiter fort. Manche entscheiden sich vielleicht sogar für die vom Thron gestoßene Fürstin der Wissenschaften, die Theologie, und bekommen dort, von Menschen, die genauso wie zuvor beschrieben erzogen wurden, in den Einleitungswissenschaften erklärt: Den Glauben müsse man in unserer Zeit im Einklang mit der gegenwärtigen Weltvernunft erklären. Gott, auf welche Weise auch immer es ihn gibt, verlasse das Kästchen nicht, in das ihn Naturwissenschaften und moderne Theologie und Philosophie gesperrt haben. Mit der Schrift habe es so seine Bewandtnis. Sie sei ausschließlich Glaubenszeugnis, nicht Urkunde über tatsächlich Geschehenes. Der Mensch, einem inneren Impuls der religiösen Bewegtheit folgend, hat in Sprache und Bild seiner Zeit und kontigenten Vernunft diese Erfahrungen aufgeschrieben. Diesen Code müsse man nur lesen lernen, um zwar nicht den Hauch des Geistes Gottes zwischen den Zeilen zu entdecken, aber um religiös und ethisch wertvolle Botschaften daraus zu destilieren, die größer seien als die historische Wahrheit. Sprach der Gott der Väter am Sinai zu Mose? Ging er dem Volk in einer Feuersäule durch das geteilte Meer voraus? Ist der Sohn vom Himmel herabgestiegen und wurde Mensch aus einer Jungfrau? Bezwang unser Herr den Sturm? Heilte er Taube, Stumme, Lahme, trieb er Dämonen aus? Ging er bei seinem Wandel auf dem See nicht unter? Ist er nach Leiden und Kreuzestod wahrhaft auferstanden und fanden seine Jünger sein Grab bar der Binden und Tücher leer? Erschien er dem Kephas und den übrigen Jüngern, konnte Thomas seine Finger in seine Seite legen? Wurde er in die Herrlichkeit seines Reiches aufgenommen, aus der er wiederkommen wird am Tag des Gerichts? - Das alles wird mit Verweis darauf, dass es auf geschichtliche Faktizität nicht ankomme, als zweitrangig abgetan und stattdessen hinter einer Kaskade von gelehrten Worten, die vielleicht bei Licht betrachtet so tiefsinnig nicht sein mögen, verborgen. Die eigentlich wichtigen Fragen des christlichen Glaubens verstauben hinter Folianten mit Bibelmanuskripten, hinter Wörterbüchern, Lexika, Schriftproben, historisch-kritischen Dissertationen über dieses oder jenes Buch der Schrift aus zweihundert Jahren und hinter angegilbeten Zulassungsarbeiten. Das kann, bei aller Sympathie für akademische Fingerübungen, nicht sein, worum es hier geht oder gehen sollte.

 

Ich lade erneut dazu ein, sich für einen Moment dem sicher herausfordernden Gedanken nicht zu verschließen, dass alles, was Gott gesprochen und getan hat, was die Kirche Offenbarung nennt, getreu und zuverlässig und ohne Abstriche in der Heiligen Schrift zu unserem Heil überliefert worden ist. 

 

Das würde erstmal ein Weltbild gehörig zerschlagen, vermute ich. Und das macht demütig, kränkt womöglich zusätzlich einen gewissen Narzissmus, den sich der Mensch unserer Epoche als Entzauberer der Welt zugelegt hat. 

 

Ich persönlich bin überzeugt, dass das ein Grund, vielleicht der Hauptgrund, dafür ist, warum sich Menschen - auch Gläubige aller Stände - mittlerweile so dagegen stemmen, die Heilige Schrift in einem historischen, literalen Sinne verstehen zu wollen. Mich erinnert diese Haltung ein wenig an Solowjews Antichrist und die Realisation, die der titelgebende Antichrist, ein Mensch, ziemlich am Anfang über Christus hat und die ihn in eine Sinnkrise bis hin zum versuchten Selbstmord treibt: "Nein! Er ist nicht auferstanden! Er ist nicht auferstanden!" Warum darf Christus hier nicht wahrhaft auferstanden sein? Ganz einfach: Weil dann alles, woran der Antichrist - in diesem Werk ein Mann der Kultur, Wissenschaft und "Philanthropie" - sich festhalten kann, hinfällig wird, einschließlich seines Anspruches, selbst Herr und Gestalter der Geschichte, seiner Geschichte zu sein. 

