phyllis Geschrieben 13. Dezember Melden Share Geschrieben 13. Dezember 4 hours ago, iskander said: Die Sinneserfahrung allein sagt und [uns?] nicht, dass der nächste Rabe, den wir sehen, schwarz sein wird doch natürlich. Wenn der nächste Vogel den wir sehen blau ist, dann sagt uns unsere Sinneserfahrungen dass das eben kein Rabe ist. Aber es gibt blaue Raben. Die Sinneserfahrung sagt uns auch dass eine Muschel am Strand nicht einfach so durch Evolution entstanden ist, sondern dass da ein Schöpfer am Werk gewesen sein muss. Sehr lesenswert "the blind watchmaker" by Richard Dawkins. Beim betrachten eines Globus sagt uns unsere Sinneserfahrungen dass die Leute in der Antarktis ja ins Weltall fallen müssen wenn sie mit den Füssen auf dem Boden stehen. Das war mw durchaus ein Argument im Mittelalter gegen die Behauptung die Erde sei eine Kugel.. 4 hours ago, iskander said: Zusammen damit, dass wir immer nur Sinneseindrücke mit anderen Sinneseindrücken vergleichen können, nie aber mit der Wirklichkeit, wie sie jenseits aller Sinneseindrücke ist, ergibt sich jedoch aus der These, dass man nur wissen könne, was empirisch prüfbar ist, die extrem skeptische Behauptung, dass wir nicht wissen können, ob es eine reale körperliche Welt gibt und ob sie ggf. auch nur im Entferntesten unserer Vorstellung entspricht. wenn du unter Empirie einfach hinglotzen verstehst dann wohl schon. Aber darunter fällt wesentlich mehr, wie eben Daten sammeln, Daten ordnen, analysieren, echte und falsche Korrelationen erkennen, Konstanten und optimale Prozesse errechnen, Hypothesen erstellen und ggfs Vorschläge zur Lösung bestimmter Probleme machen. Dabei entfernen wir uns von unseren Sinneseindrücken, oft genug stellen wir hinterher fest dass sie uns getäuscht haben, selten dass sie bestätigt werden (ich sagte euch doch gleich.... ich spürte es im Urin). 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Soulman Geschrieben 13. Dezember Melden Share Geschrieben 13. Dezember Die Detektion und Visualisierung von Gravitonen war für mich das letzte, aber ganz sicher nicht das allerletzte grosse Ding. Dagegen sieht das reine, individuelle Denken sehr blass aus. Ohne breite Kooperation und damit Vertrauen in eine gemeinsame Realität ist so etwas nicht zu schaffen. 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Wunibald Geschrieben 13. Dezember Melden Share Geschrieben 13. Dezember Graviton musste ich natürlich googeln, finde einen Artikel mit einer Lesedauer von ca. drei Minuten und komme binnen 30 Sekunden zur Erkenntnis: Zeitdauer, bis ich das verstanden haben werde = ∞. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Soulman Geschrieben 13. Dezember Melden Share Geschrieben 13. Dezember Der erste Schritt zu meinen neuen Levitationsschuhen: https://www.derstandard.de/story/3000000242992/die-entdeckung-des-gravitons-rueckt-in-greifbare-naehe Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
KevinF Geschrieben 13. Dezember Melden Share Geschrieben 13. Dezember 3 hours ago, Soulman said: Die Detektion und Visualisierung von Gravitonen war für mich das letzte, aber ganz sicher nicht das allerletzte grosse Ding. Dagegen sieht das reine, individuelle Denken sehr blass aus. Ohne breite Kooperation und damit Vertrauen in eine gemeinsame Realität ist so etwas nicht zu schaffen. Meinst Du Gravitationswellen? Gravitonen wurden noch nie detektiert, sondern sind nach wie vor rein hypothetisch. Ich persönlich zweifle stark an ihrer Existenz. Ändere meine Meinung aber natürlich gerne, falls sich die Datenlage entsprechend verändert. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Soulman Geschrieben 13. Dezember Melden Share Geschrieben 13. Dezember vor einer Stunde schrieb KevinF: Meinst Du Gravitationswellen? Gravitonen wurden noch nie detektiert, sondern sind nach wie vor rein hypothetisch. Ich persönlich zweifle stark an ihrer Existenz. Ändere meine Meinung aber natürlich gerne, falls sich die Datenlage entsprechend verändert. Ja, richtig. Die Welleneingenschaft der Gravitation, was wohl eine Herleitung aus der Relativitätstheorie ist, wurde bereits nachgewiesen. Die Teilcheneigenschaft ist momentan eine Vermutung, aber dem Experiment, laut meinem verlinkten Artikel, zugänglich. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben 13. Dezember Autor Melden Share Geschrieben 13. Dezember (bearbeitet) vor 22 Stunden schrieb KevinF: Dementsprechend setzen wir im Alltag und in den empirischen Wissenschaften gewisse Invarianzen immer schon voraus. Und korrigieren und verfeinern sie, wo wir dies können (auf diese Weise fanden wir zum Beispiel die Allgemeine Relativitätstheorie). Es lassen sich hier zwei Ebenen in unserem Vorgehen, soweit wir mit ihm zu Überzeugungen gelangen, unterscheiden: Einerseits ist da das, was wir faktisch tun - beispielsweise weil es uns die Evolution oder unser Instinkt vorgeben; und andererseits gibt es das, was wir tun, weil wir wissen, dass wir auf diese Weise (zumindest mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit) zum richtigen Resultat gelangen werden. Und leider sind das zwei Paar Stiefel: Dass wir etwas faktisch voraussetzen - und vielleicht sogar voraussetzen "müssen" -, ist an und für sich erst einmal noch kein Argument, dass das Vorausgesetzte auch nur wahrscheinlich wahr ist, oder dass es auch nur wahrscheinlich zu Erkenntnissen führen wird. Dass wir also beispielsweise so disponiert sind, dass wir voraussetzen (müssen), dass in zehn Sekunden noch die gleichen Invarianzen bestehen werden, ist für sich allein genommen noch kein Argument dafür, dass diese Invarianzen in zehn Sekunden auch tatsächlich noch bestehen werden. (Man kann zwar argumentieren, dass das, was wir faktisch immer schon tun, vermutlich auch zu echten Erkenntnissen führt, zumindest in einigen Bereichen - aber eine solche Argumentation setzt selbst schon einiges voraus.) Die Frage wäre also nicht, ob wir "faktisch" bestimmte Invarianzen voraussetzen (müssen), sondern ob wir auch wissen, dass es (wenigstens einigermaßen) wahrscheinlich ist, dass diese Invarianzen auch tatsächlich bestehen. Oder genauer: Dass sie auch in der Zukunft bestehen werden - denn das ist hier ja vor allem die Frage, um die es geht. Wenn wir nun nicht wissen sollten, dass die Annahme, dass die Zukunft der Vergangenheit prinzipiell gleichen wird, zumindest wahrscheinlich wahr ist (und somit auch die Induktion zumindest wahrscheinlich gilt), dann können wir bestenfalls Theorien widerlegen, aber keine Theorien - auch nur in einem bescheidenen Sinne - verifizieren. Das mag erst einmal harmlos klingen - Popper behauptet ja genau dies - hat in der Tat aber fatale Folgen. Konkret auf Dein Beispiel bezogen hieße dies, dass wir zwar vielleicht das Newtonsche Weltbild widerlegen konnten, nicht jedoch beweisen konnten, dass die Allgemeine Relativitätstheorie (morgen) auch nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch nur annäherungsweise richtig ist. Wir wüssten nicht einmal, dass die Allgemeine Relativitätstheorie morgen auch nur wahrscheinlich zumindest ungefähr stimmen wird; oder dass sie morgen auch nur wahrscheinlich für das wissenschaftliche Arbeiten einigermaßen "tauglich" sein wird. Wenn wir absolut nicht wissen, dass die Welt morgen morgen zumindest mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit noch so aussehen wird wie heute, dann haben wir sozusagen "ex hypothesi" keinen blassen Schimmer, ob morgen auch noch die Relativitätstheorie irgendetwas taugt! Die Wahrscheinlichkeit, dass sie morgen (oder in einer Sekunde) noch etwas taugt, wäre dann nicht größer als die, dass morgen eine beliebige und völlig entgegengesetzte Theorie viel besser sein wird. Wenn wir uns dann dennoch darauf einstellen, dass auch morgen die Relativitätstheorie die physikalische Welt noch in einer für uns nützlichen Weise beschreiben wird, dann wäre das genauso ein Glücksspiel, wie wenn jemand eine beliebige völlig andere Annahme tätigt. Wissen über die Zukunft gäbe es dann also keines. Also nicht nur kein mit Unsicherheiten behaftetes Wissen, sondern gar keines. Null. Wer behauptet, dass vermutlich morgen noch die Sonne aufgeht oder die (allermeisten) Raben auch morgen noch schwarz sind, wäre genauso ein Irrationalist wie jemand, der behauptet, dass Schweine morgen vermutlich fliegen können. Beides wäre denkbar, aber für beides hätten wir nicht den geringstem Grund, es anzunehmen. Damit wären dann natürlich auch keine "längerfristigen" Widerlegungen möglich. Haben wir vor zehn Minuten die Annahme, dass die Sonne um die Erde kreist, widerlegt, spräche absolut nichts dagegen, dass diese Theorie in einer Sekunde schon wahr sein wird. Zwar wäre das unwahrscheinlich - aber auch nicht unwahrscheinlicher als eine beliebige andere Annahme über das künftige Verhältnis von Sonne und Erde unter unendlich vielen Möglichkeiten. (Dasselbe gilt natürlich für die Newtonsche Theorie und für jede andere.) Und die Argumentation an dieser Stelle ist keine spekulative, sondern eine, die ganz einfach und direkt ist: Wenn wir absolut keinen Grund zu der Annahme haben, dass unsere Erfahrung uns irgendetwas darüber sagt, wie die Welt morgen wahrscheinlich sein wird, dann wissen wir auch nicht, wie sie morgen sein wird - nicht einmal im Sinne einer Wahrscheinlichkeit. (Wenn wir hingegen sagen, dass wir doch von der vergangenen Erfahrung auf die Zukunft schließen können, dann anerkennen wir eben auch die Induktion.) Und das ist ja nicht alles. Wir können in Wahrheit ohne Induktion nämlich noch nicht einmal Thesen widerlegen. Wenn wir beispielsweise eine Messung (etwa mit einem Teleskop) machen, welche die Newtonsche Mechanik widerlegt (in dem Sinne, dass sie der Wirklichkeit vielleicht nahekommt, aber doch nicht ganz gerecht ist), dann werden wir multiple Messergebnisse benötigen, um die Gefahr von zu Messfehlern zu minimieren. Es werden also entweder verschiedene Aufnahmen von einem Teleskop oder mehrere von unterschiedlichen Teleskopen benötigt werden. Genau dieses Schließen von mehreren sich bestätigenden Erfahrungen ist aber selbst wieder ein induktives Vorgehen - und dieses ist ja verboten. Mehr noch: Woher weiß man denn, dass Messgeräte wie ein Teleskop das messen, was sie messen sollen? Doch weil sie das bisher, in der Vergangenheit, zuverlässig getan haben! Also, so folgern wir, wird das Teleskop auch jetzt valide Messergebnisse abliefern, mit denen wir die Newtonsche Theorie widerlegen können. Aber dies ist wieder ein "verbotener" induktiver Schluss! (Und genau genommen sieht es sogar noch düsterer aus; ohne Induktion bzw. Gleichförmigkeit der Natur können wir nicht einmal sagen, dass Messungen in der Vergangenheit tatsächlich das gleiche gemessen haben.) Wir brauchen die Induktion bzw. die mit ihr verbundene Annahme der Gleichförmigkeit der Natur also, wenn wir behaupten wollen, dass die Wissenschaft überhaupt Wissen in irgendeiner Form, selbst in einer bescheidenen Form, produzieren. Und "brauchen" heißt hier: Wir müssen wissen, dass es zumindest wahrscheinlich tatsächlich der Fall ist, dass die Gleichförmigkeit gilt und (gute) induktive Schlüsse wahrscheinlich zu richtigen Ergebnissen führen. Wie müssen also wissen, dass induktive Schlüsse wahrscheinlich berechtigt sind, um - irgendetwas über die Zukunft zu wissen (und gehe es auch um ein mit Unsicherheiten behaftetes Wissen) - und sogar um eine beliebige These zu widerlegen (und zwar sie auch nur "temporär" zu widerlegen Dass wir de facto von der Gleichförmigkeit der Welt ausgehen oder auch, dass wir dazu disponiert sind, von ihr auszugehen, nutzt uns da für sich genommen da erst einmal nichts. Genauso wenig wie die Tatsache, dass wir durch neue Erfahrungen - scheinbar - alte Theorien widerlegen können. Das ersetzt nicht die Induktion. Deshalb scheint mir für Deinen Ansatz das folgende zu gelten: - Entweder er gibt uns ein Argument dafür, dass es wahrscheinlich der Fall ist, dass die Gleichförmigkeit der Natur und Induktion gelten (und nicht nur ein Argument dafür, dass wir faktisch gezwungen sind, das anzunehmen oder uns entsprechend zu verhalten). Dann ist das eine inhaltliche Begründung dafür, dass das Induktionsprinzip wahrscheinlich gilt. - Oder Dein Ansatz gibt und kein Argument dieser Art. Dann hilft er aber leider auch nicht dabei, dem mit der Ablehnung der Induktion verbundenen extremen Skeptizismus zurückzuweisen. bearbeitet 13. Dezember von iskander Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
KevinF Geschrieben 13. Dezember Melden Share Geschrieben 13. Dezember (bearbeitet) 41 minutes ago, iskander said: Dass wir also beispielsweise so disponiert sind, dass wir voraussetzen (müssen), dass in zehn Sekunden noch die gleichen Invarianzen bestehen werden, ist für sich allein genommen noch kein Argument dafür, dass diese Invarianzen in zehn Sekunden auch tatsächlich noch bestehen werden. Ja, aber warum sollte ich dieser Disposition völlig misstrauen? Dass ein evolutionär entstandenes Erkenntnisvermögen völlig nutzlos ist, ist nicht plausibel. Und je fundamentaler unsere physikalischen Theorien werden, desto unplausibler erscheint es, dass sie völlig falsch sind. 41 minutes ago, iskander said: Wenn wir absolut nicht wissen, dass die Welt morgen morgen zumindest mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit noch so aussehen wird wie heute, dann haben wir sozusagen "ex hypothesi" keinen blassen Schimmer, ob morgen auch noch die Relativitätstheorie irgendetwas taugt! Da die Allgemeine Relativitätstheorie unser Verständnis der Raumzeit enthält, darf ich fragen: Was genau meinst Du hier mit "morgen"? bearbeitet 13. Dezember von KevinF 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben 13. Dezember Autor Melden Share Geschrieben 13. Dezember vor 19 Stunden schrieb phyllis: Wenn der nächste Vogel den wir sehen blau ist, dann sagt uns unsere Sinneserfahrungen dass das eben kein Rabe ist. [...] Beim betrachten eines Globus sagt uns unsere Sinneserfahrungen dass die Leute in der Antarktis ja ins Weltall fallen müssen wenn sie mit den Füssen auf dem Boden stehen. Kann es sein, dass Du mit "Sinneserfahrung" nicht die Sinneseindrücke verstehst, die wir durch die Sinneserfahrung erhalten - sondern intuitiv naheliegende, aber womöglich falsche Schlüsse, die wir aus den Sinneseindrücken (und anderem) ziehen? Zitat wenn du unter Empirie einfach hinglotzen verstehst dann wohl schon. Aber darunter fällt wesentlich mehr, wie eben Daten sammeln, Daten ordnen, analysieren, echte und falsche Korrelationen erkennen, Konstanten und optimale Prozesse errechnen, Hypothesen erstellen und ggfs Vorschläge zur Lösung bestimmter Probleme machen. Dabei entfernen wir uns von unseren Sinneseindrücken, oft genug stellen wir hinterher fest dass sie uns getäuscht