Ralf Geschrieben 8. Juni 2003 Melden Geschrieben 8. Juni 2003 Hallo. Angestoßen durch die heutige Predigt in meiner Pfarre möchte ich mal wieder das Thema Mission aktivieren. Ich weiß nicht, ob ich da daneben liege, aber viele Menschen, denen ihr Glaube durchaus wichtig ist, die ihn leben und die ihn vielleicht auch (insgeheim?) gerne weiteregeben würden, haben anscheinend eine große Scheu, sich mit theologischen Fragen zu beschäftigen. In der frühen Kirche wurde um solche Fragen auf den Straßen und Märkten debattiert, nicht zuletzt das ein Zeichen von großer Katholizität. Besteht eine Chance, die Theologie wieder in die Gemeinden zu bringen? Seht Ihr eine Möglichkeit, dass potentielle "Missionare" daran Spaß finden? Hier bei kath.de werden wahrscheinlich mehr theolog. Fragen angesprochen pro Monat als in den allermeisten Gemeinden in 20 Jahren. Fehlt uns eine theolog. Streitkultur aus Angst, dann am Ende "nicht mehr dabei zu sein"? Fragen über Fragen...
sstemmildt Geschrieben 8. Juni 2003 Melden Geschrieben 8. Juni 2003 (bearbeitet) Ich seh ein Problem im "Auseinanderlaufen" der Milieus. Ein großer Teil der Leute in den Gemeinden weiß einfach nicht mehr, was sie eigentlich glauben: nicht nur, daß sie sich nicht damit auskennen, was "die Kirche" glaubt; sie sind sich dessen, was sie selbst glauben, oft überhaupt nicht bewußt. Nach dem Motto: "Woher soll ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was ich sage". Den Leuten fehlen die Begriffe, um auszudrücken, was sie glauben - und können so nicht einmal selbst fruchtbar darüber nachdenken, geschweige denn, daß sie sich mit anderen darüber auseinandersetzen können. Umgekehrt gibt es einen Teil von Leuten, die mit großer Entschiedenheit auftreten (womit ich nichts über die Stringenz dessen sagen will, was die so von sich geben). Blöderweise sind die meist gleich auch in einander heftig bekriegende "Fraktionen" aufgeteilt. Jede wirft der anderen vor, Blödsinn zu verkünden - gelegentlich aber ohne vorher nachgefragt zu haben, was das eigentlich bedeutet, was die anderen so sagen. Dummerweise gibt es dann auch noch die "Hochwissenschaftlichen". Die diskutieren zwar viel und gerne, und sind auch jederzeit bereit, mit jedem anderen völlig offen zu sprechen, sind aber dabei so abstrakt und setzen so viel voraus, daß viele mit denen kaum noch sprechen können. Nach dem motto: "Ja, das ist ein interessanter Ansatz, aber das muß man doch auch mal ganz anders und viel differenzierter betrachten..." (Ja, ja, ich weiß, mea culpa...) Das Ergebnis ist: Miteinander reden wird schwierig. Die erste Gruppe fühlt sich zwischen zwei und drei zerrieben und taucht ab. Die zweite prügelt sich erstmal zwischen den "Fraktionen" bis die Kräfte völlig aufgebraucht sind, empfindet die erste als Laumeier und die dritte als Schwätzer und verliert sich (wiederum getrennt nach "Fraktionen") im Gefühl, die wahre Elite darzustellen (entweder die des Fortschritts oder die der Glaubenstreue). Und die dritte redet sich den Mund in Fransen oder schreibt sich die Finger blutig, erntet aber als Reaktion von den bei den anderen Gruppen nur ein ratloses "Wie bitte...?", und im schlimmsten Fall zieht sie sich in einen Elfenbeinturm zurück. So viel zu meiner Diagnose. Was die Therapie betrifft, da bin ich selber reichlich ratlos. bearbeitet 8. Juni 2003 von sstemmildt
Monika Geschrieben 9. Juni 2003 Melden Geschrieben 9. Juni 2003 Lieber Sven Ich habe mir jetzt extra dein Posting rausgedruckt,beziehungsweise,den Thread. Du hast viel von dem angesprochen,was mich beschäftigt,und über das ich auch schon oft nachgedacht habe.Vor allem,seit ich in diesem Forum bin.Da fällt mir die Diskrepanz besonders auf. Schade nur,dass es dafür anscheinend keine zufriedenstellende Lösung gibt.
