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Das US-amerikanische Christentum


Shubashi

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vor 36 Minuten schrieb Marcellinus:

Und fast alle katholischer Herkunft. ;)

 

Was absolut gar nichts aussagt. Katholisch getauft und erzogen zu sein ist für die meisten Menschen keine Verpflichtung auf Lebenszeit - von Ausnahmen abgesehen - und sie haben kein Problem damit, diesen Glauben abzulegen. Sie sind im Grunde Apostaten. 

 

Durch Alfred Anderschs semi-autobiographisches Buch "Der Vater eines Mörders" bin ich erstmalig mit der Person des Vaters von Heinrich Himmler in Berührung gekommen. Vater Himmler, Gymnasialdirektor, streng katholisch, sonntags Hochamt in St. Michael in München (damals die Kirche für die Schickeria), konservativ, aber ein Feind des aufkeimenden Nationalsozialismus, darüber mit dem Sohn entzweit, der dann sowohl politisch wie auch religiös auf die bekannten Abwege geraten ist. 

 

bearbeitet von Studiosus
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vor 5 Stunden schrieb Marcellinus:

Kirchenvereine sind keine politische Interessenvertretung, haben also kein politisches Mandat. Welche „Forderungen“ hätten sie zu stellen? Du möchtest doch sicherlich keinen „Kulturkampf“?

 

Mit "Forderungen" meine ich natürlich die des Evangeliums - alles andere ist irrelevant für die Kirche.

 

Mir würde es schon reichen, wenn gerade exponierte Kirchenleute wie Bischöfe ihre Position dazu nutzten, Mißstände, die dem Evangelium widersprechen, immer und immer wieder anzuprangern, gelegen oder ungelegen. Wenn das Menschenbild vor die Hunde geht, angefangen vom immer offener propagierten Töten von Menschen vor ihrer Geburt (Mensch = Spezies Homo sapiens sapiens), über die Unmöglichkeit vieler Familien, mit einem Gehalt sich ausreichend zu ernähren, über die - zumindest in meinen Augen - utilitaristischen Sichtweise nahezu der gesamten Existenz, die u.a. am Lebensende auch zu immer mehr "Entsorgung" führt (letzes Beispiel: Reanimationen sind doof, wir brauchen Organe!).

Und diese Verkündigung muß positiv erfolgen, wofür das Evagelium ist, nicht wogegen. Denn jedes Nein beruht hier auf einem Ja.

 

Doch davon merke ich nichts. Man hat sich arrangiert. Außer ab und zu einem leicht gehauchten "Aber" kommt nichts - und so wird Herr Bischof zum nächsten Empfang auch wieder eingeladen, und die Kirche ist ja auch so wichtig für unser Zusammenleben (und Zusammentöten...) und übernimmt ja so wichtige "gesellschaftliche" Aufgaben, blablabla

 

Das Evangelium zu befolgen ist eine zunehmende Gegenkultur.

bearbeitet von rorro
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vor 1 Minute schrieb Marcellinus:

 

Es ging um den Sieg des Vaterlandes, um dem Sieg Deutschlands, wie in jedem Land der damaligen Zeit. Ein bißchen Geschichtsstudium könnte nicht schaden. 

 

Das entspricht aber per se der Naturgesetzlichkeit, dass man für den Sieg des Vaterlandes im Falle einer kriegerischen Auseinandersetzung ist. Daran ist nichts auszusetzen. Ich wiederhole also: "Beten für den Sieg" wäre nur problematisch, wenn es explizit um den Sieg eines Unrechtssystems geht, nicht aber wenn es um den Sieg des Guten über das Böse geht

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Ich hörte neulich noch in einem interview den Satz von Rod Dreher (amerik. konservativer Autor), daß seine Generation der Ü50 noch sehr oft meint, durch Anpassungen der Kirche (welcher auch immer die eigene sein mag) die gesellschaftliche Relevanz retten zu können, während die jüngere Generation der überzeugten Christen schon verstanden habe, daß wir längst in einer äußerst postchristlichen Gesellschaft leben - nur die Mitgliedszahlen hinken hinterher. Denen ginge es vor allem um das überzeugte Leben, das dann bestenfalls auch, wenn auch nur für wenige, überzeugend ist.

bearbeitet von rorro
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vor 3 Minuten schrieb Studiosus:

... konservativ, aber ein Feind des aufkeimenden Nationalsozialismus ...