haben, selten dass sie bestätigt werden (ich sagte euch doch gleich.... ich spürte es im Urin). Erneut: Alles schön und gut. Und von mir völlig unbestritten. Bei der Wissenschaft gehen wir weit über die reine Sinneserfahrung hinaus. Aber auch da bleibt alles auf Sinneseindrücke angewiesen. Wenn man Daten korreliert, muss man Daten erheben. Und dazu braucht man erst einmal Messergebnisse. Und diese Ergebnisse - bzw. das, was sie physikalisch repräsentiert - musst Du in der einen oder anderen Weise sehen, hören, fühlen usw. Du musst also beispielsweise auf dem Bildschirm ein bestimmtes Muster von Punkten sehen, oder Ziffern, oder vielleicht auch Graphen, die von einem Computer-Programm erstellt wurden. Und das gilt natürlich auch dann, wenn die Rohdaten interpretationsbedürftig sind. Auch dann muss man entweder diese Rohdaten selbst oder doch ein (z.B. von einem Computer erzeugtes) Endergebnis mithilfe von Sinneseindrücken zur Kenntnis nehmen. Und das Gesagte bleibt auch dann richtig, wenn Du aus den Ergebnissen einer Messung dann folgerst, dass bestimmte Sinneseindrücke Dich in die Irre geführt haben. Auch in diesem Fall muss Du die Messergebnisse, aus denen Du solche Schlüsse ziehst, ja irgendwie sinnlich wahrnehmen. Damit gilt dann aber: Auch für jede empirische Prüfung sind Sinneseindrücke unerlässlich, weil wir immer an irgendeiner Stelle Messergebnisse sinnlich wahrnehmen müssen. (Die einzige Alternative wäre eine außersinnliche Wahrnehmung, die wir hier ausklammern können.) Empirische Forschung ist also keine Alternative zu Sinneseindrücken, sondern baut auf diesen auf - nicht allein auf diesen, aber eben auch und konstitutiv auf diesen. Damit zu folgendem Punkt: Um mithilfe unserer Sinneseindrücke zu prüfen, ob es die physikalische Welt gibt und ob sie so ist, wie wir das meinen, müsste uns die Sinneserfahrung zum einen Sinneseindrücke geben und zum andern die Welt, wie sie wirklich und völlig unabhängig von allen Sinneseindrücken "in sich selbst" ist. Dann könnten wir mithilfe unserer Sinneserfahrung unsere Sinneseindrücke mit der Welt, so wie sie wirklich ist, vergleichen - aber das ist natürlich unmöglich. Und da unsere Kenntnis vom Aufbau, vom Ablauf und von den Ergebnissen von Experimenten oder von Studien ebenfalls nicht "direkt" gegeben ist, sondern nur durch das "Medium" unserer Sinneserfahrung, sagt uns unsere Sinneserfahrung auch nicht, ob es ein Experiment "tatsächlich" gibt - und ob sein Ergebnis auch wirklich so ist, wie ich das aus meinen Sinneseseindrücke schließe. Meine Sinneserfahrung schenkt mir zwar beispielsweise vielleicht einen Sinneseindruck, aus welchem mein Verstand ableitet, dass da vor mir ein Messprotokoll liegt - aber ob jenseits von diesem Sinneseindruck auch tatsächlich ein reales physikalisches Mess-Protokoll existiert, und falls ja, ob wirklich das in ihm steht, was meine Sinneseindrücke suggeriert: Genau das sagt die sinnliche Erfahrung nicht. Wenn das zu unanschaulich sein sollte, dann stelle Dir einen komplexen, realistischen und in sich kohärenten Traum vor. In diesem Traum magst Du zwar beispielsweise ein EEG-Gerät haben, das Dir vermeintlich zeigt, dass Du nicht träumst. Aber da das Gerät, der Vorgang der Messung und die Ergebnisse, die angezeigt werden, selbst nur Bestandteil des Traums sind, wären sie völlig ungeeignet, Dich darüber zu informieren, ob Du tatsächlich träumst oder wach bist. Selbst sehr viel komplexere Experimente, die auf einem riesigen Forschungsprogramm beruhen, würden nicht weiterhelfen, denn sie wären ja ebenfalls nur erträumt. Falls wir uns in einer analogen Position befinden sollten in dem Sinne, dass es jenseits unserer Sinnesempfindungen keine physikalische "Außenwelt" gäbe, so könnten uns selbst komplexe empirischen Untersuchungen hierüber nicht in Kenntnis setzen. Denn sie wären dann ja selbst nichts als Sinnesempfindungen bzw. als Irrtümer, die uns unsere Sinnesempfindungen suggerieren. Das heißt natürlich nicht, dass wir keinen guten Grund hätten, von der Realität einer uns unabhängigen Körperwelt jenseits unserer Sinneseindrücke auszugehen. Es heißt nur, dass diese eben jenseits unserer Sinneseindrücke liegt, und dass wir daher nicht sinnlich bzw. empirisch prüfen können, ob sie existiert. Deshalb ist eben die Auffassung, dass nur das Wissen sein könne, was wir empirisch prüfen können, so fatal. Sie führt zwingend in eine extreme Skepsis. Ernst Mach hat das durchaus richtig gesehen und sich für diese Skepsis entschieden: "Als glühender Anhänger der Aufklärung und entschiedener Gegner jeder Form der Metaphysik plädierte Mach für eine methodische Denkökonomie, worunter er eine größtmögliche Sparsamkeit in begrifflicher und spekulativer Hinsicht versteht. Naturerkenntnis hat ihr Fundament in der Erfahrung – entweder direkt über Sinneseindrücke oder über Messinstrumente vermittelt. Er ist daher als Empirist anzusehen.[35] Des Weiteren wird Mach als Vertreter des Positivismus gesehen. Für Mach bedeutete der Positivismus im Wesentlichen:[36] 1. Die Quelle aller menschlichen Erkenntnis ist das „Gegebene“. 2. Gegeben ist nur eine Mannigfaltigkeit von Sinneseindrücken (Empfindungen). 3. Nicht gegeben ist alles, was zusätzlich zu den Inhalten der sinnlichen Wahrnehmung die „Welt“ konstituiert. 4. Die Unterscheidung zwischen Ich und Welt ist haltlos. 5. Es gibt keine metaphysische Erkenntnis über außersinnliche Realität." Das ist mehr oder weniger genau das, was folgt. Nur könnte man es hier, statt eine Außenwelt zu verneinen, auch bei der Behaupztung belassen, dass es keinerlei Grund gäbe, eine solche anzunehmen. Das ist aber radikal genug. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Marcellinus Geschrieben 13. Dezember Melden Share Geschrieben 13. Dezember vor 28 Minuten schrieb iskander: Kann es sein, dass Du mit "Sinneserfahrung" nicht die Sinneseindrücke verstehst, die wir durch die Sinneserfahrung erhalten - sondern intuitiv naheliegende, aber womöglich falsche Schlüsse, die wir aus den Sinneseindrücken (und anderem) ziehen? Empirie ist mehr als das, was du unter "Sinneserfahrung" verstehst. Dein Pferd ist tot. Steig ab! Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben 13. Dezember Autor Melden Share Geschrieben 13. Dezember Am 12.12.2024 um 22:35 schrieb Marcellinus: Die Probleme, die du hast, entstehen erst, wenn du die Wahrnehmung auf einen Augenblick reduzierst, mit Sinneserfahrungen nur allein das Sehen, Hören und Schmecken meinst, und vollkommen ignorierst, daß wir Menschen stammesbildende und geschichtenerzählende Primaten sind, deren Erkenntnisprozeß schon vor dem Entstehen unserer Art begonnen hat, und mit ihr auch nicht enden wird. Den letzteren Teil (den ab "daß wir Menschen") bezweifle ich doch gar nicht. Aber woher wissen wir das denn alles? Doch weil unsere Sinneswahrnehmung uns bestimmte Informationen gibt, die dann von unserem Verstand entsprechend bearbeitet werden. Was ich beispielsweise über die Welt weiß, beruht neben dem, was ich direkt beobachte (bzw. aus Beobachtungen schließe), doch auf dem Wissen, das mir durch mündliche oder schriftliche Erzählungen vermittelt wird. Und diese Informationen werden mir doch wiederum durch meine Sinne, insbesondere meinen Gesichtssinn und meinen Gehörsinn vermittelt. Das heißt beispielsweise aber auch: Nur weil ich davon ausgehe, dass meiner Sinneswahrnehmung ein reales Buch in der physikalischen