Gast Corinna Geschrieben 16. Juli 2003 Melden Share Geschrieben 16. Juli 2003 DER SPIEGEL 27/2003 - 30. Juni 2003 URL: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,255858,00.html Hilfsorganisationen Josef und Maria auf Spendentour Ein Pfarrer und seine Ex-Haushälterin sammeln Millionen für Straßenkinder in Bolivien - und investieren in Bäckerei, Hotel und Klinik in La Paz. Am liebsten lässt er sich als "Engel von La Paz" feiern: Wenn Pfarrer Josef Neuenhofer, 65, mal wieder zu Hause im Schwarzwald auf Spendentour unterwegs ist, erzählt er den Zuhörern von seinem Kampf gegen das Elend der Straßenkinder in der bolivianischen Metropole. Dann zeigt er Dias von sich, umringt von seinen Schützlingen, die ihn "Padre José" rufen. Und schon füllt sich der Klingelbeutel. Erst Anfang Mai hat Ministerpräsident Erwin Teufel dem Kirchenmann die Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg verliehen. Schon zu seinem 60. Geburtstag hatte der Politiker seine Gäste gebeten, an Stelle von Geschenken lieber Neuenhofer großzügig mit Spenden zu bedenken. Von allen Seiten kommt die Hilfe zu der vom Pfarrer geleiteten Stiftung Arco Iris ("Regenbogen") in Bolivien. Nicht nur aus Deutschland, auch Spanier und Amerikaner unterstützen ihn. Den Spendenfluss koordiniert seine ehemalige Haushälterin Rosa Maria Lorch, Schatzmeisterin des Vereins zur Förderung der Straßenkinder in Bolivien e. V. im schwäbischen Rottweil. Sie wirkt daheim und er - freigestellt von seinem Bischof - in La Paz. Immer wenn Josef Geld braucht, schickt es ihm Maria. So läuft es seit Jahren - bis der Förderverein kürzlich überraschend den Schlusspunkt setzte. Der Vorstand hat sämtliche Zahlungen nach La Paz eingestellt. Begründung: Man habe erheblichen Klärungsbedarf, ob das gesamte Geld tatsächlich den Straßenkindern zugute komme. "Ohne klare Zahlen mussten wir die Reißleine ziehen", sagt der Vereinsvorsitzende Gustav Kammerer enttäuscht. Rund drei Millionen Euro sind seit der Vereinsgründung 1997 geflossen. Der Schwarzwälder Verein ist einer von 20 000 Spendensammelvereinen in Deutschland, die alljährlich 2,2 Milliarden Euro erhalten, aber mehr oder weniger transparent damit umgehen. Nur 168 der 2100 überregional Sammelnden haben das Spendensiegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) in Berlin. Die Zweifel in Rottweil kamen auf, weil Pfarrer Josef mit den Spendengeldern in La Paz ein für bolivianische Verhältnisse enormes Imperium aufgebaut hat, das für die Spender in Deutschland immer undurchschaubarer geworden ist: Ein Friseursalon gehört dazu, ebenso eine Tischlerei, eine Wäscherei, eine Gärtnerei. Außerdem betreibt Neuenhofer eine Bäckerei mit Filialen, in denen Brezel und Schwarzbrot verkauft werden. Er unterhält zudem noch ein Wohnheim für Mädchen und ein Tagungshotel, das mit edlen Möbeln eingerichtet ist; das Zimmer kostet sechs Dollar die Nacht. Als Krönung seiner Arbeit betrachtet Neuenhofer jedoch eine Klinik, die er im September 2001 eröffnet hat und die als eine der modernsten im Land gilt. Dort verfügen die Ärzte sogar über einen Tomografen, eines der wenigen Geräte in ganz Bolivien. Finanziert wurde das millionenteure Krankenhaus von der EU, vom Kindermissionswerk - und mit Spendengeld aus Rottweil. Inzwischen beobachten Mitglieder des Fördervereins