Marcellinus Geschrieben Dienstag um 19:16 Melden Share Geschrieben Dienstag um 19:16 @iskander Hier noch ein paar abschließende Worte: Meine Meinung über Philosophie bezog sich immer auf einzelne Philosophen. Ich habe schon häufiger darüber gesprochen, und will das hier nicht wiederholen. Eine allgemeine Meinung dazu fand ich in diesen Text von 2005: Bemerkung zu den Möglichkeiten der Philosophie „Immer wieder ist beklagt worden, dass die Philosophie ‘noch’ nicht den “sicheren Gang einer Wissenschaft” erreicht hat (Kant, Kritik der reinen Vernunft, Vorrede zur zweiten Auflage), dass es keinen Kanon philosophischen Wissens gibt, der als für alle verbindlich gelten kann. Doch diese Klage verkennt, was in der Philosophie möglich ist und was nicht. Philosophie sucht zwar Antworten auf Sachfragen – Hat der Mensch eine Seele? Was ist Gerechtigkeit? Unter welche Bedingungen dürfen wir lügen? – aber sie ist nicht in der Lage, diese Sachfragen ein für allemal definitiv zu beantworten. In der Philosophie kann niemand letztgültig beweisen, dass er selbst Recht und alle anderen Unrecht haben. Der Grund dafür ist einfach. Philosophische Fragen werden nicht durch Beobachtungen oder Experimente entschieden. Vielmehr kann man sich der Beantwortung dieser Fragen nur argumentativ nähern. Alle Argumente beruhen jedoch auf Annahmen; und diese Annahmen können ihrerseits wieder in Zweifel gezogen werden. Niemand verfügt über einen archimedischen Punkt, der über jeden Zweifel erhaben wäre; niemand kann sich auf Annahmen stützen, die nicht angegriffen werden können. Das zeigt sich schon daran, dass alle angeblich sicheren Annahmen in der Geschichte der Philosophie tatsächlich irgendwann einmal bezweifelt wurden. Selbst die logischen Wahrheiten waren von diesem Schicksal nicht ausgenommen. Descartes etwa – also ein Philosoph, der wie kaum kein anderer nach einem archimedischen Punkt des Denkens gesucht hat – war der Meinung, dass die Gesetze der Logik dem Willen Gottes unterliegen. Und daraus folgt, dass wir uns selbst bei den logischen Wahrheiten irren können. Nun gibt es sicher gute Argumente, die zeigen, dass die Gesetze der Logik nicht vom Willen Gottes abhängen können. Aber natürlich beruhen auch diese Argumente auf Annahmen, die man bezweifeln kann. Selbst in diesem Punkt ist also keine definitive Entscheidung möglich. Fortschritt besteht in der Philosophie deshalb nicht darin, einen Kanon allgemeinverbindlicher Antworten zu entwickeln; Fortschritt in der Philosophie bedeutet, dass wir die möglichen Antworten und ihre Konsequenzen besser verstehen. Es geht also darum, einen möglichst umfassenden Überblick über die Antworten zu geben, die man auf eine Frage geben kann, und herauszuarbeiten, welche Implikationen diese Antworten haben, worauf man sich festgelegt, wenn man die eine oder die andere Antwort akzeptiert. Damit wird zugleich klar, was für und was gegen diese Antworten spricht. Da es für alle Positionen in der Philosophie Pro- und Kontraargumente gibt, wird bei diesem Vorgehen keine Antwort als die einzig mögliche oder als die einzig rationale ausgezeichnet. Vielmehr kommt es auf jeden selbst an, wie er diese Pro- und Kontraargumente bewertet. David Lewis hat des sehr schön ausgedrückt, als er in der Einleitung zum ersten Band seiner Philosophical Papers schrieb: "Wenn alles gesagt und getan ist, wenn all die trickreichen Argumente und Unterscheidungen und Gegenbeispiele entdeckt sind, stehen wir wahrscheinlich immer noch vor der Frage: Welche Preise sind es wert, gezahlt zu werden? Welche Theorien sind, wenn man alles gegeneinander abwägt, glaubwürdig? Welche kontraintuitiven Konsequenzen sind inakzeptabel und welche sind vielleicht doch tragbar?" Philosophie hat also nicht mehr zu bieten als die Analyse von Implikationszusammenhängen. Das mag wenig erscheinen, manchem vielleicht zu wenig. Aber es hat einen unschätzbaren Vorteil. Philosophie entlässt den Einzelnen nicht aus seiner Verantwortung. Sie sagt nicht: So und so ist es; das hast Du zu glauben. Sie sagt vielmehr: Wenn Du das glaubst, musst Du diese Konsequenzen in Kauf nehmen; wenn Du aber eher das glaubst, dann kommst Du um die Annahme jener Folgen nicht herum. Letzten Endes musst aber Du selbst entscheiden, was Du für richtig halten willst. Jedem bleibt die Freiheit, sich seine eigene Meinung zu bilden. Und niemand kann die Verantwortung für das, was er glaubt, auf andere abschieben. Jeder muss selbst für das gerade stehen, was er für richtig hält. In meinen Augen ist das ein äußerst attraktiver Aspekt philosophischer Arbeit. Außerdem glaube ich nicht, dass damit der Beliebigkeit und dem Relativismus Tür und Tor geöffnet sind; denn natürlich sind manche Abwägungen rationaler als andere. Aber – auch über Rationalität kann man natürlich streiten.“ Dieser Text ist nicht von irgendjemandem, sondern von Ansgar Beckermann. Er ist ein deutscher Philosoph und einer der Hauptvertreter der Philosophie des Geistes in Deutschland. Weitere Arbeitsgebiete sind Logik, Erkenntnistheorie, Theorie der Willensfreiheit und Religionsphilosophie. Nach Professuren an der Universität Göttingen und der Universität Mannheim war Beckermann von 1995 bis 2010 Professor an der Universität Bielefeld. Von 2000 bis 2006 war er Präsident der Gesellschaft für Analytische Philosophie[1] und seit 2018 ist er deren Ehrenmitglied. Könnte es sein, daß er eher meiner Position zuneigt als deiner? Egal, jedenfalls finde ich hier nichts von dem wieder, was du so wortreich immer wieder ausführst. Was bedeutet das aus meiner Sicht? Philosophie ist eine akademische und geisteswissenschaftliche Tradition, mit eigener Geschichte, eigenen Traditionen und eigenen Wertungen. Es ist im wesentlichen eine in sich geschlossene Welt, nicht unähnlich der Theologie. Man gehört ihr an, oder eben nicht. Und in meinem Falle eben nicht. „Philosophie sucht zwar Antworten auf Sachfragen – Hat der Mensch eine Seele? Was ist Gerechtigkeit? Unter welche Bedingungen dürfen wir lügen? – aber sie ist nicht in der Lage, diese Sachfragen ein für allemal definitiv zu beantworten.“ Mal abgesehen davon, daß ich unter „Sachfragen“ etwas anderes verstehe, sind das wirklich Fragen, mit denen sich theoretisch-empirische Wissenschaften nicht beschäftigen. Wer diese Fragen wichtig findet, mag sich der Philosophie bedienen, oder der Theologie. Ich kann mich allerdings nicht erinnern, mit jemals zu einer solchen Frage geäußert zu haben. Natürlich können auch Philosophen sich über die Naturwissenschaften Gedanken machen, aber ich sehe nicht, warum ich mich als Nichtphilosoph damit beschäftigen sollte. Ich habe nichts gegen Philosophie, einige Philosophen finde ich sogar recht interessant, aber sie haben alle auch meine Vorbehalte gegen dieses Fach bestätigt. Ich kann halt mit dieser freischwebenden Gedankenakrobatik nichts anfangen. Was ich allerdings nicht mag, ist, wenn Philosophen behaupten, ich müßte mich aus irgendwelchen Erkenntnisgründen mit Philosophie beschäftigen, mir sogar unterstellen, ich müsse eine haben, weil ich mich mit Fragen beschäftige, die sie für die ihren halten, und noch dazu eine schlechte Philosophie, weil uneingestanden, und sie könnten mir auch genau sagen, welche das wäre. Diese Form philosophischer Übergriffigkeit und Rechthaberei habe ich übrigens bisher nur in weltanschaulichen Foren erlebt, und sie widerspricht so ganz dem, was zB. Prof Beckermann schreibt, oder Thomas Nagel, den ich auch schon häufiger zitiert habe. Sie alle sprechen davon, daß Philosophie sich vor allem mit eigenen Fragen beschäftigt, und selbst mehr Fragen liefert als Antworten. Nirgendwo aber lese ich, Nichtphilosophen müßten sich zwangsweise mit diesen Fragen auseinandersetzen, wenn sie ihnen nichts sagen. Mir sagen sie nichts, und damit ist für mich das Thema abgeschlossen. 2 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben Dienstag um 20:57 Autor Melden Share Geschrieben Dienstag um 20:57 (bearbeitet) (Für Mitlesende: Marcellinus verweist auch als Reaktion auf andere Fragen von mir aus einem anderen Thread auf diesen Beitrag.) @Marcellinus Beckermanns Artikel hattest Du schon anderswo zitiert, und ich bin auch auf ihn eingegangen. Ich würdige es, dass Du versuchst, etwas Konstruktives zu antworten. Viele Fragen bleiben damit jedoch offen. Beispielsweise wirfst Du den Philosophen ja vor, unglaublich arrogant zu sein. Sie wüssten nicht um ihre Grenzen, sondern hielten sich zuständig für alles; sie würden versuchen, in die Wissenschaften hineinregieren und sich als deren Wächter aufspielen; unter irrationaler Ablehnung der empirisch-wissenschaftlichen Methode wollten sie empirisch-wissenschaftliche Fragen klären; ihr "Gott" sei die "Wahrheit" in einem quasi-religiösen Sinne usw. usf. Doch all das wird durch die Stellen von Beckermann, die Du zitiert hast, keineswegs untermauert. Im Gegenteil. Soweit man aus ihnen etwas folgern kann (was natürlich bei Einzelfällen immer problematisch ist), würden sie so ziemlich für das exakte Gegenteil desjenigen Bildes sprechen, das Du oft von der Philosophie zeichnest. Und auch wenn Beckermanns Philosophie-Verständnis vielleicht besonders ausgeprägt selbstkritisch ist, stehen die allermeisten Philosophen Beckermanns Selbstverständnis unzweifelhaft viel näher als dem Bild, das Du zeichnest. Ein zweiter Punkt, der mir besondere Rätsel aufgibt, wäre dieser: Du äußerst Dich auch oft zu den gleichen Themen wie Philosophen, bist aber offenbar der Überzeugung, dass Deine Verdikte über die Philosophie nicht Deine eigenen Gedankengänge treffen. Deine Bemerkungen seien ja schließlich "wirtschaftssoziologisch" zu verstehen und nicht philosophisch. Aber was heißt das konkret? Du sagst beispielsweise in einem anderen Thread: Zitat Ich kann mich ihnen [Wahrheit und Wirklichkeit] nicht "annähern", einfach weil ich sie nicht kenne. Was wir dagegen feststellen können, ist, ob unser Bild von dieser Welt, dieser "Wirklichkeit" realistischer wird oder nicht. Einmal abgesehen davon, dass "realistisch" laut Duden "der Wirklichkeit entsprechend; lebensecht und wirklichkeitsnah" bedeutet, und dass man also gegen das "realistischere Bild von dieser Welt" doch wohl den