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Kann man willentlich glauben?


Volker

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Hallo,

 

in einem anderen Thread hat Helmut folgendes behauptet:

 

du kannst zwar lesen und im mathematischen sinn logisch denken. um etwas zu verstehen was über die naturwissenschaften hinaus geht, und seien es bloß gefühle, muß man konditioniert sein. und du bist nicht konditioniert.

 

Für mich ist das die Frage:

 

Was gibt es Eurer Meinung nach an Voraussetzungen, um glauben (= den Katholizismus annehmen) zu können?

 

Und daran anschließend:

 

Kann man willentlich an etwas glauben?

 

EIn Beispiel. Ich kann mir vorstellen, auf meinem Tisch stünde ein Glas Wasser. ich kann daran glauben dass dort ein Glas Wasser stünde. Aber irgendwie will mir das nicht so recht gelingen. Das Glas ist immer ziemlich "blass" und wenn ich danach greife, dann komme ich mir lächerlich vor. Denn ich weiß ja genau, dass ich mir das Glas nur vorstelle und erinnere mich daran, es in Gedanken geschaffen zu haben. Aber wie sieht das beim christlichen Glauben aus?

 

Angenommen, ich würde beschließen, mich Gott und Jesus Christus zuzuwenden. Noch glaube ich nicht daran. Kann ich zu einer willentlichen Entscheidung kommen und schließlich (durch irgendeine Methode) anfangen, zu glauben, weil ich es so will?

 

Das schließt die Frage nach der Verantwortung ein. Denn angenommen, ich könnte das nicht. Dann wäre ich für meinen Unglauben nicht selbst verantwortlich, könnte mithin auch nicht dafür bestraft werden (bzw. jemand, der daran glaubt, könnte auch nicht dafür belohnt werden - sie oder er "kann nichts dafür" zu glauben). Aber angenommen, ich könnte es, tue es aber nicht, dann wäre ich für meinen Nichtglauben selbst verantwortlich.

 

Blaise Pascal war der Meinung, man könne willentlich glauben. Folgende Textstellen aus der Bibel stützen seine Meinung:

 

18  Denn es wird geoffenbart Gottes Zorn vom Himmel her über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, welche die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten,

 

oder:

 

18  sie sind verfinstert am Verstand, fremd dem Leben Gottes wegen der Unwissenheit, die in ihnen ist, wegen der Verstockung ihres Herzens;

 

Gut, Unwissenheit fällt bei mir weg (zumindest kenne ich das Evangelium, ich habe es gelesen). Es sollte wohl keine Frage sein, dass jemand, der nie vom Evangelium und nie von Gott gehört hat, nicht für seinen Unglauben zur Rechtfertigung gezogen werden kann.

 

Also, was fehlt mir zum Glauben? Wissen? Erkenntnis? Eine bestimmte Konditionierung, wie Helmut vorschlug? Oder bin ich nur verstockt (und was heißt das)? Eine Willensentscheidung?

 

Vor allem letzteres interessiert mich: Kann man willentlich glauben?

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Dir fehlen alle drei Komponenten, denke ich:

 

Das Verstehen (ist etwa anderes als das Wissen)

Das Wollen (oder?)

Das Fühlen (rührt Dich der Glaube im Herzen an?)

 

Wenn eines fehlt, wird's wohl unmöglich sein, zu glauben.

 

PS: Zu beachten ist noch der Unterschied zwischen Glauben und Theologie.

Theologie hängt natürlich nicht von den dreien ab. Aber das meintest Du ja auch nicht,

sonst hättest Du es geschrieben.

bearbeitet von jakob
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lieber volker

 

<<zumindest kenne ich das Evangelium, ich habe es gelesen>>

 

ich habe auch eufi's dilemma gelesen.

mir geht es damit wie dir mit dem evangelium.

 

wer das gleichnis vom weinberg auch nach hinweisen nur im sinn von leistung und lohn interpretieren kann, dem fehlt etwas. dem fehlt der sinn dafür daß wesentliche bereiche des lebens diesem schema nicht zuzuordnen sind.

wer das nicht kann wird schon im bereich menschlicher zuwendung diese mit leistung sich erarbeiten wollen und sie auch nur nach gegenleistung bereit sein zu geben.

dein glaswasserbeispiel ist doch exemplarisch. wer nicht glauben kann ohne leistung wertvoll zu sein, und du hast es in deinen versuchen den wert eines menschen herzuleiten, verneint, braucht keine theologische diskussion sondern erstmal diese voraussetzung.

 

gruss helmut

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lieber volker

 

<<dass man sich aus freiem Willen dazu entschließen kann>>

aus freiem willen zu glauben ist so wie aus freiem willen zu lieben. was soll das wohl werden.

wenn man innerlich frei ist kann man anfangen diesen weg zu gehen. wo er hinführt ist offen.

 

gruss helmut

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Hallo Volker,

 

mir ging es ab einem bestimmten Zeitpunkt in meinem Leben so dass ich nicht mehr "Nicht-Glauben" konnte.

 

Die Argumente gegen den Glauben hatte ich mir vorher deutlich vor Augen geführt und hatte mich gegen den Glauben entschieden der vorher auch nur ein reiner Taufschein-Glaube ohne größere religiöse Praxis war.

 

Die erneute Beschäftigung mit sowohl religiösen Texten als auch Religionskritiken und eine so wie ich sie nenne Gotteserfahrung liessen mich aber zu dem Punkt kommen dass ich eben glauben muss um zu mir selber redlich zu sein.

 

Konditioniert im klassischen Sinne bin ich wahrlich nicht. :blink:

 

Ich stehe halt schlicht und einfach auf der Seite derer, die nicht anders können als Glauben. Mein Wille spielt dabei nicht die ausschlaggebende Rolle. (Um Missverständnissen vorzubeugen - nein, ich glaube nicht gegen meinen Willen... *gg*)

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Hallo Volker,

 

 

Es kommt an, auf die Definition des Begriffs "glauben".

 

 

- Deine Definition ist offensichtlich:

 

"glauben" = nicht wissen...für wahr halten ohne Beweise zu haben.

 

 

- Meine Definition ist anders:

 

"glauben" = einer vertrauenswürdigen Person vertrauen daß sie die Wahrheit kennt und lehren will.

Und die Lehre dieser Person für wahr halten.

 

Einer Person vertrauen ist ein Willensakt.

 

 

Für Christen ist diese Person JESUS CHRISTUS.

 

Wahrheitssucher glauben ihren Lehrern weil, so gut wie alle für das Dasein des Menschen relevante Wahrheit unbeweisbar ist.

Und sie nicht bereit sind auf Wahrheit zu verzichten nur weil sie unbeweisbar ist.

 

Es geht immer um Wahrheit - und sonst nichts.

 

 

 

Gruß

josef

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Meine Umwelt und ich selbst waren schon reichlich überrascht davon, dass ich auf einmal "glaube". Ich kann nicht sagen, dass es eine Entscheidung war, die ich geplant hatte, die ich willentlich erreichen wollte.