 

Das beschreibt eigentlich sehr gut die Einstellung fast des gesamten deutschen Bürgertums, von Nationalliberal bis Deutschnational. 

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vor 3 Minuten schrieb Marcellinus:

 

Das beschreibt eigentlich sehr gut die Einstellung fast des gesamten deutschen Bürgertums, von Nationalliberal bis Deutschnational. 

 

Tja, sieht man ja wie gut fast das gesamte Bürgertum Hitler widerstand. 

 

Im Übrigen war das nicht der Punkt, sondern die Replik auf die Allerweltsfeststellung, dass viele Nazis nominell katholisch waren. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 2 Minuten schrieb Studiosus:
vor 4 Minuten schrieb Marcellinus:

Das beschreibt eigentlich sehr gut die Einstellung fast des gesamten deutschen Bürgertums, von Nationalliberal bis Deutschnational. 

Tja, sieht man ja wie gut fast das gesamte Bürgertum Hitler widerstand. 

 

Das Problem ist schon älter. 

 

"Wie mancher Reichsbürger kauft sich heute einen Briefbeschwerer oder eine Aschenschale mit der Aufschrift: 'Wir Deutschen fürchten Gott und sonst nichts auf der Welt.' Sitzt er hinter dem Bierkrug oder deponiert er seine Zigarrenasche auf dieser patriotischen Inschrift, so ist er davon durchdrungen, daß der große Kanzler ihm diese Worte aus dem Herzen gesprochen hat. Aber morgen riskiert der furchtlose Mann nicht seiner Überzeugung gemäß zu stimmen - er könnte es vielleicht mit dem Herrn Amtsvorsteher verderben. Der moralische Mut ist fort, aber das Bedürfnis zum Selbstbetrug bleibt."

(Theodor Barth, Nation VI, 01.12.1888, S. 122)

 

Und vom gleichen Autor ein paar Jahre später:

 

"Eine rasche Anpassungsfähigkeit ist im wirtschaftlichen Konkurrenzkampf eine nicht hoch genug zu schätzende Tugend, aber in der Politik führt sie unfehlbar zur Unterwerfung."
(Theodor Barth, 1902)

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vor 26 Minuten schrieb rorro:

Das Evangelium zu befolgen ist eine zunehmende Gegenkultur. 

 

So sieht es aus. Deswegen verstehe ich ehrlich gesagt die gespielte Empörung hier nicht, aber ich muss nicht alles verstehen. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 36 Minuten schrieb rorro:

Das Evangelium zu befolgen ist eine zunehmende Gegenkultur.

Naja, unter diesem Motto wird ja jede Menge Zeug subsumiert, von dem rein gar nichts im Evangelium steht.

 

Werner

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Die Juden missverstanden "Messias" als weltlichen Herrscher und erkannten den wahren Messias deshalb nicht. Einem ähnlichen Irrtum unterliegen all diejenigen Christen, die aus der christlichen Offenbarung die Notwendigkeit weltlicher Regierungsformen oder Machtstrukturen oder politischer Programme ableiten: Sie erkennen Jesus Christus nicht. Wer aber Jesus Christus nicht erkennt, der der einzige Zugang zu Gott dem Vater ist, der befindet sich doch in einer bedauernswerten Lage.

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12 hours ago, SteRo said:

Ja, wenn - und nur wenn - wir "Teil des Regimes" definieren als mit dem Merkmal des bloßen (passiven) Nicht-Widerstandes ausgestattet und damit auch die sog. "innere Emigration" einschließen.