Ralf Geschrieben 9. Juni 2003 Autor Melden Geschrieben 9. Juni 2003 Und nun? Das war's? Kapitulation als Folge? Mir ging es nicht um eine Bestandsaufnahme, die dürfte vielen hier bekannt sein. Mir geht es eher darum, was man machen kann, um besonders die anzusprechen, die gerne ChristIn sind, die aber aus welchen Gründen auch immer sich das Rüstzeug bisher nicht zugetraut haben, anderen bei Bedarf auch stimmig Antwort auf Fragen geben zu können.
Ralf Geschrieben 9. Juni 2003 Autor Melden Geschrieben 9. Juni 2003 (bearbeitet) Wer übrigens nicht gerne katholisch ist, und solche Miesmacher gibt es ja viele (erstaunlicherweise auch aktiv in Gemeinden), der wäre nicht angesprochen. bearbeitet 9. Juni 2003 von Ralf
Monika Geschrieben 9. Juni 2003 Melden Geschrieben 9. Juni 2003 Wer übrigens nicht gerne katholisch ist, und solche Miesmacher gibt es ja viele (erstaunlicherweise auch aktiv in Gemeinden), die wären nicht angesprochen. Das verstehe ich nun wieder nicht
Ralf Geschrieben 9. Juni 2003 Autor Melden Geschrieben 9. Juni 2003 Tjaja, wenn ich schon fertige Rezepte hätte, stünde meine Anfrage nicht hier. Ich denke die Problematik der Dialogverweigerung hat hauptsächlich mit der so starken Privatisierung des Glaubens zu tn, dass er das Allerintimste ist, was einem bleibt. Eher gemeinsam Sex haben als gemeinsam beten. Gebete sind dann doch zu intim... Aber das ist nicht das Thema hier. Wie kann man die Scheu vor Theologie und Co. nehmen? Vielleicht sollte man einige Fallstellen vermeiden, wie bspw. gleich die historisch-kritische Methode vorstellen, in der irrigen Vorstellung, die Leute endlich mal aufklären zu müssen. Das Problem mit der Vermittlung von Theologie ist, dass das immer als Frontalunterricht läuft: Es sollte aber nicht ums Beibringen gehen (mit all den Problemen, die dabei auftreten können - kirchenferne Meinungen der Dozenten, mangelndes Aushalten von Differenzen etc.), sondern um das Handwerk des Selber-entdeckens. Ein Gegenüberstellen von Positionen wäre hilfreich.
Ralf Geschrieben 9. Juni 2003 Autor Melden Geschrieben 9. Juni 2003 Wer übrigens nicht gerne katholisch ist, und solche Miesmacher gibt es ja viele (erstaunlicherweise auch aktiv in Gemeinden), die wären nicht angesprochen. Das verstehe ich nun wieder nicht Der Kölner Generalvikar erzählte mal von einem Gemeindebsuch, bei dem er fragte, ob die Leute denn gerne katholisch wären. Daraufhin erhielt er mehrheitlich die Antwort, dass er froh sein könne, dass überhaupt noch jemand die ehrenamtliche Arbeit mache. Wie er denn überhaupt auf die Idee käme, dass jemand mit Freude katholisch wäre etc. Das meinte ich.
