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Theodizee jenseits aller Weltanschauung?


michl

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Hi Susanne...

 

Und ich bin mir dessen bewusst, dass das, was ich da schreibe, für jemanden, der wirklich am Zerbrechen und Verzweifeln ist, wie ein Hohn klingen kann.

 

 

Ist das nicht Grund genug, das ganze Konstrukt "Alles hat einen Sinn, denn es gibt einen liebenden Gott, und er wird sich schon was dabei gedacht haben..." zu überdenken. Wenn ich mir jetzt vorstelle, dass ich eines dieser Erdbebenopfer wäre, dass da verzweifelnd einen langsamen zermürbenden Tod stirbt, und ich stelle mir gerade vor, was so jemand wie Du über meine Situation denkt - ich wäre nur noch verzweifelter. Irgendwann wirst Du wieder in der Kirche sitzen und den Gott loben, der nichts gegen meinen langsamen und schrecklichen Tod unternommen hat. Nichts kann schrecklich genug sein, damit den Christen das Hallelujah im Hals stecken bleibt. Es gibt immer noch etwas, dass einen Christen sagen lässt: "Das, was mich trotzdem glauben lässt, ..."

 

Für mich ist das kein Schimmer der Hoffnung, sondern ein Zeichen der Verdrängung. Es geht nicht darum, die Welt in Ordnung zu bringen, sondern nur seine kleine Vorstellung von einer geordneten Welt wieder gerade zu biegen. Als Atheist lebt man in einem gleichgültigen und grausamen Universum, also in einem Universum, dessen Grausamkeiten man nicht rechtfertigen muss. Man geht nicht Sonntags in die Kirche, um das Universum für seine Existenz zu loben. Man steht dem Leiden anderer Menschen genauso hilflos gegenüber, wie ein Christ... aber man lobt die angenommene Ursache für dieses Leid wenigstens nicht in den Himmel.

 

Mich stört dieses "Alles hat einen Sinn, auch das Leid... also leide bitte, damit der Sinn für mich erhalten bleibt. Bitte nehme mir nicht übel, wenn ich in dem, was Du gerade durchmachst, einen Sinn erblicke, um meinem Leben einen Sinn zu geben." Das ist so egoistisch, so herabwürdigend für diejenigen, die für Euren Sinn leiden. Mich macht das wirklich wütend. Anstatt Euch mit Euren Leidensgenossen gegen das feindliche Universum zu verbünden, erfindet Ihr einen Dämon, der dem Leid einen Sinn gibt.

 

Ich hoffe, es ist klar geworden, was ich sagen wollte.

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Liebe Susanne!

 

Soweit ich mich erinnere, habe ich noch nie (in diesem Thread nicht und sonst auch nicht) behauptet, dass es eine logische Lösung für das Theodizeeproblem gibt. Ich sehe es wie du, die gibt es nicht.

 

Du weißt, was das bedeutet? Es bedeutet, dass es keine rationale Rechtfertigung dafür gibt, an den christlichen Gott zu glauben, aber sehr wohl dafür, ihn für "nicht existierend" zu betrachten.

 

Das ist die ein, die "rationale Seite". Die emotionale Seite ist die, dass ich auch emotional empört wäre gegen einen allmächtigen Gott, der zusieht, wie Menschen an Übeln zugrunde gehen, die er ohne Schwierigkeiten beseitigen könnte. Oder um Günther Anders zu zitieren:

 

Nach Auschwitz besteht mein Atheismus nicht mehr einfach in der Bestreitung seines Daseins. Sondern in meiner Empörung über die Würdelosigkeit derer, die einem, der dies zugelassen hat, im Gebet nahen.

 

Du siehst, bei mir stimmen Emotionalität und Rationalität in dieser Frage völlig überein. Um an den christlichen Gott zu glauben. müsste ich beides verleugnen - aber ich kann weder das eine noch das andere verdrängen, und ich wundere mich über die Christen, die das tun können, ich halte das nicht für gesund.

 

Der dritte Punkt ist, dass ich es für unmoralisch halte, Gott zur Grundlage einer Moral machen zu wollen, wenn ernsthafte Zweifel an seiner Güte (oder in diesem Zusammenhang: seiner Gutheit und seiner Liebe) bestehen müssen. Für mich bedeutet Liebe unter anderem, einen Menschen vor Übeln und selbst vor Leid zu bewahren, wenn es nur in meiner Macht steht.