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Hallo Volker,

 

zu Epheser 4,18: die Fähigkeit, geistliche Realität zu verstehen fehlt dem Menschen, der nicht wiedergeboren ist. Er ist weit weg von Gott, weil er mit ihm nichts zu tun haben möchte und sich weigert sein Leben Gott zu überlassen. Diese Verweigerung führt zwangsläufig dazu, Gott gegenüber gleichgültig und nicht mehr ansprechbar zu werden. Paulus bezeichnet dies als "Verstockung ihres Herzens"

 

 

Kann man willentlich glauben? - Wenn Jesus Christus Dich heute fragen würde: "Willst DU geheilt werden" - dann liegt die Entscheidung in Deinen Händen, ob Du mit einem "JA" oder einem "NEIN" antwortest. Sprichst Du ein "JA" öffnest Du dich damit automatisch dem Willen Gottes, legst Dein Leben in Gottes Hände.

 

Damit beginnt "lebendiger Glaube" weil man sich nach Gottes Willen ausrichtet und immer mehr im Gebet in diesem eintauchen möchte.

 

Es gibt Menschen, die Dir einen genauen Tag nennen können, wann sie diese Entscheidung getroffenhaben. Mir gehts da ähnlich wie Martin, irgendwann wusste ich, daß ich glaube, weil ich so stück für stück geführt worden bin und für diese Führung "offen" war.

 

 

 

Johannes 1,12: so viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht , Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben

 

gby

 

bernd

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Es gibt auf diesem Weg einige markante Brennpunkte, die unvergeßlich sind. Wenn ich es mit dem Bild einer Wanderung im Gebirge vergleichen würde, wären es markante Aussichtspunkte oder Gipfel. Aber die längsten Wegstrecken werden eher unauffällig zurückgelegt.

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Volker_Biallass

Hallo Volker :blink:

 

Kann man willentlich an etwas glauben?

 

EIn Beispiel. Ich kann mir vorstellen, auf meinem Tisch stünde ein Glas Wasser. ich kann daran glauben dass dort ein Glas Wasser stünde. Aber irgendwie will mir das nicht so recht gelingen. Das Glas ist immer ziemlich "blass" und wenn ich danach greife, dann komme ich mir lächerlich vor. Denn ich weiß ja genau, dass ich mir das Glas nur vorstelle und erinnere mich daran, es in Gedanken geschaffen zu haben. Aber wie sieht das beim christlichen Glauben aus?

 

Man kann so sehr und so wenig willentlich glauben, wie man willentlich lieben kann.

 

Ein Beispiel: Ich kann mir etwas dabei denken, dass ich einen Menschen lieben würde, ich kann mir denken, dass ein Mensch vor mir wäre, der meiner Liebe wert ist und sie erwidern würde, aber ich kann's mir nicht so recht vorstellen. Der Mensch bleibt blaß und diese Liebe - was das auch sei - nebulös. Und wenn ich dann einen Menschen konkret vor mir habe, dann weiss ich nicht, wie ich ihn prüfen soll, ob er meiner Liebe wert ist, und ich weiss auch nicht, wie ich ihm Liebe entgegenbringen kann, außer halt durch eigentlich dummes Zeug, poetisch-komisches Gerede und abgeschnittene Blumen und so'n Kram.

 

So wenig, wie ein rationales Verhalten Liebe genannt werden kann, so wenig kann ein rationales Verhalten Glauben genannt werden. Das sind Ressorts, in denen man zwar vernünftig bleiben sollte, aber nicht kalkulierend, nicht nach Beweisen, sondern nach Erweisen suchen sollte.

 

So wie du Liebe nicht konstruieren kannst, sondern den Willen nur dahingehend bändigen musst, dass du sie an/in dir geschehen lässt, so ist exakt auch mit dem Glauben.

 

Was gibt es Eurer Meinung nach an Voraussetzungen, um glauben (= den Katholizismus annehmen) zu können?

 

1. Eine Offenheit dafür, dass mehr mit dir passieren kann, als der Verstand erfassen und bewerkstelligen kann.

 

2. Die Suche nach etwas, das deinen Rahmen erweitert, dein Vermögen übersteigt.

 

3. Die Affinität zur Ästhetik. Gut, wahr und schön sollten als Dreierpack erstrebenswert werden.

 

4. Die Fähigkeit zur Freude.

 

5. Die Fähigkeit, etwas loslassen zu können, was man für wichtig hielt, wenn man bedeutsameres verspürt.

 

6. Die Fähigkeit, das aufnehmen zu können, was man findet.

 

7. Die Bereitschaft, sich treiben/führen zu lassen.

 

8. Die Fertigkeit, Neuland zu besiedeln, Gemeinschaft zu erfahren.

 

 

Glauben ist eine Expedition/Pilgerschaft und beginnt immer mit einem Aufbruch, wird - und bleibt dann! - eine Wanderschaft.

 

Das verändert den Blickwinkel radikal, denn es gibt nichts feststehendes mehr abgesehen von den Horizonten. Damit erwirbt man sich den Blick für das Wesentliche, versteigt sich nicht mehr sinnlos in Detaillverstrickungen, stapelt sich kein Weltbild mehr aus vielen kleinen Bauklötzchen auf, sondern lernt in größeren Zügen zu erkennen und darin die Detaills zu verstehen. [Also gerade keine Flucht vor der NW, sondern ganz im Ggt ihre Wertschätzung als eine Form der Kunst, was es dann weit einfacher macht, Dissonanzen in ihr zu entlarven, die mit reinem Lupenblick kaum zu orten sind.]

 

Glauben ist partout nix für den, der statischen Halt sucht, sich niederlassen will, sondern gibt dem Aufbruch eine dynamische Gewißheit, die sich vor keiner Infragestellung mehr scheuen braucht, auch um die Ecke gucken lässt, hinter der man Monster erwartet.

 

Da ich per Glauben ein Reisender bin, kann ich auch Nietzsche bereisen und seinen Antichrist durchwandern, und dabei feststellen, dass er da enormes leistet und ebenso enormen Bockmist verzapft, so wie ich als Reisender auch von einer von außen betrachten greuslichen Stadt beim Durchschreiten weit ambivalentere Eindrücke und Erfahrungen gewinnen kann.

Glaubensbewegung bringt den Mut mit, auf seinem Weg auch mal Abstecher zu machen, ohne zu befürchten, dass man da dann vereinnahmt würde, etwas einbüßen könnte.

 

Glaube ist also keinesfalls Erstarrung des Intellekts, sondern seine Flexibilisierung und Dynamisierung. Und darum ist er für den Ungläubigen auch vollkommen uneinsichtig, weil er absolut nicht in die erstarrende Schlacke eines sich fixierenden Weltbilds passt :blink:

 

bcnu Volker

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Es gibt auf diesem Weg einige markante Brennpunkte, die unvergeßlich sind. Wenn ich es mit dem Bild einer Wanderung im Gebirge vergleichen würde, wären es markante Aussichtspunkte oder Gipfel. Aber die längsten Wegstrecken werden eher unauffällig zurückgelegt.

Hallo Volker

Wenn Martin schon das Bild einer Bergtour verwendet, möchte ich mich diesem hier gerne anschliessen. Da es bei deiner Frage jedoch eher um den Beginn einer Bergwanderung geht, möchte ich dieses Bild hier auch in diesem Sinne verwenden. Ich entscheide mich, auf diese Bergwanderung zu gehen, willentlich. Und bete zu Gott, dass er mir die Kraft und die Ausdauer und die Zwischenverpflegungen gibt, sozusagen. Und mir den Weg weist, natürlich. Denn ich habe mich dazu entschlossen (willentlich), Jesus Christus zu vertrauen. (Und ebenso seinen unzähligen heiligen Nachfolgern.)

