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Atheismus


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Geschrieben
vor 56 Minuten schrieb Weihrauch:

 

Du hast das Wort Mythos ins Spiel gebracht, ich habe dem zugestimmt und nicht widersprochen. Das haben wir also schon getan, uns über die grundlegenden Aspekte der vorliegenden Texte zu verständigen. Die Urgeschichte ist der Gründungsmythos des Judentums und kein historisch zu verstehender Tatsachenbericht, wie es Fundamentalisten gerne hätten. 

 

 

Darin sind wir uns doch einig. 

 

 

Was für unüberbrückbare Differenzen sollten zwischen uns beiden denn noch auftreten, da wir uns in all dem einig sind, und was könnte uns eine weitere argumentative Veständigung unmöglich machen? Ich verstehe nicht, was du mir mit deinem Beitrag sagen möchtest. 

Du darst das nicht missverstehen. Meine Anmerkungen sind ganz grundsätzlicher Art. Es gibt ja hier im Forum ganz unterschiedliche Sichtweisen über das Grundverständnis der biblischen Schriften.. unter anderem auch ein im Grunde "fundamentalistisches" Verständnis.

 

Hier kommt dann alles darauf an, ob man überhaupt bereit ist, sich auf einen sachlichen, argumentativen Diskurs einzulassen... man kann doch beobachten, dass manchmal Positionen im Brustton der Überzeugung vorgetragen werden.... auf ganz konkrete, kritische Nachfragen, herrscht dann dröhnendes Schweigen.... das kann man ja immer wieder auch sehr schön sehen bei der Thematik der katholischen Sexualmoral und dabei besonders der Verweis auf die Argumentation des Lehramtes....

Geschrieben

Schon klar, aber ich habe dir geantwortet und nicht @Studiosus oder @rorro die sich strikt an das Lehramt halten, was ja völlig in Ordnung ist. Da ist das Hohelied eine Allegorie, und daran gibt es dann auch nichts zu deuteln, wegen der Tradition und der Autorität der Apostel, der Apologeten, der Kirchenväter und der Päpste.

 

Aber wir anderen dürfen tiefer in die Texte einsteigen, und uns den Details, den Textsorten und Tropen widmen, und selbst verstehen, was zu verstehen ist. Ich jedenfalls darf lesen ohne mir von irgendwem vorschreiben zu lassen, wie das Gelesene zu verstehen ist, oder welche Textsorte ich da vor mir habe, ohne es anhand des Textes, eben an textimmanenten Indikatoren, bzw. literatursemiotischen Signalen zu begründen. Dass es solche angeblich gäbe, glaube ich erst, wenn ich sie mit eigenen Augen sehe. Bis jetzt wurde das nur behauptet, aber nicht im Text gezeigt. Die ganzen kirchengeschichtlichen Argumente, zaubern keine textimmanenten Indikatoren, bzw. literatursemiotischen Signale in das Hohelied hinein, es sei denn man zeigt sie mir so, wie ich diese bei den Stammbäumen gezeigt habe.

Geschrieben (bearbeitet)
vor einer Stunde schrieb iskander:

Danke. Das meinte ich aber gar nicht. es scheint mir nur so, dass ein Teil des Hoheliedes nicht auf König Salomo passen will. Etwa wenn die Frau den Wächter fragt, ob er ihren Geliebten gesehen oder habe, oder wenn die beiden sich in der Natur zum Stelldichein treffen. Es scheint sich da wohl um mehrere Lieber zu handeln, die in eines verwoben wurden.

 

Ja, dass es sich dabei um mehrere Lieder handeln würde, hört man hier und da. Falls dem so wäre, ändert das was am erotischen Inhalt? Gut, man könnte darum die Meinung vertreten, dass dies ein Argument gegen die Annahme darstellt, dass das Hohelied im Ganzen eine Allegorie ist, weil eine Allegorie keine Sammlung von Liedern ist.