 

Für mich ergibt sich - zumindest für mich selbst - eine "Lösung" (keine logische, aber eine existentielle - d.h. es löst sich etwas in mir bzw. hat sich halt gelöst), wenn ich mich "dem Problem"auf einer anderen Ebene nähere als der rein gedanklichen - auf einer Ebene der existentiellen Betroffenheit.

 

Und gerade da sehe ich für mich keine Lösung, sondern nur Empörung. Betroffenheit und Mitleid ist manchmal nicht alles, hinzu kommt noch die Empörung über diejenigen, die das Leid zulassen oder verursachen.

 

Da stellt sich die Frage nach der logischen Lösung auf einmal nicht mehr, sondern ich "weiß", dass (mein) Leid Sinn hatte und mein Leben erst reich und voll macht und ein Leben völlig ohne Schmerzen schal gewesen wäre.

 

Das ist moralisch absurd. Wenn man glaubt, dass alles Leid einen "Sinn" hat (nämlich eine höhere Rechtfertigung), dann gibt es keinen Grund zur Empörung. Es gibt Leid, welches gerechtfertigt ist - ich gehe zum Zahnarzt, der meinen vereiterten Zahn zieht, was unangenehm ist und Schmerzen verursacht, aber das ist allemal besser, als an einem vereiterten Zahn zu sterben oder auch nur, wochenlang starke Schmerzen zu haben. Das macht das Leid beim Zahnarzt erträglich. Unerträglich ist vor allem sinnloses Leid.

 

Nun besteht die Rechtfertigung des Schweigens und Zurückhaltens von Gott angesichts des Leids stets darin, allem Leid einen Sinn zu unterstellen - nichts anderes machen die Lösungen des Theodizeeproblems. Beispielsweise in dem man sagt, dass es Gott nicht möglich war, eine Welt zu schaffen, in der es Leidfreiheit und einen freien Willen gibt - der freie Willen ist ein "höheres Gut", welches das Leiden aufwiegt. Aber es ist gleichgültig, was man dafür nimmt, wie man das Leiden erklärt und gegen was man es aufwiegt. Es läuft darauf hinaus, zu sagen, dass es keine Übel (= nicht gerechtfertigtes Leid, Leid, das keinem "höherem Zweck" dient, also sinnloses Leid) gibt, sondern dass jedes Leid seinen Sinn hat.

 

Angenommen, dem wäre so. Angenommen, es gäbe eine plausible Rechtfertigung für Gott, eine gelungene Theodizee (wie immer die auch aussieht, ob wir sie kennen oder nicht - vielen reicht es ja durchaus schon, zu glauben es gäbe eine, auch wenn sie sie nicht kennen). Was wären die Konsequenzen?

 

Dann hätte jedes Leid seinen Sinn, es wäre durch einen "höheren Zweck" gerechtfertigt. Denn nur die Übel sind eine Evidenz gegen die Existenz Gottes, nicht unbedingt das Leid (wobei es gegen diese Auffassung auch Einwände gibt, die wir hier aber mal ignorieren wollen). Diese Ansicht führt zu absurden moralischen Konsequenzen.

 

Denn wenn ich jetzt hingehe, ein kleines Kind entführe, quäle und schließlich töte, dann leidet es zwar, aber sein Leid hat irgendeinen "höheren Zweck" - es kann nicht anders sein. Gleichgültig, welche Scheußlichkeiten jemand auch begeht, das verursachte Leid hat einen Sinn, muss ihn haben, sonst müsste man an der Güte und Liebe Gottes zweifeln. Das ist das Ende einer jeden Moral - eine Moral sollte u. a. folgende Ziele haben:

 

Eine Moral sollte dazu dienen, ungerechtfertigtes Leid, Leid überhaupt, zu verhindern und die Menschen glücklich machen. Aber wenn es kein ungerechtfertigtes Leid gibt, weil jedes Leid "automatisch" durch einen Gott gerechtfertigt wird, dann ist eine Moral, die Leid verhindert, überflüssig, ja, sie ist sogar sinnlos. Das ist eine zutiefst pessimistische Weltsicht, ein schwerer moralischer Nihilismus. Wenn man glaubt, es gäbe irgendeine Lösung des Theodizeeproblems - ob nun eine logische Lösung oder nicht - dann führt dies in Konsequenz zu einer Vernichtung der Moral, oder eben zu moralischem Nihilismus. Alles, was einem noch bleibt, ist selbst irgendwie auch mit dem Leid der anderen glücklich zu werden.