Gut; ich habe mich also entschieden, dass ich diese Wanderung machen möchte. Und jetzt? – Jetzt gibts nur noch eins: losmarschieren. Und dies heisst so viel wie beten. Beten, beten, beten. Und zwar um den Glauben beten. Immer wieder.

 

Ja, das ist jetzt nicht eine theologische Argumentation. Aber was nützt einem all die Theorie, wenn man nicht weiss, wie man diese in die Praxis umsetzt?

 

lieben Gruss

Ziska

 

(Grosser Vater, bitte mache aus unserem dünnen Glaubensfaden einen dicken, unzerreissbaren Glaubensstrang.)

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Vielen Dank für die Antworten (es war eine besonders brauchbare von Volker B. dabei! Großes Lob!).

 

@Josef: Keineswegs würde ich übrigens glauben gleichsetzen mit "nicht wissen...für wahr halten ohne Beweise zu haben". Das ist zwar die richtige Definition für Alltagsglauben, aber nicht für den religiösen Glauben, um den es mir hier geht, und für den Deine Definition angemessener ist. Wenn ich das richtig sehe, bist Du aber der Einzige, der Glauben für einen Willensakt hält.

 

Ich denke nach den Beschreibungen zu urteilen ist Glauben eher ein Ergriffensein als ein Ergreifen.

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Mit dem Ergriffensein kann ich wenig anfangen - zwar weiss ich, was damit gemeint ist, aber dieses Ergriffensein hat als Vorraussetzung den eigenen Willen, *ergriffen zu werden*. Ohne es zu wollen hat jedenfalls noch kein Mensch an Gott geglaubt, es sei denn vielleicht ein hochgradig Schizophrener :blink:

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Hallo Volker,

 

wenn man einen anderen Menschen lieben will, dann ist diese Liebe nicht "produzierbar". Ich kann nicht sagen: "So! Jetzt will ich mich in die Frau XY verlieben!" Das funktioniert nicht. Und doch ist das Lieben auch eine "Tätigkeit" und ohne das eigene Mittun funktioniert es nicht. Oder meistens nicht.

 

Und gleichzeitig hat Liebe viel mit "Erkenntnis" zu tun. Liebe ist nicht nur ein "Gefühl", sondern gleichzeitig ein Getroffenwerden von bestimmten Situationen, in denen diese Liebe des anderen sichtbar wird. So wie die Liebe in der Eifersucht manchmal sichtbar werden kann, so ist die Liebe nicht unmittelbar "sichtbar", sondern vermittelst anderen Dingen sichtbar.

 

Wie war es mit Maria? Sie hat "Ja" gesagt. Und gleichzeitig ist sie mit der inneren Kraft des Glaubens aus dem Himmel erfüllt worden. Beides gehört da hinein, und ich weiß nicht, was zuerst ist.

 

Obwohl für mich der Glaube zugleich ein Geschenk und freiheitliches Tun ist, so ist mein eigenes Wollen nicht frei produzierbar. Deshalb ist auch das Wollen - religiös gesehen - Gnade. Unterm Strich bleibt also die Gnade in allem.

 

Das schreck mich dennoch nicht ab, Gott auch in der Vernunft zu suchen und meinen Verstehenshorizont in bezug auf den Glauben hinzudeuten. Ich habe für mich die Erfahrung gemacht, daß auch die Welt der Gedanken dem Glauben hinderlich sein kann. Damit meine ich folgendes: Besonders ist die "Oberflächlichkeit" dem Glauben ein Feind, nicht die Vernunft an sich.

 

Grüße, Carlos

bearbeitet von platon
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Lieber Volker,

 

meine Position ist diese:

 

Man kann nicht willentlich glauben, aber man muß wollen, zu glauben.

 

Zu glauben hat viele Aspekte, für den Moment will ich es mal auf zwei reduzieren: den des „Für-wahr-haltens“ und den des „Vertrauens“. Bei beiden spielt das „wollen“ eine Rolle, aber in beiden Fällen nicht die einzige.

 

Zu glauben bedeutet auch, „etwas“ zu glauben. Es bedeutet - ausdrücklich oder „einschließend“ - die Zustimmung zu bestimmten Thesen oder Aussagen, also die Überzeugung, daß diese wahr seien.

 

Nun kann man nicht wirksam etwas „wahr wollen“. Wenn es wahr ist, ist es unabhängig davon wahr, ob man sich das wünscht. Es ist auch unabhängig davon wahr, ob man dem zustimmen will. Alles andere wäre nur der Versuch des Selbstbetruges: ich halte es nicht für wahr, aber ich rede mir ein, daß es wahr sei - weil ich möchte, daß es so sei oder er zumindest glauben möchte. Diese Haltung ist in mindestens zweifacher Hinsicht gefährlich.

 

Zum einen führt das zu einer nicht-authentischen Haltung. Ich verdränge meine Zweifel, um meinem Wunsch, zu glauben, nachzukommen. Das rächt sich aber über kurz oder lang: entweder dadurch, daß meine Zweifel später - und dann mit umso mehr Macht - durchbrechen, oder durch eine Neurose: der Glauben wird immer verkrampft bleiben, weil ich ihn nur unter Druck (dem Zurückdrängen meiner Zweifel) aufrechterhalten kann.

 

Zum anderen ist ein solcher Glauben nicht verantwortbar. Kein Glauben ist alternativlos. Die Entscheidung dafür, etwas zu glauben, beinhaltet die Entscheidung, etwas anderes, das damit inhaltlich nicht vereinbar ist, nicht zu glauben. Wenn es für mich nicht entscheidend wäre, was ich glaube, wäre die Entscheidung irrelevant und ich könnte sie auch unterlassen. Wenn es aber entscheidend ist, muß mir daran gelegen sein, daß diese Entscheidung die richtige ist. Ich muß somit vor mir meine Entscheidung begründen können.

 

Dennoch spielt das Wollen auch dabei eine Rolle. Die Gründe dafür, etwas zu glauben, liegen in einer Interpretation von erlebten und übermittelten Fakten. Nun kann ich durch mein Wollen schon bestimmte Fakten ausschließen - etwa indem ich sie willentlich ignoriere oder die „Zeugen“, die sie übermitteln, unter den Verdacht der Verfälschung stelle. Gewichtiger tritt das Problem aber im eigentlichen Interpretationsakt auf: dabei sind stets verschiedene „Lesarten“ möglich, die nur nach so schwer wägbaren Kriterien wie „Plausibilität“ o.ä. zu unterscheiden sind. Hierbei kann der Wunsch, etwas möge wahr sein, die Bereitschaft, etwas als „plausibel“ zu akzeptieren, massiv und nur schwer erkennbar beeinflussen.

 

Zu glauben bedeutet darüber hinaus, jemandem zu vertrauen. Auch hier spielen andere Aspekte als die des Wollens eine Rolle. Die Fähigkeit zu vertrauen kann - etwa durch traumatische Erlebnisse - beeinträchtigt sein. Auch können bestimmte Kenntnisse und Erfahrungen Verdachtsmomente begründen, die objektiv dagegen sprechen, Vertrauen zu üben. Hier steht das Wollen aber deutlich im Vordergrund. Vertrauen besteht gerade darin, dem anderen eine Chance zu geben. Es bedeutet, die eigenen Vorbehalte zurückzustellen, auch wenn man meint, daß Risiken bestehen. Zu vertrauen ist immer ein „...und trotzdem...“.

