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Naturrecht


Max

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Leute, lasst doch mal die ungeborenen außen vor - dieses Thema ist hier noch nie sachlich diskutiert worden.

 

Oder soll der ganze Thread gleich in die Arena???

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Das Grundgesetz gilt nur für den Staat. Ein Fötus wird im Rechtssinne erst mit dem Beginn der Geburt zum Menschen.

(Ja, Lucia hat Recht, Diskussion um Ungeborene heizen Extremisten auf allen Seiten immer an. Daher hoffe ich, dass der folgende Beitrag Information hinzufuegt, ohne irgendjemandem auf die Fuesse zu treten. Wenn die Moderatoren wollen, koennen sie diesen Beitrag ja einfach loeschen).

 

Man muss das alles viel differenzierter sehen.

 

Nein, es stimmt nicht: Der wichtige Zeitpunkt ist die Vollendung der Geburt, nicht der Beginn der Geburt.

 

Ja, das stimmt: Es ist sogar Paragraph 1 des BGB: "Die Rechtsfaehigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt." Das bedeutet zum Beispiel, dass ein Foetus keine Vertraege abschliessen kann, und nicht an einem Zivilprozess als Klaeger oder Beklagter teilnehmen kann.

 

Nein, es stimmt nicht: Sogar im BGB gibt es Ausnahmen zu diesem Paragraphen. Zum Beispiel kann ein Foetus beerbt werden (wenn der Erblasser stirbt, nachdem der Foetus gezeugt ist, aber bevor der Erbe geboren ist). Wenn ich mich richtig erinnere, wird die ungeborene Person als zum Zeitpunkt des Erbfalls geboren angesehen (d.h. wenn der Erblasser stirbt), aber nur soweit es diesen Erbfall angeht. Wenn jemand ein BGB rumliegen hat: Das muesste ein Paragraph irgendwo in der Naehe von 1900 sein. Das zeigt, dass das BGB nicht mal konsistent ist.

 

Nein, es stimmt nicht: Sogar im Deutschen Zivilrecht gibt es Musterurteile, bei denen ein Foetus erfolgreich Rechte erklagt hat. Das Paradebeispiel (aus der allerersten Vorlesung im Zivilrecht) ist ein koerperlicher Schaden, den der Foetus durch die rechtswidrige Handlung eines Anderen erlitten hat (das Beispiel ist glaube ich ein Verkehrsunfall, bei dem Mutter und Foetus verletzt wurden, mit bleibendem Schaden fuer den Foetus). In diesem Fall ist erfolgreich auf Schadensersatz nach Paragraph 823 BGB geklagt worden (wobei natuerlich die Klage und Rechtkraeftigkeit des Urteils erst lange nachdem der Foetus zur Person geworden ist fertig waren, die Muehlen der Gerechtigkeit mahlen schliesslich ziemlich langsam, langsamer ). Wenn Sven mal wieder Zeit hat, kann er vielleicht das Urteil raussuchen (meine BGB Vorlesung war vor ueber 20 Jahren). Das heisst: Wenn es wirklich drauf ankommt, kann dieser Paragraph von einem Richter ausser Kraft gesetzt werden.

 

Es ist sowieso groesstenteils egal: Dieser Paragraph ist fuer das Zivilrecht. Aber das Rechtssystem besteht aus viel mehr als dem Zivilrecht. Da waere z.B. das Strafrecht. Es besteht kaum eine Gefahr, dass ein Foetus ein Verbrechen begeht, daher brauchen wir uns keine Sorgen um ein getrenntes Jugendstrafrecht fuer Ungeborene zu machen. Aber es besteht durchaus die Gefahr, das ein Foetus Opfer eines Verbrechens wird. Daher gibt es durchaus strafrechtliche Vorschriften zum Schutz von ungeborenen (den vieldiskutierten Paragraphen 218, zum Beispiel). Ich weiss nicht, ob es im Deutschen Recht einen besonderen Strafrechtlichen Schutz fuer einen Foetus (oder aequivalent fuer schwangere Frauen) gegenueber Gewalttaten gibt. Das ist z.B. in anderen Laendern anders. Hier in Kalifornien ist im Moment gerade ein Mord an einer 8- oder 9-Monate schwangeren Frau in allen Nachrichten (der beruechtigte Fall Laci Peterson). Der Ehemann ist wegen Doppelmordes angeklagt: Mord an der Mutter und dem noch ungeborenen Baby. Da es sich um einen mehrfachen Mord in Tateinheit handelt, ist ihm die Todesstrafe beinahe sicher (mal angenommen, er wird verurteilt, und das Urteil nicht in der Revision aufgehoben). Selbst ausserhalb des Strafrechtes gibt es viele wichtige Rechtssysteme. Das Steuerrecht zum Beispiel, oder Arbeitsrecht. Von Grundgesetz und den Menschenrechten wollen wir mal gar nicht reden: Das GG definiert gar nicht, was ein Mensch ist (und es verweist auch nicht auf das BGB, das schliesslich in Paragraph 1 die natuerliche Person definiert, welche nicht unbedingt mit dem Menschen identisch sein muss).