 

Das bedeutet: Gibt es keine Lösung für das Theodizeeproblem, so muss man an der Existenz Gottes oder seiner Güte oder seiner Allmacht zweifeln. Aber: Gibt es eine Lösung des Theodizeeproblems, so gibt es keine Moral, was bedeutet, dass eine Aussage wie "Gott ist gut" ist völlig sinnfrei, man muss jetzt vor allem an der Güte Gottes zweifeln. Und man kann diesen "Gott des moralischen Nihilismus" auf keine Fall zur Grundlage seiner Moral machen!

 

Wie man es auch dreht und wendet, ob man nun annimt, dass sich das Theodizeeproblem lösen lässt oder nicht, die Konsequenzen sind sich ähnlich. Ich muss, um an einem guten Gott zu zweifeln in Zukunft nicht mehr die angebotenen Lösungen des Theodizeeproblems anzweifeln - sie zu akzeptieren ist ebenso verheerend wie sie abzulehnen!

 

Hinzu kommt: Wenn es eine logische Lösung des Theodizeeproblems gibt, d. h. wenn man herausfindet, dass Gott keine Welt schaffen konnte, die kein Leid enthält, weil das logisch unmöglich ist, dann gibt es auch kein Paradies. Der "Fall der Schöpfung" löst das Problem nicht, weil man sich nun fragen muss, ob Gott diesen Niedergang nicht verhindern konnte oder nicht verhindern wollte. Konnte er es nicht, dann kann in einem Paradies dieselbe Misere jederzeit wieder geschen, weil Gott offensichtlich nicht die Macht hat, dies aufzuhalten, wollte er es nicht, kann dieselbe Misere ebenfalls jederzeit wieder geschehen, außerdem kann man ihn dann nicht "gut" nennen. Gibt es keine logische Lösung des Theodizeeproblems, dann gibt es auch keine Hoffnung auf ein Paradies, weil man dann Zweifel an der Güte Gottes haben muss.

 

Mir scheint, dass für die Gläubigen die Lage völlig hoffnungslos ist.

 

Das sagt sich im Rückblick leicht - und schwer, wenn man mitten drin steckt in etwas, was unglaublich weh tut. Und diese Worte bleiben mir auch im Hals stecken, wenn ich mich auf das Leid anderer einlasse, z.B. von Kindern oder anderen Menschen, die an dem, was ihnen aufgebürdet wurde, nicht reifen, sondern zerbrechen. Da bin ich genauso voll Unverständnis wie du, oft voll wütendem Entsetzen.....

 

Ja.

 

Warum in mir trotzdem eine ganz große Sicherheit darüber ist, dass die Erde, so wie sie ist, gut ist, auch inclusive allen Leids, kann ich nicht genau sagen.

 

Es hängt aber mit dem zusammen, was du in deinem letzten Satz schreibst: ich erfahre Leben dann als sinnvoll und lebendig, wenn Entwicklung und Wachstum drin steckt. Was die Voraussetzungen für den Einzelnen sind, um vor Gott als Gegenüber "bestehen" zu können, weiß ich nicht. Ich vertraue da darauf, dass bei jedem Menschen schlussendlich "voll gemacht" wird, was fehlt. Und weiß gleichzeitig, dass es "lebensnotwendige" Aufgabe jeden Einzelnen ist, seinen Beitrag zu diesem Wachstum zu leisten, so gut er es kann.

 

Diese Sicherheit kommt aus der Hoffnung, dass alles irgendwie einen Sinn haben muss, weil man sonst nicht mit dem Leid fertig wird. Aber wenn alles einen Sinn hat, leben wir in einer Welt ohne eine mögliche Moral. Mir scheint, das ist eine völlig trübsinnige und depressive Botschaft. Wenn alles einen Sinn hat, dann gibt es für uns Menschen nichts zu tun, wir brauchen nichts einen Sinn zu geben, weil alles bereits einen hat. Wo soll man da noch wachsen? Man kann sich nur in das Prokrustesbett des vorhandenen Sinns hineinzwängen.