 

Insofern ist es vor allem ein Willensakt, zu vertrauen - und in diesem Sinne auch zu glauben. Denn im Vertrauen setzt man sich willentlich darüber hinweg, Vorsicht zu üben, Reserven zu haben, nicht schon zu wissen, wo man herauskommt, wenn man losgeht.

 

Also: ja, man muß wollen, zu glauben. Das ist nicht alles, aber es ist unverzichtbar. Und es ist das, was den Glauben zu einer lebbaren und erlebbaren Realität macht. Denn was ich hier beschrieben habe, betrifft nur die Frage, wie man mit dem Glauben beginnen kann - wenn man gewissermaßen den großen Zeh mal eben ins (Weih-)Wasser getaucht hat. Im Glauben zu leben und den Glauben zu erleben, bedeutet aber, sich davon ganz erfassen zu lassen. Das allerdings ist etwas, das man mit sich geschehen lassen muß. Das muß man wirklich wollen.

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Vielen Dank für die Antworten!

 

Wenn ich es nochmal für mich zusammenfasse - vor allem Svens Antwort, die sehr gut ist, einfach weil sie meiner eigenen Denkweise entgegenkommt - dann muss ich mein letztes Fazit revidieren:

 

Glauben kann man weder durch Ergreifen noch durch Ergriffensein, es ist auch kein "reiner" Willensakt - der Wille, zu glauben, reicht deswegen nicht aus, weil man die Überzeugung, es wäre wahr, sich nicht "einfach so" einreden kann. Abgesehen davon - siehe meine Signatur - werden Dinge auch nicht dadurch wahr, indem ich an sie glaube.

 

Es handelt sich mehr (auweia, jetzt kriege ich Ärger mit Stefan!) um eine Art hermeneutischer Zirkel. Ich muss mich willentlich auf den Glauben einlassen, d. h. eine grundlegende Bereitschaft haben, auf die Richtigkeit zu vertrauen. Das bedeutet nicht, zu wollen, es wäre wahr - weil mein Willen kein Einfluss auf den Wahrheitsgehalt hat und dies auch eher Wunschdenken wäre - sondern darauf zu vertrauen, dass es wahr sein könnte.

 

Wenn ich also voreingenommen bin - sagen wir mal, ich bin der festen Überzeugung, das sei ohnehin alles "Betrug" oder "Selbstbetrug" - dann wird das nicht klappen, weil das Vertrauen als Voraussetzung fehlt. Ich kann zwar nicht willentlich glauben, ich kann aber willentlich verhindern zu glauben (wobei das wohl auch nicht in allen Fällen klappt).

 

Nach einer gewissen Zeit der "Eingewöhnung" und der Beschäftigung mit dem Glauben wächst das Vertrauen, dass es nicht nur wahr sein könnte, sondern mehr als das - und daher steigt auch meine Motivation, die Inhalte anzunehmen, d. h. mein Wille, es anzunehmen, wächst ein kleines Stück. Dies fördert wieder meine Beschäftigung mit dem Glauben, ich vertraue wieder ein Stück mehr usw. usf. Am Ende mündet dieser Prozess in einen sich dynamisch entwickelnden Glauben - im Prinzip ist das Wachstum von Vertrauen - Willen - Glauben etc. nie "abgeschlossen" und auch nie sicher vor Rückschlägen. Denn als Menschen können wir uns auch nie sicher sein, nicht doch irgendwo zu irren.

 

Man könnte den Glauben interpretieren als eine neue Perspektive der Welt, eine neue Art, die Dinge zu sehen.

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Hallo Volker,

ich finde du hast es sehr gut zusammengefasst.

 

Mir persönlich gefällt das Wort "Glauben" nicht so gut, da es für mich den touch hat, einfach blind an etwas festzuhalten. In meinen Augen geht es mehr um Erkenntnis, um Einblicke in tiefere Wirklichkeiten (letzlich meiner selbst), die mir aber erst allmählich zugänglich sind als Folge meines Einlassens und meiner Bereitschaft, alle Werte und Vorstellungen, die mir bisher lieb und teuer sind erst einmal grundsätzlich loszulassen, das heißt in Frage zu stellen.

 

Für mich ist es eine Reise zu mir selbst, da sich alles, was ich meine da draußen wahrzunehmen eigentlich in mir selbst abspielt. Diese Reise hat allerdings genaugenommen keine Entfernung: ich bin ja schon ich selbst brauche mich also nicht zu bewegen. Allerdings muß ich die Illusionen ablegen, die deshalb den Blick auf die Wahrheit versperren, dass ich sie für die Wirklichkeit halte.

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Volker_Biallass

Hallo Volker :lol:

Glauben kann man weder durch Ergreifen noch durch Ergriffensein, es ist auch kein "reiner" Willensakt - der Wille, zu glauben, reicht deswegen nicht aus, weil man die Überzeugung, es wäre wahr, sich nicht "einfach so" einreden kann. Abgesehen davon - siehe meine Signatur - werden Dinge auch nicht dadurch wahr, indem ich an sie glaube.

 

Hier möchte ich den Wahrheitsbegriff nochmal aufrollen, um es vielleicht noch etwas einsichtiger zu machen.

 

Wahrheit sei nicht die Übereinstimmung eines Satzes mit einer Tatsache, sondern der Anhalt, mit dem ich mir einen Tatverhalt erklären, ihn mir eröffenen kann.

 

Das bohrsche Atom(modell!) ist wahr, weil es einen Anhalt gibt, der mir den Tatverhalt erklären kann, es ist aber nicht wahr, indem es die Tatasche zutreffend wiedergibt (denn wir wissen, dass Atome weitaus komplexer gestrickt sind).

 

Ich würde Wahrheit (korrespondierende) so definieren, dass sie die jeweils höchste Stufe der Einsicht angibt, damit also den Standpunkt anweist, der zu beziehen ist, um nun wieder eine Stufe voran kommen zu können.

 

Das bohrsche Atommodell ist nicht wahr, aber man muss es glauben und diese Position einnehmen, damit auch die nächsthöhere Stufe der Wahrheit überhaupt erst verfügbar und dann auch glaubwürdig wird, man muss es sich also als wahr glauben, um weiter kommen zu können.

 

Hier leidet Physik ebenso wie Glaube daran, dass es eine konkrete Vorstellung absoluter Wahrheit gibt, wo sie nicht ihren Werdegang nachvollziehbar machen, nicht die Treppe bietet, der man hinaufsteigen muss, sondern wahre Sätzen über unzählige Stufen hinweg nach unten purzeln lässt, wo sie dann völlig falsch aufschlagen.

 

Der 'Urknall' zB ist keine Erklärung für die Entstehung des Universums, sondern die letzte Stufe der uns verfügbaren Wahrheit, zugleich die erste Stufe der Zeit. Er hat per Definition keinen Urheber und keine Ursache, ist ein Punkt, der zur Hälfte im Dunkeln liegt, nicht minder als eine Schöpfungsversion ist er ein Paradoxon, ist nicht die Erfüllung/Vollendung, sondern das Ende der Wahrheit, der Horizont der Tatsächlichkeit.