 

Hier verfassen ja einige gerne Gebete, das will ich auch versuchen. Denn die einzige wirklich angemessene Reaktion auf die Anerkenntnis, dass da ein Gott ist, der sich in der äußeren Offenbarung dem Menschengeschlecht gezeigt hat und dessen Wirken in der Geschichte getreu in der Heiligen Schrift des Alten und Neuen Testamentes niedergelegt wurde, kann nur ein Gebet wie das folgende sein:

 

Mit ganzem Herzen, ganzer Seele und ganzem Verstand umfasse, glaube und bezeuge ich alles, was Du, Allerhöchster, seit Anbeginn der Welt gesprochen und getan hast und dessen Du Dich durch deinen Heiligen Geist gewürdigt hast, uns zu unserem Heile Kunde zu bringen durch den Mund deiner Propheten und heiligen Schriftsteller. 

 

Dein Wort, o Herr, steht fest in Ewigkeit. 

 

Wahr sind alle deine Sprüche, groß deine Taten, gerecht deine Urteile und heilsam deine Weisungen.

 

Als die Zeit vollkommen war, hast Du selbst deinen eingeborenen Sohn als Unterpfand unserer Erlösung in die Welt gesandt, damit sich vor aller Augen erfülle, was in den alten Tagen geweissagt wurde. Im Vertrauen auf ihn, zu dessen Kreuz und Opfer ich meine einzige Zuflucht nehme, erwarte ich seine glorreiche Wiederkunft und sein gerechtes Gericht. 

 

Jesus Christus, wahrer Sohn des Vaters, Lamm Gottes, Erlöser der Welt. Erette mich. Amen. 

bearbeitet von Studiosus
Geschrieben (bearbeitet)
vor 7 Stunden schrieb Studiosus:

Sprach der Gott der Väter am Sinai zu Mose? Ging er dem Volk in einer Feuersäule durch das geteilte Meer voraus? Ist der Sohn vom Himmel herabgestiegen und wurde Mensch aus einer Jungfrau? Bezwang unser Herr den Sturm? Heilte er Taube, Stumme, Lahme, trieb er Dämonen aus? Ging er bei seinem Wandel auf dem See nicht unter? Ist er nach Leiden und Kreuzestod wahrhaft auferstanden und fanden seine Jünger sein Grab bar der Binden und Tücher leer? Erschien er dem Kephas und den übrigen Jüngern, konnte Thomas seine Finger in seine Seite legen? Wurde er in die Herrlichkeit seines Reiches aufgenommen, aus der er wiederkommen wird am Tag des Gerichts?

 

Das alles habe ich (ohne die ? sondern stattdessen mit !) gelernt, bevor ich in die Schule kam, und weil es eine katholische Schule war, darüber hinaus. Das war in meinem Umfeld common sense, und natürlich habe ich genau so gebetet wie du:

 

  

vor 7 Stunden schrieb Studiosus:

Mit ganzem Herzen, ganzer Seele und ganzem Verstand umfasse, glaube und bezeuge ich alles, was Du, Allerhöchster, seit Anbeginn der Welt gesprochen und getan hast und dessen Du Dich durch deinen Heiligen Geist gewürdigt hast, uns zu unserem Heile Kunde zu bringen durch den Mund deiner Propheten und heiligen Schriftsteller. 

 

Dein Wort, o Herr, steht fest in Ewigkeit. 

 

Wahr sind alle deine Sprüche, groß deine Taten, gerecht deine Urteile und heilsam deine Weisungen.

 

Als die Zeit vollkommen war, hast Du selbst deinen eingeborenen Sohn als Unterpfand unserer Erlösung in die Welt gesandt, damit sich vor aller Augen erfülle, was in den alten Tagen geweissagt wurde. Im Vertrauen auf ihn, zu dessen Kreuz und Opfer ich meine einzige Zuflucht nehme, erwarte ich seine glorreiche Wiederkunft und sein gerechtes Gericht. 