 

Nämlich genau aus dem Grund, den du schreibst: "der Mensch" ist noch nicht fertig. Der "wahre Mensch" reift erst heran und ist das erste Mal "fertig erschienen" in Jesus. Seit Jesus ist uns der Weg gebahnt, ist uns die Wuchsform des Menschen vorgegeben im "Sohn Gottes" ("Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde..." bis: "dieser ist mein geliebter Sohn!"), der zugleich "Menschensohn" ist.

Gehen muss diesen "vorgebahnten Weg" jeder selbst, verwirklichen müssen wir die in uns angelegte Wuchsform durch unsere eigene Aktivität, durch unser Antwortgeben auf die Fragen, die das Leben an uns stellt. Jeder Einzelne und die Menschheit als Ganzes muss so wachsen. Und "fertiges eigenständige Gegenüber Gottes" werden vielleicht (hoffentlich) unser fernen Nachfahren sein - aber nur dann, wenn möglichst viele einzelne sich den Bedingungen unseres Wachstums stellen.

 

Für mich besteht das Wachstum darin, von überkommenen Vorstellungen abzugehen und nach der Wahrheit zu suchen, selbst wenn diese schmerzt. Aber es hat nichts mit Wachstum zu tun, sein Leben nach den Vorstellungen eines vor 2.000 Jahren von Menschen geschriebenen Buchs zu richten oder nach Dogmen aus dem Mittelalter. Mir scheint, dies ist eher das "Wachstum", welches Theseus dem Prokrustes zuteil werden ließ.

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Hallo Stefan!

 

Ich verstehe dich schon.

Nur: es ist kein Konstrukt, was ich schreibe, sondern mir zugewachsene Erfahrung. Die habe ich nicht selbst gemacht und die Sicherheit, die ich habe, wächst nicht aus der Verdrängung, sondern genau aus dem mich-Stellen. (Das kann ich dir natürlich nicht beweisen und es steht dir frei, mir das nicht zu glauben)

Zweitens: Ich würde das nie einem Betroffenen so sagen, wie du es formuliert hast. Drum rede ich hier von mir und meiner Erfahrung und würde mich sowieso hüten, die irgend jemandem aufzudrängen, der nicht danach fragt. Wo jemand wirklich am Verzweifeln ist, kann man doch sowieso allerhöchstens versuchen, neben ihm auszuhalten.

Aber dem nützen auch alle logischen Beweise, dass das Theodizeeproblem nicht lösbar ist, nichts.

Eine Unterstellung (und eine ziemlich miese noch dazu) ist es, wenn du sagst, dass ich das Leid anderer Menschen will, damit ich Sinn im Leben finde. Das ist absurd.

 

Wie wirkt sich denn deine Verbündung gegen das feindliche Univerusm für einen Betroffenen aus?

bearbeitet von Ennasus
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Lieber Volker!

Du weißt, was das bedeutet? Es bedeutet, dass es keine rationale Rechtfertigung dafür gibt, an den christlichen Gott zu glauben, aber sehr wohl dafür, ihn für "nicht existierend" zu betrachten.

 

Nein, das stimmt so nicht. Das ist eine Frage der Vorstellung davon, wie denn dieser christliche Gott ist oder sein sollte. Das, was er für dich sein sollte, stimmt für mich nicht damit überein, wie ich "ihn" glaube und erfahre.

 

Du siehst, bei mir stimmen Emotionalität und Rationalität in dieser Frage völlig überein. Um an den christlichen Gott zu glauben. müsste ich beides verleugnen - aber ich kann weder das eine noch das andere verdrängen, und ich wundere mich über die Christen, die das tun können, ich halte das nicht für gesund.

 

Auch bei mir stimmt das überein. Empörung gegen das, was nicht sein sollte und Zorn und Hadern gehört durchaus zu meinem Glauben dazu.

Das ändert nichts daran, dass in mir zunehmend die Gewissheit wächst, dass wir trotz Auschwitz und allem andern Unverständlichen getragen und geborgen sind.

 

Der dritte Punkt ist, dass ich es für unmoralisch halte, Gott zur Grundlage einer Moral machen zu wollen, wenn ernsthafte Zweifel an seiner Güte (oder in diesem Zusammenhang: seiner Gutheit und seiner Liebe) bestehen müssen. Für mich bedeutet Liebe unter anderem, einen Menschen vor Übeln und selbst vor Leid zu bewahren, wenn es nur in meiner Macht steht.