Der Physik dient der Erkenntnishorizont des Urknalls (bzw der Epoche in seinem Anschluss, denn der selbst ist nur limes) als ein Spiegel, in dem man sich selbst besser erkennen und auch bislang übersehenes in der Nachbarschaft wahr-nehmen kann. Dunkle Materie und Energie wird geglaubt, und das sogar mathematisch, um so die finden zu können, die man vorher nicht gesucht hatte .. wozu denn auch? Um das als sinnvoll und wahrhaftig ansehen zu können, muss man entweder blind glauben, oder aber Stufe um Stufe dem physikalischen Weltmodell verfallen, um so den Anschluss zwischen diesem scheinbar rein hypothetischen und der paganenen Alltagswelt herzustellen.

 

Die Physik bietet ein Weltbild, das sich nicht mehr mit unserer Erfahrung deckt, sondern in ganz andere Sphären vorgedrungen ist, das keine Anschaulichkeit mehr postulieren kann, sondern nur eine Erfahrbarkeit, die jedoch eine Hingabe abverlangt, die wir in einer Lebensspanne gar nicht mehr erringen können, wenn wir nicht im simplen 'Glauben', dass es so sei, einige Stufen überspringen können.

 

Dass es prinzipiell mit unserer Glaubensbereitschaft eher schlecht bestellt ist, zeigt sich für mich am deutlichsten in der verbreiteten Antipathie gegen die Mathematik, der Konstruktionswissenschaft von Glaubensräumen. Anstatt sich fon der die Anschauungsfähigkeit erweitern zu lassen, steigt die überwältigende Mehrheit dort aus und kehrt ihr den Rücken zu, wo sie nicht mehr billig anschaulich ist, sondern weitergehend abstrahiert. Dass Mathematik nicht zum Rechnen gedacht ist, sondern um Räume zu entwerfen, ist wohl eines der stabilsten Geheimisse :wub:

 

Ich halte den Korrespondenzwahrheitsbegriff für unverzichtbar und untauglich, was dem Umgang mit ihm höchte Akkuratesse abverlangt. Wenn du also signierst:

 

Es ist Unsinn, sich in Fragen der Wahrheit darauf zu berufen, dass man etwas glauben müsse - denn etwas wird nicht dadurch wahr, dass man daran glaubt.

 

dann solltest du bedenken, dass du damit sehr sehr vielen aus dem Herzen sprichst, die die Mathematik jenseits der einfachsten Algebra für nichts anderes als ein eitles Hirngespinst halten, darin nicht ein Instrument zur Wahrheitsfindung sehen, sondern ihre Welt davon gänzlich freisprechen, zutiefst überzeugt sind, dass es sie nicht betrifft, was da abgeht :unsure:

 

Es handelt sich mehr (auweia, jetzt kriege ich Ärger mit Stefan!) um eine Art hermeneutischer Zirkel. Ich muss mich willentlich auf den Glauben einlassen, d. h. eine grundlegende Bereitschaft haben, auf die Richtigkeit zu vertrauen. Das bedeutet nicht, zu wollen, es wäre wahr - weil mein Willen kein Einfluss auf den Wahrheitsgehalt hat und dies auch eher Wunschdenken wäre - sondern darauf zu vertrauen, dass es wahr sein könnte.

 

Neugeborenen Kinder wollen nicht die absolute Wahrheit, sondern Geborgenheit :blink:

 

Sie suchen Anhaltspunkte, zu denen sie sich hinziehen können, an denen sie sich aufrichten können, auf die sie sich stellen können, um dann den nächsten Anhaltspunkt zu suchen.

 

Hermeneutische Zirkel sind spiralig, also nicht geschlossen (sonst entpuppen sie sich selbst als Tautologie).

 

Dein Dilemma löst sich bereits auf, wenn du willentlich nicht als entscheidend, sondern als entschieden (=konsequent) übersetzt, dabei den Standortwechsel berücksichtigst.

 

Wenn ich es mit einem mathematischen Raum zu tun habe, dann überlege ich mir nicht, ob ich den jetzt in seiner Definition für wahr halten sollte, sondern ich lasse mich auf den ein und überprüfe, ob der funktioniert. Die halbe Physik besteht aus mathematischen Räumen, die der reinen Anschauung nach nicht fuktionieren dürften, das aber aus sturem Eigensinn dann dennoch überaus zuverlässig tun, soweit man sich in intern gesetzten Schranken hält.

 

Mit einem physikalisch-mathematischen Unverstand, der sich nicht scheut, bedenkenlos durch Null zu teilen oder an Unstetigkeiten geradeaus weiter zu marschieren, kannst du jede Glühbirne zum Kaltbleiben verdammen, und sogar anhand von einer einzigen leuchtenden Glühbirne dann die ganze Physik als eine einzige Lügerei widerlegen.

 

Mit ein bißchen physikalischem Grundverstand ist es sogar einsichtig, dass in einer Welt, die wir bislang am intensivsten in Feldern definieren können, nix ohne Nebeneffekt geht, wir nicht effizient ein kaltes Leuchten produzieren können, sondern bei der Lichterzeugung Wärmeerzeugung möglichst zu reduzieren und stets einen Restabfall abzuleiten haben.

 

Wenn nun die Glaubenslehre dadurch widerlegt werden soll, dass intern gesetzte Unmöglichkeiten (Verdammnis/Division durch Null) zur fundamentalen Möglichkeit umstrukturiert werden, Unstetigkeiten (Mensch/Gott) linear überbrückt werden, Unendlichkeiten (5min vor dem Urknall/ wenn ich Gott wäre) skaliert werden, und Nebeneffekte ausgeschlossen (kalte Strahlung, Heil ohne Leid) werden ... dann zeigt das nicht die Widersprüchlichkeit des Glaubens, sondern einen systematischen Unverstand auf, der die mathematisch geordneten Räume weit leichter und tiefgreifender befällt!

 

Wenn ich also voreingenommen bin - sagen wir mal, ich bin der festen Überzeugung, das sei ohnehin alles "Betrug" oder "Selbstbetrug" - dann wird das nicht klappen, weil das Vertrauen als Voraussetzung fehlt. Ich kann zwar nicht willentlich glauben, ich kann aber willentlich verhindern zu glauben (wobei das wohl auch nicht in allen Fällen klappt).

 

Davon können dir die Mathe- und Physiklehrer wohl ein Lied singen :P Die bejammern es nämlich, dass sie nicht wie die Relilehrer mit klarem Widerspruch leben können, sondern einem weit subtileren Widerstreben ausgeliefert sind, das sich nicht überwinden lässt.

 

Der beste Mathelehrer den ich je hatte, der es sogar verstand, einen ganzen Kurs auf Vordermann zu bringen, der trat wirklich als ein Priester der Mathematik auf, zelebrierte Bewewisführung und erbat/erzwang sich Ehrfurcht vor der Mathematik, vor jedem Jota in einem Beweis. Die Festlegung der Prämissen kommentierte er stets mit "Glaubst du das wirklich? Bekennst du dich dazu? Bezeugst du das? Für ein einziges überflüssiges Zeichen sollst du in der Hölle schmoren!" Für eine korrekte Beweisführung mit einem Überhang in den Prämissen gab's eine 5, für eine korrekte Problemstellung aber wenigstens eine 3, auch wenn der Rest dann in die Hose ging.

 

Bei dem konnte man wirklich denken lernen, weil es nicht darum ging, den Raum vor dem im Voraus feststehenden qed hübsch aufzufüllen und zu verzieren, sonder sich erst einmal mit fundamentaler Entschiedenheit an der Startlinie einzufinden und allen unnützen Ballast abzuwerfen.