 

Dann ist die Textsorte das Lied und nicht die Allegorie, aber ich ahne, dass man dann darauf verfallen würde, das Hohelied als eine Sammlung von Allegorien zu bezeichnen. Wer aus traditionellen Gründen das Hohelied als Allegorie verstehen will, wird sich durch nichts davon abbringen lassen, weil es unzählige kirchliche Texte gibt, die das behaupten, und man die nicht ändern kann, und die Autorität der Apostel, Apologeten, Kirchenväter und des Lehramtes ist sowieso unantastbar. Wie sollte man von einer Behauptung abrücken können, die seit Jahrhunderten ständig wiederholt wurde?

bearbeitet von Weihrauch
Geschrieben (bearbeitet)

@iskander

 

Meine unmaßgebliche Meinung: 

 

Aus dem Hohelied lässt sich für die Sexualmoral von Christen überhaupt nichts ableiten. Und das nicht nur, weil die klassische, kirchliche Interpretation des Hlds die Liebesmetaphorik stets nur in einem vergeistigten Sinne hat gelten lassen. 

 

Ich gehe weiter und wende den Blick auf das Alte Testament überhaupt: Die Geschichte des Volkes Israel ist Heilsgeschichte, daran besteht kein Zweifel. Aber sie ist alles andere als moralisch vollkommen. Das AT ist voll von sittlich ambivalenten Gestalten. Salomon, der hier naheliegenderweise schon genannt wurde, wird zweifelsohne als großer König, als Freund und Günstling Gottes gezeichnet, was aber nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass er der Vielweiberei frönte. Oder sein Vater David, der aus Lust auf dessen Gemahlin den Urija in ehebrecherischer Absicht in den Tod sandte. Zwar werden diese Verhaltensweisen bisweilen schon inner-alttestamentlich durch göttlichen Zorn geahndet, aber in der Vorstellungswelt der hebräischen Bibel sind Polygamie und andere sittliche Verstöße durchaus geduldet. Die größten Persönlichkeiten des Alten Bundes haben sie praktiziert (Abraham, David, Salomon usw.). Dasselbe betrifft z. B. die Möglichkeit der Entlassung der Frau aus der Ehe als Konzession des Mose an die Hartherzigkeit des Volkes. Diese wird von Christus unter Berufung auf die ursprüngliche Schöpfungsordnung entschieden zurückgewiesen. 

 

Deshalb sehe ich auch auf diesem Gebiet eine recht offensichtliche Zäsur zwischen Altem Testament und Neuem Testament. Mit Christus bricht auch auf moralischen Gebiet eine neue Zeit an. Die Herrschaft des Gesetzes wird durch die Herrschaft der Gnade abgelöst und da passen solche Dinge schlechterdings nicht mehr hinein. Das Vorbild für Christen in allen Belangen, so auch in Fragen der Moral, sollten Christus selbst und die Predigt seiner Apostel sein. Und da gilt eben nicht die Vielweiberei der alttestamentlichen Könige, sondern das Wort Christi. 

 

bearbeitet von Studiosus
Jakobgutbewohner
Geschrieben
vor 2 Stunden schrieb iskander:

Weil es Erfahrungen sind, zu denen eben  nur derjenige einen echten Zugang hat, der sie hat. Wenn wir beide eine Vase sehen, nehme ich an, dass Du eine ähnliche visuelle Erfahrung hast wie ich. Insofern ist mir Deine Erfahrung - wenn auch indirekt und nur in einem bestimmten Sinne - zugänglich. Aber wenn Du eine "Transzendenz-Erfahrung" machst, kannst Du vielleicht versuchen, sie zu beschreiben; aber was Du wirklich erlebt hast, bleibt mir doch verborgen.

Um irgendwo anzusetzen:

 

"Einmal bat mich ein Priester, für ihn zu beten. Ich versprach es und bat, eine Abtötung ausüben zu dürfen. Als ich zu einer bestimmten Abtötung die Erlaubnis bekam, fühlte ich in meiner Seele den Drang danach, an diesem Tag alle Gnaden, die von der Güte Gottes für mich bestimmt waren, an diesen Priester abzugeben. So bat ich Jesus, alle Leiden, die äußere und innere Pein, die der Priester an diesem Tag zutragen hätte, mir aufzuerlegen. Gott nahm meinen Wunsch nur zum Teil an, und auf der Stelle, ohne zu ahnen woher, fingen verschiedene Schwierigkeiten und Widerwärtigkeiten in einem solchen Ausmaß zu wachsen an, dass eine der Schwestern laut sagte:  >Damit hat der Herr etwas zu tun, dass alle Schwester Faustyna schikanieren.< Die Ursachen waren so aufgebauscht und grundlos, dass manche Schwestern das unterstrichen, andere aber wieder verneinten. Schweigend opferte ich mich für diesen Priester. Das war jedoch nicht alles. Ich empfand auch innere Leiden. Zuerst befiel mich eine allgemeine Mutlosigkeit und Unlust gegenüber den Schwestern. Danach begann mich Ungewissheit zu plagen; ich konnte mich zum Gebet nicht sammeln, meinen Kopf füllten verschiedene Dinge. Als ich erschöpft in die Kapelle kam, war meine Seele von einem eigentümlichen Schmerz bedrückt und ich fing leise an zu weinen. Da hörte ich in meiner Seele folgende Stimme: >Meine Tochter, weshalb weinst du? Du hast dich doch selbst für dieses Leiden als Opfer angeboten; wisse, das ist nur ein kleiner Teil, was du für seine Seele übernommen hast. Er leidet noch viel mehr.< - Darauf fragte ich den Herrn: >Weswegen gehst Du mit ihm so um?< Der Herr entgegnete mir, das sei der dreifachen Krone wegen, die für ihn bestimmt sei: die der Jungfräulichkeit, des Priestertums und des Märtyrertums."