Welt entspricht, und nur weil ich glaube, dass meine Sinneserfahrung mir sagt, was tatsächlich in diesem Buch steht (und mich diesbezüglich nicht "belügt"), habe ich auch Grund zur Annahme, dass die Behauptung des Buches, dass es einmal ein Römisches Reich gab, vermutlich richtig ist. Und auch alles andere Wissen über die "reale Welt" jenseits meines eigenen Bewusstseins beruht letztlich immer entscheidend auch auf der Sinneserfahrung. Das gilt schon für meine Mitmenschen. Woher weiß ich, dass sie da sind? Nun, weil meine Sinneserfahrung mir das sagt (zusammen mit meinem Verstand, der hier aber von der Sinneserfahrung abhängig ist). Und woher weiß ich, dass ich ein Gehirn habe? Nun, weil andere Leute sagen, dass alle Menschen ein Gehirn haben. Das setzt aber (unter anderem) zweierlei voraus. Erstens muss ich annehmen, dass hinter meinen Sinneseindrücken von anderen Leuten tatsächlich reale Leute stehen und zweitens, dass die Sinneserfahrung dieser anderen Leute einigermaßen "realistisch" ist; dass hinter ihren Sinnesempfindungen von Gehirnen also reale Gehirne stehen, welche prinzipiell auch einigermaßen so beschaffen sindsind, wie die Sinneserfahrung es diesen Gehirnforschern erzählt. Und Entsprechendes gilt auch für die stammesgeschichtliche Evolution; all die Informationen, die ich darüber besitze, habe ich durch meine Sinne vermittelt bekommen. Meine Sinnesempfindung ist also (zusammen mit meinem Denken) sozusagen mein "Fenster zur Welt". Das ist der Punkt. Ich streite damit nicht ab, dass es andere Menschen gibt, dass ich ein physikalisches Gehirn habe usw. - das bezweifle ich nicht im geringsten. Es geht mir nur darum, dass auf dem "Weg der Erkenntnis" meine Sinneseindrücke und mein Denken "näher" bei mir sind als andere Dinge. Zwar sind Gehirn, Evolution, andere Menschen usw. Bedingungen dafür, dass ich existiere, Sinnesempfindungen habe, denken kann usw. Aber für mich selbst ist all das vermitteltes Wissen. Das heißt, ich muss zuerst einmal wissen, dass meine Sinneserfahrung grundsätzlich einigermaßen verlässlich ist - und dann erst kann ich auch wissen, dass jene Kenntnisse über prähistorische Zeiten, die Forscher mithilfe ihrer Sinneserfahrung und ihres Denkens herausgefunden haben, und die ich mithilfe meiner Sinneserfahrung einem Buch entnehme, vermutlich auch einigermaßen korrekt und glaubwürdig sind. Hier sollte auch erhellen, was ich mir "zirkulär" meine. Wir können nicht einfach argumentieren, dass aus dem, was wir über die Evolution, die Menschen um uns herum, unser Gehirn etc. wissen, ja folgt, dass unsere Sinneswahrnehmung prinzipiell einigermaßen verlässlich ist. Denn unser ganzes Wissen über Evolution etc. beruht ja entscheidend auch darauf, dass wir bereits wissen, dass unsere Sinneserfahrung einigermaßen verlässlich ist. Zitat Doch, natürlich sagen uns das unsere Sinneserfahrungen, denn unser eigentlicher Sinn ist unser Gehirn [...] Nun, wenn Du mit Sinneserfahrung" auch den Verstand meinst, dann sieht die Sache natürlich anders aus. Aber das ist ja mein Punkt. Es muss zur Sinneserfahrung auch der Verstand dazukommen - und das heißt insbesondere auch: bestimmte Einsichten. Zum Beispiel wäre auch mein Argument gegen den Solipsismus, sehr kurz gesagt, dass unsere Erfahrungen kaum erklärbar wären, wenn es keine wirkliche Welt gäbe, die sich zumindest in den uns bekannten Bereichen grob so verhält, wie wir es annehmen. Jede alternative Erklärung erscheint im Vergleich als extrem unplausibel. Aber das ist eben kein empirisches Argument. Das ist auch nichts, was man empirisch prüfen kann. Wie soll ich empirisch prüfen, ob die Gesamtheit aller unserer Sinneseindrücke ein Panaorama-Bild ergibt, das sich nur dann glaubwürdig erklären lässt, wenn man davon ausgeht, dass es eine wirkliche Welt gibt? (Natürlich kann ich weitere Sinneseindrücke sammeln, um zu sehen, ob sich das Gesamt-Bild dann ändert - aber das wäre wieder etwas anderes.) Das ist das, was ich meine: Es gibt einen Raum für Einsichten (und muss ihn geben), die nicht empirisch-experimentell prüfbar sind und doch mehr darstellen als "Fantasien". Und von solchen Einsichten hängt vieles ab. Am 12.12.2024 um 22:35 schrieb Marcellinus: Wie oft in solchen Fällen, hat die Diskussion das gegenseitige Verständnis auch nicht verstärkt, sondern eher vermindert, bis hin dazu, daß ich mir nicht sicher bin, wie ernst du nimmst, was du zu diesem Thema schreibst, denn es unterscheidet sich signifikant von deinen sonstigen Beiträgen, die ich durchaus schätze. Aber das ist deine Sache, nicht meine. Das liegt daran, dass Du das, was ich schreibe, trotz unzähliger Erklärungsversuche meinerseits eifach radikal fehldeutest. Ich bin absolut kein Solipsist, sondern sage nur, dass man nicht empirisch prüfen bzw. beweisen kann, dass es jenseits der Sinneserfahrung eine reale Welt gibt. Ich behaupte, dass wir dazu vernünftige Einsichten brauchen, die nicht empirisch begründbar oder prüfbar sind. Und ja, ich sage auch, dass im Erkenntnisprozess meine Sinneserfahrung und mein Denken mir direkter "gegeben" sind und mir näher stehen als das, was beispielsweise vor 100 Mio. Jahren in der Evolution passiert ist. Zwar gäbe es ohne die Evolution weder mich noch meine Sinneseindrücke; aber das ist nicht das, was ich am Anfang weiß, sondern das, was ich am Ende einer langen Kette weiß. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben 13. Dezember Autor Melden Share Geschrieben 13. Dezember vor 46 Minuten schrieb Marcellinus: Empirie ist mehr als das, was du unter "Sinneserfahrung" verstehst. Dein Pferd ist tot. Steig ab! Bist Du Dir ganz sicher, dass Du auch gelesen, was ich danach geschrieben habe? vor einer Stunde schrieb iskander: Bei der Wissenschaft gehen wir weit über die reine Sinneserfahrung hinaus. Aber auch da bleibt alles auf Sinneseindrücke angewiesen. [...] Damit gilt dann aber: Auch für jede empirische Prüfung sind Sinneseindrücke unerlässlich, weil wir immer an irgendeiner Stelle Messergebnisse sinnlich wahrnehmen müssen. [...] Empirische Forschung ist also keine Alternative zu Sinneseindrücken, sondern baut auf diesen auf - nicht allein auf diesen, aber eben auch und konstitutiv auf diesen. Wie kommt es, dass Du meinen Beiträgen - bewusst übertrieben formuliert - nie das findest, was ausdrücklich in ihnen steht, dafür aber immer das, was nicht in ihnen steht oder von ihnen sogar ausdrücklich verneint wird? Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben 14. Dezember Autor Melden Share Geschrieben 14. Dezember (bearbeitet) vor 5 Stunden schrieb KevinF: Ja, aber warum sollte ich dieser Disposition völlig misstrauen? Dass ein evolutionär entstandenes Erkenntnisvermögen völlig nutzlos ist, ist nicht plausibel. Das stimmt zwar einerseits. Andererseits fallen mir dazu mehrere Dinge dazu ein: - Kann man etwas über die Evolution wissen, ohne bereits vorauszusetzen, dass das Gleichförmigkeitsprinzip (bzw. die Induktion) gilt? Wie gesagt meine ich, dass wir die Induktion selbst für einfachste Messungen bereits voraussetzen müssen; und wenn das so ist, dann muss die Antwort offensichtlich negativ ausfallen. - Es bliebe vielleicht die Möglichkeit, dass man sozusagen in einer Gesamtbetrachtung alle empirischen Befunde auf den Tisch legt und dann mit einem abduktiven Schluss zum Ergebnis gelangt, dass diese Befunde nur dann sinnvoll erklärbar sind, wenn induktive Schlüsse gelten und wenn es die Evolution gab. (Dann brräuchte man aber wahrscheinlich die Evolution an dieser Stelle gar nicht mehr, sondern könnte direkt zu den induktiven Schlüssen gelangen.) Allerdings entspräche diese Art des abduktiven Schließens im Prinzip ja dem von mir favorisierten Lösungsansatz - bzw. dem ersten Schritt dieses Lösungsansatzes. - Es würde dann allerdings das gleiche Problem wie bei "meinem" Lösungsansatz auftauchen: Wie kann man zirkelfrei daraus, dass das Induktionsprinzip bisher gegolten haben muss( oder dass ein evolutionär entstandenes Erkenntnisvermögen bisher nützlich war) darauf schließen, dass solches höchstwahrscheinlich auch in Zukunft noch so sein wird? Wahrscheinlich würde man an dieser Stelle dann eine ähnliche Lösung benötigen, wie auch ich sie vorgeschlagen habe. vor 5 Stunden schrieb KevinF: Und je fundamentaler unsere physikalischen Theorien werden, desto unplausibler erscheint es, dass sie völlig falsch sind. Sicher - aber das wäre nun prinzipiell die Art der Begründung, auf die auch ich rekurriere: Es ist einfach plausibel/einsichtig, dass manche Dinge wahrscheinlich so und nicht anders sind. Dann würden wir uns zwar (teilweise) an unterschiedlicher Stelle auf solche Einsichten oder eine solche Plausibilität berufen, aber die grundsätzliche Form der Argumentation wäre eigentlich die gleiche. vor 5 Stunden schrieb KevinF: Da die Allgemeine Relativitätstheorie unser Verständnis der Raumzeit enthält, darf ich fragen: Was genau meinst Du hier mit "morgen"? Dann müsste ich das wohl umformulieren: "Bisher hat sich die Welt so verhalten, als ob die die AR korrekt seit; doch wir haben keine Ahnung, ob sie sich auch morgen noch so verhalten wird." Das wäre die These des Induktions-Skeptikers (nicht die meine). Oder alternativ: "Wir wissen, dass eine Theorie gilt, welche der AR entspricht, aber mit der wichtigen Einschränkung, dass sie anders als die AR über die künftige Raumzeit nichts behauptet." Wobei auch ein solches "bescheidenes" Wissen noch immer jenseits dessen liegt, was der Induktions-Skeptiker behaupten darf, und wobei die obigen Formulierungen auch etwas sperrig sind. bearbeitet 14. Dezember von iskander Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Marcellinus Geschrieben 14. Dezember Melden Share Geschrieben 14. Dezember (bearbeitet) vor 17 Stunden schrieb iskander: Am 12.12.2024 um 22:35 schrieb Marcellinus: Die Probleme, die du hast, entstehen erst, wenn du die Wahrnehmung auf einen Augenblick reduzierst, mit Sinneserfahrungen nur allein das Sehen, Hören und Schmecken meinst, und vollkommen ignorierst, daß wir Menschen stammesbildende und geschichtenerzählende Primaten sind, deren Erkenntnisprozeß schon vor dem Entstehen unserer Art begonnen hat, und mit ihr auch nicht enden wird. Den letzteren Teil (den ab "daß wir Menschen") bezweifle ich doch gar nicht. Aber woher wissen wir das denn alles? Doch weil unsere Sinneswahrnehmung uns bestimmte Informationen gibt, die dann von unserem Verstand entsprechend bearbeitet werden. Was ich beispielsweise über die Welt weiß, beruht neben dem, was ich direkt beobachte (bzw. aus Beobachtungen schließe), doch auf dem Wissen, das mir durch mündliche oder schriftliche Erzählungen vermittelt wird. Und diese Informationen werden mir doch wiederum durch meine Sinne, insbesondere meinen Gesichtssinn und meinen Gehörsinn vermittelt. Noch einmal und zum (hoffentlich) letzten Mal: Wir leben in verschiedenen Welten. Du hängst am Cartesianismus, hältst daher das eigenen Bewußtsein für die einzige Gewißheit, und die Welt für etwas, was mindestens durch eine undurchdringliche Wand von dir getrennt ist, in die deine Sinnesorgane bestenfalls keine Löcher bohren. Das ist seit Descartes die klassische philosophische Position, und von der aus kann man, je nachdem, für welche Ontologie man sich entscheidet, zu unterschiedlichen Weltbildern kommen. Und das eigene Ich für das einzig gewisse zu halten, ist nun mal die klassische Definition von Solipsismus. Dagegen bin ich fern einer solchen Tradition der Ich-Fixierung aufgewachsen. "Glauben heißt nicht wissen", war der erste Spruch meines Vaters, an den ich mich erinnern kann. Vielleicht kommt daher meine Geringschätzung jeder Form von Metaphysik. Ich habe mich immer als Teil dieser Welt wahrgenommen. Deine Ich-Bezogenheit ist mir daher vollkommen fremd. Als ich dann später Philosophen kennenlernte, hat deren Abgehobenheit bei mir immer nur Kopfschütteln hervorgerufen, und so ist es bis heute. Was ich über diese Welt weiß (um deinen Formulierung aufzugreifen), ist nicht mein Wissen allein, sondern etwas, in das ich wie jeder andere Mensch hineingewachsen bin. Wir lernen es mit unserer Sprache und vermittelt durch unsere Eltern, noch bevor wir überhaupt selbst denken können. Das eine bestätigt sich im weiteren Leben, beim anderen stoßen wir auf Widersprüche, und so entwickelt sich unser Bild dieser Welt ohne Anfang oder Ende in einer Auseinandersetzung zwischen Versuch und Irrtum. Aber immer sind wir räumlich wie zeitlich ein Teil davon, ein Glied in einer ununterbrochene Kette von Generationen. Die Wand, die du offenbar zwischen dir und der Welt wahrnimmst, ist ein psychologisches Problem, keine Eigenschaft dieser Welt. Was wir über diese Welt wissen, ist nicht so sehr das Ergebnis von Informationen, die wir von außen bekommen, sondern von Erfahrungen, die wir alle miteinander machen und dort vor allem den Erfahrungen von Irrtümern, vom Scheitern an der Wirklichkeit. Jeder wirkliche Erkenntnisfortschritt, den ich in den letzten Jahrzehnten erlebt habe, beruhte auf dem Scheitern liebgewordener Illusionen. Oder wie Benjamin Franklin so treffend formulierte: "One of the greatest tragedies in life is the murder of a beautiful theory by a gang of brutal facts“. Ich denke, das faßt es sehr schön zusammen. Für dich ist der Ausgangspunkt deiner Überlegungen dein Ich und dessen Ideen, für mich die beobachtbare Welt. Ich denke, ferner kann man sich nicht sein, und noch so viele Worte können diesen Graben nicht überspringen. Wenn man dann noch bedenkt, daß dieser Sprung ja nicht zu neuer Erkenntnis über diese Welt führt, sondern diese doch an sich strukturierte Welt in einen wirren Alptraum verwandelt, in dem man am Tag nicht mehr die Sonne, und nachts nicht mehr den Mond sieht, dann bleibe ich doch lieber auf dieser Seite. Wenn das Philosophie ist, was du hier an Gedankenkunststückchen vorführst, gibt es keine größere gedankliche Ersparnis, als sich davon fern zu halten. bearbeitet 14. Dezember von Marcellinus Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