 

Jesus Christus, wahrer Sohn des Vaters, Lamm Gottes, Erlöser der Welt. Erette mich. Amen.

 

Alles war gut, aber genau anders herum, als du es hier darstellst. Denn was ich von Kindesbeinen von der Kirche gelernt hatte, war mein Weltbild.

 

vor 7 Stunden schrieb Studiosus:

Ich lade erneut dazu ein, sich für einen Moment dem sicher herausfordernden Gedanken nicht zu verschließen, dass alles, was Gott gesprochen und getan hat, was die Kirche Offenbarung nennt, getreu und zuverlässig und ohne Abstriche in der Heiligen Schrift zu unserem Heil überliefert worden ist. 

 

Das würde erstmal ein Weltbild gehörig zerschlagen, vermute ich. Und das macht demütig, kränkt womöglich zusätzlich einen gewissen Narzissmus, den sich der Mensch unserer Epoche als Entzauberer der Welt zugelegt hat. 

 

Ich wurde dazu eingeladen, mich für einen Moment diesen sicher herausfordernden Gedanken nicht zu verschließen:

 

vor 7 Stunden schrieb Studiosus:

Da geht man 13 Jahre lang auf die Schule, bekommt dort gelehrt, wie die Welt "funktioniert" (Gott, eine "Übernatur" braucht es da nicht), man lernt fast schon fromm wie neue Gebete die Axiome der Mathematik, Physik, Biologie und Chemie auswendig und verinnerlicht diese. Dann geht man in Ausbildung oder Studium und dort geht es in dieser Tendenz weiter fort. Manche entscheiden sich vielleicht sogar für die vom Thron gestoßene Fürstin der Wissenschaften, die Theologie, und bekommen dort, von Menschen, die genauso wie zuvor beschrieben erzogen wurden, in den Einleitungswissenschaften erklärt: Den Glauben müsse man in unserer Zeit im Einklang mit der gegenwärtigen Weltvernunft erklären. Gott, auf welche Weise auch immer es ihn gibt, verlasse das Kästchen nicht, in das ihn Naturwissenschaften und moderne Theologie und Philosophie gesperrt haben. Mit der Schrift habe es so seine Bewandtnis. Sie sei ausschließlich Glaubenszeugnis, nicht Urkunde über tatsächlich Geschehenes. Der Mensch, einem inneren Impuls der religiösen Bewegtheit folgend, hat in Sprache und Bild seiner Zeit und kontigenten Vernunft diese Erfahrungen aufgeschrieben. Diesen Code müsse man nur lesen lernen, um zwar nicht den Hauch des Geistes Gottes zwischen den Zeilen zu entdecken, aber um religiös und ethisch wertvolle Botschaften daraus zu destilieren, die größer seien als die historische Wahrheit.

 

Das was für mich den Unterschied bezüglich meines Weltbildes gemacht hat, war der Mangel an Dialogfähigkeit der Kirche im Gegensatz zu der "modernen Welt". Die Kirche kommt aus der Nummer "Autorität und Tradition" nicht mehr raus, und der moderne Mensch kommt da nicht mehr rein, weil jede Frage die man der Kirche stellt, mit "Autorität und Tradition" beantwortet wird, selbst wenn es um eigentlich banale Dinge geht, woran man erkennen könne, dass das Lied der Lieder eine Allegorie sei. Da kommt dann halt nichts vernünftiges, eben genau das nicht, was zuerst großspurig behauptet wurde, kein einziger textimmanenter Indikator. Woanders bekommt man einen Haufen Antworten, zu der Frage, was eine Allegorie sei, und da fällt das Lieder der Lieder mit guten, nachvollziehbaren Gründen aus der Kategorie Allegorie raus.    

bearbeitet von Weihrauch
Geschrieben (bearbeitet)

Bei mir ist das witzigerweise tatsächlich genau andersherum. In meiner Kindheit und Jugend - ich bin allerdings auch auch erst in den frühen Dreißigern - stand kein strenger Katechet oder autoritärer Pfarrer vor der Klasse, der mir eingebläut hätte, dass man dieses und jenes aber unbedingt und ganz genau historisch, wenigstens aber im Sinne des kirchlichen Dogmas verstehen und annehmen müsse. Das war damals schon nicht mehr "Mode". 