Heilige Faustyna, Tagebuch 596

 

Zitat aus niedergeschriebenen Erinnerungen des gemeinten Priesters, ihres "Seelenführers", dem inzwischen als selig kanonisierten Prof. Sopocko in einer Fußnote: "... meine Schwierigkeiten gelangten im Januar 1936 zum Gipfel. Über diese Schwierigkeiten teilte ich niemandem etwas mit, bis ich an einem kritischen Tag S.F. um Gebet bat. Zu meiner größten Verwunderung platzten an diesem Tag alle Schwierigkeiten wie eine Seifenblase, und S.F. erzählte mir, dass sie alle meine Leiden auf sich genommen habe und sie an diesem Tag so zahlreich wie nie in ihrem Leben verspürte ..."

 

Von dieser Beschreibung ausgehend gäbe es schon gewisse wahrgenommene intersubjektive Parallelen?

Geschrieben

....kleine "klugscheißerische" Anmerkung: das mit Urija und dessen Gemahlin war nicht Salomo, sondern sein Vater David, auch .....  was aber zusätzlich deine Beobachtungen stützt. Also die berühmte Geschichte "David und Batseba"..... Salomon war das Kind dieser Beziehung....

Geschrieben
Gerade eben schrieb Cosifantutti:

kleine "klugscheißerische" Anmerkung

 

Keine Klugscheißerei, sondern einfach richtig. Da habe ich Vater und Sohn verwechselt bzw. zur Personalunion vereint. Danke für den Hinweis! 

Geschrieben
vor 23 Minuten schrieb Studiosus:

 

Keine Klugscheißerei, sondern einfach richtig. Da habe ich Vater und Sohn verwechselt bzw. zur Personalunion vereint. Danke für den Hinweis! 

Vielleicht liegt meine "genau Kenntnis" von bestimmten Passagen der Bibel auch daran, dass ich die Heiligen Schriften zunächst mal sehr stark literarisch warhnehme.. und ohne Zweifel ist die Erzählung von "David und Basteba" mit seinen immer neuen Wendungen ein Stück Weltliteratur....

Geschrieben (bearbeitet)
vor 15 Minuten schrieb Cosifantutti:

Vielleicht liegt meine "genau Kenntnis" von bestimmten Passagen der Bibel auch daran, dass ich die Heiligen Schriften zunächst mal sehr stark literarisch warhnehme.. und ohne Zweifel ist die Erzählung von "David und Basteba" mit seinen immer neuen Wendungen ein Stück Weltliteratur....

 

Aus der Kunst ist mir David und Batseba bzw. Batseba im Bade als Motiv natürlich sehr geläufig. Manchmal schreibt man eben einfach Blödsinn, weil man gedanklich unaufmerksam und schon wieder beim nächsten Punkt ist. 

bearbeitet von Studiosus
Geschrieben
vor 37 Minuten schrieb Studiosus:

 

Aus der Kunst ist mir David und Batseba bzw. Batseba im Bade als Motiv natürlich sehr geläufig. Manchmal schreibt man eben einfach Blödsinn, weil man gedanklich unaufmerksam und schon wieder beim nächsten Punkt ist. 

Sehr lesenswert in diesem Zusammenhang ist auch von Stefan Heym "Der König David Bericht"....

Geschrieben
5 hours ago, iskander said:

Das folgende ist kein starkes Argument für die Glaubwürdigkeit solcher Erfahrungen, und das ist mir auch bewusst. Aber es scheint doch, dass viele "religiös"-spirituelle Erfahrungen einen gemeinsamen Kern haben, auch wenn sie gemäß der eigenen Kultur/Glaubensgemeinschaft interpretiert werden.