 

Nach einer gewissen Zeit der "Eingewöhnung" und der Beschäftigung mit dem Glauben wächst das Vertrauen, dass es nicht nur wahr sein könnte, sondern mehr als das - und daher steigt auch meine Motivation, die Inhalte anzunehmen, d. h. mein Wille, es anzunehmen, wächst ein kleines Stück. Dies fördert wieder meine Beschäftigung mit dem Glauben, ich vertraue wieder ein Stück mehr usw. usf. Am Ende mündet dieser Prozess in einen sich dynamisch entwickelnden Glauben - im Prinzip ist das Wachstum von Vertrauen - Willen - Glauben etc. nie "abgeschlossen" und auch nie sicher vor Rückschlägen. Denn als Menschen können wir uns auch nie sicher sein, nicht doch irgendwo zu irren.

 

In der Mathematik funktioniert das nicht, produziert nur ihren ärgsten Feind, die halb-Bildung als übelste miß-Bildung. Ebenso verhält es sich im Glauben :blink:

 

Man kann im Glauben wie in der Mathematik zwar reinschnuppern und sich eine gewiße Fingerfertigkeit aneignen, aber es gehört zum wirklichen Einstieg bei beiden dazu, dass man allen Ballast dann über Bord wirft, um sich ihnen ganz und widerspruchslos zu verschreiben.

 

So wie man in der Mathematik seine Sinnwelt hinter sich lassen muss, so muss man im Glauben seine Sünde hinter sich lassen. Mischt man die dort unter, anstatt die nur an klar definierten Übergansstellen zu vernetzen, dann produziert man nur Murks, je übleren Murks, je fingerfertiger man sich verhält.

 

Man könnte den Glauben interpretieren als eine neue Perspektive der Welt, eine neue Art, die Dinge zu sehen.

 

Ja, aber diese Formulierung könnte schon wieder zu falschen Schlüssen verleiten, denn wir sehen im Grunde nicht, sondern schauen nur an.

 

Ich würde also sagen, dass der Glaube (wie auch die Mathematik und Physik) Räume konstruieren, in denen wir uns mit entschiedenster Konsequenz auf die Dinge einlassen.

 

Der Glaube (und die Geisteswissenschaften überhaupt) sind nur darob so außergewöhnlich anstößig, weil sie die Räume aufwerfen, in denen wir uns vor allem auf uns selbst einlassen :P

 

Wenn der Mathelehrer predigt, dass einen die Analysis sehr wohl betreffe, dann geht das soweit an der Selbstauffassung vorbei, dass man ihn getrost plappern lässt, es schadet ja nichts.

 

Aber so ein simples stilles Holzkreuz an der Wand kann dann schon die Selbstauffassung so zentral betreffen, dass man sich dem lauthals entgegensetzt.

 

Das Kruzifixurteil wird lang und breit ausgewälzt, weil man sich davor vor einem gefährlichen Angriff in die Selbstauffassung verteidigt sieht. Ungefähr zur gleichen Zeit zog aber ein Schüler vor Gericht, der sich von Chemieunterricht befreien lassen wollte, weil er so ehrlich war, es laut zu entgegegnen, dass der ihm quasi am A*sch vorbei geht, ihm nicht untergeschoben werden darf. Davon spricht heute keiner mehr, weil sich sehr viele den NW-Unterricht am A*sch vorbeigehen lassen, ihn möglichst billig hinter sich bringen.

 

Den Anspruch, dass sich das Subjekt auf etwas einzulassen hat, dies in entschieden-konsequenter Form zu leisten habe, um Entscheidungskompetenz zu erwerben, den nimmt nicht nur keiner mehr ernst, der wird auch kaum noch erhoben, wo der Unterricht nur noch an einem reinen Wissenserwerb orientiert ist, der dann auch in der NW oft nur noch heruntergebetetes aber-Glauben ist.

 

bcnu Volker

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Lieber Volker,

 

eines möchte ich noch ergänzen - bzw. ausbauen, denn im Prinzip ist es schon in dem, was ich zuletzt geschrieben hatte und was Du durchaus richtig wiedergegeben hast, enthalten:

 

Zum Glauben gehört auch ein Stück Mißtrauen. Man kann das - wenn einem dieser emphatische Sprachstil liegt - mit den Worten eines Teilnehmers hier sagen: "Hasse Deine Seele!"

 

Du hast ja den Prozeß des "Sich-hineinfindens" in den Glauben beschrieben. Zum Teil wird dieser Prozeß auch durch äußere Umstände begleitet - etwa wenn der Freundes- und Bekanntenkreis sich erweitert oder verschiebt: man lernt Leute aus der Kirchgemeinde kennen, bekommt auch sonst immer mehr Kontakt zu "gläubigen Kreisen", etc.: das wirkt natürlich auf einer unterbewußten Ebene auch bestätigend.

 

Die Freude darüber, eine neue - jetzt als stimmig und verläßlich empfundene - Weltsicht gefunden zu haben, bestärkt ebenfalls darin, diesen Weg weiterzugehen. Diese Freude setzt einen Belohnungsmechanismus in Gang: ich war verunsichert, jetzt fühle ich mich sicherer, dieses Gefühl ist angenehm - also bemühe ich mich, dieses Gefühl immer wieder zu erleben. Es gibt daher stets eine Tendenz, die "Belohnung" immer wieder auf neue zu erleben. Das ist kein willentlicher Vorgang, denn er verläuft im wesentlichen unterbewußt. Aber auch er trägt - wie das aktive glaubenwollen - die Gefahr in sich, daß man korrumpiert wird.

 

Ist dieses Gefühl sehr intensiv, was also etwa die vorherige Verunsicherung sehr stark oder wurde das Erlebnis, nun glauben zu können, als besonders positiv empfunden, kann das eine massive Angst hervorrufen, dieses positive Gefühl wieder zu verlieren oder die Verunsicherung wieder durchmachen zu müssen. Auch das führt über kurz oder lang zu Verkrampfungen: Vor lauter Angst werden Argumente, die als bedrohlich empfunden werden, ignoriert oder wider besseres Wissen geleugnet; deren Vertreter als Aggressoren empfunden.

 

Das ist schon aus dem bereits genannten Grund fatal, daß Glauben und Verkrampfung sich nicht vertragen. Aber es ruft noch eine weiteren Gefahr auf den Plan: viele Argumente, die zunächst den Glauben in Frage zu stellen scheinen, tun das in Wahrheit gar nicht (ich jedenfalls kann sagen, daß das mit bislang noch immer so ergangen ist). Sie sind entweder falsch - was sich ja erweisen läßt - oder treffen eben nicht den Glauben selbst, sondern den "Glaubenswildwuchs".

 

Der Glauben betrifft Gegenstände, die uns und unserer Vorstellung fundamental fremd sind. "Unbedingte Liebe", "Ewigkeit" - davon können wir uns kein Bild machen, denn das alles ist unserem alltäglichen Erleben völlig fremd. Wir erleben stets nur Bedingtes, Relatives, Zeitliches - und daheraus nehmen wir unsere Vorstellungen: Gott ist ein sehr lieber, sehr alter, aber sehr einflußreicher Mann, Wunder sind Zaubertricks, das Paradies ist ein Club Méditerranée in gemäßigt warmem Klima mit exzellentem Unterhaltungsprogramm. Bei diesen Beispielen wird jeder grinsen - daß es so nicht gemeint ist, hat sich wohl herumgesprochen. Aber unsere Vorstellungen schleichen sich auch auf viel subtilere Weise in den Glauben ein, so daß auch der kritischste und aufgeklärteste Gläubige davor nicht sicher ist. Sind etwa unsere Gerechtigkeitsvorstellungen nicht doch gelegentlich von Überlegungen beeinflußt, die "hier" selbstverständlich und notwendig sind, die aber unter anderen Umständen ihre Bedeutung verlieren?