 

Im Gegenteil habe ich von Kindheit an genau das vermittelt bekommen, was ich hier in aller Regelmäßigkeit kritisiere. Das ging schon in den etwas höheren Klassen im Religionsunterricht los, als man so ein suggestives Steckbrieflein ausfüllen sollte nach dem Motto "Was wissen wir vom historischen Jesus?" und endete irgendwann bei einer jugendgerechten Vulgärversion der Zwei-Quellen-Theorie und einer rudimentären Einführung in die Methoden der historischen Kritik. Damit kam ich später, bedingt durch die Studienwahl, ja noch in deutlicher Vertiefung in Berührung. 

 

Ich will das rückblickend, dazu neigt man ja, nicht verklären. Aber ich weiß, dass mich das von Stunde 1 weder überzeugt, noch irgendwie existentiell angerührt hat. Der kirchliche Glaube wiederum hat das von Anfang an getan. Gegenüber dieser anderen Art von Glauben, die ich schon damals als relativierend und im Grunde unaufrichtig wahrgenommen habe, habe ich instinktiv einen großen Widerwillen empfunden, obwohl man Kindern und Jugendlichen ja unterstellt, sehr beeinflussbar zu sein. Das hat sich mit wachsendem Wissen um die Grundlagen und vor allem um Folgen für Kirche und Theologie nicht gelegt, sondern eher noch verstärkt. 

 

Und deshalb sind wir heute da, wo wir sind. 

bearbeitet von Studiosus
Geschrieben (bearbeitet)
vor 38 Minuten schrieb Studiosus:

Bei mir ist das witzigerweise tatsächlich genau andersherum. In meiner Kindheit und Jugend - ich bin allerdings auch auch erst in den frühen Dreißigern - stand kein strenger Katechet oder autoritärer Pfarrer vor der Klasse, der mir eingebläut hätte, dass man aber dieses und jenes aber unbedingt und ganz genau historisch, wenigstens aber im Sinne des kirchlichen Dogmas verstehen und annehmen müsse. Das war damals schon nicht mehr "Mode". 

 

Ich bin doppelt so alt wie du. Die Zeiten haben sich geändert. Die strengen Katecheten und autoritären Pfarrer kamen erst später, als ich kein Kind mehr, sondern schon ein Jugendlicher war, und da wurde es für mich aus oben genannten Gründen problematisch. In meiner katholischen Schule kam, als ich noch in der ersten und zweiten Klasse war, öfter mal die "Omi" (Gründerin ?) der Schule vorbei, und erzählte uns Geschichten von Jesus. Sie war eine begnadete Erzählerin und wir Kinder hingen begeistert an ihren Lippen, glaubten ihr jedes Wort, und wollten sie nicht wieder gehen lassen. "Erzähl uns noch eine Geschichte von Jesus, nur noch eine, bitte, bitte, bitte!" Sie war es, die den Grundstock meines Glaubens in meine Kinderseele gepflanzt hat. Das war schön, aber war das wirklich gut? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, irgendwie schon aber irgendwie auch nicht, rückwirkend betrachtet. 

 

Egal wie rum, es ist nicht schön, und schmerzlich, wenn ein Weltbild den Bach runter geht. Gäbe es da nicht bessere, harmonischere Wege der religiösen Erziehung? 

bearbeitet von Weihrauch
Geschrieben (bearbeitet)

Flasch übrigens war nicht deswegen kein Christ, weil er schlechte Erfahrungen gemacht hat,  sondern aus wissenchaftlichen Gründen. Er beschreibt,  dass der Lateinprofessor ganz anders literaturexegetisch an die Klassiker rangegangen ist, als an das Neue Testament. 

bearbeitet von Einsteinchen
Geschrieben (bearbeitet)
vor 49 Minuten schrieb Weihrauch:

Egal wie rum, es ist nicht schön, und schmerzlich, wenn ein Weltbild den Bach runter geht. Gäbe es da nicht bessere, harmonischere Wege der religiösen Erziehung? 