 

Wenn das so ist, dann zählen meine religiösen Erfahrungen auch dazu. Und deren Interpretation kommt ohne die Annahme der Existenz von Übernatürlichem aus.

 

Das heißt: Egal, ob man die Erfahrungen im Sinne einer reinen Esoterik oder allgemeinverständlich(er) definiert: Als Beleg für die Existenz von Übernatürlichem eignen sie sich in keinem Fall.

 

Dies auch als Antwort auf die entsprechende Nachfrage von @Jakobgutbewohner

Geschrieben
On 1/9/2025 at 2:25 PM, Weihrauch said:

 

Danke, geht schon wieder. Der stationäre Teil ist erledigt, jetzt geht es ambulant weiter. 

 

Gute Besserung!

Geschrieben (bearbeitet)

Weil es so schön zum Threadthema passt:

 

Ein paar Auszüge aus "In Memoriam A.H.H." von Alfred, Lord Tennyson (1850):

 

 Are God and Nature then at strife?
That Nature lends such evil dreams?
So careful of the type she seems,
So careless of the single life;

 
...
 

'So careful of the type?' but no.

From scarped cliff and quarried stone
 She cries, `A thousand types are gone:
 I care for nothing, all shall go.

    
    
 'Thou makest thine appeal to me:
 I bring to life, I bring to death:
 The spirit does but mean the breath:
 I know no more.' And he, shall he,
    
    
 Man, her last work, who seem'd so fair,
 Such splendid purpose in his eyes,
 Who roll'd the psalm to wintry skies,
 Who built him fanes of fruitless prayer,
    
    
 Who trusted God was love indeed
 And love Creation's final law—
 Tho' Nature, red in tooth and claw
 With ravine, shriek'd against hi
s creed

 

 

Quelle:

 

http://www.online-literature.com/tennyson/718/

bearbeitet von KevinF
Geschrieben (bearbeitet)
vor 2 Stunden schrieb KevinF:

Wenn das so ist, dann zählen meine religiösen Erfahrungen auch dazu. Und deren Interpretation kommt ohne die Annahme der Existenz von Übernatürlichem aus.

 

Gewiss. Aber entsprechen Deine Erfahrungen denen anderer in allen für unsere Fragestellung entscheidenden Punkten? Man mag das vermuten, aber wirklich wissen können wir es nicht.

 

vor 2 Stunden schrieb KevinF:

 

Gute Besserung!

 

Auch von mir gute Wünsche an @Weihrauch

bearbeitet von iskander
Geschrieben (bearbeitet)
vor 6 Stunden schrieb Studiosus:

Ich gehe weiter und wende den Blick auf das Alte Testament überhaupt: Die Geschichte des Volkes Israel ist Heilsgeschichte, daran besteht kein Zweifel. Aber sie ist alles andere als moralisch vollkommen. Das AT ist voll von sittlich ambivalenten Gestalten. Salomon, der hier naheliegenderweise schon genannt wurde, wird zweifelsohne als großer König, als Freund und Günstling Gottes gezeichnet, was aber nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass er der Vielweiberei frönte. Oder sein Vater David, der aus Lust auf dessen Gemahlin den Urija in ehebrecherischer Absicht in den Tod sandte.

 

Wobei beides - was Du indirekt anklingen lässt - ja völlig unterschiedlich beurteilt wird. Denn gegen die Polygamie hatte er im AT absolut nicht.

 

Vor allem wird die Tötung des Urija - und auch die Polygamie - ja auch nicht als Allegorie auf die Liebe Gottes gedeutet. Das Verhalten der Liebenden im Hohelied aber schon.

 

Zitat

Deshalb sehe ich auch auf diesem Gebiet eine recht offensichtliche Zäsur zwischen Altem Testament und Neuem Testament. Mit Christus bricht auch auf moralischen Gebiet eine neue Zeit an. Die Herrschaft des Gesetzes wird durch die Herrschaft der Gnade abgelöst und da passen solche Dinge schlechterdings nicht mehr hinein. Das Vorbild für Christen in allen Belangen, so auch in Fragen der Moral, sollten Christus selbst und die Predigt seiner Apostel sein. Und da gilt eben nicht die Vielweiberei der alttestamentlichen Könige, sondern das Wort Christi. 