gleichen Einwand erheben könnte wie gegen die "Annäherung an Wahrheit und Wirklichkeit": Wie sollte man so eine derartige These je sozialwissenschaftlich prüfen und belegen? Und da für Dich ja nur dort "Erkenntnis" entstehen kann, wo es eine empirische Prüfung gibt und alles Übrige "Fantasie" ist, muss man die Frage noch deutlicher stellen: Wie kann man Deine obige These durch empirische Sozialforschung prüfen? Welch konkreten soziologischen Studien gibt es - oder könnte es auch nur geben -, die Deine Herangehensweise von jener Art der gedanklichen Analyse und Reflexion, wie sie von Philosophen betrieben wird, kategorial abgrenzt? (Ganz abgehen davon stellt sich das Problem, ob nach Deiner eigenen Überzeugung eine Begründung im positiven Sinne überhaupt möglich ist, oder nur eine Widerlegung. Denn wenn keine Begründung möglich wäre, blieben die von Dir hier geäußerten Thesen selbst noch dann unbegründet, wenn sie tatsächlich empirisch geprüft werden könnten.) Und die gleiche Frage könnte man natürlich bezogen auf das Gros Deiner Äußerungen, wie Du sie etwa in diesem Thread tätigst, stellen. Dir wird vielleicht selbst auffallen, dass Du weder in dieser Diskussion noch in anderen dieser Art allzu häufig auf die Ergebnisse der empirischen Sozialforschung rekurrierst. Es ist für mich daher ein Rätsel, warum all das, was Du über die Philosophie sagst (reine Fantasie, hat Geltung nur für die daran Glaubenden etc.) offenbar nicht auf Deine eigenen Überlegungen ausdehnst. Wenn ich Dich darauf hinweise, dass Du Dich mit den gleichen Fragestellungen auseinandersetzt wie die Philosophen, dass Du zum Teil die gleichen Thesen vertrittst und die gleichen Argumente anführst (wenn auch in einer weniger "fachlichen" Sprache), dann insinuierst Du, dass Du dabei aber dabei aber grundlegend andere "Vorstellungen" habest als die Philosophen. Belegen kannst Du das jedoch nicht, und es ist in der Tat falsch. (Ganz abgesehen davon wäre das Problem, dass Deine Gedanken nicht "empirisch geprüft" sind und aus Deiner Sicht daher wertlos sein müssen, selbst dann ungelöst, wenn Du in diesem speziellen Punkt recht hättest.) Und natürlich bleiben auch andere Fragen durch die Zitation von Beckermann unbeantwortet. Nur drei Beispiele (hier findet man mehr): - Du sagst im Grunde, dass die Naturwissenschaften im Gegensatz zur Philosophie keine "Begründungen" brauchen, sondern nur Beobachtungen und Modelle. Falls aber nicht begründbar sein soll, wie ein Naturwissenschaftler beispielsweise wissen kann, dass seine Interpretation von Messergebnissen (vermutlich) korrekt ist, so bleibt ungeklärt, wie er wissen kann, dass sie vermutlich korrekt ist. - Wie die Wissenschaft (angeblich) auf Logik verzichten kann, bleibt ebenfalls nicht geklärt - siehe meine konkreten Nachfragen in meinen letzten Beiträgen in diesem Thread. - Ebenfalls bleibt offen, wie man denn ohne induktiven Schluss begründet etwas über die Zukunft sagen kann, was zumindest wahrscheinlich korrekt ist. Aber das - und vieles andere - sind jetzt eher Nebenpunkte. Aus meiner Sicht wären die Kernpunkte, warum Du derart negative Auffassungen zur Philosophie bzw. den Philosophen hast, wie Du sie immer wieder äußerst (halten sich für alles zuständig usw.). Und warum Du zweitens darauf bestehst, dass Deine eigenen Gedankengänge zu Themen, die man allgemein der Philosophie zuordnen würde, rein gar nichts mit Philosophie zu tun haben, selbst wenn sie allem Anschein nach mit ihr zu tun bleibt und unklar beliebt, wie sich begründen ließe, dass sie nichts mit ihr zu tun haben sollen. Wahrscheinlich hat das eine mit dem anderen zu tun: Wenn man etwas extrem negativ sieht, will man möglichst großen Abstand halten. Aber vielleicht wäre es Zeit, dieses extrem negative Bild einmal ergebnisoffen zu überprüfen? Dies wäre doch auch ganz im Sinne der Wissenschaft: Überkommene Vorstellungen an der Wirklichkeit zu messen! bearbeitet Dienstag um 21:10 von iskander Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Weihrauch Geschrieben Dienstag um 20:59 Melden Share Geschrieben Dienstag um 20:59 vor einer Stunde schrieb Marcellinus: In der Philosophie kann niemand letztgültig beweisen, dass er selbst Recht und alle anderen Unrecht haben. Deswegen wurden für das Rechthaben weltanschauliche Foren erschaffen. Letztgültige Beweise dafür liefern diese zwar auch nicht, aber immerhin kann man dort durch pure Fleißarbeit zu einem theoretisch-empirischen Ansehen kommen, welches im Vergleich zu allen anderen überragend ist. Zu allen anderen? Nein! Ein unbeugsamer Moderator hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für die User die als Besatzung in den befestigten Lagern Glaube und Leben, Im Wandel der Zeit, Bibel, Glaube und Leben, Kirche vor Ort und Es muss nicht immer Kirche sein liegen ... Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Marcellinus Geschrieben Dienstag um 21:09 Melden Share Geschrieben Dienstag um 21:09 vor 8 Minuten schrieb iskander: Beispielsweise wirfst Du den Philosophen ja vor, unglaublich arrogant zu sein. Arrogant? Ich wüßte nicht. Alle? Wo liest du das? Mit den allermeisten Philosophen, lebend wie tot, habe ich kein Problem. Gehst du mit Tatsachen immer so sorglos um? Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
KevinF Geschrieben Dienstag um 22:34 Melden Share Geschrieben Dienstag um 22:34 (bearbeitet) 3 hours ago, Marcellinus said: Was bedeutet das aus meiner Sicht? Philosophie ist eine akademische und geisteswissenschaftliche Tradition, mit eigener Geschichte, eigenen Traditionen und eigenen Wertungen. Es ist im wesentlichen eine in sich geschlossene Welt, nicht unähnlich der Theologie. Man gehört ihr an, oder eben nicht. Und in meinem Falle eben nicht. „Philosophie sucht zwar Antworten auf Sachfragen – Hat der Mensch eine Seele? Was ist Gerechtigkeit? Unter welche Bedingungen dürfen wir lügen? – aber sie ist nicht in der Lage, diese Sachfragen ein für allemal definitiv zu beantworten.“ Mal abgesehen davon, daß ich unter „Sachfragen“ etwas anderes verstehe, sind das wirklich Fragen, mit denen sich theoretisch-empirische Wissenschaften nicht beschäftigen. Wer diese Fragen wichtig findet, mag sich der Philosophie bedienen, oder der Theologie. Ich kann mich allerdings nicht erinnern, mit jemals zu einer solchen Frage geäußert zu haben. Mir fällt dazu wieder Wittgenstein ein. Aus seinem Tractus (Edit: Tractatus) "6.52 Wir fühlen, dass selbst, wenn alle möglichen wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind, unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt sind. Freilich bleibt dann eben keine Frage mehr; und eben dies ist die Antwort." bearbeitet Dienstag um 23:17 von KevinF 1 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
phyllis Geschrieben Dienstag um 22:40 Melden Share Geschrieben Dienstag um 22:40 6 hours ago, iskander said: 9 hours ago, phyllis said: ich versteh je länger je weniger worauf du überhaupt hinauswillst. Ausser dass du anscheinend Sinneserfahrungen für wesentlich hältst beim Erkenntnis-Gewinn. Das bestreite ich. Beispiele stehen oben. Und ich verstehe nicht, worauf Du hinauswillst. Wie definierst Du "Sinneserfahrungen"? Genau wie du und der Duden auch. Aber zum letzten Mal (die Diskussion führt mmn nirgendwo hin, schon gar nicht zu irgend welchen Erkenntnis-Gewinnen)... Sinne sind Voraussetzungen um in dieser Welt überhaupt agieren (und ua Wissenschaft betreiben) zu können. Agieren vs. reagieren. Reagieren auf Umwelteinflüsse kann jeder Bandwurm. Sinneserfahrungen sind - ja sensationelle Erkenntnis- Erfahrungen die sich in unseren Gehirnen abspeichern. Fürs überleben in der freien Wildbahn sicher enorm wichtig, fürs agieren (forschen, vorausdenken, rechnen, messen etc.) eher trügerisch oder hinderlich. Das ganze Blasendenken das sich in den sozialen Medien seit längerem manifestiert könnte eine Folge von Sinnererfahrungen sein. Man vertraut ihnen mehr als rationalen Argumenten. 2 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
KevinF Geschrieben Dienstag um 22:41 Melden Share Geschrieben Dienstag um 22:41 @iskander Ich finde demnächst vielleicht die Zeit ausführlicher zu antworten, jetzt nur kurz: Je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger kann ich mit diesen ganzen philosophischen Kategorisierungen etwas anfangen. In Alltag und Wissenschaft spielen diese einfach keine Rolle. Und zum Thema Raum/Zeit/Invarianzen: In der newtonschen Physik gibt es keine Maximalgeschwindigkeit und die Zeit ist absolut, das bedeutet invariant über alle Koordinatensysteme (Beobachter) hinweg. In der speziellen Relativitätstheorie ist hingegen die Zeit relativ, also abhängig vom Beobachter (Koordinatensystem) und es gibt dafür eine Maximalgeschwindigkeit, mit der sich Informationen ausbreiten können (Lichtgeschwindigkeit im Vakuum), die invariant ist über alle Koordinatensystem hinweg. 