 

Das kommt darauf an, was Du damit meinst, dass ein Weltbild den Bach runter geht? Ging dein im konventionellen Sinne gläubiges Weltbild zu Bruch, weil Du Dich mit exegetischer Fachliteratur beschäftigt hast? Ich glaube, ohne das natürlich wirklich sagen zu können, dass ich im Theologiestudium, aber schon deutlich davor und weiter danach, mein gutes Pfund an derartiger Literatur gelesen habe, vielleicht sogar mehr als Du (nicht aus übersteigertem Interesse am Thema, aber man kommt daran schwerlich vorbei). Mein "Weltbild", meinen Glauben, der ein klassischer, traditioneller, kirchlich-dogmatischer Glaube ist, wurde dadurch nicht zerstört. Ja nicht einmal angetastet, würde ich behaupten. 

 

Deshalb meine ich, dass Weltbilder nicht einfach wechseln oder zerschellen, es gehört - so mein Eindruck - die bewusste Entscheidung dazu. Man muss sich dafür entscheiden, wie Du das wahrscheinlich tatest, jetzt nicht mehr der kirchlichen Verkündigung oder der Schrift selbst zu folgen, sondern Dich künftig darauf zu verlassen, was die Bibelwissenschaftler schreiben, die Du liest. Könnte das so sein? 

 

Ob das wirklich unbewusst geschehen kann, bezweifle ich fast. Sicher gibt es einen gewissen Druck von Leuten auch im religiösen Umfeld, die schon genauso denken und einem einreden, der kirchliche Glaube sei sozusagen der niveaulosere, kindischere (ich darf versichern, dass meine Art zu Glauben nichts, aber auch wirklich gar nichts mit Omas Bibellesestunde gemein hat), während der auf historisch-kritischer Bibelauslegung basierende der erwachsene, intellektuelle sei, aber das ist meiner Erfahrung nach Unsinn. Das sagen meistens Leute, Theologen, als eine Art Mantra der Selbstbestätigung ihres Anstatzes, ja der gesamten zeitgenössischen Disziplin. Der Heilige Augustinus würde hier die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und sagen: Ja, junger Novize, befleissige Dich in der Kenntnis über die Heilige Schrift, lerne Ihre Sprachen, vergleiche die Texte, studiere die Allegorese, aber den historischen Sinn der Schrift, junger Freund, den halten wir mal schön fest, damit das klar ist! 

bearbeitet von Studiosus
Geschrieben
vor 4 Minuten schrieb Studiosus:

Das kommt darauf an, was Du damit meinst, dass ein Weltbild den Bach runter geht? Ging dein im konventionellen Sinne gläubiges Weltbild zu Bruch, weil Du Dich mit exegetischer Fachliteratur beschäftigt hast?

 

Nein, das kam erst sehr viel später, in meinen 30ern. Daran schuld waren die strengen Katecheten und autoritären Pfarrer meiner Pupertät, die außer Totschlagargumenten (Autorität und Tradition) keine vernünftigen Antworten auf berechtigte Fragen hatten. Mit 13 begegnete ich meiner ersten großen Liebe, und ich erinnere mich noch gut wie ich im Beichtstuhl saß ... diese Diskrepanz zwischen meinem tatsächlichen Erleben und dem, was ich da zu hören bekam, zwang mich zu einer Entscheidung. Für Steffi, für die Liebe, oder dagegen. Da war ich raus aus der Kirche, aber nicht aus dem Glauben. Mein christlicher Glaube machte dann zwar auch eine längeren Pause, aber meine Spiritualität nicht. Ich beschäftigte mich mit ein paar anderen Religionen, und merkte dabei, dass für den Glauben Historizität überhaupt keine Rolle spielt. Die meisten Religionen kommen wunderbar ohne aus, und sind deshalb auch viel weniger anfällig als eine Geschichtsreligion wie das Christentum.

 

vor 35 Minuten schrieb Studiosus:

Deshalb meine ich, dass Weltbilder nicht einfach wechseln oder zerschellen, es gehört - so mein Eindruck - die bewusste Entscheidung dazu. Man muss sich dafür entscheiden, wie Du das wahrscheinlich tatest, jetzt nicht mehr der kirchlichen Verkündigung oder der Schrift selbst zu folgen, sondern Dich künftig darauf zu verlassen, was die Bibelwissenschaftler schreiben, die Du liest. Könnte das so sein? 