Normalerweise wird das nicht "innere Emigration" genannt, sondern "Mitläufer". 

 

Ich bin alt genug (aufgewachsen in den 60er und 70er Jahren), und auf der Deutschen Seite das Kind von Katholiken die im dritten Reich ihre Jugend verbracht haben, dass ich noch genau gehört habe, wie sehr der Nationalsozialismus und der Krieg Teil aller gesellschaftlichen und persönlichen Belange waren, auch der Religion. Heil Hitler wurde auch vom Pfarrer in der Messe gesagt. Natürlich gab es hunderte oder tausende Katholiken und Priester, die aktiv Widerstand geleistet haben, und das mit ihrer Freiheit oder ihrem Leben bezahlt haben. Es gab allerdings zig- oder hundertmal mehr Sozialisten, und von den Juden wollen wir mal gar nicht reden.

 

Hier ein Zitat aus Hitlers Rede im Reichstag zum Ermächtigungsgesetz:

Quote

Die nationale Regierung sieht in den beiden christlichen Konfessionen wichtigste Faktoren in der Erhaltung unseres Volkstums. Sie wird die zwischen ihnen und den Ländern abgeschlossenen Verträge respektieren. Ihre Rechte sollen nicht angetastet werden. Sie erwartet aber und hofft, dass die Arbeit an der nationalen und sittlichen Erhebung unseres Volkes, wie sie die Regierung zur Aufgabe gestellt hat, umgekehrt die gleiche Würdigung erfährt. Die nationale Regierung wird in Schule und Erziehung den christlichen Konfessionen den ihnen zukommenden Einfluss einräumen und sicherstellen. Ihre Sorge gilt dem aufrichtigen Zusammenleben zwischen Kirche und Staat.

Und kurz darauf stimmte die Zentrumspartei dem Ermächtigungsgesetz zu. Es gibt auch Hirtenbriefe der katholischen Bischöfe, die mit "Heil Hitler" unterzeichnet sind.

bearbeitet von Sucuarana
Quote repariert.
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vor 1 Stunde schrieb Sucuarana:

Ich bin alt genug (aufgewachsen in den 60er und 70er Jahren), und auf der Deutschen Seite das Kind von Katholiken die im dritten Reich ihre Jugend verbracht haben, dass ich noch genau gehört habe, wie sehr der Nationalsozialismus und der Krieg Teil aller gesellschaftlichen und persönlichen Belange waren, auch der Religion.


Aber unsere Erfahrungen sterben langsam aus, und übrig bleiben die Legenden.

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vor 2 Stunden schrieb Sucuarana:

Ich bin alt genug (aufgewachsen in den 60er und 70er Jahren), und auf der Deutschen Seite das Kind von Katholiken die im dritten Reich ihre Jugend verbracht haben

Ich bin genauso alt und hab zwei deutsche Seiten, und beide wussten von einem ziemlichen Gegensatz zwischen dem Nationalsozialismus und der Religion zu berichten.


Werner

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4 hours ago, Sucuarana said:

Natürlich gab es hunderte oder tausende Katholiken und Priester, die aktiv Widerstand geleistet haben, und das mit ihrer Freiheit oder ihrem Leben bezahlt haben. Es gab allerdings zig- oder hundertmal mehr Sozialisten, und von den Juden wollen wir mal gar nicht reden.


Das kommt ganz darauf an - SPD-Mitglieder galten von vornherein als politische Gegner, Gläubige in der Kirche eher nicht.

Über die Anzahl der inhaftierten Priester:

Quote

….Von den rund 2.700 im KZ Dachau inhaftierten Geistlichen unterschiedlicher Nationalität waren fast 95 Prozent katholischen Glaubens. Mindestens 160 deutsche Priester und 110 Laien büßten ihre Standhaftigkeit gegenüber dem Nationalsozialismus mit dem Leben. ..