2 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Marcellinus Geschrieben Dienstag um 22:47 Melden Share Geschrieben Dienstag um 22:47 (bearbeitet) vor 8 Minuten schrieb phyllis: Das ganze Blasendenken das sich in den sozialen Medien seit längerem manifestiert könnte eine Folge von Sinnererfahrungen sein. Man vertraut ihnen mehr als rationalen Argumenten. Das ist der Grund, warum ein wichtiger Teil der Wissenstheorie Ideologiekritik ist. bearbeitet Dienstag um 22:49 von Marcellinus Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben Dienstag um 23:03 Autor Melden Share Geschrieben Dienstag um 23:03 (bearbeitet) vor 3 Stunden schrieb Marcellinus: vor 3 Stunden schrieb iskander: Beispielsweise wirfst Du den Philosophen ja vor, unglaublich arrogant zu sein. Arrogant? Ich wüßte nicht. Alle? Wo liest du das? Mit den allermeisten Philosophen, lebend wie tot, habe ich kein Problem. Gehst du mit Tatsachen immer so sorglos um? Meine Formulierung soll nicht implizieren, dass Du ausnahmslos jedem einzelnen Philosophen auf der ganzen weiten Welt eine eine unglaubliche Arroganz attestierst (und impliziert das nach dem üblichen Sprachverständnis nicht zwingend). Sie soll vielmehr zum Ausdruck bringen dass Du davon auszugehen scheinst, dass Philosophen typischerweise eine höchst anmaßende Geisteshaltung an den Tag legen. Hier einige Zitate von Dir, die mich zu der Überzeugung geführt haben, dass das eine angemessene Charakterisierung Deiner Einstellung sei: Am 29.1.2024 um 23:04 schrieb Marcellinus: Da man gleichzeitig jede Frage soweit verallgemeinern kann, daß sie sich wie eine philosophische Frage anhört, halten sich Philosophen zuständig für alles. [...] Am 13.12.2024 um 20:57 schrieb Marcellinus: [...] oder kennst du etwas, für das sich Philosophen nicht für zuständig halten? Am 29.1.2024 um 23:04 schrieb Marcellinus: Philosophie erscheint ihren Anhängern als bedeutend, ja geradezu als unentbehrlich, weshalb sie der Ansicht sind, niemand könne ohne Philosophie sein, man hätte nur die Wahl zwischen einer guten (der ihren) und einer schlechten. Auch das haben sie mit der Religion gemeinsam. Am 3.10.2024 um 21:25 schrieb Marcellinus: Die leuchtendsten Vertreter der philosophischen Erkenntnistheorie haben sich, jeder auf seine Weise, nach Kräften bemüht, Zweifel zu schüren an der menschlichen Fähigkeit, sich realistische Modelle von dieser Welt zu machen, um in dieser vermeintlichen Lücke ihre eigene Unentbehrlichkeit zu behaupten, eine Unentbehrlichkeit, die nur in ihrer eigenen Einbildung besteht und verbunden war mit Anstrengungen, die einer besseren Sache wert gewesen wären. Am 14.12.2024 um 18:18 schrieb Marcellinus: Als ich dann später Philosophen kennenlernte, hat deren Abgehobenheit bei mir immer nur Kopfschütteln hervorgerufen, und so ist es bis heute. Am 19.11.2024 um 19:25 schrieb Marcellinus: Es ist noch viel schlimmer. Sie [Katzen] könnten sich nicht bewegen, ja es gäbe sie überhaupt nicht, wenn es in ihrem Körper nicht eine unendliche Zahl von chemischen Reaktionen gäbe, die seit den Jahrmillionen, die es Katzen gibt, immer wieder gleich ablaufen. Und zwar ohne, daß je ein Philosoph dafür die Genehmigung erteilt hätte. Völlig unbegreiflich, nicht wahr? Am 3.10.2024 um 20:42 schrieb Marcellinus: Die Methoden der Wissenschaften entwickeln sich vielmehr in wechselseitiger Abhängigkeit von den Gegenständen, und daher ist es auch absurde Überheblichkeit von Philosophen, zu behaupten, die Philosophie könne den Wissenschaften "die eine" Methode vorschreiben. Am 28.9.2024 um 22:11 schrieb Marcellinus: Wobei Philosophen spätestens an dieser Stelle mit der Behauptung kommen, jeder müsse notwendig eine Philosophie haben. Am 12.12.2024 um 00:16 schrieb iskander: Ja, ich weiß, Philosophen wollen nicht beschreiben, wie Wissenserwerb vor sich geht, sondern wie er vor sich gehen sollte, damit er in ihren Augen "gültig" ist. Am 18.1.2024 um 22:00 schrieb Marcellinus: Die Vorstellung [der Philosophen], gewissermaßen der Richter über die Validität der Gedanken anderer zu sein, entbehrt nicht einer gewissen Komik (von der darin enthaltenen Anmaßung gar nicht zu reden) [...] Am 18.8.2021 um 12:24 schrieb Marcellinus: Keiner von denen [gemeint sind bestimmte Wissenschaftler] hatte auch nur ansatzweise etwas, was du "Konzepte wie Theorie, Empirie, Wahrheit, Begründung, Gesetzmäßigkeit usw" nennst, und schon gar nicht alle die gleichen, und trotzdem haben sie Meilensteine für die Entwicklung der Naturwissenschaften geliefert, während die Philosophen wie die beiden Alten in der Muppet-Show auf der Empore sitzen und alles besser wissen. Das wären jetzt nur ein paar Beispiele, die ich auf die Schnelle gefunden habe - es müsste noch etliches mehr geben. Für mich jedenfalls klingt das so, als würdest Du den Philosophen eine ausgesprochen anmaßende und geradezu herrschsüchtige Haltung attestieren. Wenn Du das anders siehst, lasse ich es gerne so stehen. Wir werden uns aber sicherlich darauf einigen können, dass Du ein ausgesprochen unschmeichelhaftes Bild von Philosophen hast. (Und das betrifft nicht allein deren angebliche Anmaßung: "Entschuldige. lieber @iskander, aber das ist nicht schlüssig, nicht einmal für einen Philosophen!") Ich darf an dieser Stelle nur noch anmerken, dass Du Dich schwer tun wirst, vergleichbar "deutliche" Äußerungen von mir über die "Kritiker der Philosophie" zu finden. Und damit sollten wir diese Nebendiskussion dann vielleicht auch beenden und auf die eigentlichen Kernpunkte meine Beitrags zu sprechen kommen. Da wäre zum einen, wie Du zu all den negativen Überzeugungen über die Philosophie gelangst (dass sie sich für alles zuständig halten, eine quasi-religiöse Einstellung gegenüber ihrem "Gott" namens "Wahrheit" haben usw.). Und ob Du bereit bist, sie infragezustelen, wenn sie sich als nicht belegbar erweisen. (Und zumindest die Zitate von Beckerman stellen ja nun keinen Beleg für sie dar.) Noch bedeutender wäre aber die Frage, wieso Du meinst, dass Deine Gedankengänge so gar nichts mit Philosophie zu tun haben - denn dass sie eine Art empirische Sozialforschung darstellen, ist ja nun offenkundig nicht der Fall. (Und viele andere Fragen stehen ja auch noch im Raum - unter anderem etwa die, ob empirische Wissenschaften an manchen Stellen Begrünungen benötigen, und ob Wissenschaft auf Logik angewiesen ist usw. Trotzdem wären aus meiner Sicht die beiden obigen Fragen noch bedeutsamer, vor allem die zweite.) bearbeitet Mittwoch um 00:23 von iskander Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben Dienstag um 23:15 Autor Melden Share Geschrieben Dienstag um 23:15 (bearbeitet) vor 55 Minuten schrieb phyllis: Sinneserfahrungen sind - ja sensationelle Erkenntnis- Erfahrungen die sich in unseren Gehirnen abspeichern. Fürs überleben in der freien Wildbahn sicher enorm wichtig, fürs agieren (forschen, vorausdenken, rechnen, messen etc.) eher trügerisch oder hinderlich. Das ganze Blasendenken das sich in den sozialen Medien seit längerem manifestiert könnte eine Folge von Sinnererfahrungen sein. Man vertraut ihnen mehr als rationalen Argumenten. Ich ahne, wie Du zu Deiner Auffassung kommst, aber da liegt ein Missverständnis zugrunde. Du denkst offenbar an die Sinneserfahrung und den aus ihr herrührenden Vorurteilen auf der einen Seite und einer komplexen Forschung auf der anderen Seite. Mir geht es aber um die Sinneserfahrung im strengeren Sinne; also um Informationen, die tatsächlich durch die Sinne vermittelt werden (ohne dass man deswegen schon groß interpretiert oder größere Schlüsse aus ihnen zieht, die sich dann womöglich als trügerisch erweisen). Und Sinneserfahrung ist in diesem Sinne natürlich auch für die systematische Forschung unverzichtbar. Schließlich sind es doch die Sinne, die mir in der konkreten Sinneserfahrung sagen, was in einem Messprotokoll steht. Dem würdest Du doch kaum widersprechen wollen, oder? bearbeitet Dienstag um 23:37 von iskander Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben Dienstag um 23:33 Autor Melden Share Geschrieben Dienstag um 23:33 (bearbeitet) vor einer Stunde schrieb KevinF: Je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger kann ich mit diesen ganzen philosophischen Kategorisierungen etwas anfangen. In Alltag und Wissenschaft spielen diese einfach keine Rolle. Liegt das aber nicht auch maßgeblich daran, dass man vieles einfach nicht bewusst und explizit vollzieht? Wenn man beispielsweise in vielen Versuchen etwas beobachtet hat (dass Säure Lackmus rot verfärbt), dann schließt man induktiv auf die allgemeine Regel, dass Säure den Lackmus generell verfärbt. Wenn man mit einem Stück Lackmus testet, ob Substanz X eine Säure ist, dann schließt man deduktiv mithilfe besagter Regel daraus, dass das Ding, das man in der Hand hat, Lackmus ist, dass es sich beim Kontakt mit einer Säure X rot verfärben wird. Und wenn es sich dann tatsächlich rot verfärbt, schließt man abduktiv, dass die Substanz X eine Säure ist. (Deduktiv betrachtet wäre das ja ein Fehlschluss "Wenn X eine Säure ist, verfärbt der Lackmus sich rot; der Lackmus verfärbt sich rot; also ist X eine Säure.") Natürlich denkt man im Alttag oder auch in der Wissenschaft nicht explizit über derartige Schlüsse, über ihre Natur und ihre Differenzen nach, wenn man sie vollzieht, sondern sie laufen mehr oder weniger intuitiv und in einem gewissen Sinne vielleicht sogar "automatisch" ab. Auch spricht man gewöhnlich über sie nicht explizit, weil das in aller Regel auch nicht nötig ist. Eine wesentliche Rolle spielen sie aber dennoch, weil es ohne sie nicht geht. Und Entsprechendes, würde ich meinen, gilt auch für viele andere Kategorisierungen. Dass man auf etwas Grundlegendes und seine Bedingungen normalerweise nicht analysiert und reflektiert, heißt nicht, dass es das nicht gibt oder dass es nicht benötigt würde. vor einer Stunde schrieb KevinF: In der newtonschen Physik gibt es keine Maximalgeschwindigkeit und die Zeit ist absolut, das bedeutet invariant über alle Koordinatensysteme (Beobachter) hinweg. In der speziellen Relativitätstheorie ist hingegen die Zeit relativ, also abhängig vom Beobachter (Koordinatensystem) und es gibt dafür eine Maximalgeschwindigkeit, mit der sich Informationen ausbreiten können (Lichtgeschwindigkeit im Vakuum), die invariant ist über alle Koordinatensystem hinweg. Wenn man nun sagt, dass es eine solche Invarianz gibt: Behauptet man dann zugleich, dass sie immer galt und immer gelten wird? Und wenn ja, wie müsste man dann die Möglichkeit, dass die Naturgesetze sich erheblich ändern - die ja zumindest nicht denkunmöglich bzw. theoretisch nicht schlechterdings auszuschließen ist - formulieren? bearbeitet Mittwoch um 00:08 von iskander Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