 

Ärgerlich nur, dass von Jesus und von den Aposteln so wenig zur Sexualmoral kommt. ;)

Während die Kirche allein dem Thema Verhütung beispielsweise ganze Enzykliken gewidmet hat und das eines der Hauptthemen von JPII war, findet sich im NT dazu nicht mal die kleinste Andeutung.

 

Bitte verüble es mir nicht, aber als Außenstehender hat man bisweilen doch den Eindruck, dass es in der Kirche vor allem um die eigene kirchliche Position und Tradition geht, und dass die Bibel - sei es das AT oder das NT - vor allem dann relevant wird, wenn sie diese Tradition irgendwie stützt (oder wenn man sie irgendwie so interpretieren kann, dass sie diese Tradition stützt). Und wenn eine Stelle aus dem NT der Tradition widerspricht - wie etwa die Mahnung, dass ein Bischof ein verheirateter Mann mit gehorsamen Kindern sein solle - dann fällt das auch nicht wirklich ins Gewicht.

bearbeitet von iskander
Geschrieben

Das Beispiel mit dem vorehelichen Verkehr zeigt übrigens, dass bestimmte Maßgaben, die einmal Sinn ergeben haben, das heute nicht mehr tun müssen. Zu Zeiten der Bibel wurde erwartet, dass der Mann die (junge, heiratsfähige) Frau zumindest nach dem Geschlechts-Verkehr heiratet (oder den Vater alternativ entschädigt, weil der sie jetzt nicht mehr so gut verkaufen kann). Schließlich war es für eine Frau damals wichtig, einen Mann zu haben; und wenn sie keine Jungfrau mehr war, waren ihre Chancen auf eine gute Heirat offenbar viel schlechter. Und der Vater konnte wohl auch keinen guten Brautpreis mehr aushandeln. Auch musste ja für ein eventuelles Kind gesorgt werden.

 

Heutzutage verkaufen in unseren Breitengraden Väter ihre Töchter aber nicht mehr an den künftigen Ehemann; Frauen sind viel weniger auf einen Mann angewiesen; und kaum ein Mann wird eine Frau deswegen zurückweisen, weil sie keine Jungfrau mehr ist. Und auch die Sache mit Kindern ist heute aus verschiedenen Gründen auch weit entspannter.

 

Die Situation hat sich also fundamental geändert. Die Gründe, die früher für die Bindung der Sexualität an die Ehe sprachen, gibt es heute einfach nicht mehr. Insofern hat ein Verbot jedes vorehelichen Verkehrs - das es ja selbst damals so gar nicht gab - heute erst recht keinen Sinn mehr.

 

Die Argumente, die man damals gegen den vorehelichen Verkehr vorgebracht werden konnten, waren also durchaus nachvollziehbar. Die heutigen (kirchlichen) Argumente hingegen wirken wie nachträgliche Rationalisierungen für eine Norm, die aufgrund der veränderten Lebens-Verhältnisse nicht mehr begründbar ist - und solche Argumente werden nur diejenigen überzeugen, die überzeugt sein wollen. (Und sie werden auch niemandem spontan in den Sinn kommen, wenn er sie nicht irgendwo gelesen oder gehört hat.)

Geschrieben
vor 5 Stunden schrieb Jakobgutbewohner:

Von dieser Beschreibung ausgehend gäbe es schon gewisse wahrgenommene intersubjektive Parallelen?

 

Theoretisch ja. Aber erst mal müsste man objektiveren, dass die Schwester tatsächlich die Drangsal des Priesters "auf sich nahm". Dazu müsste man zumindest einiges über ihre Zuverlässigkeit (Ehrlichkeit, psychische Gesundheit) wissen - wenn das denn reicht. Und dann, dass ihre Mitschwestern sie wirklich ungewöhnlich schikaniert haben. Dann müsste man auch noch mit hinreichender Sicherheit ausschließen, dass das eine zufällige Koinzidenz war. Aber auch das genügt nicht, denn vielleicht hat die Schwester im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung die Unfreundlichkeit der anderen Schwestern unbewusst provoziert. In der Praxis dürfte das sehr schwierig werden...  