Für mich bedeutet eben Liebe nicht unbedingt, jemanden vor Leid bewahren wollen. Mein Kind lieben kann nicht bedeuten, es zu Hause einzusperren, weil ich ihm die Erfahrung des Scheiterns oder potentielle Verletzungen usw. ersparen will. Es lieben bedeutet, ihm zuzutrauen, dass es seinen Weg gut gehen wird und für es da zu sein, wenn ich gebraucht werde. Anders wir es nicht erwachsen werden.

 

Und gerade da sehe ich für mich keine Lösung, sondern nur Empörung. Betroffenheit und Mitleid ist manchmal nicht alles, hinzu kommt noch die Empörung über diejenigen, die das Leid zulassen oder verursachen.

Ja, aber die nutzt den Betroffenen auch nur, wenn sie dich zum Handeln motiviert und dich konkret gegen die Ursache des Leids aktiv werden lasst, oder?

 

Da stellt sich die Frage nach der logischen Lösung auf einmal nicht mehr, sondern ich "weiß", dass (mein) Leid Sinn hatte und mein Leben erst reich und voll macht und ein Leben völlig ohne Schmerzen schal gewesen wäre.

 

Das ist moralisch absurd.

Ja? Du bist mir ein seltsamer Moralapostel!

Volker, wir drehen uns im Kreis.

Ich suche nach keiner Lösung des Theodizeeproblems auf einer theoretischen Ebene mehr. Glaub`s mir.`

Mich wundert das, warum du in dem Zusammenhang immer mit moralischen Kategorien kommst. Die haben da nur insofern Platz, als Leid aus "unmoralischem" Verhalten von Menschen stammt. Aber auch da nützt das Theoretisieren nichts. Sondern dann muss ich im konkreten Einzelfall schauen, was wie von wem geändert werden müsste und was mein Beitrag dazu sein soll.

 

Eine Moral sollte dazu dienen, ungerechtfertigtes Leid, Leid überhaupt, zu verhindern und die Menschen glücklich machen.

 

Und was ist Glück? Es ist für mich nicht Zustand von Leidfreiheit, sondern es ist gelungenes in Beziehungsein und es ist "Fülle" des Lebens.

Das sind vermutlich wieder Worte, auf die du allergisch reagierst; sie bringens für mich halt auf den Punkt.

 

Hinzu kommt: Wenn es eine logische Lösung des Theodizeeproblems gibt, d. h. wenn man herausfindet, dass Gott keine Welt schaffen konnte, die kein Leid enthält, weil das logisch unmöglich ist, dann gibt es auch kein Paradies. Der "Fall der Schöpfung" löst das Problem nicht, weil man sich nun fragen muss, ob Gott diesen Niedergang nicht verhindern konnte oder nicht verhindern wollte. Konnte er es nicht, dann kann in einem Paradies dieselbe Misere jederzeit wieder geschen, weil Gott offensichtlich nicht die Macht hat, dies aufzuhalten, wollte er es nicht, kann dieselbe Misere ebenfalls jederzeit wieder geschehen, außerdem kann man ihn dann nicht "gut" nennen. Gibt es keine logische Lösung des Theodizeeproblems, dann gibt es auch keine Hoffnung auf ein Paradies, weil man dann Zweifel an der Güte Gottes haben muss.

 

Mir kommt das so einfach vor, wenn ich die Bibel als Bebilderung der Entwicklung des menschlichen Bewusstseins lese.

Ich kenne andere Begriffe für die verschiedenen Stadien der Bewusstseinsentwicklung als Stefan sie mit dem bikameralen Bewusstsein gepostet hat. Ich habe mich auch nicht wirklich damit auseinandergesetzt, wie genau das Welterleben der frühen Menschen war (dass es schizophren gewesen sein soll, kommt mir seltsam vor, eher denke ich, dass sich auch die psychospirituelle Entwicklung der Menschheit noch einmal in einem Menschenleben wiederfindet, wie sich ja auch die äußere evolutionäre Entwicklung in der Embryoanlentwicklung abbildet - Kiemen z.B. ), aber dass das Paradies ein Bild für ein frühes einheitliches (sozusagen frühkindliches) Welterleben ist, finde ich plausibel.

Die "Vertreibung aus dem Paradies" entspricht dann dem Verlust dieses ganzheitlichen Zugangs zur Wirklichkeit mit der Ausdifferenzierung des Gehirns.