 

Der zitierte Paragraph 1 des BGB macht also nur ein ganz kleiner Teil aus.

bearbeitet von Baumfaeller
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Nein, es stimmt nicht: Der wichtige Zeitpunkt ist die Vollendung der Geburt, nicht der Beginn der Geburt.

 

Ich meinte natürlich den strafrechtlichen Begriff des Menschen. Danach beginnt das Mensch-Sein mit "dem Einsetzen der die Fruchtausstoßung einleitenden Eröffnungswehen", also mit Beginn der Geburt.

 

Im Zivilrecht beginnt das Mensch-Sein mit Vollendung der Geburt. Davor gilt die Leibesfrucht als "nasciturus", der zwar nicht rechtsfähig ist, aber im Recht berücksichtigt wird, er kann z.B. als Erbe eingesetzt werden.

 

Wie sieht es denn jetzt aus? Haben die geltenden strafrechtlichen Regelungen zum Lebensschutz eine naturrechtliche Grundlage (um mal wieder zum Thema zurückzukommen)?

bearbeitet von Squire
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Nein, es stimmt nicht: Der wichtige Zeitpunkt ist die Vollendung der Geburt, nicht der Beginn der Geburt.

 

Ich meinte natürlich den strafrechtlichen Begriff des Menschen. Danach beginnt das Mensch-Sein mit "dem Einsetzen der die Fruchtausstoßung einleitenden Eröffnungswehen", also mit Beginn der Geburt.

Wie soll ich denn das verstehen? :P Daß ein Mensch strafrechtlich belangt werden kann, sobald seine Geburt begonnen hat? :blink:

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Nein, es stimmt nicht: Der wichtige Zeitpunkt ist die Vollendung der Geburt, nicht der Beginn der Geburt.

Doch, es stimmt. Allerdings ist das nicht geschriebenes, sondern gesprochenes Recht. Ein Kind gilt als Mensch, sobald die Wehen einsetzen. Es gibt da ein Urteil zu einer Enführung, während derer die Wehen einsetzten; Mutter und Kind starben unter der Geburt - der Täter wurde wegen Doppelmordes verurteilt.

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Hallo Leute,

 

Naturrecht ist das, auch ohne ein staatliches Urteil, aufgrund der Natur des Menschens von Anfang an, d.h. aufgrund seiner Würde. Die Würde ist nicht etwas rein Organisches, aber es ist etwas, was natürlicherweise zu dem Menschen als Menschen dazu gehört. Von daher sprechen wir hier vom "Naturrecht".

 

Insofern aber die Würde nicht vom Menschen geschaffen wurde, sondern durch den, der die Natur geschaffen hat, ist das Naturrecht der Würde gleichzeitig göttliches Recht. Das sittliche Soll ist damit ein dem Schöpfungsakt implizites Wort, von daher ist das (transzendent) als göttliches Gebot zu verstehen.

 

Grüße, Carlos

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Insofern aber die Würde nicht vom Menschen geschaffen wurde, sondern durch den, der die Natur geschaffen hat, ist das Naturrecht der Würde gleichzeitig göttliches Recht. Das sittliche Soll ist damit ein dem Schöpfungsakt implizites Wort, von daher ist das (transzendent) als göttliches Gebot zu verstehen.

Und wie geht es weiter? Dieses sittliche Soll kann vermutlich nur von einer geistbegabten Institution zutreffend erkannt und ausgelegt werden. Damit kommen wir wieder zum Positivismus. Recht wäre dann, was die zuständige Stelle für Recht erklärt. Oder, wie Holmes sagt: "law is, what the courts do."

bearbeitet von Squire
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Nein, es stimmt nicht: Der wichtige Zeitpunkt ist die Vollendung der Geburt, nicht der Beginn der Geburt.

Doch, es stimmt. Allerdings ist das nicht geschriebenes, sondern gesprochenes Recht. Ein Kind gilt als Mensch, sobald die Wehen einsetzen. Es gibt da ein Urteil zu einer Enführung, während derer die Wehen einsetzten; Mutter und Kind starben unter der Geburt - der Täter wurde wegen Doppelmordes verurteilt.

Faszinierend (Augenbraue auf einer Seite hochziehen).