KevinF Geschrieben 14. Dezember Melden Share Geschrieben 14. Dezember (bearbeitet) 18 hours ago, iskander said: Das stimmt zwar einerseits. Andererseits fallen mir dazu mehrere Dinge dazu ein: - Kann man etwas über die Evolution wissen, ohne bereits vorauszusetzen, dass das Gleichförmigkeitsprinzip (bzw. die Induktion) gilt? Wie gesagt meine ich, dass wir die Induktion selbst für einfachste Messungen bereits voraussetzen müssen; und wenn das so ist, dann muss die Antwort offensichtlich negativ ausfallen. - Es bliebe vielleicht die Möglichkeit, dass man sozusagen in einer Gesamtbetrachtung alle empirischen Befunde auf den Tisch legt und dann mit einem abduktiven Schluss zum Ergebnis gelangt, dass diese Befunde nur dann sinnvoll erklärbar sind, wenn induktive Schlüsse gelten und wenn es die Evolution gab. (Dann brräuchte man aber wahrscheinlich die Evolution an dieser Stelle gar nicht mehr, sondern könnte direkt zu den induktiven Schlüssen gelangen.) Allerdings entspräche diese Art des abduktiven Schließens im Prinzip ja dem von mir favorisierten Lösungsansatz - bzw. dem ersten Schritt dieses Lösungsansatzes. - Es würde dann allerdings das gleiche Problem wie bei "meinem" Lösungsansatz auftauchen: Wie kann man zirkelfrei daraus, dass das Induktionsprinzip bisher gegolten haben muss( oder dass ein evolutionär entstandenes Erkenntnisvermögen bisher nützlich war) darauf schließen, dass solches höchstwahrscheinlich auch in Zukunft noch so sein wird? Wahrscheinlich würde man an dieser Stelle dann eine ähnliche Lösung benötigen, wie auch ich sie vorgeschlagen habe. Sicher - aber das wäre nun prinzipiell die Art der Begründung, auf die auch ich rekurriere: Es ist einfach plausibel/einsichtig, dass manche Dinge wahrscheinlich so und nicht anders sind. Dann würden wir uns zwar (teilweise) an unterschiedlicher Stelle auf solche Einsichten oder eine solche Plausibilität berufen, aber die grundsätzliche Form der Argumentation wäre eigentlich die gleiche. Dann müsste ich das wohl umformulieren: "Bisher hat sich die Welt so verhalten, als ob die die AR korrekt seit; doch wir haben keine Ahnung, ob sie sich auch morgen noch so verhalten wird." Das wäre die These des Induktions-Skeptikers (nicht die meine). Oder alternativ: "Wir wissen, dass eine Theorie gilt, welche der AR entspricht, aber mit der wichtigen Einschränkung, dass sie anders als die AR über die künftige Raumzeit nichts behauptet." Wobei auch ein solches "bescheidenes" Wissen noch immer jenseits dessen liegt, was der Induktions-Skeptiker behaupten darf, und wobei die obigen Formulierungen auch etwas sperrig sind. Das heißt doch aber: Wir gehen von unseren aktuellen naturwissenschaftlichen Theorien bis zu ihrer möglichen Falsifizierung aus, weil sie a) die einfachste Möglichkeit sind, alle bisher erhobenen Daten zu erklären und es b) sehr unplausibel ist, dass derart fundamentale Theorien, die mit besagten Daten übereinstimmen, völlig falsch sind (dass sie nicht der Weisheit letzter Schluss sein können, wissen wir hingegen schon). Und dafür die seitenlange Diskussion im Fürwahrhalten-Thread und hier? Sorry, aber jetzt komme ich mir auch fast ein wenig veralbert vor. 18 hours ago, iskander said: Dann müsste ich das wohl umformulieren: "Bisher hat sich die Welt so verhalten, als ob die die AR korrekt seit; doch wir haben keine Ahnung, ob sie sich auch morgen noch so verhalten wird." Das wäre die These des Induktions-Skeptikers (nicht die meine). Oder alternativ: "Wir wissen, dass eine Theorie gilt, welche der AR entspricht, aber mit der wichtigen Einschränkung, dass sie anders als die AR über die künftige Raumzeit nichts behauptet." Wobei auch ein solches "bescheidenes" Wissen noch immer jenseits dessen liegt, was der Induktions-Skeptiker behaupten darf, und wobei die obigen Formulierungen auch etwas sperrig sind. Die Antwort verstehe ich nicht ganz. Mein Punkt war, dass Deine Rede ein Verständnis von Raum, Zeit und Kausalität bereits voraussetzt. Und wenn das Newtonsche als falsch akzeptiert und das Einsteinsche komplett abgelehnt wird (was Du hier ja quasi nur als Teufels Anwalt machst, wenn ich es richtig verstehe), dann wird es eben schwierig. bearbeitet 14. Dezember von KevinF 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben 14. Dezember Autor Melden Share Geschrieben 14. Dezember vor 4 Stunden schrieb Marcellinus: Noch einmal und zum (hoffentlich) letzten Mal: Wir leben in verschiedenen Welten. Du hängst am Cartesianismus, hältst daher das eigenen Bewußtsein für die einzige Gewißheit, und die Welt für etwas, was mindestens durch eine undurchdringliche Wand von dir getrennt ist, in die deine Sinnesorgane bestenfalls keine Löcher bohren. Das ist seit Descartes die klassische philosophische Position, und von der aus kann man, je nachdem, für welche Ontologie man sich entscheidet, zu unterschiedlichen Weltbildern kommen. Und das eigene Ich für das einzig gewisse zu halten, ist nun mal die klassische Definition von Solipsismus. Nein, das ist, wie ich schon 100 mal gesagt habe, nicht der Fall. Ich sage - das ist mein erster Schritt -, dass meine Kenntnis meiner Umwelt mir wesentlich durch meine Sinneserfahrung gegeben ist bzw. von dieser abhängt. Das gilt auch für meine soziale Umwelt. Ich sehe andere Menschen, ich höre, was sie sagen usw. Auch damit ich beispielsweise ein Experiment oder eine komplexe empirische Forschung durchführen und etwas falsifizieren kann, bin ich auf meine Sinneseindrücke angewiesen. Natürlich sind Sinneseindrücke nicht alles - aber sie sind eben ein unverzichtbares und konstitutives "Medium", ohne das wir nichts über die Welt um uns herum wüssten. Und wenn man einmal die Option außersinnlicher Wahrnehmung außen vorlässt, dann verstehe ich nicht, wie man dem nicht zustimmen kann. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Marcellinus Geschrieben 14. Dezember Melden Share Geschrieben 14. Dezember vor 16 Minuten schrieb iskander: Ich sage - das ist mein erster Schritt -, dass meine Kenntnis meiner Umwelt mir wesentlich durch meine Sinneserfahrung gegeben ist bzw. von dieser abhängt. Bei unserer Orientierung in dieser Welt gibt es aber keinen Anfang. Es gibt keine Sinneswahrnehmung ohne Erfahrung, und keine Erfahrung ohne Sinneswahrnehmung. Du kannst nicht verstehen, was andere Menschen sagen, ohne vorher die Sprache erlernt zu haben, und du kannst keine Sprache erlernen, ohne Menschen beim Sprechen zuzuhören. Und das alles bildet das, was du dein Bewußtsein nennst. Aber genau dieses Bewußtsein ist das einzige, was du "gewiß" nennst. Oder willst du das auf einmal auch nicht gesagt haben? Muß ich es erst raussuchen, oder erinnerst du dich auch so? Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben 14. Dezember Autor Melden Share Geschrieben 14. Dezember vor einer Stunde schrieb KevinF: Wir gehen von unseren aktuellen naturwissenschaftlichen Theorien bis zu ihrer möglichen Falsifizierung aus, weil sie a) die einfachste Möglichkeit sind, alle bisher erhobenen Daten zu erklären und es b) sehr unplausibel ist, dass derart fundamentale Theorien, die mit besagten Daten übereinstimmen, völlig falsch sind (dass sie nicht der Weisheit letzter Schluss sein können, wissen wir hingegen schon). Und dafür die seitenlange Diskussion im Fürwahrhalten-Thread und hier? Nun, ich selbst bin ja der Meinung, dass man da eigentlich doch etwas anders vorgehen sollte, und vor allem, dass dann ein weiterer Schritt notwendig ist. Wie Du es zusammenfasst, wäre das meine Beschreibung Deiner Position, wie ich sie zu verstehen glaube. Sie hat mit der meinen zwar gemeinsam, dass man einen Punkt gelangt, an dem es nicht mehr weitergeht, und man etwas einfach als sehr plausibel hinnehmen muss. Aber für mich wäre dieser Punkt, wie im anderen Thread dargelegt, erst an einer anderen Stelle erreicht. Wenn man zudem im Detail zu erklären versucht, was es heißen kann, dass unsere Theorien wohl "nicht ganz falsch" sind, oder wenn es darum geht, einen abduktiven Schluss zu vollziehen, der von unseren grundlegenden Beobachtungen ausgehend bestimmte induktive Schlüsserechtfertigt, die dann wiederum für anspruchsvollere wissenschaftliche