Geschrieben
vor 3 Stunden schrieb iskander:

Bitte verüble es mir nicht, aber als Außenstehender hat man bisweilen doch den Eindruck, dass es in der Kirche vor allem um die eigene kirchliche Position und Tradition geht, und dass die Bibel - sei es das AT oder das NT - vor allem dann relevant wird, wenn sie diese Tradition irgendwie stützt (oder wenn man sie irgendwie so interpretieren kann, dass sie diese Tradition stützt). Und wenn eine Stelle aus dem NT der Tradition widerspricht - wie etwa die Mahnung, dass ein Bischof ein verheirateter Mann mit gehorsamen Kindern sein solle - dann fällt das auch nicht wirklich ins Gewicht.

 

Nein, das verüble ich nicht, warum? 

 

Ich sehe das ganz ähnlich, wenn auch nicht so pessimistisch: Das Christentum, insbesondere der Katholizismus, ist nicht in dem Sinne Buchreligion, dass sozusagen alles bis ins letzte Detail in der Heiligen Schrift niedergelegt wäre. Neben die Schrift und die Tradition tritt das kirchliche Lehramt, das - freilich in historischer Entwicklung und Ausdifferenzierung - seit der ersten Stunde in der Kirche vorhanden ist. Christus spricht zu den Aposteln: Wer euch hört, der hört mich. Diese Übertragung von Lehrvollmacht lebt in der Kirche in Gestalt des apostolischen Amtes der Bischöfe, insbesondere aber dem Papstamt, fort. Und so lehren die Konzilien und auch die Päpste mit der Autorität Christi selbst, weshalb ihre endgültigen Entscheidungen in Fragen des Glaubens und der Moral als von Gott geoffenbart gelten und mit göttlichen und katholischem Glauben geglaubt und in Gehorsam angenommen werden müssen.

 

Soweit zur Theorie, die ja bekannt ist. Ich habe Verständnis dafür, dass Christen, die zur Entwicklung ihrer Glaubenslehre sehr oder vielleicht auch ausschließlich auf die Bibel fokussieren, mit diesem System Probleme haben. Das, also sozusagen diese eminente Stellung des kirchlichen Magisteriums als Scharnier zwischen Schrift, Tradition und lebendigem Glauben, ist eben in gewisser Weise das Proprium der katholischen Kirche, dessen man sich bewusst sein sollte, wenn man als katholischer Christ praktizieren oder in die katholische Kirche aufgenommen werden will. 

Jakobgutbewohner
Geschrieben
vor 12 Stunden schrieb KevinF:

Als Beleg für die Existenz von Übernatürlichem eignen sie sich in keinem Fall.

Nur wieso meinst du das?

vor 9 Stunden schrieb iskander:

Theoretisch ja.

Gut.

Am 7.1.2025 um 19:59 schrieb iskander:

Wenn man keinem Szientismus verfallen möchte, der von vornherein alle menschlichen Erfahrungen, die nicht (natur)wissenschaftlich einzuordnen sind, de facto für obsolet erklärt, wird man eine gewisse Vorsicht walten lassen müssen, Erfahrungen, die nicht intersubjektiv erforschbar sind, von außen mit einem Höchstmaß an Gewissheit beurteilen zu wollen. 

Dann können wir ersteinmal feststellen, daß derlei Erfahrungen durchaus intersubjektiv erforschbar sein können?

vor 9 Stunden schrieb iskander:

In der Praxis dürfte das sehr schwierig werden...  

Und diese ganzen angefügten Erwägungen von dir sind ja nicht grundsätzlich falsch. Dennoch sagen sie viel über deine persönlichen Neigungen aus? Würdest du ebenso an ein Erzählen herangehen, in dem jemand eine Wanderung in China beschreiben würde? Vielleicht wäre auch dies z.B. nur erfunden, um Eindruck bei anderen zu machen.

Geschrieben
Am 8.1.2025 um 18:58 schrieb Studiosus:

"Das im Hinblick auf die Frage nach der Theologie des Hld im Kontext der neuzeitlichen Bibelkritik immer wieder reflektierte Problem lässt sich mit C. Kuhl so umschreiben: 'Es fehlt im Hld schlechterdings jeder religiöser Gedanke; ja, das ganze Buch ist von der ersten bis zur letzten Zeile so ohne Gott und ohne jede Religion..., dass man um die Frage nicht herumkommt, wie konnte dieses Buch überhaupt kanonisiert und sogar den Megillot zugewiesen werden' (C. Kuhl, Das Hohelied 141)" (Zenger, Einleitung, 483)

 

 

Wird in diesen Ausführungen auch erläutert, warum der Autor meint, um diese Frage nicht herumzukommen? Bei einem solchen Vorverständnis ist es verständlich, dass sich die Allegorie gewissermaßen als Verharmlosung anbietet.