phyllis Geschrieben Dienstag um 23:37 Melden Share Geschrieben Dienstag um 23:37 11 minutes ago, iskander said: Und Sinneserfahrung ist in diesem Sinne natürlich auch für die systematische Forschung unverzichtbar. Schließlich sind es doch die Sinne, die mir in der konkreten Sinneserfahrung sagen, was in einem Messprotokoll steht. Dem würdest Du doch kaum widersprechen wollen, oder? nicht unbedingt, aber da sind wir wieder beim "greedy reductionism" - natürlich kannst du alles erlernte, wie lesen, schreiben, rechnen, forschen, schlussfolgern, argumentieren, etc. etc. auf "Sinneserfahrungen" reduzieren. Wie auch die Frage warum Argentinien denn Fussball-Weltmeister geworden ist (oder wars Brasilien?) - weil sie das Endspiel gewonnen haben. Tataaa! Sagt aber herzlich wenig aus über Spieler, Taktik, Gegner, Wettkampfglück etc. etc. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben Dienstag um 23:42 Autor Melden Share Geschrieben Dienstag um 23:42 (bearbeitet) @phyllis Mir geht es nicht um eine Reduktion von allem auf die Sinneserfahrung - diese halte auch ich für unmöglich -, sondern darum, dass Sinneserfahrung eine notwendige Bedingung für jedes empirische Erkennen ist. Das soll bedeuten, dass die Sinneserfahrung (verstanden im engeren Sinne von Erleben von Sinnesempfindungen) zwar nicht ausreicht, damit jemand etwas empirisch erkennen kann, dass sie aber doch zu einer solchen Erkenntnis notwendig (unverzichtbar) ist. bearbeitet Mittwoch um 00:07 von iskander Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
phyllis Geschrieben Mittwoch um 00:20 Melden Share Geschrieben Mittwoch um 00:20 37 minutes ago, iskander said: Das soll bedeuten, dass die Sinneserfahrung (verstanden im engeren Sinne von Erleben von Sinnesempfindungen) zwar nicht ausreicht, damit jemand etwas empirisch erkennen kann, dass sie aber doch zu einer solchen Erkenntnis notwendig (unverzichtbar) ist. Sinnesempfindung sei geschenkt. Das halte ich allerdings für ne Plattitüde. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben Mittwoch um 00:33 Autor Melden Share Geschrieben Mittwoch um 00:33 (bearbeitet) vor 2 Stunden schrieb phyllis: Sinnesempfindung sei geschenkt. Das halte ich allerdings für ne Plattitüde. Das stimmt natürlich in einem gewissen Sinne. Es ist aber für die Frage relevant, ob man empirisch prüfen kann, ob es die reale körperliche Welt tatsächlich gibt. Nicht, dass ich das bezweifeln würde. Aber wenn man wie @Marcellinus meint, dass wir nur das wissen können, was empirisch prüfbar ist, ist das von Bedeutung. Durch Sinnesempfindung können wir nämlich ganz sicher nicht prüfen, ob es eine physische Welt jenseits der Sinnesempfindung gibt. Und weil eben gilt, dass jede empirische Prüfung immer auch Sinnesempfindung voraussetzt und auf sie angewiesen ist (auch wenn empirisches Erkennen natürlich weit mehr ist als bloße Sinnesempfindung!), gilt eben auch, dass wir auch nicht "empirisch" prüfen können, ob es jenseits der Sinnesempfindung eine reale Außenwelt gibt. Und zusammen mit der Behauptung, dass etwas, was nicht empirisch geprüft wurde, kein Wissen darstellen könne, sondern nur "Fantasie" sei, landen wir damit schnurstracks beim Solipsismus. Das ist in diesem Fall der Hintergrund. bearbeitet Mittwoch um 02:29 von iskander Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben Mittwoch um 01:46 Autor Melden Share Geschrieben Mittwoch um 01:46 (bearbeitet) Und um das noch kurz zu ergänzen: Selbst wenn es möglich wäre, empirisch zu prüfen, ob es eine körperliche Welt jenseits der eigenen Sinnesempfindung gibt - und das ist ganz sicher nicht möglich - würde das @Marcellinus noch immer nicht viel helfen. Denn für ihn kann man eben immer nur "negatives" Wissen haben. Eine empirische Prüfung könnte die Überzeugung, dass es eine "reale Außenwelt" gibt, somit bestenfalls widerlegen (falls diese Überzeugung denn falsch sein sollte); sie könnte jedoch nie beweisen, dass diese Überzeugung korrekt ist. Somit könnte man bestenfalls sagen, dass die Annahme einer realen physischen Welt bisher noch nicht falsifiziert wurde - und das wird man als eine Spielart des Solipsismus auffassen dürfen. Das Prinzip, dass nur das empirisch Prüfbare etwas gelten soll, ist - mit Einschränkungen - in den Naturwissenschaften sinnvoll. Wenn man dieses Prinzip aber verabsolutiert und behauptet, dass es schlechterdings für alles gelten solle, dann bekommt man die Philosophie des (radikalen) Empirismus und kommt in die größten Schwierigkeiten. bearbeitet Mittwoch um 02:29 von iskander Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben Mittwoch um 14:13 Autor Melden Share Geschrieben Mittwoch um 14:13 (bearbeitet) Hier eine Antwort auf @Marcellinus zu einem Beitrag aus einer Diskussion auf einen anderen Thread. vor 3 Stunden schrieb Marcellinus: vor 14 Stunden schrieb iskander: Ansonsten nur die Anmerkung, dass zwar Überlegungen dazu, wie die Gesellschaft aus Individuen emergiert, noch soziologisch sein mag - aber die Emergenz der Psyche aus dem Gehirn (angenommen es gibt sie), ganz gewiss nicht. Und natürlich ist die Frage, ob eine solche Emergenz-Theorie korrekt ist, oder vielleicht eine andere Auffassung, natürlich nicht empirisch entscheidbar. [Nachträgliche Korrektur: Das Wort "emergiert" war offenbar per Autokorrektur in "emeritiert" verwandelt worden.] Also ist es keine relevante Frage. Warum äußerst Du Dich dann zu ihr? Und nebenbei: Wie willst Du denn einen Großteil Deiner anderen Behauptungen empirisch entscheiden? - Wie, ob tatsächlich nur das, was empirisch prüfbar ist, Wissen darstellen kann? - Wie, ob die Wissenschaften keine Begründungen benötigen, sondern Theorie und Empirie genügen? - Wie, ob Wissenschaft Logik benötigt oder nicht? - Wie, ob morgen noch die gleichen Naturgesetze gelten werden wie heute? - Wie, ob es jenseits der Sinneseindrücke eine reale Welt gibt? - Wie, ob die Wissenschaft - wie Du sagst - sich zwar der Wahrheit und der Wirklichkeit nicht annähern kann, unser Bild der Wirklichkeit aber dennoch "realistischer" werden kann? Denn zu all solchen und vielen anderen Fragen äußerst Du Dich ja dezidiert, so dass Du sie wohl kaum für völlig irrelevant hältst; und Du sprichst nicht so, wie einer, der etwas von seinen "Fantasien" erzählt, sondern wie jemand, der meint, etwas Fundiertes zu sagen. Nun, falls solche Fragen zur empirischen Soziologie (oder zu einer anderen empirisch arbeitenden Disziplin) gehören und empirisch von ihr geprüft wurden, dann sei bitte so nett, mir die eine oder andere Quelle anzugeben. Denke an diese und viele weiteren unbeantworteten Fragen, die ich Dir gestellt habe, beispielsweise hier, bevor Du gegen Fragestellungen polemisierst, die empirisch nicht beantwortbar sind. Bedenke auch, dass, wenn auch nur einer meiner zentralen Kritikpunkte an Deinen Auffassungen zutreffen sollte, ist, je nach Fall, entweder Dein ganzes System unhaltbar, oder wenigstens ein wichtiger Teil von ihm; und bisher konntest Du keinen einzigen Kritikpunkt ausräumen. Stattdessen verweigerst Du einfach die Antwort. Nur ein Beispiel unter vielen: Wie es angeblich sein kann, dass ein Wissenschaftler weiß, dass es Messdaten richtig interpretiert, wenn es in den Wissenschaften keine Begründung gibt und eine solche auch nicht notwendig ist, hast Du mir trotz vielfältiger Nachfragen bis jetzt nicht erklärt - so wenig, wie Du zahlreiche andere Fragen beantwortet hast. Für jemanden, dem als Reaktion auf eine detaillierte Kritik mit zahlreichen Einzel-Punkten in der Sache nichts einfällt, haust Du also ziemlich auf die Kac*e, wenn ich das so bemerken darf. Und wenn man bedenkt, wie viele Behauptungen Du aufstellst, die durchaus anhand von Tatsachen überprüfbar wären, die Du jedoch auch auf Nachfrage hin nicht belegst, erstaunt es auch etwas, dass Du Dich offenbar als Freund der Empirie siehst. Im anderen Thread hatte ich beispielsweise geschrieben: "Und ich hoffe doch sehr, dass es nicht wie folgt laufen wird: Du kannst zwar nicht einen einzigen Beleg für Dein Bild der Philosophie finden, bleibst aber beim ihm und verkündest es bei nächster Gelegenheit erneut, weil Du ja "weißt", dass Du recht hast. " Leiter hat sich meine Hoffnung bis dato nicht erfüllt. Wie wäre es, wenn Du Deine gerade erwähnten Thesen zuerst einmal empirisch prüfst und sie im Falle, dass Du sie nicht belegen kannst, zurücknimmst? Und wenn Du dann das hohe Lied auf die Empirie singst? Stimmst Du mir nicht zu, dass dies sehr viel glaubwürdiger wäre? Im Übrigen solltest Du vielleicht einmal überlegen, warum wirklich nirgendwo die Strömung des Positivismus zur empirischen Sozialforschung oder anderen empirischen Wissenschaften gerechnet wird, sondern überall stets zur Philosophie. (Und Deine eigene Auffassung ist ja auch eine Spielart des Positivismus.) Ich zitiere hier beispielhaft aus der Wikipedia, könnte aber auch jede beliebige andere Quelle anführen: "Der Positivismus ist eine Richtung in der Philosophie, die fordert, dass Erkenntnisse, die den Charakter von Wissen beanspruchen, auf die Interpretation von „positiven“, d. h. von tatsächlichen, sinnlich wahrnehmbaren und überprüfbaren Befunden beschränkt werden." https://de.wikipedia.org/wiki/Positivismus (Dass man zu diesem Zweck auch Theorien benötigt, widerspricht dem nicht.) Und diese Auffassung ist eben nicht durch ein Experiment, sei es soziologisch oder oder anderer Natur, prüfbar, geschweige denn belegbar. Deshalb ist es auch kein Akt willkürlicher "Anmaßung", wenn niemand weit und breit den Positivismus als einen Teil der empirischen Sozialforschung betrachtet, sondern jeder ihn als eine Strömung der Philosophie ansieht. Der Positivismus macht nun aus einem Prinzip, welches in den empirischen Wissenschaften (mit gewissen Einschränkungen) Geltung beanspruchen kann, eine allgemeingültige Philosophie. Und deshalb kann man eben auch nicht sagen, dass Du die Philosophie gewissermaßen einfach links liegen lässt, indem Du Dich auf wissenschaftliche Fragen beschränkst (dies sei auch gegenüber @KevinF angemerkt, wenn er Deine Haltung entsprechend interpretiert). Nur ist der Positivismus - jedenfalls in seinen radikaleren Ausformungen, in denen er so wie Du wirklich nur das empirisch Geprüfte/Belegte als Erkenntnis gelten lässt - eine sehr problematische Philosophie. Sobald er für sich in Anspruch nimmt, begründet zu sein, verwickelt er sich in einen Selbstwiderspruch. Denn die These, dass nur das, was empirisch prüfbar/belegbar ist, Wissen darstellen könne, ist ihrerseits selbst nicht empirisch prüfbar und belegbar und kann somit nach ihrer eigenen Maßgabe auch kein Wissen sein, sondern nur Behauptung. Und konsequent zu Ende gedacht führt eine solche Auffasusng auch zu anderen immensen Problemen wie etwa dem Solipsismus, weil die Überzeugung, dass es jenseits der Sinnesempfindung eine reale Welt gibt, eben nicht empirisch prüfbar ist. Max Planck hat es wie folgt in seiner Kritik eines