Auch die Bibel verspricht ja nicht die Rückkehr ins Paradies, sondern das Bild der Zukunft ist die "neue Stadt Jerusalem", in die wir hineinwachsen sollen und die ein Bild dafür ist, dass "fertige Menschen" in "Liebe" miteinander leben.

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Christus, lieber Volker, Christus besteht als Gegenüber Gottes

- und gleichzeitig zieht er die Menschen an sich!

Mag sein, aber mir scheint, dies gilt (noch) nicht für uns. Außerdem löst dies nicht das Theodizeeproblem.

Hm, - ich glaube wir (Christen) müssen das Theodizeeproblem tatsächlich lösen, wenn wir glaubwürdig bleiben wollen. Jedenfalls sollten wir eine Lösung in Erwägung ziehen!

Wie Gott diese Frage löst, bleibt ihm überlassen, - ob er es nach unserem Zeitrahmen früher oder später tut, - spielt keine Rolle.

 

Für meine Begriffe, handelt Gott nicht von oben her, autoritär eingreifend und den freien Willen des Menschen korrigierend. Er "stülpt" uns seine "Idee vom Menschen" nicht einfach über, sondern er demonstriert es uns, indem er selbst "Mensch" wird. Du glaubst nicht an die Wunder Jesu? Nun - die vollständige Lösung der Theodizeefrage bedarf tatsächlich in letzter Konsequenz auch der "Wunder" - jedoch ein gutes Stück kämen wir bereits voran, wenn der Mensch seine Verantwortung gegenüber der "Menschlichkeit" wahrnehmen würde. Die hingegen wurde und wird bis zum heutigen Tage mit Füßen getreten! - Ist doch tragisch, wie das "intelligente Wesen Mensch" die Regeln der Humanität verletzt, - wo er doch selbst selbige Regeln erhoben hat!

Das Problem liegt darin, daß nicht "Mensch" gleich Mensch ist. Wir unterscheiden uns erheblich und die Meinungen (der freie Wille) differiert!

Manche gehen für Ideologien über Leichen, - leider sind Religionen da oft mitbeteiligt!

 

Aber bleiben wir bei Christus, - durch ihn, mit ihm und in ihm bahnt sich eine Lösung der Theodizeefrage an.

Mag sein, aber mir scheint, dies gilt (noch) nicht für uns.

... nun Christus "ähnelt" dem Vater so sehr, daß er sagen kann "ich und der Vater sind Eins". Er ist das "genaue" Ebenbild Gottes (Kol 1:15). Wir jedoch sollen, nach seinem Wunsch, seinen Auftrag fortsetzen (Joh 17:18)

Wie ich schon sagte: Ich halte es für unlösbar. Inzwischen bin ich sogar der Ansicht - anders als früher - dass ich dazu nicht die einzelnen Lösungen kritisieren und widerlegen muss. Jede mögliche Lösung des Theodizeeproblems widerlegt sich selbst und führt zu unauflösbaren Widersprüchen.

Du argumentierst: "die Theodizeefrage ist unlösbar", weil Du damit den Glauben an eine Gottheit, die schöpferisch handelt, zu widerlegen meinst.

Nun kannst Du Gott aber nicht vorschreiben, wie er vorzugehen hat. Du kannst es ihm nicht "verübeln", wenn er mit dem Faktor "Zeit" arbeitet, - genau wie er den Menschen zu seiner Verantwortung und "Mitwirkung" aufruft. Gott hat seinerseits eine "Vorleistung" erbracht, - als er "Mensch" wurde - tragen wir unseren Teil bei, indem auch wir "richtig Mensch" werden.

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Nun kannst Du Gott aber nicht vorschreiben, wie er vorzugehen hat.

Aber genau das tun Gottesgläubige doch. Sie denken sich einen Gott aus und stellen sich vor, was dieser Gott so alles macht. Und das tut er dann auch.

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Nun kannst Du Gott aber nicht vorschreiben, wie er vorzugehen hat.

Aber genau das tun Gottesgläubige doch. Sie denken sich einen Gott aus und stellen sich vor, was dieser Gott so alles macht. Und das tut er dann auch.

... ja, aber nicht mit beliebigem Freiheitsgrad, sondern die Quellen Theologie und Naturwissenschaft einbeziehend ...

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Nun kannst Du Gott aber nicht vorschreiben, wie er vorzugehen hat.

Aber genau das tun Gottesgläubige doch. Sie denken sich einen Gott aus und stellen sich vor, was dieser Gott so alles macht. Und das tut er dann auch.