 

Richtig, es sind bewusste Entscheidungen, aber für Entscheidungen braucht es Alternativen. Die Anhänger anderer Religionen sind nicht weniger fromm als wir Christen. Frömmigkeit ist kein christliches Alleinstellungsmerkmal. Ich konnte als Taoist, Hinduist oder Zen Buddhist genau so fromm sein, wie als Christ. Das konnte ich am eigenen Leib erleben, wenn ich mal den Sprung aus der eigenen Blase in eine andere wagte, bei der Historizität nicht das aussschlaggebende Glaubensargument war. Das ist einem Hinduisten völlig egal, ob Krishna als Inkarnation des Höchsten eine historische Person war oder nicht. Das funktioniert genau so gut, wie mit einem historisch verstandenen Jesus, wenn nicht besser. Da stellen sich solche Fragen der Historizität eines Adam, Moses usw. überhaupt nicht, man glaubt aber trotzdem, nicht weniger tief oder weniger fromm, nur weil da keine Offenbarungen oder "Wahrheiten" verkündet werden. Historizität und Wahrheit sind sehr anfällig, und das bricht der Kirche das Genick, wenn sie von diesem totgerittenen Pferd nicht bald absteigt.

 

vor 54 Minuten schrieb Studiosus:

Ob das wirklich unbewusst geschehen kann, bezweifle ich fast. Sicher gibt es einen gewissen Druck von Leuten auch im religiösen Umfeld, die schon genauso denken und einem einreden, der kirchliche Glaube sei sozusagen der niveaulosere, kindischere (ich darf versichern, dass meine Art zu Glauben nichts, aber auch wirklich gar nichts mit Omas Bibellesestunde gemein hat), während der auf historisch-kritischer Bibelauslegung basierende der erwachsene, intellektuelle sei, aber das ist meiner Erfahrung nach Unsinn.

 

Siehst du das ist bei mir anders. Mein heutiger Glaube hat sehr viel mit Omis Geschichten vom Jesus (das war keine Bibellese) zu tun. Ich habe meinem Kinderglauben keineswegs abgeschworen, warum auch? Meine Seele ist nicht gealtert, meine Seele wurde auch nicht weitergebildet, meine Seele wird durch Rationalisierungen überhaupt nicht beeinflusst. Meine Seele glaubt alles, hofft alles, hält allem stand, genau so wie in meiner Kindheit. Daran kann auch historisch-kritische Bibelauslegung nichts ändern. Geheimnis des Glaubens, ob hinduistisch, buddhistisch, taoistisch oder christlich.  

    

Geschrieben (bearbeitet)
vor 3 Stunden schrieb Weihrauch:

Man muss sich dafür entscheiden, wie Du das wahrscheinlich tatest, jetzt nicht mehr der kirchlichen Verkündigung oder der Schrift selbst zu folgen, sondern Dich künftig darauf zu verlassen, was die Bibelwissenschaftler schreiben, die Du liest. Könnte das so sein? 

 

Vielleicht kann ich mich diesbezüglich besser verständlich machen, wenn ich einfach von meiner Entwicklung spreche. Nach meinen "Ausflügen" in andere Religionen, fragte ich mich: Was ist eigentlich mit der, aus der ich komme? In meinen 30ern nahm ich also meine Bibel zur Hand, und tat, was ich noch nie getan hatte. Ich las sie von vorne bis hinten durch. Besonders das AT war eine echte Qual, so viel Brutalität am laufenden Meter.

 

Bis mir wieder einfiel, dass es mir genau so erging, als ich die Bhaghavad Gita das erste mal las, und erst als mir jemand den freundlichen Hinweis gab, dass es sich dabei um keine historischen Begebenheiten handle, sondern um den Kampf, den jeder Mensch mit der Hilfe Gottes um das Gute und Schlechte in sich ausficht, verstand nicht nur meine Seele sondern auch mein Verstand diese Heilige Schrift. So lernt man den Hauch des Geistes Gottes zwischen den Zeilen zu entdecken, nicht dadurch, dass man jemandem sagt, dass das Lehramt alles immer besser weiß, und man die Heilige Schrift wörtlich historisch zu verstehen habe. Das stellt früher oder später eine Beleidigung des Verstandes dar, versucht Verstand und Seele gegeneinander auszuspielen, statt sie zu einem harmonischen Miteinander zu versöhnen.