solchen (im obigen Sinne) "radikalen" Positivismus formuliert: "In der Physik haben wir es mit denjenigen Erlebnissen zu tun, die uns in der unbelebten Natur durch unsere Sinne vermittelt werden, und die in mehr oder minder genauen Beobachtungen und Messungen ihren Ausdruck finden. Der Inhalt dessen, was wir sehen, hören, fühlen, ist das unmittelbar Gegebene, also unantastbare Wirklichkeit. Es erhebt sich nun die Frage: Kommt die Physik mit dieser Grundlage aus? [...] Wenn wir von einem Gegenstand sprechen, z. B. von einem Tisch, so meinen wir etwas, was verschieden ist von dem Inhalt der Beobachtungen, die wir an dem Tisch machen. Wir können den Tisch sehen, wir können ihn betasten, wir spüren seine Festigkeit, seine Härte, wir empfinden ein Schmerzgefühl, wenn wir uns an ihm stoßen usw. Aber von einem Ding, was außer oder hinter allen diesen Sinnesempfindungen ein selbständiges Dasein führt, wissen wir nichts. Daher ist im Lichte des Positivismus der Tisch nichts anderes als ein Komplex derjenigen Sinnesempfindungen, die wir mit dem Worte Tisch verbinden. Nehmen wir alle Sinnesempfindungen fort, so bleibt schlechterdings nichts übrig. Die Frage, was ein Tisch ,,in Wirklichkeit" ist, hat gar keinen Sinn. Und so geht es mit allen physikalischen Begriffen überhaupt. Die ganze uns umgebende Welt ist nichts anderes als der Inbegriff der Erlebnisse, die wir von ihr haben. Ohne dieselben hat die Umwelt keine Bedeutung. [...] Die Grundlage, die der Positivismus der Physik gibt, ist zwar fest fundiert, aber sie ist zu schmal, sie muß durch einen Zusatz erweitert werden, dessen Bedeutung darin besteht, daß die Wissenschaft nach Möglichkeit befreit wird von den Zufälligkeiten, die durch die Bezugnahme auf einzelne menschliche Individuen in sie hineingebracht werden. Und das geschieht durch einen prinzipiellen, nicht durch die formale Logik, sondern durch die gesunde Vernunft gebotenen Schritt ins Metaphysische, nämlich durch die Hypothese, daß unsere Erlebnisse nicht selber die physikalische Welt ausmachen, daß sie vielmehr uns nur Kunde geben von einer anderen Welt, die hinter ihnen steht und die unabhängig von uns ist, mit anderen Worten, daß eine reale Außenwelt existiert." Es zeigt sich hier übrigens auch etwas, was ohnehin klar ist, wenn man auch nur oberflächliche Kenntnisse der Philosophie besitzt: Nämlich wie unsinnig die These ist, dass Philosophie und empirische Wissenschaft sozusagen in einem Konkurrenzverhältnis stünden, weil die Wissenschaften im Prinzip die gleichen Fragen beantworten wie die Philosophie, nur mit viel besserer Methode; und dass die empirischen Wissenschaften die Philosophie daher sozusagen "ablösen". Das tun sie nicht - und so ist es auch kein Wunder, wenn Planck die Frage nach der realen Außenwelt nicht etwa als eine naturwissenschaftliche und empirisch entscheidbare begreift, und wenn er auch kein Experiment zu ihrer Klärung vorschlägt. Er bleibt sich vielmehr bewusst, dass der Ball hier im Feld der Metaphysik und des Denken (der "gesunden Vernunft") liegt. Ergänzend sei nur angemerkt, dass, wenn man den Begriff "Metaphysik" so versteht, dass all das, was empirisch nicht entscheidbar ist, unter ihn fallen soll, natürlich auch der Positivismus selbst metaphysisch ist -eben weil auch er nicht nempirisch entscheidbar ist. Wer dennoch ein "radikaler" Positivist sein will, der nur das empirisch Geprüfte/Belegte akzeptiert, soll das gerne sein. Nur möge er bitte nicht so tun, als hätten wir es hier mit einer These zu tun, welche empirisch geprüft und bewiesenen worden sei, etwa durch die Sozialforschung, und welche mit der Philosophie nichts zu tun habe. (Oder wenn er solches doch behauptet, möge er es begründen.) Ebenso möge jemand, der eine solche Überzeugung vertritt und sie für bedeutungsvoll hält, eine andere Frage nicht allein schon deswegen für "nicht relevant" erklären, weil sie nicht empirisch entscheidbar ist (denn das ist wie gesagt auch der Positivismus nicht). Und gut beraten wäre der Betreffende auch, sich der Konsequenzen bewusst zu sein, in die ein radikaler Positivismus der genannten Art unausweichlich führt - Solipsismus eingeschlossen. bearbeitet Mittwoch um 14:32 von iskander Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Marcellinus Geschrieben Mittwoch um 14:59 Melden Share Geschrieben Mittwoch um 14:59 vor 45 Minuten schrieb iskander: vor 4 Stunden schrieb Marcellinus: vor 15 Stunden schrieb iskander: Ansonsten nur die Anmerkung, dass zwar Überlegungen dazu, wie die Gesellschaft aus Individuen emergiert, noch soziologisch sein mag - aber die Emergenz der Psyche aus dem Gehirn (angenommen es gibt sie), ganz gewiss nicht. Und natürlich ist die Frage, ob eine solche Emergenz-Theorie korrekt ist, oder vielleicht eine andere Auffassung, natürlich nicht empirisch entscheidbar. [Nachträgliche Korrektur: Das Wort "emergiert" war offenbar per Autokorrektur in "emeritiert" verwandelt worden.] Also ist es keine relevante Frage. Warum äußerst Du Dich dann zu ihr? Das erscheint dir nur so. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Marcellinus Geschrieben Mittwoch um 15:06 Melden Share Geschrieben Mittwoch um 15:06 vor 51 Minuten schrieb iskander: Wie willst Du denn einen Großteil Deiner anderen Behauptungen empirisch entscheiden? Ich muß das überhaupt nicht. Sie haben sich längst entschieden. Warum gehst du zum Arzt und nicht zum Wunderheiler? Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
KevinF Geschrieben Donnerstag um 14:29 Melden Share Geschrieben Donnerstag um 14:29 On 12/17/2024 at 6:45 PM, iskander said: So war ich zwischenzeitlich dann wieder zur Auffassung gekommen, dass Interpretation A die korrekte sei, während ich nach Deinen letzten Beiträgen aktuell von B ausgehen. Deshalb für alle Fälle die Frage, welche die richtige Interpretation ist: A, B - oder eine Dritte? Die allgemeine Gültigkeit von naturwissenschaftlichen Theorien kann man nicht beweisen, nur versuchen zu falsifizieren. Die Naturgesetze stellen, insofern sie die Invarianzen beschreiben, die die Entwicklung des Universums ermöglichten, die fundamentalsten Strukturen dar, die wir kennen. Wenn wir exotischere Hypothesen einmal außer Acht lassen, so kennen wir nichts, was sie auflösen könnte. Bis zum Beweis des Gegenteils ist es daher vernünftig davon ausgehen, dass sie auch weiterhin invariant sein werden. On 12/17/2024 at 6:45 PM, iskander said: Aus einer Theorie T und anderen Voraussetzungen leitet man eine Aussage P darüber, was zu beobachten sein sollte, ab. Nun stellt man fest, dass die Beobachtung jedoch der Aussage P widerspricht, und mit Modus Tollens schließt man, dass T falsch ist (annehmend, dass die anderen Voraussetzungen korrekt sind). Ja, natürlich. Warum, ist das strittig? Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Marcellinus Geschrieben Donnerstag um 14:35 Melden Share Geschrieben Donnerstag um 14:35 vor 4 Minuten schrieb KevinF: Am 17.12.2024 um 18:45 schrieb iskander: Aus einer Theorie T und anderen Voraussetzungen leitet man eine Aussage P darüber, was zu beobachten sein sollte, ab. Nun stellt man fest, dass die Beobachtung jedoch der Aussage P widerspricht, und mit Modus Tollens schließt man, dass T falsch ist (annehmend, dass die anderen Voraussetzungen korrekt sind). Ja, natürlich. Warum, ist das strittig? @iskander ist der irrigen Ansicht, Logik sei ein exklusives Privileg der Philosophie. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
KevinF Geschrieben Donnerstag um 14:35 Melden Share Geschrieben Donnerstag um 14:35 On 12/18/2024 at 12:33 AM, iskander said: Liegt das aber nicht auch maßgeblich daran, dass man vieles einfach nicht bewusst und explizit vollzieht? Wenn man beispielsweise in vielen Versuchen etwas beobachtet hat (dass Säure Lackmus rot verfärbt), dann schließt man induktiv auf die allgemeine Regel, dass Säure den Lackmus generell verfärbt. Wenn man mit einem Stück Lackmus testet, ob Substanz X eine Säure ist, dann schließt man deduktiv mithilfe besagter Regel daraus, dass das Ding, das man in der Hand hat, Lackmus ist, dass es sich beim Kontakt mit einer Säure X rot verfärben wird. Und wenn es sich dann tatsächlich rot verfärbt, schließt man abduktiv, dass die Substanz X eine Säure ist. (Deduktiv betrachtet wäre das ja ein Fehlschluss "Wenn X eine Säure ist, verfärbt der Lackmus sich rot; der Lackmus verfärbt sich rot; also ist X eine Säure.") Diesen Kategorisierungen kann man folgen, muss man aber nicht. Ich würde statt von "induktiven Schlüssen" und "abduktiven Schlüssen" einfach von der Bildung von Hypothesen/Theorien auf der Basis von empirischen Daten sprechen. Das hat den Vorteil, dass nicht der Anschein entstehen kann, logisch (deduktiv) ungültige Schlüsse seien doch plötzlich gültig. 