 

Kritische Argumente und andere Verunsicherungen können dazu beitragen, den Glauben von solchen "Anhaftungen" zu befreien. Diese Chance aber wirft derjenige weg, der sich der Kritik und der Unsicherheit von vornherein verschließt. Dabei ist es gar nicht der Glauben, der dabei verunsichert oer kritisiert wird, sondern unsere Vorurteile, unsere Illusionen und unser Selbstbetrug.

 

Allerdings bedarf es dazu auch der Bereitschaft, sich wirklich verunsichern zu lassen, sich auf die Kritik einzulassen. Ist man dazu nicht bereit, wird man unbewußt auch liebgewonnene Vorurteile und Vorstellungen "beschützen".

 

Die Sorge, daß dadurch der Glaube selbst erschüttert werden könnte, braucht man sich dabei nicht zu machen: entweder er ist wahr, dann kann jeder Kritik ihn nur klarer zum Vorschein bringen - oder er ist nicht wahr, dann könnte man ja nur froh sein, ihn loszuwerden.

 

Eine einzige Einschränkung allerdings sollte man machen: Wenn man sich einer solchen Auseinandersetzung nicht gewachsen fühlt, sei es, weil der Gesprächspartner unfair oder demagogisch ist oder einen "über den Tisch zu ziehen versucht", sei es, weil man selbst im Moment nicht auf der Höhe der eigenen Kraft ist, dann sollte man das lassen. Von einem solchen Gesprächspartner wird man wenig oder nichts lernen können, und natürlich kann man auch durch unzutreffende Kritik erschüttert werden, wenn man die Denkfehler, die in der ritik liegen, nicht bemerkt.

_______________________

 

Eines übrigens zum Abschluß:

 

Alles, was ich in diesem und imj letzten Posting gesagt habe, gilt entsprechend auch für den Nichtglauben:

 

Wie beim glauben kann man nur aus Überzeugung "nicht glauben".

Wie beim glauben muß man auch beim nichtglauben vertrauen.

Wie beim glauben kann man nicht bloß "wollen, nicht zu glauben".

Wie beim glauben führt der Versuch, nicht zu glauben, obwohl man glaubt, zu Verkrampfung und Aggression.

 

Ganz egal, ob man glaubt oder nicht glaubt: Die Entscheidung muß gefällt werden: überzeugt, willentlich und vertrauensvoll.

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Volker_Biallass

Hallo :unsure:

 

Als Fußnote noch hintendran ...

 

Die Frage, ob man willentlich glauben kann, bedingt auch die Frage, ob man willentlich Wahrheit erlangen/aussagen kann.

 

Es wird ja so gerne der Urknall gegen die Schöpfung ausgespielt, weil der eine wahr ist, die andere damit nicht wahr sein kann.

 

Dabei wird IMHO übersehen, welche unvermutete Leistung in der Schöpfungserzählung steckt, misst man sie am damaligen Weltbild ab:

 

[...]Aristoteles hat auch gar keine Hemmungen, neben dem "ersten un-

bewegten Bewegenden" noch weitere "unbewegte Beweger" anzuneh-

men, nämlich die Gestirnsgötter. Man sah sie schließlich am Himmel

und sie waren Götter – Gottwesen mit sichtbarer Körperlichkeit. Und

für Platon gab es nicht nur die höchste Idee des Guten und (mit ihr

identisch oder nicht identisch, darüber streiten die Fachleute) den De-

miurgen, sondern daneben eine ewige Materie. Sie existierte schon im-

mer. Der Demiurg fand sie bereits vor'.

So sehr die großen griechischen Philosophen mit den Möglichkeiten

ihrer Wissenschaft das jüdisch-christliche Denken über Gott bereicher-

ren, in einem entscheidenden Punkt erreichten sie nie das Besondere

des jüdischen Gottesglaubens: Sie konnten den Begriff wirklicher

Schoppng nicht denken. Gerade dieser Begriff spielt aber in Weish 13

eine entscheidende Rolle. Er war den Griechen verwehrt, weil sie we-

der von der numinosen Göttlichkeit der Welt loskamen, noch den Be-

griff eines absolut jenseirigen, der Welt und der Geschichte gegenüber-

stehenden Gottes konsequent zu denken vermochten. Platon nennt in

dem feierlich formulierten Schlußsatz seines "Timaios" das Weltall

selbst einen Gott, ganz groß und gut, schön und vollkommen. <S16>

Selbst der Neuplatonismus, der im 3. Jahrhundert nach Christus die

Philosophie Platons neu aufgriff und weiterdachte, ist nie zu einem

echten Schöpfungsbegriff gelangt. Für den Neuplatonismus gipfelt die

Welt in einem letzten Prinzip, der nicht mehr ableitbaren Idee des

Einen und Guten, aus der sie in unendlich vielfältigen Spiegelungen

und Kaskaden hervorströmt. Plotin nennt dieses Hervorgehen "Ema-

nation".

Was von der griechischen Philosophie gesagt werden muß, gilt erst

recht von den Schöpfungsmythen und Schöpfungshymnen des Ori-

ents. Dort begegnen zwar vielerlei Schöpfungsaussagen. Wahrschein-

lich ist sogar die Formel "Schöpfer des Himmels und der Erde" (Gen

14,19) der kanaanäischen Mythologie entlehnt. Aber die schaffenden

Götter sind dort selbst wieder Teile einer umfassenderen Wirklichkeit.

Sie entstammen dem Urchaos und dessen göttlichen Kräften. Sie rebel-

lieren gegen ihren eigenen Urgrund, setzen sich im Chaoskampf durch

und formen die Welt aus der Gestaltlosigkeit, aber sie stehen der Welt

nicht als der ungeschaffene Schöpfer gegenüber. Götterwerdung

(Theogonie) und Weltwerdung (Kosmogonie) durchdringen sich.

Letztlich sind auch die orientalischen Götter "Welt", und die Welt ist

Selbstentfaltung des Göttlichen.   

Woher hatte Israel die Kraft, gegen das Denken der besten Philoso-

phen und gegen die Frömmigkeit seiner Nachbarvölker zwischen Welt

und Gott zu unterscheiden? Woher hatte es die Fähigkeit, den Begriff

wirklicher Schöpfung zu bilden? Wieso konnte es bekennen:"alle Göt-

ter der Heiden sind nichtig, der Herr aber hat den Himmel gemacht"

(Ps 96,5)? Woher hatte die jüdische Legende die Möglichkeit, die Mut-

ter der hingemordeten makkabäischen Brüder zu ihrem letzten Sohn

sprechen zu lassen: "Ich bitte dich, mein Kind, blicke auf den Himmel

und die Erde; betrachte alles, was es gibt, so wirst du erkennen, daß

Gott es nicht aus schon Bestehendem gemacht hat" (2 Makk 7, 28)?