Geschrieben
Am 10.1.2025 um 12:16 schrieb Cosifantutti:

Es bleibt dennoch die Anmerkung: Die Kirche hat sich in ihrer Sexualmoral sehr wenig von den erotischen Liebesgedichten des Hoheliedes inspirieren lassen ( "Literalsinn" ) und hat bis heute dem Augustinus ein viel zu großes Mitspracherecht in Sachen Sexualität eingeräumt mit dem Ergebnis, dass katholische Sexualmoral über weite Strecke als "Verbotsmoral" wahrgenommen wird..... und zwischen der "offiziellen" katholischen Sexualmoral und der Atmosphäre des Hoheliedes Welten liegen.

Das gehört zu den Paradoxien des Christentums: Einerseits die - inbesondere in der Barockzeit - sehr entwickelte Brautmystik, andererseits die manchmal etwas mißvergnügt wirkende Morallehre. Verständlich, dass letztere von der Kunst gemieden wird.

Geschrieben (bearbeitet)
vor 9 Stunden schrieb Jakobgutbewohner:

Dann können wir ersteinmal feststellen, daß derlei Erfahrungen durchaus intersubjektiv erforschbar sein können?

 

"Mystische" und ähnliche Erfahrungen sind zumindest als psychologische Phänomene bis zu einem gewissen Grad erforschbar. Das "bis zu einem gewissen Grade" zum einen, weil gerade mystische und ähnliche Erfahrungen ja oft so beschrieben werden, dass sie sich kaum in Worte fassen lassen. Das schränkt den intersubjektiven Zugang bereits ein. Und zweitens: Ob unter den geschilderten Erlebnissen auch solche sind, bei denen der Mensch tatsächlich mit einer Transzendenz in Kontakt kommt, oder ob es nur solche gibt, wo es sich für den Erlebenden so anfühlt: Das lässt sich (zumindest "von außen") nicht erforschen.

 

(Es sind aber natürlich Begleitumstände denkbar, die eine dieser Möglichkeit wahrscheinlicher machen. Wenn jemand beispielsweise unter einer paranoid-halluzinatorischen Psychose leidet und meint, dass Gott ihm den Auftrag gibt, seinen Nachbarn zu erschlagen, wird wohl kaum jemand von einer "echten" Transzendenz-Erfahrung ausgehen. Wenn hingegen ein psychisch ausgeglichener Mensch zahlreiche Prophezeiungen macht, die sich alle erfüllen, und wenn das unmöglich durch Zufall erklärbar ist, wird man wohl schon eher nachdenklich werden.)

 

vor 9 Stunden schrieb Jakobgutbewohner:

Und diese ganzen angefügten Erwägungen von dir sind ja nicht grundsätzlich falsch. Dennoch sagen sie viel über deine persönlichen Neigungen aus? Würdest du ebenso an ein Erzählen herangehen, in dem jemand eine Wanderung in China beschreiben würde? Vielleicht wäre auch dies z.B. nur erfunden, um Eindruck bei anderen zu machen.

 

Nein. Aber da gibt es nun ja auch einen Unterschied. Die allermeisten Leute können ihre normalen Erlebnisse korrekt berichten, und wenige erzählen einem ohne Grund grandiose Lügengeschichten. Wenn ein Freund mir sagt "Schöne Grüße von X, ich hab ihn vorhin gesehen", werde ich es ihm also erst mal glauben, wenn dem nichts Besonders entgegensteht. 

 

Ob jemand hingegen seine eigenen ungewöhnlichen inneren Erfahrungen korrekt interpretiert, ist auch dann weit weniger klar, wenn man davon ausgeht, dass die betroffene Person redlich ist. Es gibt nämlich auch vieles, was von der eigenen Psyche herkommt. Manche Leute hören beispielsweise Stimmen - und zwar einerseits solche, die unter psychischen Störungen leiden, andererseits aber auch Leute, die psychisch völlig gesund sind. Dass eine innig religiöse Person Erfahrungen macht, die letztlich aus ihrer eigenen Psyche herrühren, die sie aber einer "jenseitigen" Macht zuordnet, ist eine naheliegende Möglichkeit.