argwöhnisch das vielfältige Engagement des Pfarrers. Das gilt vor allem für das Krankenhaus: Nur wenige Patienten waren bisher Straßenkinder. Für die Betreuung obdachloser Jungen und Mädchen ist die Klinik überdimensioniert. "Im Grunde hätte für die Straßenkinder eine Krankenstation mit mobilen Ambulanzen ausgereicht", räumt sogar Neuenhofers Berater ein, der Rechtsanwalt Reinhard Esser. Stattdessen werden die Betten von Patienten belegt, die durchaus zahlungskräftig sind - und das ist auch so gewollt: Das Krankenhaus soll, so verrät eine Selbstdarstellung, "auch finanziell gut betuchten Bolivianern und Ausländern gegen Bares zur Verfügung stehen". Allein aus diesen Einnahmen, das belegen interne Zahlen, kann sich die Klinik tragen. Deshalb lehnte es Neuenhofers Heimat-Diözese Rottenburg-Stuttgart ab, die Schwarzwaldklinik in La Paz zu sponsern. Auch das Finanzamt in Rottweil ist offenbar misstrauisch. Die Beamten verlangen, dass mehr als die Hälfte der Patienten Straßenkinder sind - sonst würde der gemeinnützige Verein nicht mehr von der Steuer befreit. Ohnehin ist fraglich, ob es in La Paz überhaupt so viele Straßenkinder gibt, wie der Pfarrer gegenüber potenziellen Spendern gern behauptet. Neuenhofer spricht von "30 000 Straßenkindern hier in La Paz". Andere Hilfsprojekte vor Ort schätzen die Zahl obdachloser Straßenkinder auf wenige hundert. Auch sonst scheint der Pater zu übertreiben. Das Krankenhaus habe allein im Juli 2002 rund 2000 kostenlose Augenoperationen vorgenommen, behauptet Arco Iris. Der ehemalige Klinikdirektor Marcial Cardenas dagegen kann sich beim besten Willen nicht an eine solch hohe Zahl erinnern: "Von März bis Dezember fanden gerade mal 200 statt", sagt er, "das weiß ich genau." Neuenhofer kann die Zweifel an seinem Finanzgebaren nicht verstehen. "Alles, was ich tue, dient doch den Kindern", sagt er. In der Bäckerei, dem Wohnheim oder dem Friseursalon fänden sie Arbeit, und wenn diese Einrichtungen Gewinn machten, dann käme das Geld voll und ganz seinen Zöglingen zugute. Er allein aber ist verfügungsberechtigt über das Konto bei der Citibank in La Paz, auf das seine ehemalige Haushälterin die Spendengelder transferiert. Nicht mal engste Mitarbeiter werden einbezogen: "Ich hatte selbst als Direktor keinerlei Einblick in die Finanzen", berichtet Cardenas. In Neuenhofers Diözese weiß man, "dass er ein großes Talent hat, Herzen und Geldbeutel zu öffnen", wie ein Mitarbeiter süffisant sagt. Wurde der Gottesmann aber zu genauen Abrechnungen gedrängt, reagierte er unwirsch und deutete dies als Zeichen von Misstrauen. Auch dem Rottweiler Spendenverein blieb Neuenhofer eine exakte Rechnungslegung bisher schuldig. Wo die Millionen genau blieben, schilderte er nebulös in knappen Briefen. So bestätigt er für das Jahr 2001 "mit einem frohen Gruß aus Bolivien" den Eingang von 793 800 US-Dollar. Immerhin gab er preis: "Von Euren Geldzuweisungen haben wir wie immer unsere laufenden Unkosten und Ausgaben bestritten." Rosa Maria lässt sich ebenfalls ungern genauer in die Karten blicken, auch von Vereinsmitgliedern. Deren Nachfragen bescheidet sie lapidar: "Der Josef braucht halt immer Geld." ALEXANDER KÜHN, PETER WENSIERSKI Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
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