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Marcellinus Geschrieben Donnerstag um 14:48 Melden Share Geschrieben Donnerstag um 14:48 Ich hab mal versucht, ein bißchen was zu Religion, Philosophie und Wissenschaft zusammenzutragen, in der vielleicht irrigen Hoffnung, zumindest meine Meinung zu diesem Thema etwas klarer zu machen. Die Menschen haben in geschichtlicher Zeit drei Formen des Erkenntnis- und Wissenserwerbs entwickelt, Religion, Philosophie und Wissenschaft, in dieser Reihenfolge. Religion wird hier verstanden als all die Vorstellungen, die definitive Antworten auf existenzielle Frage mit dem Verweis auf die Absichten, Handlungen und Ziele als übernatürlich gedachter Wesen geben. Philosophie entstand vor ca. 2.500 Jahren im antiken Griechenland, setzte auf einem höheren Niveau realistischen Wissens an und versuchte, die verbleibenden Rätsel mit einer Mischung aus Denken und Beobachtung zu lösen. Es war also eher so eine Art Naturphilosophie, mal mehr in Richtung Denken, mal mehr in Richtung Beobachtung. Mit dem Sieg des Christentums begannen 1.000 Jahre Herrschaft der Religion, auch über die Philosophie, und damit der Vorrang der Ideologie vor der Beobachtung. Erst in der Renaissance bekam die Naturbeobachtung wieder eine Chance und mit der kopernikanischen Wende begann im 17. Jahrhundert der organisierte Betrieb dessen, was wir die moderne Naturwissenschaft nennen. Sie bestand (und besteht bis heute) in einer Abfolge von Tatsachenbeobachtung und Modellbildung, wobei eine Fülle bisher nicht erklärlicher Beobachtungen zu neuen, realistischeren und leistungsfähigeren Modellen zusammengefaßt wurden, die ihrerseits weitere Beobachtungen ermöglichten. Das Ergebnis war eine Flut neuen, realistischeren Wissens auf allen Gebieten, von dem die Staaten, in denen es zur Anwendung kam, profitierten, und ihnen einen Vorsprung versprach in der Konkurrenz mit anderen um Vormachtstellung und Ressourcen in der Welt, wirtschaftlich wie militärisch. So wurde die Förderung der Wissenschaften zu einem staatlichen Interesse, erst in den italienischen Stadtstaaten, dann allgemein im Rest von Europa., und schließlich auch darüber hinaus. Astronomie, als Voraussetzung für die Navigation auf See, aber auch jede Form von Technik, setzten sich durch, einfach, weil sie funktionierten, weil ihre Anwendung den jeweiligen Staaten Vorteile gegenüber ihren Opponenten brachten. Die natürliche Folge war, daß Religion und Philosophie ihren Rang als Erklärungsmodell für den beobachtbaren Teil dieser Welt an die Naturwissenschaften abtreten mußten. Jede von ihnen reagierte darauf auf ihre Weise. Die Religion versuchte es mit gewalttätigem Widerstand. Die Fälle Giordano Bruno und Galileo Galilei stehen exemplarisch für diesen Versuch, der Religion die Kontrolle über das Wissen der Menschen zu erhalten. Der Widerstand mancher Religiöser gegen Darwins Evolutionstheorie ist ein letztes, hoffnungsloses Rückzugsgefecht. Die Philosophen standen mit ihrer Naturphilosophie am Anfang auf der Seite der entstehenden Naturwissenschaften, ein paar versuchten aber (Stichwort Descartes) schon ziemlich früh, gegenüber den Naturwissenschaften die Rolle der Religion zu übernehmen, indem sie behaupteten, die Naturwissenschaften bedürften für ihre „Gültigkeit“ über ihren praktischen Erfolg hinaus eine „Begründung“, die nur die Philosophie liefern könne. Die „Begründung“, die dann geliefert wurde, und über die sich die Philosophen, wie üblich auch nicht einig waren, war jeweils eine Art von Glaube, der an „Gott“ als Garant der Ordnung im Universum wie bei Descartes, oder, etwas säkularisierter, an unterschiedliche Ontologien. Behauptet wird, eine solche „Begründung“ sei etwas, was nicht auf Beobachtungen beruhen könne, und entsprechend liefern die Philosophen etwas, was nicht beobachtet werden kann. Insgesamt eine ziemlich luftige Veranstaltung, besonders gemessen an den immer umfangreicheren und immer besser belegten Ergebnissen der Naturwissenschaften. Das ist auch den Philosophen nicht entgangen. Hier einige Zitate dazu: "Die Philosophie unterscheidet sich einerseits von den Naturwissenschaften und andererseits von der Mathematik. Im Unterschied zu den Naturwissenschaften stützt sie sich nicht auf Experimente und Beobachtungen, sondern allein auf das Denken. Im Unterschied zu Mathematik kennt sie keine formalen Beweisverfahren. Man philosophiert einzig, in dem man fragt, argumentiert, bestimmte Gedanken ausprobiert und mögliche Argumente gegen sie erwägt, und darüber nachdenkt, wie unsere Begriffe wirklich beschaffen sind. […] Je grundlegender die Ideen sind, die wir zu erforschen versuchen, umso weniger Werkzeug haben wir hierfür zur Verfügung. Nur weniges darf angenommen oder vorausgesetzt werden. Die Philosophie ist daher eine etwas schwindelerregende Tätigkeit, und nur wenige ihrer Ergebnisse bleiben langfristig unangefochten.“ (Thomas Nagel 1987: Was bedeutet das alles?, S. 8f) In der Philosophie kann niemand letztgültig beweisen, dass er selbst Recht und alle anderen Unrecht haben. Der Grund dafür ist einfach. Philosophische Fragen werden nicht durch Beobachtungen oder Experimente entschieden. Vielmehr kann man sich der Beantwortung dieser Fragen nur argumentativ nähern. Alle Argumente beruhen jedoch auf Annahmen; und diese Annahmen können ihrerseits wieder in Zweifel gezogen werden. Niemand verfügt über einen archimedischen Punkt, der über jeden Zweifel erhaben wäre; niemand kann sich auf Annahmen stützen, die nicht angegriffen werden können. (Ansgar Beckermann, Möglichkeiten der Philosophie) Die richtige Methode der Philosophie wäre eigentlich die: Nichts zu sagen, als was sich sagen lässt, also Sätze der Naturwissenschaft – also etwas, was mit Philosophie nichts zu tun hat –, und dann immer, wenn ein anderer etwas Metaphysisches sagen wollte, ihm nachzuweisen, dass er gewissen Zeichen in seinen Sätzen keine Bedeutung gegeben hat. Diese Methode wäre für den anderen unbefriedigend – er hätte nicht das Gefühl, dass wir ihn Philosophie lehrten – aber sie wäre die einzig streng richtige. (Ludwig Wittgenstein) Der Philosoph behandelt eine Frage; wie eine Krankheit. (Ludwig Wittgenstein) „Das ummittelbar Erlebte ist subjektiv und absolut […] Die objektive Welt hingegen, welche die Naturwissenschaft rein herauszukristallisieren sucht, [..] ist notwendigerweise relativ […] Dieses Gegensatzpaar: subjektiv - absolut und objektiv - relativ scheint mir eine der fundamentalsten erkenntnistheoretischen Einsichten zu enthalten, die man aus der Naturforschung ablesen kann. Wer das Absolute will, muß die Subjektivität, die Ichbezogenheit, in Kauf nehmen; wen es zum Objektiven drängt, der kommt um das Relativitätsproblem nicht herum.“ (Hermann Weyl, Philosophie der Mathematik und Naturwissenschaft, 1966) „Das alte Wissenschaftsideal, das absolut gesicherte Wissen (episteme), hat sich als Idol erwiesen. Die Forderung der wissenschaftlichen Objektivität führt dazu, daß jeder wissenschaftliche Satz vorläufig ist. Er kann sich wohl bewähren - aber jede Bewährung ist relativ, eine Beziehung, eine Relation zu anderen, gleichfalls vorläufigen Sätzen. Nur in unserem subjektiven Überzeugungserlebnissen, in unserem Glauben können wir absolut sicher sein." (Popper, Logik der Forschung) Wenn ich versuche, das mit meinen Worten zusammenzufassen, dann ist Philosophie die Beschäftigung mit Fragen von meist existenzieller Bedeutung für den Fragenden, die sich aber nicht naturwissenschaftlich beantworten lassen, deren Antworten sich also nicht mit Tatsachenbeobachtungen belegen lassen. Damit bleibt allein das reine Denken, und das beruht bestenfalls auf Annahmen, die ihrerseits bezweifelt werden können. Oder die bloße Fantasie. Philosophie liefert damit immer subjektive Antworten, die als Begründung objektiver, naturwissenschaftlicher Modelle selbst dann nicht taugen würden, wenn man eine solche Begründung für nötig hielte, was ich nicht tue. Naturwissenschaften dagegen versuchen ausschließlich, herauszufinden, wie beobachtbare Tatsachen nachprüfbar zusammenhängen. Ihr Wert bemißt sich daran, in wieweit ihnen das gelingt, und an nichts sonst. Immer, wenn andere Maßstäbe an Naturwissenschaften angelegt werden, zB. indem man sozial oder politisch erwünschte Ergebnisse von ihnen verlangt, oder die Anpassung an oder Bestätigung von bestimmten ideologischen Vorgaben, mindert man oder zerstört sogar ihren Wert. Auch dafür sind die praktischen Beispiele zahlreich. Auch aus diesem Grund haben sich Religion, Philosophie und Politik aus den Wissenschaften herauszuhalten. Philosophie ist eine akademische Übung mit einer langen Geschichte, die aber schon seit geraumer Zeit zu nachprüfbarem Wissen nichts mehr beitragen kann. Wenn überhaupt (aber das habe ich nicht zu entscheiden) muß sie ihren Zweck in sich selbst finden. Wer Fragen interessant findet, deren Antworten nicht auf Beobachtungen beruhen, und daher ausschließlich subjektiv und ichbezogen sind, und noch dazu Spaß an nicht enden wollenden Debatten hat, der mag sich damit befassen. Nur in den Naturwissenschaften hat das nichts zu suchen. 1 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben Donnerstag um 23:12 Autor Melden Share Geschrieben Donnerstag um 23:12 (bearbeitet) Am 18.12.2024 um 16:06 schrieb Marcellinus: Ich muß das überhaupt nicht. Sie haben sich längst entschieden. Warum gehst du zum Arzt und nicht zum Wunderheiler? Es geht zum einen einfach darum, dass ein Großteil dessen, was wir alle (aus gutem Grund) als Wissen akzeptieren, entweder selbst nicht empirisch prüfbar ist oder (zumindest auch) auf Grundlagen beruht, die empirisch nicht prüfbar sind. Du antwortest mir, als würde ich das Vernünftige bezweifeln. Das tue ich aber überhaupt nicht. Ich stelle also nicht infrage, was wir alle zu wissen glauben, sondern Deinen Positivismus. Und darauf gehst Du überhaupt nicht ein. Ein zweiter Punkt ist der: Ich sage, dass viele Deiner (strittigen) Behauptungen selbst unmöglich empirisch prüfbar, geschweige denn empirisch belegbar sind, und dass zum Teil aus ihnen Absurdes folgt. Auch darauf gehst Du nicht ein. Man könnte meinen, dass Du auf meine Kritik keine Antwort hast und daher (unbewusst, ich unterstelle Dir keine böse Absicht) meine Beiträge uminterpretierst, so dass Du nicht nur eine Antwort hast, sondern auch leichtes Spiel. Im Prinzip ist das (nicht der Absicht, aber dem Effekt nach) ein Strohmann-Argument. vor 10 Stunden schrieb Marcellinus: @iskander ist der irrigen Ansicht, Logik sei ein exklusives Privileg der Philosophie. Nur, dass ich das nirgendwo auch nur im Ansatz gesagt oder insinuiert habe. Im Gegenteil. Ich habe jetzt keine Lust, alle Zitate von mir herauszusuchen, daher möge eines genügen: "[...] und auf meine Bitten, einfach mal die Prämissen einzeln aufzuschreiben, hat er mit der Bemerkung reagiert, dies sei dann eine "philosophische Sprache", die er ablehne. (Auf meine Erläuterung, dass jede Argumentation Prämissen und Konklusion beinhaltet und das erst mal mit Philosophie nichts zu tun hat, hat er nie reagiert.)" https://www.mykath.de/topic/36216-fürwahrhalten-in-der-religion/?do=findComment&comment=2575909 "Diese merkwürdigen Missverständnisse scheinen daher zu rühren, dass Elias Popper und seine Anhänger dafür kritisiert, angeblich unter dem Stichwort "Logik" apriorische Grundsätze für die Wissenschaft aufstellen zu wollen, die nicht zu rechtfertigen seien. [...] Du scheinst das so zu interpretieren, dass die Philosophen die (formale) Logik nutzen, um der Wissenschaft quasi Vorschriften machen zu wollen, und um in sie hineinzuregieren - und dass sie es für ihre Aufgabe halten, wissenschaftliche Theorien auf ihre logische Konsistenz zu überprüfen. [...]" https://www.mykath.de/topic/36216-fürwahrhalten-in-der-religion/?do=findComment&comment=2576157 Die Sache wird jetzt höchstwahrscheinlich wie folgt ablaufen: Du wirst keinerlei Beleg, nicht einmal ein Indiz für Deinen Vorwurf beibringen können. Du wirst aber auch nicht eingestehen, dass Du Dich in diesem Punkt geirrt hast. Du wirst die Sache aber auch nicht stillschweigend akzeptieren, dass Du Dich hier geirrt hast. Sondern Du wirst bei nächster Gelegenheit einfach wiederholen - so wie Du es ja immer wieder auch bei anderen Dingen in dieser Diskussion hältst. Es ist bemerkenswert: @KevinF bestätigt, was ich die ganze Zeit vergebens zu erklären versuche, nämlich dass Falsifikation auf logischen Schlüssen beruht (und dass das eine Selbstverständlichkeit ist). An dieser Stelle könntest Du jetzt etwas schreiben wie: "Ja, vielleicht habe ich mich die ganze Zeit geirrt. Vielleicht hatte iskander mit seinen geduldigen Erklärungsversuchen doch recht." Doch nichts dergleichen kommt von Dir - stattdessen stellst Du es hin, als liege das Problem auf meiner Seite, weil ich angeblich die Logik für die Philosophen monopolisieren wolle (wofür es wie gesagt absolut keine Belege gibt, im Gegenteil). Zitat Ich hab mal versucht, ein bißchen was zu Religion, Philosophie und Wissenschaft zusammenzutragen, in der vielleicht irrigen Hoffnung, zumindest meine Meinung zu diesem Thema etwas klarer zu machen. Auf alles im Detail eingehen möchte ich nicht, zumal ich das in der Vergangenheit bereits getan habe; ein paar Punkte aber seien kommentiert: Wir sind uns doch in einem Punkt hoffentlich einig: Von der Philosophie hast Du keinerlei Kenntnisse - also auch keine oberflächlichen, sondern überhaupt gar keine. Das zeigt sich an allen Ecken und Enden. Es ist so offenkundig, dass man dazu eigentlich nichts sagen müsste, aber ich habe es dennoch im anderen Thread ausführlich dargelegt. Oder von mir aus ein neues Beispiel: Du hast in einem anderen Thread Ontologie als "Weltanschauung" bezeichnet und als die "Vorstellung, man könne sich nur dann sachgerechte Aussagen über diese Welt machen, wenn man eine philosophische Grundlage habe". Nehmen wir einmal an, dass man zu ontologischen Fragestellungen nichts Fundiertes und nicht einmal etwas Sinnvolles sagen könne. Ich teile diese Auffassung nicht, aber nehmen wir es einmal an. Selbst dann wären Deine Behauptungen noch immer krass falsch und würden zeigen, dass Du einfach nicht weißt, worüber Du sprichst. Es mag vorkommen, dass jemand beispielsweise Dialoge von Platon gelesen hat und nicht weiß, was Ontologie ist; aber jemand, der sich zumindest ganz knapp mit der Philosophie als einer systematischen akademischen Disziplin beschäftigt hat (und darum geht es ja), weiß, was man unter "Ontologie" versteht. Und das hat wie gesagt auch absolut gar nichts mit der eigenen Wertschätzung oder Ablehnung der Philosophie gegenüber zu tun. Insofern erlebt man bei Dir immer wieder ein erstaunliches Phänomen: Einerseits besitzt Du keinerlei - und man muss es hier wirklich so deutlich sagen: keinerlei - Wissen über die Philosophie; andererseits sprichst Du über sie mit der Attitüde eines Kenners. Und das beste ist dies: Wenn man Dich dann darauf hinweist, dass das eine oder andere, was Du behauptest, vielleicht doch nicht so ganz profund ist, meinst Du, der andere sein völlig verbohrt. Da Du nun wie gesagt keinerlei Wissen über die Philosophie besitzt, besteht Deine "Kritik" darin, dass Du wiederholst, was Comte oder Elias zum Thema gesagt haben (oder was Du sonst irgendwo aufschnappst), ohne auch nur ansatzweise dazu in der Lage zu sein, die Kritik inhaltlich zu prüfen. Schlimmer noch: Das vollständige Fehlen selbst eines grundlegenden Wissens oder Verständnisses führt dann dazu, dass Du selbst die Kritik, die Du liest, zum Teil auch noch völlig missverstehst (siehe hier). Zitat Die Philosophen standen mit ihrer Naturphilosophie am Anfang auf der Seite der entstehenden Naturwissenschaften, ein paar versuchten aber (Stichwort Descartes) schon ziemlich früh, gegenüber den Naturwissenschaften die Rolle der Religion zu übernehmen, indem sie behaupteten, die Naturwissenschaften bedürften für ihre „Gültigkeit“ über ihren praktischen Erfolg hinaus eine „Begründung“, die nur die Philosophie liefern könne. Nur dass Descartes selbst ein Pionier der modernen Naturwissenschaft war. Warum gehst Du denn nicht einfach mal inhaltlich auf das ein, was ich sage? Beipeilweise darauf, dass Deine entscheidenden Thesen, aber selbst die Existenz der körperlichen Außenwelt "metaphysische" Behauptungen sind, falls man "Metaphysik" so definiert, dass alles, was nicht empirisch prüfbar ist, unter diese Rubrik fällt. Lege dar, warum Planck und meine Wenigkeit Unrecht haben. Das wäre doch ein guter Ansatz, um die These, dass auch unserem naturwissenschaftlichen Arbeiten implizite philosophische Annahmen zugrunde liegen, infragezustellen. (Und diese These bedeutet nicht, dass man die Philosophie braucht, bevor man erfolgreich Naturwissenschaften betreiben kann.) Nur genau das kannst Du eben nicht. Du kannst mich hinstellen wie einen (Halb-)Verrückten, der sich für das einzige "Ding", das existiert, hält. Aber auf meine Argumentation, dass die (natürlich vernünftige!) Behauptung, dass es jenseits der Sinneswahrnehmung eine reale körperliche Welt gibt, sich prinzipiell jeglicher empirischen Prüfung entzieht, so dass aus Deinen eigenen Überzeugungen absolut zwingend der Solipsismus folgt: Darauf hast Du offenbar keine Antwort. Zitat Behauptet wird, eine solche „Begründung“ sei etwas, was nicht auf Beobachtungen beruhen könne, und entsprechend liefern die Philosophen etwas, was nicht beobachtet werden kann. Insgesamt eine ziemlich luftige Veranstaltung, besonders gemessen an den immer umfangreicheren und immer besser belegten Ergebnissen der Naturwissenschaften. Dann beantworte doch einfach mal eine der folgenden Fragen: Wie kann man folgende Aussagen durch schiere Beobachtung begründen - einmal davon abgesehen, dass man Deiner Meinung ja eh nichts begründen, sondern nur etwas widerlegen kann? - Dass tatsächlich nur das, was empirisch prüfbar ist, Wissen darstellen kann. - Dass die Wissenschaften keine Begründungen benötigen, sondern Theorie und Empirie genügen. - Dass die Wissenschaft keine Logik benötigt. - Dass morgen noch die gleichen Naturgesetze gelten werden wie heute. - Dass, ob es jenseits der Sinneseindrücke eine reale Welt gibt. - Dass, ob die Wissenschaft - wie Du sagst - sich zwar der Wahrheit und der Wirklichkeit nicht annähern kann, unser Bild der Wirklichkeit aber dennoch "realistischer" werden kann. Und bitte jetzt kein Strohmann-Argument. Dass einige dieser Aussagen gelten, bezweifle ich nicht - das ändert aber rein gar nichts daran, dass diese Aussagen keinesfalls vollständig empirisch belegbar bzw. empirisch prüfbar sind, sondern mindestens auch solche Vorraussetzungen beinhalten, die es nicht sind. Andere Aussagen halte ich für falsch, und auch da gilt natürlich, dass sie empirisch nicht prüfbar sind. Zu Beckermann habe ich mich wie gesagt schon geäußert. Es genüge an dieser Stelle der Hinweis, dass Du zwar gerne entsprechende Philosophen zitierst (und zum Teil überinterpretierst), wenn es darum geht, die Bedeutung der Philosophie infragezustellen. Wenn Du aber die Philosophen als selbsternannte Richter darstellst, die sich anmaßend in alles einmischen ohne ihre Grenzen zu kennen, dann vergisst Du all diese Zitate. Du schaffst es, innerhalb kürzester Zeit der Philosophie in pauschalen Aussagen eine unglaubliche Wichtigtuerei und anmaßende Selbsteingenommenheit vorzuhalten und ihr gleichzeitig zu attestieren, dass sie selbst einsehe, wie bescheiden ihre Rolle zu sein habe. Im Übrigen: Wie wäre es denn meine unzähligen Fragen offenen beantwortest? Angefangen mit der, warum Deine Gedankengänge nach Deiner eigenen Überzeugung nichts mit Philosophie zu tun haben, sondern in die Soziologie fallen - und weil sie ja offensichtlich mehr sein sollen als "Fantasie" dann ja wohl in die empirische Sozialforschung? Oder hältst Du diese Frage nicht für berechtigt? bearbeitet Freitag um 01:36 von iskander Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben Freitag um 00:11 Autor Melden Share Geschrieben Freitag um 00:11 (bearbeitet) vor 9 Stunden schrieb KevinF: Die allgemeine Gültigkeit von naturwissenschaftlichen Theorien kann man nicht beweisen, nur versuchen zu falsifizieren. Das scheint mir etwas einseitig zu sein. Ich würde dem erstens entgegenhalten wollen, dass auch die Falsifikation "positives" Wissen voraussetzt - mindestens nämlich, dass man etwas "wirklich" beobachtet und dass die Beobachtung der zu falsifizierenden Theorie tatsächlich widerspricht. In manchen Fällen ist das banal, in anderen jedoch nicht. Wenn beispielsweise die Interpretation von Beobachtungs-Daten notwendig ist, um schließen zu können, dass die Beobachtung tatsächlich mit der zu falsifizierenden Theorie unvereinbar ist, dann muss man im positiven Sinne wissen, dass die entsprechende Interpretation (wahrscheinlich) korrekt ist. Und das kann mitunter einiges voraussetzten. Mein Beispiel war ja, dass ein Astronom, der die Hypothese, dass ein Stern sich am Ort X befindet, mithilfe der Aufnahmen eines Radioteleskops falsifiziert, wissen muss, dass seine Interpretation der Daten dieses Radioteleskops vermutlich korrekt ist - und dass dieses Wissen also im positiven Sinne begründet sein muss. Und das setzt nun gewiss selbst einige wissenschaftliche Erkenntnise voraus, die man aber nicht als "bisher noch nicht falsifiziert, aber unbegründet" ansetzen darf, sondern als "ziemlich gut begründet" ansetzen muss. Denn wenn die Annahme, dass ein Forscher seine Mess-Daten korrekt interpretiert, völlig unbegründet ist, dann ist auch alles, was auf dieser Interpretation aufbaut, völlig unbegründet - also auch eine auf der Messung basierende Falsifikation. Zweitens ist es mit dem Falsifizieren in Wahrheit auch nicht so einfach wie in den Beispielen, die wir (ich insbesondere eingeschlossen!) hier