 

Dass jemand hingegen alles so erlebt, dass er in China wandert und das glaubt, aber alles nur aus seiner Psyche kommt? Das ist sehr unwahrscheinlich. Und wenn jemandem so etwas öfter passiert, wird man wohl auch bei genauerem Hinsehen merken, dass etwas mit ihm nicht ganz stimmt. Und die anderen methodischen Probleme - mögliche Zufälligkeit oder ein unbewusstes Provozieren einer Reaktion - gibt es bei der China-Reise auch nicht.

 

Selbst aus einer "gut katholischen" Sicht - also einer, die andere Maßstäbe hat als eine neutral-wissenschaftliche - ergeben sich etliche methodische und andere Schwierigkeiten, wie der folgende Text von Karl Rahner veranschaulicht. Vor allem ab S.31:

 

https://www.imagomundi.biz/wp-content/uploads/2019/08/PNOF4-Visionen_und_Prophezeiungen.pdf

 

bearbeitet von iskander
Jakobgutbewohner
Geschrieben

Ich habe den Eindruck, in Abatz 1 beantwortetest du die Frage eigentlich nicht, was mit Ja/Nein möglich gewesen wäre oder auch mit einer weitergehenden Formulierung.

vor einer Stunde schrieb iskander:

"Mystische" und ähnliche Erfahrungen sind zumindest als psychologische Phänomene bis zu einem gewissen Grad erforschbar.

Sicherlich, wobei die heutige Psychologie im Prinzip auch wieder einen weltanschaulichen Filter eingebaut hat, der Richtung Körpersinne oder körperlichem Reduktionismus geht. Aus meiner Perspektive hat das mit Objektivität nichts zu tun, sondern mit letztlich willkürlichen gesellschaftlichen Setzungen.

 

Wenn wir mal Nahtoderfahrungen dazunähmen, so hätten wir da auch etliche Schilderungen, die subjektiv wirken mögen, aber dabei doch auch wieder Elemente mit intersubjektiver Dimension, etwa wenn jemand währenddessen sieht, was im Nebenrau geschieht, das danach anderen beschreibt und was dann von dort Anwesenden als richtig bestätigt wird. Solche Dinge werden in der jetzigen Kultur aus letztlich irrationalen Motivationen stark tabuisiert, daher erscheint es vielen, u.a. offenbar auch dir, so als würde es hier um ganz ungewöhnliche Dinge gehen. Das ist in vielen Fällen aber gar nicht der Fall und erscheint aus meiner Sicht vor allem wegen dieser selektiven kulturellen Erwartung in vielen Fällen so.

 

So wie vor tausend Jahren vielleicht die Existenz Chinas von vielen Leuten bestritten worden wäre oder heute zeitgenössische Flacherdler sich ausleben.

vor 1 Stunde schrieb iskander:

weil gerade mystische und ähnliche Erfahrungen ja oft so beschrieben werden, dass sie sich kaum in Worte fassen lassen

Es gibt nach meinem Verständnis da etliche verschiedene Arten von Erfahrung. Aufgrund generationenlanger Tabuisierungen ist aus meiner Sicht viel Wissen nicht vorhanden mit solchen Dingen umzugehen, was leider heute öfters auch zu "psychischen Krisen" führt.

vor 1 Stunde schrieb iskander:

Ob jemand hingegen seine eigenen ungewöhnlichen inneren Erfahrungen korrekt interpretiert, ist auch dann weit weniger klar, wenn man davon ausgeht, dass die betroffene Person redlich ist.

Dir mag das normal vorkommen. Doch kann das eben einfach eine verzerrte Sicht auf die Dinge zugrundehaben.

vor 1 Stunde schrieb iskander:

Es gibt nämlich auch vieles, was von der eigenen Psyche herkommt.

vor 1 Stunde schrieb iskander:

Dass eine innig religiöse Person Erfahrungen macht, die letztlich aus ihrer eigenen Psyche herrühren, die sie aber einer "jenseitigen" Macht zuordnet, ist eine naheliegende Möglichkeit.

Was soll das bedeuten?

Geschrieben
On 1/11/2025 at 2:13 AM, iskander said:

Gewiss. Aber entsprechen Deine Erfahrungen denen anderer in allen für unsere Fragestellung entscheidenden Punkten? Man mag das vermuten, aber wirklich wissen können wir es nicht.

 

Ob wir wissen, dass es auf dieser Welt natürlich zugeht?

 

Ja, das wissen wir.

 

Ein geringer wissenschaftlicher Restzweifel bleibt natürlich, den gibt es aber überall.

 

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