 

Ich wuerde ungefaehr intuitiv wissen, wie ich die Vollendung der Geburt definieren wuerde (sobald die Nabelschnur abgetrennt ist). Es wuerde mir furchtbar schwerfallen, genau zu definieren, wann die Wehen einsetzen. Wenn sie 2 Minuten auseinander sind? 3 Minuten? Wie ist es mit Braxton-Hicks (oder wie immer sie auch buchstabiert werden) Kontraktionen, die ja auch alle paar Minuten kommen koennen? Aber die sind ja ganz anders als Wehen (ausser wenn sie es nicht sind, was werdende Muetter in Panik bringt, und Hebammen ganz laessig ignorieren).

 

Noch schwieriger ist es, den Beginn der Geburt zu definieren. Wenn die Fruchtblase bricht? Das passiert manchmal Tage vorher, manchmal ganz spaet. Wenn eine gewisse Dilation erreicht ist (sagen wir mal zum Spass 5cm)? Das kann auch schon Tage vorher sein. Wenn die Wehen anfangen? Siehe oben. Bei einem geplanten Kaiserschnitt ohne Wehen ist der Beginn der Geburt zwar einfach festzustellen (vielleicht sobald der erste Schnitt gemacht wird), aber hat das irgendeinen Sinn?

 

Also, ich habe nichts gegen die Idee, den Beginn der Geburt als Zeitgrenze zu verwenden, aber es scheint mir so, als wenn man dort trickreiche Definitionsprobleme bekommt.

 

Der von Dir angesprochene Fall scheint aus dem Strafrecht zu sein: Mord und Doppelmord kommen im BGB nicht vor, da dabei kein Vertrag vorliegt :blink: Ich koennte mir durchaus vorstellen, dass Straf- und Zivilrecht verschiedene Definitionen verwenden, und dass die Definition im Strafrecht flexibler gehandhabt wird, wenn der vorliegende Fall es erfordert.

 

Im US-Strafrecht (genauer gesagt dem Kalifornischen, es ist ja in jedem Bundesstaat unterschiedlich) wird Mord an einer schwangeren Frau auch als Doppelmord gehandhabt. Zumindest scheint das im momentan aktuellen Fall der Laci Peterson der Fall zu sein (sie wurde ein paar Wochen vor dem Geburtstermin ermordet). Leute mit einem schwachen Magen bitte den Rest dieses Absatzes nicht lesen. Was in diesem Fall erschwerend dazukommt, ist dass ihre Leiche in einer Bucht versenkt wurde (mit Beton an den Fuessen, wie in einem schlechten Film), und ein paar Monate spaeter stark verwest wieder an die Oberflaeche getrieben wurde; das ungeborene Baby zuerst, der Rest der Leiche ein paar Tage spaeter. Der Staatsanwalt hat die Tatsache, dass die Leichen getrennt gefunden worde, als Argument dafuer verwendet, auf zwei getrennt Morde zu plaedieren. Aber bis jetzt ist der Hauptverdaechtige (ihr Ehemann!) noch nicht verurteilt - bis dahin sollten wir also nichts unterstellen.

 

P.S. Ein furchtbar trauriges und morbides Thema. Lasst uns ueber etwas angenehmeres Reden. Da Sex als Thema ja wohl ausfaellt (dafuer ist die Arena zustaendig), weiss irgendjemand was Gutes zu essen oder trinken?

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Dieses sittliche Soll kann vermutlich nur von einer geistbegabten Institution zutreffend erkannt und ausgelegt werden.

Nein! Das sittliche Soll wird vornehmlich durch das Gewissen erkannt. Gleichwohl ist das Gewissen nicht gleichzeitig die Stimme Gottes. Wie sonst könnte es das irrige Gewissen geben? Aber das Gewissen ist das Fensterschen, durch das das Licht des ewigen Guten in das Herz hinein scheint und es zum Schwingen bringt.

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Das ist das Dilemma. Aus der Beobachtung der Natur und ihrer Gesetze lassen sich nur begrenzt die richtigen Normen ableiten.......

Radbruch hatte ein ganz anderes Dilemma: Wie geht man mit den Naziverbrechern um, die nach dem zur Tatzeit geltenden (geschriebenen) Recht legal gehandelt hatten? Das gleiche Problem trat in den Mauerschützenprozessen auf. Das rechtsstaatliche Gebot "nulla poena sine lege stricta" - keine Strafe ohne hinreichend bestimmtes Gesetz - verbietet es, rückwirkend das heutige Recht anzuwenden, nach dem der Naziverbrecher und der Mauerschütze schuldig wären.

 

Dieses Dilemma ist nur zu lösen, wenn man eine "höhere" Richtigkeit außerhalb des Systems des geschriebenen Rechts anerkennt. Auch für dieses (ungeschriebene) Recht braucht man dann aber eine Legitimation (wenn man nicht einfach sagen will: "Ich finde das aber richtig so"). Gott? Natur? Etwas Drittes?? Was würdest du sagen?

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