 

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vor 15 Stunden schrieb Studiosus:

 

Was absolut gar nichts aussagt. Katholisch getauft und erzogen zu sein ist für die meisten Menschen keine Verpflichtung auf Lebenszeit - von Ausnahmen abgesehen - und sie haben kein Problem damit, diesen Glauben abzulegen. Sie sind im Grunde Apostaten. 

 

Als ob man eine solche Prägung ohne weiteres ablegen könnte.

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vor 13 Minuten schrieb Merkur:
vor 15 Stunden schrieb Studiosus:

Was absolut gar nichts aussagt. Katholisch getauft und erzogen zu sein ist für die meisten Menschen keine Verpflichtung auf Lebenszeit - von Ausnahmen abgesehen - und sie haben kein Problem damit, diesen Glauben abzulegen. Sie sind im Grunde Apostaten. 

 

Als ob man eine solche Prägung ohne weiteres ablegen könnte.

 

Zumindest kann man der Nazi-Führung einen gewissen Sinn für pompöse Rituale und Inszenierungen nicht absprechen.

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vor 18 Minuten schrieb Merkur:

Als ob man eine solche Prägung ohne weiteres ablegen könnte.

 

Ich weiß ja nicht, auf welche Leute Du so triffst, aber ich kenne aus meiner eigenen Generation (Jahrgang 91) Dutzende Menschen, die mit mir 10 Jahre Religionsunterricht, Erstkommunion und Firmung durchlaufen haben, und an denen zumindest ich keine Sedimente dieser ursprünglichen katholischen Erziehung mehr wahrnehme. Also fällt es augenscheinlich doch Vielen nicht schwer, sich zu lösen. Das wird damals nicht anders gewesen sein als heute. 

 

Mein Punkt war übrigens der, mich gegen den infamen Anwurf zu wehren, die Nazis seien ja mehrheitlich "katholischer Herkunft" (ist katholisch sein mittlerweile eine Ethnie oder Region) gewesen. Das stimmt zwar zu Teilen biographisch, aber einen Konnex zu ihrer späteren Tätigkeit im Apparat des Dritten Reichs sehe ich nicht. Eher das Gegenteil. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 16 Stunden schrieb Studiosus:

Was absolut gar nichts aussagt. Katholisch getauft und erzogen zu sein ist für die meisten Menschen keine Verpflichtung auf Lebenszeit - von Ausnahmen abgesehen - und sie haben kein Problem damit, diesen Glauben abzulegen. Sie sind im Grunde Apostaten.

 

vor 53 Minuten schrieb Merkur:

Als ob man eine solche Prägung ohne weiteres ablegen könnte.

 

vor 37 Minuten schrieb Studiosus:

 

Ich weiß ja nicht, auf welche Leute Du so triffst, aber ich kenne aus meiner eigenen Generation (Jahrgang 91) Dutzende Menschen, die mit mir 10 Jahre Religionsunterricht, Erstkommunion und Firmung durchlaufen haben, und an denen zumindest ich keine Sedimente dieser ursprünglichen katholischen Erziehung mehr wahrnehme. Also fällt es augenscheinlich doch Vielen nicht schwer, sich zu lösen. Das wird damals nicht anders gewesen sein als heute.

 

Das ist ein interessantes Thema und man kann erkennen wie es bereits in diesem kurzen Zwiegespräch durcheinandergeht: 1. "Glauben ablegen" - 2. "Prägung ablegen" - 3. "[von Gewohnheiten] lösen"

 

Ich würde sagen, dass "Prägung" am tiefsten geht und de facto eine zweite DNA ist, dass aber "Prägung" eben weil es am tiefsten geht nicht notwendigerweise mit Glauben oder religiösen Gewohnheiten (wie zur Messe oder Beichte gehen) zu tun haben muss.