 

Du kannst mir das noch so oft unterstellen, dass ich mich auf das verlasse, was Bibelwissenschaftler schreiben. Es stimmt einfach nicht, zumal die meisten von ihnen gläubige Christen sind, die mit ihrer Seele und ihrem Verstand, darum ringen Gott in ihrem Leben zu bewahrheiten. Was sie führen ist ein eigentliches Gespräch im Sinne Gadamers, sie tun das, wozu die Kirche nicht fähig ist. Die Kirche weiß im "Dialog" mit den Menschen immer schon, was am Ende dabei rauskommen wird.

 

Das mit der Autorität funktioniert nicht mehr, ist auch völlig überflüssig. Solch autoritäres Gehabe, ist jeder Seele, die aufrichtig nach Gott fragt, unsympathisch. Das zu tun, nach Gott zu fragen, darum bettelt JHWH mehrmals im AT. Die Kirche fragt nicht nach Gott. Sie ballert die Menschen mit unfairen Antworten zu, die jede Frage nach Gott totschlagen und den Verstand allzu oft beleidigen. Seele und Verstand gegeneinander auszuspielen, könnte die Sünde gegen den Geist sein, die niemals vergeben wird.  

bearbeitet von Weihrauch
Geschrieben
vor 38 Minuten schrieb Weihrauch:

Das mit der Autorität funktioniert nicht mehr, ist auch völlig überflüssig. 

 

Der einzige, bei dem das mit der Autorität nicht funktioniert, ist der 100%ige Agnostiker.

 

Du bist so etwas nicht - Du hast lediglich Dich selbst zur höchsten Autorität erklärt. Typisch postmodern und nichts wirklich neues.

Geschrieben
vor 14 Minuten schrieb rorro:

Der einzige, bei dem das mit der Autorität nicht funktioniert, ist der 100%ige Agnostiker. Du bist so etwas nicht -

 

Genau, denn das trifft auf mich nicht zu. Ich schäme mich nicht, zu sagen, dass ich nicht weiß, ob es Gott gibt. Im Gegensatz zum Agnostiker lasse ich die Frage nach Gott nicht offen, oder unbeantwortet, da ich mich ebenso wenig dafür schäme, zu sagen, dass ich an Gott glaube. 

 

vor 17 Minuten schrieb rorro:

Du hast lediglich Dich selbst zur höchsten Autorität erklärt. Typisch postmodern und nichts wirklich neues.

 

Was für ein Quatsch. Deine Feindbilder sind dein Problem, nicht meines. 

Geschrieben (bearbeitet)
vor 43 Minuten schrieb Weihrauch:

Was für ein Quatsch. Deine Feindbilder sind dein Problem, nicht meines. 

 

Ich habe keine Feindbilder, da muß ich Dich enttäuschen.

 

Ich beschreibe bloß Dein Auftreten, vollkommen wertungsfrei. Da Du für Dich derjenige bist, der über den Wahrheitsgehalt von Aussagen entscheidet, bist Du selbst Deine höchste Autorität. 

Jedes apodiktische Urteil Deinerseits (à la „die Kirche fragt nicht nach Gott“) ist Bestätigung dieser These.

 

Das ist bloß der heutige Normalzustand.

 

Und zum reinen Agnostiker, vor dem ich großen Respekt hätte (denn mir ist noch keiner begegnet): er hält die Frage nach Gott nicht offen, weil er will, sondern weil er muss. Ein reiner Agnostiker mißtraut auch seinem eigenen Urteil.

bearbeitet von rorro
Geschrieben
vor 40 Minuten schrieb rorro:

Und zum reinen Agnostiker, vor dem ich großen Respekt hätte (denn mir ist noch keiner begegnet): er hält die Frage nach Gott nicht offen, weil er will, sondern weil er muss. Ein reiner Agnostiker mißtraut auch seinem eigenen Urteil.