sstemmildt Geschrieben 9. Juni 2003 Melden Geschrieben 9. Juni 2003 (bearbeitet) Lieber Ralf, was ich kann, das tue ich. Ich rede mir eben den Mund fransig, und versuche auch immer mal wieder, mich verständlicher auszudrücken, etc. Wie weit das trägt, siehst Du ja selbst, wenn Du meine Postings liest. Ich könnte mir vorstellen, daß es viel bringen würde, wenn mal ein bißchen vertiefte Katechese stattfinden würde. Was die Bibelarbeit betrifft, gibt es das ja - Bibelkreise noch und nöcher. Nur ist das eben bloß ein Aspekt. Kein Theologe würde sagen, daß mit Exegese allein der Glauben zu wuppen wäre. Nur habe ich, wenn ich so etwas in meinen Gemeinden angesprochen habe, bisher nicht das geringste Echo bekommen. Ich hätte ja kein Problem damit, wenn es nur zwei oder drei "Mitstreiter" wären, mit denen man einen Kristallisationspunkt für weitere Arbeit aufbaut. Aber bisher war das eher problematisch. Allerdings kann das auch durchaus daran liegen, daß ich bisher ein recht "unstetes" Leben geführt habe, also nie länger als 2 Jahre zur gleichen Gemeinde gehört habe. Vielleicht sind mir die Leude deshalb nie über den Weg gelaufen. bearbeitet 9. Juni 2003 von sstemmildt
Cicero Geschrieben 10. Juni 2003 Melden Geschrieben 10. Juni 2003 (bearbeitet) Hallo Ralf! Fehlt uns eine theolog. Streitkultur aus Angst, dann am Ende "nicht mehr dabei zu sein"? Ich glaube ja. Wir ersticken in Gremienarbeit (*aufdiebrustklopf*) und wundern uns, daß die Freude am Glauben, am katholisch sein nachläßt. Was heißt es denn, sich in einer Gemeinde zu engagieren? Planen und Organisieren von Festen und Veranstaltungen steht oft genug auf Platz 1! Termine - Termine - Termine Mehr geben als nehmen - vor allem in spiritueller Hinsicht! Ein persönliches Glaubenszeugnis zu geben, stört da eher. (Manchmal sogar den Pfarrer ) Wie sollen wir zu einer theologischen Diskussionskultur kommen? ... nie länger als 2 Jahre zur gleichen Gemeinde gehört habe. Vielleicht sind mir die Leude deshalb nie über den Weg gelaufen. Genau das ist es. Mir geht es nicht viel anders, ich habe in den letzten (fast) zwanzig Jahren ein Wanderleben geführt, Pfarrgemeinden sind aber sehr "zähe" Gebilde. Jetzt wohne ich seit ca. 4 Jahren in der selben Gemeinde (und das wird auch hoffentlich noch lange so bleiben) und stelle fest, daß jetzt erst so langsam die Kontakte wachsen. Es ist natürlich auch eine Frage des Vertrauens, sich jemandem anzuvertrauen: "Ich möchte mehr als nur Sonntagskatholik sein!" Da wächst bei uns langsam etwas und ich glaube, daß es gut ist, was da wächst. Es gehört zu einer theologischen Streitkultur, wie auch zu einem missionarischen Bewußtsein, auch immer eine gesunde Spiritualität. Ohne eine solche wird ein Glaubenszeugnis unglaubwürdig. Und auch dazu braucht es Vertrauen und das braucht s.o. Zeit. Vor allem nichts übers Knie brechen! Man kann sehr leicht zu einem Schwarmgeist werden, der die Bodenhaftung verliert. Wenn ich also wirklich missionarisch sein will und es nicht allein sein will, dann brauche ich vor allem einen langen Atem. Keine Angst davor, daß da ein paar Jahre vergehen, Kirche denkt in Jahrhunderten. Langsam verstehe ich auch warum. Immer suchen, die Augen und Ohren offen halten, den Menschen in meiner Umgebung zuhören und auch mal Fragen stellen. Gruß Cicero bearbeitet 10. Juni 2003 von Cicero
ziska Geschrieben 11. Juni 2003 Melden Geschrieben 11. Juni 2003 Und nun? Wie wärs mit einer guten Katholischen Zeitung? Wie sieht diesbezüglich denn die Presselandschaft in Deutschland aus? Bei uns in der Schweiz herrscht ausgetrocknete Wüste. – Hier wäre doch mal was zu machen, meine ich. In der Zeitung meiner Vorstellung müssten, neben Informationen, vor allem theologische Gespräche und dazu ein grosser Packen Leserbriefe den Schwerpunkt bilden. Gruss Ziska (Vielleicht liest das ja jemand Fähiger und Interessierter und würde dieses Projekt mit mir in Angriff nehmen.)
Martin Geschrieben 11. Juni 2003 Melden Geschrieben 11. Juni 2003 Vor alledem müßte erst einmal das Interesse am eigenen Glauben da sein. Man muß suchen wollen, um zu finden. Dieses Forum hat mir sehr beim Suchen geholfen. Aber auch eine Reihe von Büchern und regelmäßig erscheinenden Zeitschriften. Erst wenn eine gewissen Grundlage da ist, kann man sich sinnvoll mit anderen auseinandersetzen. Dabei ist es nicht nur das Interesse an theologischen Fragen, sondern vor allen Dingen des Gebetes und der gemeinsamen Feier der Eucharistie. Man kann die Frage also auch anders stellen und die gleichen Leute müßten mit JA antworten: Wer geht am Sonntag gerne zur Kirche. So richtig gerne. Mit Freunde. Herzliche Grüße Martin
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