diskutieren: "Second, Popper’s theory of demarcation hinges quite fundamentally on the assumption that there are such things as critical tests, which either falsify a theory, or give it a strong measure of corroboration. Popper himself is fond of citing, as an example of such a critical test, the resolution, by Adams and Leverrier, of the problem which the anomalous orbit of Uranus posed for nineteenth century astronomers. They independently came to the conclusion that, assuming Newtonian mechanics to be precisely correct, the observed divergence in the elliptical orbit of Uranus could be explained if the existence of a seventh, as yet unobserved outer planet was posited. Further, they were able, again within the framework of Newtonian mechanics, to calculate the precise position of the “new” planet. Thus when subsequent research by Galle at the Berlin observatory revealed that such a planet (Neptune) did in fact exist, and was situated precisely where Adams and Leverrier had calculated, this was hailed as by all and sundry as a magnificent triumph for Newtonian physics: in Popperian terms, Newton’s theory had been subjected to a critical test, and had passed with flying colours. Yet Lakatos flatly denies that there are critical tests, in the Popperian sense, in science, and argues the point convincingly by turning the above example of an alleged critical test on its head. What, he asks, would have happened if Galle had not found the planet Neptune? Would Newtonian physics have been abandoned, or would Newton’s theory have been falsified? The answer is clearly not, for Galle’s failure could have been attributed to any number of causes other than the falsity of Newtonian physics (e.g., the interference of the earth’s atmosphere with the telescope, the existence of an asteroid belt which hides the new planet from the earth, etc). The suggestion is that the “falsification/corroboration” disjunction offered by Popper is unjustifiable binary: non-corroboration is not necessarily falsification, and falsification of a high-level scientific theory is never brought about by an isolated observation or set of observations. Such theories are, it is now widely accepted, highly resistant to falsification; they are “tenaciously protected from refutation by a vast ‘protective belt’ of auxiliary hypotheses” (Lakatos 1978: 4) and so are falsified, if at all, not by Popperian critical tests, but rather within the elaborate context of the research programmes associated with them gradually grinding to a halt. Popper’s distinction between the logic of falsifiability and its applied methodology does not in the end do full justice to the fact that all high-level theories grow and live despite the existence of anomalies (i.e., events/phenomena which are incompatible with them). These, Lakatos suggests, are not usually taken by the working scientist as an indication that the theory in question is false. On the contrary, in the context of a progressive research programme he or she will necessarily assume that the auxiliary hypotheses which are associated with the theory can in time be modified to incorporate, and thereby explain, recalcitrant phenomena." https://plato.stanford.edu/entries/popper/#CritEval vor 9 Stunden schrieb KevinF: Ja, natürlich. Warum, ist das strittig? Oh ja! @Marcellinus betreitet das nachdrücklich (oder hat es jedenfalls die ganze Zeit getan). Man könnte es an unzähligen Beispielen beweisen; hier mögen zwei Zitate genügen. Sie fielen in dem Kontext, dass ich versucht habe, ihm zu erklären, wie eine Flsifikation logisch betrachtet aussieht: Am 18.1.2024 um 22:00 schrieb Marcellinus: Ich halte für mich als Fazit fest: Theoretisch-empirische Wissenschaften gewinnen ihr Wissen nicht durch sprachliche Logeleien, sondern durch einen wechselseitigen Prozeß von Tatsachenbeobachtungen und Theoriebildung, wobei die Methoden für diesen Prozeß wechseln mit den Eigentümlichkeiten der jeweiligen Gegenstände Am 5.2.2024 um 11:06 schrieb Marcellinus: Logik ist ursprünglich erfunden worden, um auf dem Forum oder Agora bei öffentlichen Gerichtsverhandlungen den Gegner blöd ausschauen zu lassen. Letztlich ist es eine Ansammlung von argumentativen Tricks. Unsere Formen der Erkenntnis sind älter, sehr viel älter. Du denkst vielleicht, dass das eine Fehlinterpretation von mir ist. Das ist es aber nicht, und das zeigt neben weiteren Zitaten gerade auch der Kontext. Ich selbst habe einige Zeit gebraucht, bis ich es verstanden habe bzw. glauben konnte - aber es ist tatsächlich so. Ich habe ihn übrigens auch wiederholt gebeten, mir die zentralen Prämissen seiner Argumentation einzeln aufzuschreiben, weil ich sein Argument für ein Non sequitur halte. Er ist darauf erst einmal gar nicht eingegangen und hat dann schließlich erwidert, dass er sich nur in seiner "Sprache" ausdrücken könne. Auf meine Bemerkung, dass jedes Argument auf Prämissen und Konklusion beruht, auch außerhalb der Philosophie, und dass ging er bisher nicht ein. Seine Ablehnung scheint auf der Fehlinterpretation eine Textes von Norbert Elias zu beruhen. Ich hatte es im anderen Thraed so beschrieben: Zitat Beginn Dein Vorwurf scheint insbesondere auch zu lauten, dass die Philosophen die Logik, welche von den Wissenschaften doch eigentlich gar nicht benötigt werde, dazu nutzen, um sich in die Wissenschaften einzumischen. Auch scheinst Du zu glauben, dass es die Philosophie als ihre Aufgabe ansehen würde, die Logik in wissenschaftlichen Theorien zu überprüfen und insofern über die Wissenschaften zu richten. Diese merkwürdigen Missverständnisse scheinen daher zu rühren, dass Elias Popper und seine Anhänger dafür kritisiert, angeblich unter dem Stichwort "Logik" apriorische Grundsätze für die Wissenschaft aufstellen zu wollen, die nicht zu rechtfertigen seien. Zudem kritisiert er Popper auch dafür, dass es diesem gar nicht so sehr um die Vereinbarkeit von wissenschaftlichen Theorien und Empirie gehe, sondern vor allem um die interne Kohärenz von solchen Theorien, ganz nach dem Vorbild der Mathematik. Du scheinst das so zu interpretieren, dass die Philosophen die (formale) Logik nutzen, um der Wissenschaft quasi Vorschriften machen zu wollen, und um in sie hineinzuregieren - und dass sie es für ihre Aufgabe halten, wissenschaftliche Theorien auf ihre logische Konsistenz zu überprüfen. Tatsächlich könnte man als fachlich unbedarfter Leser Elias an manchen Stellen so missverstehen, dass er Popper und anderen Philosophen vorwirft, auf Basis der (formalen) Logik weitreichende inhaltlich-methodische Vorgaben begründen zu wollen, die den Anspruch erheben, dass alle Wissenschaften sich an ihnen orientieren sollten. Schaut man aber genauer hin, so sieht man, dass Elias ausdrücklich nicht behauptet, dass Popper oder andere Philosophen die Logik im Sinne der formale Logik meinen, wenn sie sagen, wie ihrer Meinung nach Wissenschaft aussehen solle. Elias wörtlich: "Wenn man ein wenig mit der Philosophiegeschichte vertraut ist, wird man vielleicht erkennen, daß die Logik, auf die man sich derart im Popperschen Kreise beruft, nicht etwa der in seiner Art höchst fruchtbare Wissenschaftszweig der formalen Logik ist." Vielmehr wirft Elias Popper und seinen Anhängern einen Apriorimsus im Kantischen Sinne vor: "Die Bedeutung des Ausdrucks „Logik“ im Popperschen Gebrauch dieses Wortes, also etwa indem Titel „Logik der Forschung“, der ja den Kern der Lehre ankündigt, wird nur dann verständlich, wenn man gewahr wird, daß es sich hier um einen späten Nachfahren des Kantschen Apriori handelt.") Gleichzeitig hält Elias Popper nicht vor, dass dieser es für die Aufgabe von Philosophen halte, die logische Konsistenz von Theorien zu prüfen, sondern nur, dass Popper die Bedeutung der empirischen Prüfung vernachlässige, weil es ihm angeblich vor allem um die Konsistenz gehe. Auch Elias würde gewiss nicht bezweifeln, dass auch nach Poppers Meinung die entsprechenden Wissenschaftler selber eine Konsistenzprüfung ihrer Theorien vornehmen können. Zitat Ende Überzeugen konnte ich ihn auch damit allerdings nicht. Was sehr bedauerlich ist, denn wenn Marcellinus akzeptieren würde, dass auch seine Argumente und Begründungen logische Schlüsse darstellen und bereit wäre, seine Prämissen einzeln aufzuschreiben, könnte man viel leichter sehen, ob die Prämissen seiner wesentlichen Thesen tatsächlich alle empirisch prüfbar sind, und ob aus ihnen ohne Zusatzannahmen tatsächlich seine Überzeugungen folgen. vor 9 Stunden schrieb KevinF: Ich würde statt von "induktiven Schlüssen" und "abduktiven Schlüssen" einfach von der Bildung von Hypothesen/Theorien auf der Basis von empirischen Daten sprechen. Gut - das ist jetzt wahrscheinlich eher eine Frage der Terminologie und kein grundlegender Unterschied in der Sache selbst. Ich meine aber schon, dass die Rede von Induktion und Abdultukion sinnvoll ist, denn es geht ja auch darum, wie man "auf Grundlage" der empirischen Daten zu Hypotesen/Theorien kommt. "Induktion" und "Abudktion" machen explizit, was im etwas vagen Ausdruck "auf Grundlage" nur implizit und ohne Differenzirung enthalten ist. vor 9 Stunden schrieb KevinF: Das hat den Vorteil, dass nicht der Anschein entstehen kann, logisch (deduktiv) ungültige Schlüsse seien doch plötzlich gültig. Das würde ich insofern nicht als großes Problem ansehen, weil die Rede von Induktion und Abduktion als eigenen, von der Deduktion wesentlich verscheidenen Schlussarten gut etabliert sind - siehe etwa den Wikipedia-Artikel zur Schlussfolgerung: "Drei Arten des logischen Schließens werden unterschieden: Deduktion, Induktion und Abduktion. Deduktion ist der logische Schluss von Regel und Subsumtion auf den Fall. Induktion ist der logische Schluss von Fall und Subsumtion auf eine Regel. Abduktion ist der logische Schluss von Regel und Fall auf eine Subsumtion." (Es kann übrigens sein, dass ich in den nächsten Tagen nicht oder wenig zum Schreiben kommen werde; sicher ist das aber nicht. Selbst wenn gilt aber ja: Aufgeschoben ist nicht aufgehpben! ) bearbeitet Freitag um 00:31 von iskander Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
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