 

Der Glaube wird doch nach Lehre mit der Taufe als Tugend eingegossen und eine Tugend muss (nach Thomas) von Willen aktiviert werden, um nicht lediglich als Potential herumzudümpeln. Wenn der Wille aber auf anderes gerichtet ist, dann wird halt nicht geglaubt. Ähnlich verhält es sich mit den Glaubens-Gewohnheiten, von denen man sich leicht lösen kann, die man sich abgewöhnen kann.

 

Die "Prägung" aber, die bleibt. Selbst wenn ein katholisch Gepräger zum bekennenden Atheisten wird, erhält sein Atheismus eine Färbung, die sich nur durch seine katholische Prägung erklären lässt.

 

 

 

 

 

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Alles sehr spekulativ. Zumal es mir hier um etwas anderes ging: Es wurde ein Zusammenhang mit der "katholischen Herkunft" der NS-Granden hergestellt, der mich geärgert hat und den ich auch argumentativ nicht nachvollziehen kann. 

 

Was soll damit gesagt werden? Warum betont man, dass manche hohe Nazis (z. B. der als Jesuitenalumne abgelehnte Joseph Göbbels) oder auch der gemeine NS-Anhänger katholischer Konfession oder "Prägung" waren? Was soll damit insinuiert werden? 

 

Fakt ist: Viele, wenn nicht nahezu alle Nazis, hoch und tief, waren vor ihrer Zeit im Nationalsozialismus katholisch oder evangelisch getauft und erzogen. Das ließ sich in einem christlichen Land kaum vermeiden. Richtig ist auch, dass viele Nazis danach zu einer anderen Art der Religiosität gewechselt sind. Ob man das nun Neuheidentum oder anders nennen will, ist irrelevant. Es gab jedenfalls den Begriff "gottgläubig", der die konfessionelle Zuschreibung evangelisch und katholisch bei Nazis zunehmend verdrängt hat. Es war gerade nicht gewünscht, sich zu einem konfessionellen Christentum zu bekennen. Eben das bringt der NS-Begriff "gottgläubig" zum Ausdruck, einen Glauben jenseits verfasster Kirchenstrukturen und Glaubensbekenntnisse. 

 

Was also soll der Hinweis darauf, dass die Mehrheit der Naziverbrecher getaufte Christen waren? Das waren sie, aus den vorher genannten Gründen. 

bearbeitet von Studiosus
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Am 25.11.2024 um 16:40 schrieb rorro:

Wenn man eine domestizierte Variante des Christentums bevorzugt, das garantiert keine Forderungen an die postchristliche Demokratie stellt, ist man mit Vertretern von EKD und ZdK (und vielen Bischöfen?) sicher gut bedient.

 

Nun, wenn es allein darum ginge, dass die Kirche sich für die Schwachen oder (gerade in Diktaturen) für die Unterdrückten einsetzt (was aber Mut erfordert), ist das aus meiner Sicht nicht zu kritisieren. Eine darüber hinausgehende Politisierung wird aber wohl oftmals weder der Gesellschaft noch ihr selbst gut tun. 

 

Was speziell die Abtreibung angeht, so stellt sich kritisch die Frage, inwieweit es angemessen ist, über ein allgemeines Plädoyer für das ungeborene Leben und konkrete Hilfsangebote hinauszugehen und beispielsweise konkrete strafrechtliche Forderungen zu stellen. Das umso mehr, wenn man berücksichtigt, dass vor allem in Ländern mit geringer Verhütung viel abgetrieben wird.

 

Fälle, in denen die Kirche sich in die Politik eingemischt hat, sind oft nicht ermutigend. Man denke etwa an den Kampf der Päpste gegen bürgerliche Freiheiten und Demokratie. (Unter Pius X. hat es offenbar schon gereicht, von einer "Christlichen Demokratie" zu sprechen, um die Aufmerksamkeit des Spionage-Netzwerkes auf sich zu ziehen.)