... ja, aber nicht mit beliebigem Freiheitsgrad, sondern die Quellen Theologie und Naturwissenschaft einbeziehend ...

???Naturwissenschaft???

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Eine Unterstellung (und eine ziemlich miese noch dazu) ist es, wenn du sagst, dass ich das Leid anderer Menschen will, damit ich Sinn im Leben finde. Das ist absurd.

Das war nicht meine Absicht. Ich wollte nur das Problem möglichst drastisch darstellen.

 

Wie wirkt sich denn deine Verbündung gegen das feindliche Univerusm für einen Betroffenen aus?

 

Das weiss ich nicht, ich kann nur sagen wie es sich auf mich auswirken würde.

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Hallo Stefan!

 

Ich verstehe dich schon.

Nur: es ist kein Konstrukt, was ich schreibe, sondern mir zugewachsene Erfahrung. Die habe ich nicht selbst gemacht und die Sicherheit, die ich habe, wächst nicht aus der Verdrängung, sondern genau aus dem mich-Stellen. (Das kann ich dir natürlich nicht beweisen und es steht dir frei, mir das nicht zu glauben)

Eine gute Diskussion.

 

Was ich persönlich anmerken möchte ist folgendes : Egal was passiert, wie groß und sinnlos das Leiden sein mag, durch Euren katholischen Filter ist alles sinnvoll und richtig.

 

Ich frage Dich : Was müsste passieren das gegen Gott spricht ?

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Nun kannst Du Gott aber nicht vorschreiben, wie er vorzugehen hat.

Nunja, ein wenig Mitspracherecht - zuumal wir irdischen Lebewesen ja die Hauptleidtragenden seiner Schöpfung zu sein scheinen - fände ich schon angemessen.

 

 

Ihr habt doch immer diesen Kind/Vater-Vergleich. Bei Maßnahmen, die ein Vater trifft und die vor allem Konsequenzen für die Kinder haben, sollten Kinder ab einem gewissen Alter aber schon ein Wörtchen zu sagen haben.

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Liebe Susanne!

 

Du weißt, was das bedeutet? Es bedeutet, dass es keine rationale Rechtfertigung dafür gibt, an den christlichen Gott zu glauben, aber sehr wohl dafür, ihn für "nicht existierend" zu betrachten.

 

Nein, das stimmt so nicht. Das ist eine Frage der Vorstellung davon, wie denn dieser christliche Gott ist oder sein sollte. Das, was er für dich sein sollte, stimmt für mich nicht damit überein, wie ich "ihn" glaube und erfahre.

 

Das mag sein (bzw. davon kann man wohl ausgehen). Selbstverständlich haben wir verschiedene Auffassungen darüber, was Gott ist oder sein sollte. Und selbstverständlich differieren unsere Erfahrungen.

 

Auch bei mir stimmt das überein. Empörung gegen das, was nicht sein sollte und Zorn und Hadern gehört durchaus zu meinem Glauben dazu.

Das ändert nichts daran, dass in mir zunehmend die Gewissheit wächst, dass wir trotz Auschwitz und allem andern Unverständlichen getragen und geborgen sind.

 

Aber woher kommt diese Gewissheit? Das ist mir ein Rätsel. Geht alles gut, neigen Gläubige zu der Auffassung, dass dies von Gott kommt. Geht alles schief, neigen Gläubige zu der Auffassung, dass sie auch durch die Katastrophen von Gott getragen werden. Wird alles noch schlimmer, wird dahinter irgendein "übergeordneter göttlicher Plan" vermutet (über den man aber nichts genaues sagen kann). Alle Guten Dinge werden Gott zugeschrieben - hilft ein freundlicher Mensch, hat Gott dafür gesorgt (dass es ein Mensch war, vergisst man zu leicht) Schadet einem ein böswilliger Mensch, so wird das nicht auf Gott zurückgeführt, sondern auf menschliche Unzulänglichkeit. Das klingt für mich nach selektiver Auswahl der Tatsachen - diese werden immer so hingebogen, dass es auf die eigene Interpretation passt (statt die Interpretation den Tatsachen anzupassen).