Theorien notwendig sind, wobei diese wissenschaftlichen Theorien dann selbst wiederum abduktiv zu begründen sind, dann wird es schnell ziemlich kompliziert. vor einer Stunde schrieb KevinF: Sorry, aber jetzt komme ich mir auch fast ein wenig veralbert vor. Abgesehen von dem gerade Gesagten hat das vielleicht auch damit zu tun, dass ich lange gar nicht ganz begriffen habe, wie Du Deine Position verstanden haben willst, was dann vielleicht auch zu einem Vorbeireden geführt haben mag. vor einer Stunde schrieb KevinF: Die Antwort verstehe ich nicht ganz. Mein Punkt war, dass Deine Rede ein Verständnis von Raum, Zeit und Kausalität bereits voraussetzt. Und wenn das Newtonsche als falsch akzeptiert und das Einsteinsche komplett abgelehnt wird (was Du hier ja quasi nur als Teufels Anwalt machst, wenn ich es richtig verstehe), dann wird es eben schwierig. Hm, ich denke ich verstehe jetzt eher, was Du meinst (sonst korrigiere mich). Ich gehe davon aus, dass wir ein grundlegendes Verständnis der Phänomene Raum und Zeit haben, das noch vor jeder Physik liegt. Man könnte vielleicht sagen: Unser intuitives Alltagsverständnis. Des Weiteren gehe ich davon aus, dass jede Physik in einem gewissen Sinne auf diesem "intuitiven" Verständnis aufbaut - selbst wenn das professionelle physikalische Verständnis dann über das Alltagsverständnis hinausgeht und teilweise sogar von ihm abweicht. Den nächsten Tag gäbe es in diesem Sinne sowohl im Alltagsverständnis wie in dem eines theoretischen Physikers, der Experte für die Allgemeine Relativitätstheorie ist. Selbst wenn es keine perfekte Übereinstimmung zwischen dem "nächsten Tag" des Alltagsmenschen und dem "nächsten Tag" des theoretischen Physikers gibt, scheint mir doch eine solches Maß an Übereinstimmung zu bestehen, dass dies in unserem Zusammenhang keine Probleme bereiten sollte. Man könnte beispielsweise annehmen, dass die Zeit bis morgen Mittag 12 Uhr angemessen von der AR beschrieben wird, und dass dann ab diesem Punkt die Zeit anders zu beschreiben wäre. Wie gesagt glaube ich das nicht, sondern es ging mir um die Probleme, die sich aus der Verneinung der Induktion ergeben. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben 14. Dezember Autor Melden Share Geschrieben 14. Dezember vor 9 Minuten schrieb Marcellinus: Aber genau dieses Bewußtsein ist das einzige, was du "gewiß" nennst. Oder willst du das auf einmal auch nicht gesagt haben? Muß ich es erst raussuchen, oder erinnerst du dich auch so? Ich habe nach meiner Erinnerung in einer Replik auf Deine Kritik an Descartes gesagt, dass das, was außerhalb des Bewusstseins liegt, nicht absolut gewiss ist, so dass ein theoretischer Zweifel möglich ist. Ja, das ist auch so. Es ist schließlich nicht schlechterdings denkunmöglich, dass wir analog zu der Filmreihe Matrix in einer halluzinierten Fantasie-Welt leben. Und ja, selbst wenn wir über unsere Umwelt irren sollten, bliebe es doch richtig, dass wir uns dann irren und also existieren. In diesem Sinne ist es mir gewisser, dass ich den Sinneseindruck eines Apfels habe, als dass diesem Sinneseindruck auch ein realer Apfel in der realen körperlichen Welt entspricht (und ich also nicht halluziniere). Trotzdem ist für mich die Existenz der "Außenwelt" über jeden vernünftigen Zweifel erhaben. Denkunmöglich ist es schließlich auch nicht, dass ich in einer Minute von Aliens entführt wurde - trotzdem schließe ich es mit einem solchen Maß an Sicherheit aus, dass mich diese Möglichkeit nicht im geringsten beunruhigt. Ein weitere Punkt allerdings: Woher wir wissen, dass es jene Welt jenseits unserer Sinneserfahrung gibt, halte ich dennoch für eine legitime Frage - so wie bei jedem anderen Wissen auch. Was ist die Grundlage eines bestimmten Wissens? Und auch, dass wir dieses Wissen, dass es eine reale Welt jenseits der Sinneserfahrung gibt, nicht durch die Sinneserfahrung (oder Empirie) allein haben können, behaupte ich. All das hat mit der Auffassung des Solipsismus aber nichts zu tun. Nebenbei sei auch noch angemerkt, dass Descartes kein Solipsist war, und Kant und Popper auch nicht (auch wenn man die Kantische Philosophie so interpretiert weden könnte, dass sie einen Solipsismus nahelegt). Zitat Bei unserer Orientierung in dieser Welt gibt es aber keinen Anfang. Zumindest keinen zeitlich bestimmbaren. Zitat Es gibt keine Sinneswahrnehmung ohne Erfahrung, und keine Erfahrung ohne Sinneswahrnehmung. Das ist etwas merkwürdig formuliert und hängt vermutlich davon ab, wie man die Begriffe genau definiert. Zitat Du kannst nicht verstehen, was andere Menschen sagen, ohne vorher die Sprache erlernt zu haben, und du kannst keine Sprache erlernen, ohne Menschen beim Sprechen zuzuhören. Sicher. Das ist ja aber ziemlich genau das, was ich sage. Zuerst einmal kommen Sinneseindrücke, die mir Informationen vermitteln, und auf denen baut dann alles Weitere auf. Bevor ich eine Sprache lerne und somit verstehen kann, was ein Mensch mir über die Gesellschaft oder die biologische Anpassung sagt, muss ich im allerersten Schritt erst einmal sinnlich Lautäußerungen wahrnehmen. Deshalb hängt ja auch alles davon ab, dass diese Wahrnehmungen mich über etwas Wirkliches informieren, und zwar (halbwegs) angemessen. Dass das so ist, bezweifle ich auch nicht, aber ich weiß es auf einer Grundlage, die zumindest zum Teil selbst nicht mehr empirisch prüfbar ist. Das ist mein Punkt. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Marcellinus Geschrieben Montag um 13:45 Melden Share Geschrieben Montag um 13:45 Es gibt in der ZDF-Mediathek eine 29-teilige Reihe von Dokumentationen unter dem Titel: Das Universum - Eine Reise durch Zeit und Raum. Abgesehen, daß die einzelnen Folgen, wie die Reihe insgesamt, interessant und aktuell sind (und Harald Lesch zum Glück nicht vorkommt), gibt es noch eine Eigenschaft dieser Filme, die sie für unser Thema „Grundlagen des Erkennens“ interessant macht. Es wird nämlich nicht einfach der gegenwärtige Wissensstand beschrieben (was für sich schon interessant genug wäre), sondern man kann den Wissenschaftlern gewissermaßen bei ihrer Arbeit zuschauen. Es zeigt exemplarisch das, was man unter theoretisch-empirischer Wissenschaft versteht: Eine beständige Abfolge von Tatsachenbeobachtung und Modellbildung. Es beginnt immer mit dem Wunsch nach umfangreicherem und besserem Wissen über einen Tatbestand, sei es die Beschaffenheit eines Planeten, sei es die Bahn eines Himmelskörpers oder die Eigentümlichkeit eines Phänomens im Kosmos. Man macht ein Modell, das die bisherigen Beobachtungen möglichst genau wiedergibt, und dieses Modell legt bestimmte Eigenschaften nahe. Dann kommt die Beobachtung, entweder durch Teleskope, andere Messgeräte oder Satelliten. Und dann kommt eigentlich immer der Zusammenprall mit der Wirklichkeit, die Erkenntnis, daß die eigenen Vorstellungen unvermeidlich unvollständig oder sogar falsch waren, und damit die Überarbeitung der bisherigen Modelle erfordern. Oder wie es eine Astrophysikerin am James-Weg-Teleskop formulierte: „Wenn die Daten nicht den Modellen entsprechen, stimmen die Modelle nicht.