 

Modernere Beispiele:

 

"Während etwa der ersten zwei Jahrzehnte der ausgeprägt klerikalistischen Herrschaft Francos war die katholische Kirche eine der wirksamsten Stützen des franquistischen Staats. Im Gegenzug für die Legitimierung der Diktatur erhielt sie weitreichenden Einfluss auf dem Gebiet der spanischen Gesellschaftspolitik. Dieser nacional-catolicismo der Franco-Zeit lastet nach Manfred Tietz[54] auch nach der Demokratisierung des Landes als schwere Hypothek auf der spanischen Kirche.[55]"

https://www.nzz.ch/feuilleton/wie-fromm-war-diktator-franco-ld.1750385

 

Es betrifft zwar jetzt nicht (nur) die kath. Kirche, aber als einer der Gründe für die Säkularisierung in den USA wird gerade auch das parteipolitische Engagement von Teilen des organisierten Christentums genannt:

 

"Campbell, a professor at the University of Notre Dame in Indiana, says another reason for the drop-off in religious faith may be an “allergic reaction to the religious right” among people who were already on the religious periphery.

“I don't want to suggest that this is the only reason that people turn away from religion, but it is definitely a primary one,” said Campbell, a co-author of scientific studies on links between politics and religion in the United States.

“Increasingly, in many Americans' minds, religion equals the religious right, or equals the Republican Party, or maybe equals support for [former President] Donald Trump. And if that's what religion is, for many people, they don't want any part of religion,” he says."

https://www.voanews.com/a/why-americans-are-losing-their-religion-/7576935.html

 

Es sei auch darauf hingewiesen, dass die Glaubenskongregation vor noch 2003 verlangt hatte, dass kath. Politiker Gesetzen zur Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften keinesfalls zustimmen dürfen:

 

"10. Wenn alle Gläubigen verpflichtet sind, gegen die rechtliche Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften Einspruch zu erheben, dann sind es die katholischen Politiker in besonderer Weise, und zwar auf der Ebene der Verantwortung, die ihnen eigen ist. Wenn sie mit Gesetzesvorlagen zu Gunsten homosexueller Lebensgemeinschaften konfrontiert werden, sind folgende ethische Anweisungen zu beachten.

Wird der gesetzgebenden Versammlung zum ersten Mal ein Gesetzesentwurf zu Gunsten der rechtlichen Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften vorgelegt, hat der katholische Parlamentarier die sittliche Pflicht, klar und öffentlich seinen Widerspruch zu äußern und gegen den Gesetzesentwurf zu votieren. Die eigene Stimme einem für das Gemeinwohl der Gesellschaft so schädlichen Gesetzestext zu geben, ist eine schwerwiegend unsittliche Handlung.

Wenn ein Gesetz zu Gunsten homosexueller Lebensgemeinschaften schon in Kraft ist, muss der katholische Parlamentarier auf die ihm mögliche Art und Weise dagegen Einspruch erheben und seinen Widerstand öffentlich kundtun: Es handelt sich hier um die Pflicht, für die Wahrheit Zeugnis zu geben."

 

Inzwischen klingt das so:

 

"Franziskus hat sich als erster Papst öffentlich für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften ausgesprochen. „Homosexuelle Menschen haben das Recht darauf, in einer Familie zu sein. Sie sind Kinder Gottes“, sagte er in einem Interview für die Dokumentation „Francesco“, die am Mittwoch beim Filmfestival in Rom Premiere feierte. „Man kann niemanden deswegen aus einer Familie werfen oder das Leben vermiesen. Was wir brauchen, ist ein Gesetz zur eingetragenen Partnerschaft; dadurch sind sie rechtlich abgesichert.“"

https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/papst-franziskus-macht-sich-fuer-homosexuelle-stark-17013950.html

 

Der Zeitgeist, der Zeitgeist...