 

Ein Agnostiker ist in der Regel einfach nur inkonsequent, wrnn er die Frage nach der Existenz von „Gott“ meint nicht entscheiden zu können, aber die nach der Existenz des „Teufels“, „Odins“ oder „Jupiters“ selbstverständlich verneint. Die Wertschätzung, die der Agnostiker in kirchlichen Kreisen genießt, ist dagegen gut verständlich, ist er doch für deren Wahrheitsanspruch vollkommen harmlos.

Geschrieben
Gerade eben schrieb rorro:

Ich habe keine Feindbilder, da muß ich Dich enttäuschen.

 

Postmodern als Schlagwort hast nicht von der Kirche?

 

vor 1 Minute schrieb rorro:

Ich beschreibe bloß Dein Auftreten, vollkommen wertungsfrei.

 

Wertungsfrei, dass ich nicht lache. Dann kannst du bestimmt zitieren, wo ich Autorität, über andere für mich in Anspruch genommen hätte, so wie es die Kirche, jeden Tag praktiziert. Ah, nee. Es ist noch schlimmer:

 

vor 6 Minuten schrieb rorro:

Da Du für Dich derjenige bist, der über den Wahrheitsgehalt von Aussagen entscheidet, bist Du selbst Deine höchste Autorität.

 

Nicht mal das, weil mich "die Wahrheit" nicht die Bohne interessiert. Die Aussage der Kirche über die eigene Autorität bewahrheitet sich, oder nicht. Das hängt davon ab, ob andere ihr eine solche Autorität zusprechen oder nicht. Da heute niemand mehr Angst zu haben braucht, auf dem Scheiterhaufen zu landen, ist es heutzutage für jeden eine Ermessenssache, ihr die Autorität zuzusagen, oder eben nicht. Die Leute kehren der Kirche hier in Deutschland in Scharen den Rücken, und entziehen ihr dadurch die Autorität. Mich und meine Aussagen braucht dazu niemand, die Kirche versemmelt das ganz alleine. 

 

Nach Gott zu fragen hat mit "der Wahrheit" nichts zu tun. Und selbst wenn du mit deiner Unterstellung recht hättest, erledigt sich das von ganz alleine. Von der Silvesternacht habe ich neun Stunden auf der Notaufnahme verbracht, das war mein memento mori zu Beginn des neuen Jahren. In 20, 30 Jahren denkt kein Schwein mehr an mich, oder was ich einmal für Aussagen gemacht habe.

 

Du verwechselst da anscheinend etwas. Autorität über andere und Verantwortung für seinen Glauben zu übernehmen sind  zwei paar Stiefel. Wie will denn die Kirche Verantwortung für meinen Glauben übernehmen, wenn sich ihr ganzes Glaubensgebäude im Tod nicht als "die Wahrheit" sondern als Irrlehre und falsches Zeugnis herausstellt? Gar nicht natürlich, wenn da wider Erwarten kein Jesus ist, kein Gott ist, sondern einfach nichts, das niemand mehr erlebt. Glaube ist ein kalkuliertes Wagnis, eine kontrollierte Torheit, ohne Netz und doppelten Boden. 

 

vor 20 Minuten schrieb rorro:

Jedes apodiktische Urteil Deinerseits (à la „die Kirche fragt nicht nach Gott“) ist Bestätigung dieser These.

 

Welche Fragen sind in der Kirche denn noch offen, nicht schon längst beantwortet und in irgendwelchen Dokumenten fixiert? Der Glaube der Menschen findet nicht in den Archiven des Vatikan statt, sondern in ihren Seelen. Glaube ist keine bürokratische Veranstaltung, die Wahrheit ist kein Papiertiger - "Da sehet, hier steht es seit Jahrhunderten Schwarz auf Weiß."

Geschrieben
vor 8 Minuten schrieb Marcellinus:

 

Ein Agnostiker ist in der Regel einfach nur inkonsequent, wrnn er die Frage nach der Existenz von „Gott“ meint nicht entscheiden zu können, aber die nach der Existenz des „Teufels“, „Odins“ oder „Jupiters“ selbstverständlich verneint. Die Wertschätzung, die der Agnostiker in kirchlichen Kreisen genießt, ist dagegen gut verständlich, ist er doch für deren Wahrheitsanspruch vollkommen harmlos.

 

Ich kenne niemanden, der für den Wahrheitsanspruch nicht harmlos wäre.

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