“ (Das ist übrigens der Unterschied zu Ideologen; die sehen das genau anders herum). Der Prozeß des Wissenserwerbs ist also einer ohne bestimmten Anfang oder Ende, ein wechselnder Prozeß von Tatsachenbeobachtungen und Modellbildung, ein Prozeß, in dem Menschen versuchen zu erklären, wie beobachtbare Tatsachen nachprüfbar zusammenhängen. Und was unterscheidet dieses theoretisch-empirische Wissen von anderen Vorstellungen, namentlich Religion oder Philosophie (was immer letzteres auch sein mag)? Nun, daß es sich mit Fragen beschäftigt, die sich durch Beobachtungen belegen lassen. Die Art der Fragestellung wie auch deren Antworten ergeben sich einzig und allein aus den zu untersuchenden Gegenständen und entwickeln sich mit ihnen, in dem gleichen Prozeß wie das Wissen selbst. Nicht nur unsere Wissen ist heute weiter als das von Newtons Zeiten, die Mittel und Methoden sind es auch. Die Ergebnisse dieser theoretisch-empirischen Forschung können sich sehen lassen, wenn man bedenkt, welche Probleme man lösen muß und wie realistisch unser Wissen über unser Sonnensystem sein muß, um einen Satelliten (in diesem Fall Juno) in eine sichere Umlaufbahn um den Jupiter zu steuern und dort seit fast 15 Jahren Messungen vornehmen zu lassen (oder wie einer der Astronomen sagte: das sei, als wenn man einen Basketball von London aus in einen Korb in New York werfen wolle). Wenn man nach einer Grundlage dieser Erkenntnisbemühungen sucht, wenn es denn überhaupt eine braucht, dann ist es schlicht und einfach der Wunsch nach mehr nachprüfbarem Wissen, oder kurz: Neugier! Was man dagegen dafür nicht braucht, für dieses wie für jedes andere theoretisch-empirische Wissensgebiet, sind philosophische Spekulationen. Philosophen mögen sich um andere Dinge kümmern. Die beobachtbare Wirklichkeit ist einfach nicht ihr Fachgebiet. 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Marcellinus Geschrieben Montag um 13:47 Melden Share Geschrieben Montag um 13:47 Am 15.12.2024 um 00:05 schrieb iskander: Dass das so ist, bezweifle ich auch nicht, aber ich weiß es auf einer Grundlage, die zumindest zum Teil selbst nicht mehr empirisch prüfbar ist. Das ist mein Punkt. Das liegt daran, weil du eine unrealistische, um nicht zu sagen fantastische Vorstellung von dem hast, was "empirisch prüfbar" ist. Das aber ist dein Problem, nicht meins. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
phyllis Geschrieben Montag um 14:36 Melden Share Geschrieben Montag um 14:36 (bearbeitet) On 12/12/2024 at 2:43 PM, iskander said: Mir geht es nur darum, dass die Sinneserfahrung ein unverzichtbarer Teil des Fundaments unseres gesamten Gebäudes der Erkenntnis ist (soweit diese die reale körperliche Welt betrifft). Wenn man ihr nicht eine gewisse Zuverlässigkeit im oben dargelegten Sinne zuerkennt, bricht mit dem Fundament auch das gesamte Gebäude weg. Das ist oft genug geschehen - ich verweise auf meine Beispiele. Ich würd sagen - Sinne sind lebensnotwendig und lebenserhaltend und natürlich absolute Voraussetzung um überhaupt etwas erkennen zu können. Wie der Metabolismus auch Voraussetzung ist dass wir unser essen verdauen können. Aber das sagt absolut nix darüber aus welches essen nun gesund ist und welches nicht. Oder ob eine frittierte Currywurst besser schmeckt als eine 5-Sterne Menu (meine Töchter bejahen dies auf der Stelle). Wenn du aber eine Voraussetzung zum Grund, Sinn und Zweck eines Prozesses machst, betreibst du mmn reductio ad absurdum. Dennett nennt es "greedy reductionism" das bestreben etwas wegzuerklären. Ein Beispiel für "greedy reductionism" ist leicht in der Biologie zu finden - die flotte Aussage, die Fittesten haben die meisten Nachkommen und setzen sich in einer Population durch. Was sagt das schon aus? Was ist fit? Wie macht sich ein Organismus denn fit? usw. Damit sei auch nicht die ET angezweifelt, sondern ihre bisweilen sackdämlichen, oft zum Sozialdarwinismus neigenden Proponenten entlarvt. Ihnen sei empfohlen sich etwas schlau über Manfred Eigen zu machen - der Nachweis von Speziation, Mutation und Selektion auf der Ebene der Spezies in der Gegenwart nachzuweisen (zu "erkennen" um beim Thema zu bleiben) ist nämlich extrem schwierig wenn nicht unmöglich, aber Eigen gelang das auf der Molekularebene bestens, und es bestätigt sich in der Forschung seither praktisch täglich. bearbeitet Montag um 14:45 von phyllis 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben Montag um 16:51 Autor Melden Share Geschrieben Montag um 16:51 vor 3 Stunden schrieb Marcellinus: Das liegt daran, weil du eine unrealistische, um nicht zu sagen fantastische Vorstellung von dem hast, was "empirisch prüfbar" ist. Das aber ist dein Problem, nicht meins. Meine Vorstellung ist diese: Empirische Prüfung ist mehr als Sinneseindrücke, die man hat, aber sie hängt von Sinneseindrücken ab. Nur wenn wir wissen, dass unsere Sinneseindrücke (wahrscheinlich einigermaßen) korrekt sind, können wir auch wissen, dass unsere empirische Prüfung einigermaßen korrekt ist. Was ist daran nun genau aus Deiner Sicht falsch? Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben Montag um 17:11 Autor Melden Share Geschrieben Montag um 17:11 vor 2 Stunden schrieb phyllis: Wenn du aber eine Voraussetzung zum Grund, Sinn und Zweck eines Prozesses machst, betreibst du mmn reductio ad absurdum. Wo tue ich denn solches? Um mich selbst zu zitieren: "Bei der Wissenschaft gehen wir weit über die reine Sinneserfahrung hinaus. Aber auch da bleibt alles auf Sinneseindrücke angewiesen. [...] Empirische Forschung ist also keine Alternative zu Sinneseindrücken, sondern baut auf diesen auf - nicht allein auf diesen, aber eben auch und konstitutiv auf diesen." Wird damit nicht deutlich, dass ich genau die Position einnehmen, die Du offenbar auch Du einnimmt: Dass Sinneserfahrung Voraussetzung (notwendige Bedingung) für empirische Erkenntnis ist? Sinneserfahrung als solche ist für uns dann auch weniger Zweck als Mittel: Ein Mittel Mittel zum Erkennen. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Marcellinus Geschrieben Montag um 17:37 Melden Share Geschrieben Montag um 17:37 vor 29 Minuten schrieb iskander: Meine Vorstellung ist diese: Empirische Prüfung ist mehr als Sinneseindrücke, die man hat, aber sie hängt von Sinneseindrücken ab. Nur wenn wir wissen, dass unsere Sinneseindrücke (wahrscheinlich einigermaßen) korrekt sind, können wir auch wissen, dass unsere empirische Prüfung einigermaßen korrekt ist. Was ist daran nun genau aus Deiner Sicht falsch? Empirische Prüfung ist die Prüfung anhand von beobachtbaren Tatsachen, wobei Beobachtung eine mehrfache Messung oder ein kontrolliertes Experiment sein kann. Sinneseindrücke sind nicht der Kern der Empirie; oder anders gesagt: Hast du schon mal was von Sinnestäuschungen gehört? Du versuchst ständig, Empirie irgendwie zu verkürzen, um in dieser vermeintlichen Lücke deine philosophischen Fantasien unterzubringen. Aber Wissenserwerb sind nicht Sinneseindrücke, und empirische Prüfung ist noch kein Wissen. Wissen entsteht vielmehr in einer Abfolge von Empirie und Theorie. Diese Abfolge gibt es schon seit vorwissenschaftlichen Zeiten, aber erst wenn in einem Fachgebiet der Realitätsgehalt der Modelle so hoch ist, daß nicht jede neue Beobachtung die bisherigen Modelle grundsätzlich über den Haufen wirft, könne wir mit Recht von einer theoretisch-empirischen Wissenschaft sprechen. P.S.: Weißt du überhaupt, was Realitätsgehalt einer Theorie meint? Oder sind wir dann wieder bei der Frage, ob der nächste Rabe, der vorbeikommt, vielleicht doch orange ist? Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
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