                [...]<S17>

 

Hinter der Schöpfungserzählung steckt ein massiver 'kritischer Rationalismus', der Denkhorizonte als Erklärungssphären übersteigen und durchbrechen kann, hier eine Trennline zum Unerklärlichen zieht, wie sie die Naturwissenschaft dann erst über 2 Jahrtausende später mit dem Urknall zu ziehen vermochte.

 

bcnu Volker

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Lieber Volker B.,

 

deine Ausführungen waren interessant. Dein "religiöser Mathelehrer" scheint aber Spuren hinterlassen zu haben.

 

Physikalische Modelle sind keine Wahrheiten, man muss da nichts glauben. Sie sind mehr oder minder zutreffende Beschreibungen von Aspekten der Wirklichkeit, deren Abstraktheit sich einer genauen Beschreibung entzieht. Jedes Modell verfügt also über seine Grenzen, jenseits deren es nichts mehr taugt, egal, ob du ihm glaubst und vertraust oder nicht.

 

Zu einem aber sind weder physikalische noch mathematische Modelle geeignet: zu einem Vergleich mit religiösem Glauben. An Dinge, die es wahrscheinlich nicht gibt.

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Volker_Biallass

Hallo Ute :unsure:

Physikalische Modelle sind keine Wahrheiten, man muss da nichts glauben.

 

Interessant. Ich lese kaum einen Forschungsbericht, in dem kein Glaube vorne als Prämisse angenagelt ist, sich evtl weitere dann spekulativ hypothetisch einschieben.

 

Sie sind mehr oder minder zutreffende Beschreibungen von Aspekten der Wirklichkeit, deren Abstraktheit sich einer genauen Beschreibung entzieht.

 

Also seit einigen Jahrzehnten beschreibt die Physik keine Aspekte der Wirklichkeit, sondern schafft Wirklichkeit.

 

Ist ein Laser, ist ein Bose-Einstein-Kondensat dem Bereich des Wirklichen entnommen, oder wird das von der Physik aus dem Bereich des Möglichen ver-wirklicht?

 

Beschreibt die QFM Wirklichkeit, oder ermöglicht sie eine neue Wirklichkeit?

 

Sind die Naturgesetze neuerdings wirklicher als die Wirklichkeit? Das wäre ein recht ungewöhnlicher Materialismus.

 

Jedes Modell verfügt also über seine Grenzen, jenseits deren es nichts mehr taugt, egal, ob du ihm glaubst und vertraust oder nicht.

 

Sei wann verfügt ein Modell über Grenzen? Das ist so sinntief wie: ein lebendes Wesen verfügt über Leben. Ein Modell ohne Grenzen ist kein Modell, sondern Phantasmorgie.

 

Zu einem aber sind weder physikalische noch mathematische Modelle geeignet: zu einem Vergleich mit religiösem Glauben. An Dinge, die es wahrscheinlich nicht gibt.

 

Gibt es virtuelle Teilchen? Gibt es Zeit? Betrachte ich das Licht als Teilchen, gibt es dann die Welle, betrachte ich es als Welle, gibt es dann noch Teilchen? Hat Einstein jemals anderes als im Glauben oder aber Unglauben an Lamda gedacht?

 

bcnu Volker

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Hm, allmählich teile ich die Kritik von Helmut (Ketzer) an dem Wort "Glauben". Wenn man es benutzt dann ist das insofern verwirrend, weil es unterschiedliche Bedeutungen haben kann, die sich manchmal aus dem Kontext nicht erschließen.

 

Ich versuche, dies dadurch zu umgehen, dass ich das Wort "Alltagsglauben" und das Wort "Glauben" verwende. Aus meinem Glossar:

 

Glaube: Subjektive Gewissheit von Erkanntem, die entweder ohne Begründung auskommt oder auf der Annahme einer Letztbegründung basiert. Umgangssprachlich schwingt in dem Begriff "Glauben" die Bedeutung, von vermuten, nicht-genau-wissen, meinen, für-wahr-haltens mit, ferner ein Vertrauen in Personen oder Informationen. In der Religion wird die Gewissheit und das Vertrauen in (meist in göttliche, übernatürliche) Wesen aber mit einem höheren Anspruch verbunden als in der Alltagssprache.

 

Das ist sicher keine optimale Definition, weil der Teil "... ohne Begründung ..." nicht korrekt ist, im Gegenteil. Ohne Begründung wäre eher "blinder Glauben". Mit "Alltagsglauben" meine ich die umgangssprachliche Definition, es ist eher synonym zu "vermuten". Das aber hat mit der Bedeutung des Wortes "Glauben" im religiösen Kontext ärgerlicherweise nur noch die gleiche Schreibweise gemein. Im Englischen ist das übrigens auch nicht viel besser, dort bedeutet "Faith" soviel wie "Glauben, Vertrauen", zwei Begriffe, die umgangssprachlich auch oft anders verwendet werden.

 

In der Wissenschaft wird "glauben" eher im Sinne von "hypothetisch für wahr halten" benutzt und hat wieder eine etwas andere Bedeutung als in der Umgangssprache, kommt dem "Alltagsglauben" allerdings viel näher als der religiöse Glauben (den ich auch manchmal als m-Glauben bezeichne, m wie metaphysisch, was ich inzwischen auch nicht mehr glücklich finde).

 

Wenn ein Physiker sagt: "Ich glaube an den Urknall" dann meint er damit, dass der Urknall die wahrscheinlichste Hypothese für die Entstehung des Universums ist, die vermutlich wahrer ist als andere, konkurrierende Hypothesen. Und wenns chon "Wissen" nicht 100%ig ist, so ist es "Glauben" erst recht nicht.

 

Wenn ein Gläubiger sagt: "Ich glaube an Gott" dann meint er damit ganz sicher nicht, dass Gott die wahrscheinlichste Hypothese ist, die vermutlich wahrer ist als andere, konkurrierende Hypothesen.

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Volker_Biallass

Hallo Volker :unsure:

Wenn ein Gläubiger sagt: "Ich glaube an Gott" dann meint er damit ganz sicher nicht, dass Gott die wahrscheinlichste Hypothese ist, die vermutlich wahrer ist als andere, konkurrierende Hypothesen.

 

Nimm den Zug des Bekenntnisses mit rein.

 

Wenn ein Physiker sagt, dass er an den Urknall glaubt, dann bekennt er sich dazu, legt ein Zeugnis dafür ab (anstatt eine vollständige Beweiskette vorzulegen), stellt dies als glaubwürdig dar.

 

Wenn ein Glaubender sagt ... dann ebenso.

 

'Glaube' ist eine Vernunftzuschreibung, für die man mit seiner Vernunft und Redlichkeit bürgt.

 

Glaube ist überall nötig, wo wir aufeinander angewiesen sind, uns die Etappen der Erkenntnis aufteilen.

 

Jeder Wissenschaftler schenkt seinem Taschenrechner Vertrauen, indem er von ihm plausible Ergebnisse entgegen nimmt, ohne die nachzurechnen.

 

Jeder Glaubende schenkt der Tradition Vertrauen, indem er von ihr plausible Ergebnisse entgegen nimmt, die nachzuvollziehen sucht.

 

bcnu Volker

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Ich schließe mich Volker (der mal wieder schneller war........ *seufz*) an: das Wort "glauben", wie es Physiker gebrauchen, hat mit dem Wort "glauben", wie religiös Gläubige es gebrauchen, nicht viel zu tun.

 

Du verwechselst das, Volker B.

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