 

Man könnte das fortsetzen. Und selbst dort, wo es gut gemeint ist, ist es nicht unbedingt unproblematisch:

 

"Sich gegen Corona impfen zu lassen, sei ein Akt der Liebe, "für sich, für seine Familie und Freunde, sowie für alle Völker": Papst Franziskus beteiligt sich an einer neuen Impfkampagne – und ist dabei nicht der einzige Kirchenvertreter."

https://www.katholisch.de/artikel/30942-papst-ruft-zur-covid-19-impfung-auf-ein-akt-der-liebe

 

Es gibt sicher auch bessere Beispiele (zum Teil sogar in Spanien unter Franco) - und wie gesagt wird man gegen einen glaubwürdigen Einsatz für Menschlichkeit nicht viel haben können. In vielen Fällen sollte die Kirche die Politik - zumal die Tagespolitik oder auch wissenschaftliche Fragestellungen, bei denen ihr eine besondere eigene Kompetenz fehlt - besser meiden. Oder sie sollte sich die Sache vorab zumindest sehr gut und reiflich überlegen. Das läge wohl so sehr in ihrem eigenen Interesse wie in demjenigen der Gesellschaft, wenn sie nicht als eine wesentlich auch politische - und das heißt ja: wesentlich auch säkulare - Kraft wahrgenommen werden möchte.

bearbeitet von iskander
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Alles, was dem Evangelium entspricht, tut der Kirche gut, auch wenn sie darunter verfolgt wird, wenn sie es verkündet. Insofern mache ich mir da keine Sorgen.

 

Und Katholiken sind tatsächlich davon überzeugt, daß es auch der Gesellschaft guttäte, wenn sie ungeborene Menschen nicht tötet (und zur Info: der Kirche wäre es lieber, die faktischen Täter würden bestraft). Ist vielleicht eine überraschende Meinung, aber die hat die Christenheit schon seit 2000 Jahren - erst die letzten hundert Jahre ist da manche christliche Gruppierung von abgegangen, im weltweiten Maßstab aber eine klare Minderheit.

bearbeitet von rorro
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vor 2 Minuten schrieb rorro:

Und Katholiken sind tatsächlich davon überzeugt, daß es auch der Gesellschaft guttäte, wenn sie ungeborene Menschen nicht tötet (und zur Info: der Kirche wäre es lieber, die faktischen Täter würden bestraft). Ist vielleicht eine überraschende Meinung, aber die hat die Christenheit schon seit 2000 Jahren - erst die letzten hundert Jahre ist da manche christliche Gruppierung von abgegangen, im weltweiten Maßstab aber eine klare Minderheit.

Naja - um genau zu sein lehnt die Kirche seit 2000 Jahren die Abtreibung als Sünde ab.

 

Der Wunsch nach Bestrafung der Täter durch eine weltliche Instanz ist rund 350 Jahre oder mehr jünger. Die Idee anderen die Regeln zu diktieren, kam erst mit der Konstantinischen Wende auf.

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vor 22 Minuten schrieb rorro:

Und Katholiken sind tatsächlich davon überzeugt, daß es auch der Gesellschaft guttäte, wenn sie ungeborene Menschen nicht tötet (…). Ist vielleicht eine überraschende Meinung, aber die hat die Christenheit schon seit 2000 Jahren

… während sie in den meisten der 2000 Jahren das Töten von geborenen Menschen nicht nur für völlig in Ordnung sondern oft sogar für gottgefällig hielt, ja, ist nicht überraschend neu.

 

Werner

bearbeitet von Werner001
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vor 4 Minuten schrieb Werner001:

… während sie in den meisten der 2000 Jahren das Töten von geborenen Menschen nicht nur für völlig in Ordnung sondern oft sogar für gottgefällig hielt, ja, ist nicht überraschend neu.

Irgendeine Relevanz musste die Aufnahme der Offenbarung des Johannes in den Kanon ja schließlich geben.

 

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