 

Für mich bedeutet eben Liebe nicht unbedingt, jemanden vor Leid bewahren wollen. Mein Kind lieben kann nicht bedeuten, es zu Hause einzusperren, weil ich ihm die Erfahrung des Scheiterns oder potentielle Verletzungen usw. ersparen will. Es lieben bedeutet, ihm zuzutrauen, dass es seinen Weg gut gehen wird und für es da zu sein, wenn ich gebraucht werde. Anders wir es nicht erwachsen werden.

 

Für mich haben Liebe und Moral gemeinsame Ziele: Die Verminderung des Leids und die Vermehrung des Glücks. Beides, Liebe und Moral, sind ohne diese Ziele wertlos.

 

Sicher, aus Leid kann man lernen, und man sollte seine Kinder nicht vor allem Leid bewahren, weil man sie dann vor dem Lernen bewahrt. Aber das gilt nicht für ungerechtfertigtes Leid. Wenn man aus Leiden lernt, zukünftiges Leid zu meiden, ist es gerechtfertigt. Aber was soll ein Erdbebenopfer, welches verschüttet wurde, aus dem Leid seines langsamen Todes lernen? Sagt man nun, dass jedes Leid gerechtfertigt ist (durch einen "höheren Plan" oder durch ein "höheres Gut"), dann ist dies das Ende aller Moral - und aller Liebe. Weil man dann niemanden vor Leid bewahren sollte, denn es dient ja letztlich einem "guten Zweck". Es ist das sinnlose, ungerechtfertigte Leid (= Übel), welches eine Evidenz gegen Gottes Güte und Liebe ist. Es ist nur dann keine Evidenz, wenn man bestreitet, dass es Übel gibt.

 

Aber bestreitet man dies, dann gibt man die Moral auf. Wenn man sich auf Gott beruft, um seine Moral aufzugeben, dann kann dieser Gott nicht gut sein, ebenso wie seine Moral. Bestreitet man nicht, dass es Übel gibt, dann gibt man zu, dass dieser Gott nicht gut sein kann (oder nicht allmächtig, oder nicht existent). Dann kann man sich erst recht nicht auf eine "göttliche Moral" berufen.

 

Aus diesem Dilemma kommst Du nicht heraus. Entweder, es gibt keine Moral, oder der christliche Gott ist nicht gut, nicht allmächtig, oder nicht existent. Es ist Deine Entscheidung. Sich nicht entscheiden zu wollen ist kein Ausweg aus dem Dilemma, es ist nur eine Entscheidung dafür, sich den Konsequenzen seines Denkens nicht stellen zu wollen. Die Konsequenzen seines Denkens und Handelns zu ignorieren ist selbst ein unmoralische Entscheidung (eine moralische Entscheidung ist nur dann moralisch, wenn man die Konsequenzen bedenkt).

 

Und gerade da sehe ich für mich keine Lösung, sondern nur Empörung. Betroffenheit und Mitleid ist manchmal nicht alles, hinzu kommt noch die Empörung über diejenigen, die das Leid zulassen oder verursachen.

Ja, aber die nutzt den Betroffenen auch nur, wenn sie dich zum Handeln motiviert und dich konkret gegen die Ursache des Leids aktiv werden lasst, oder?

 

Ja. Aber damit gibst Du zu, dass eine Moral nur gegeben ist, wenn sie der Verminderung von Leid dient. Was wiederum bedeutet, dass wenn Gott nicht die Übel beseitigt, er selbst nicht moralisch handelt und damit keine gute Basis für eine Moral ist. Wenn aber Leid letztlich "gut" ist - wie Du oben impliziert, wenn auch nicht ausdrücklich gesagt hast - dann ist die Beseitigung von Leid keine Option mehr, denn dann fehlt Dir die Motivation, Leid zu beseitigen, weil Du damit ein imaginäres "höheres Gut" verhindern würdest, weil Du den leidenden beispielsweise die Chance nimmst, aus ihrem Leid zu lernen.

 

Du legst zweierlei Maß an - eines an menschliches Handeln, eines an Gottes Handeln. Das ist eine "doppelte Moral", was selbst wiederum unmoralisch ist, womit Du zugibst, dass Gott nach menschlichen Moralmaßstäben nicht gut ist. Das bedeutet, Du kannst Dich in Deiner Moral nicht auf Gott berufen - und Du kannst Dich nicht darauf berufen, dass er "gut" ist. Wenn Gottes Handeln gut ist, dann ist es nämlich gut, beispielsweise Erdbebenopfern nicht zu helfen. Wenn das nicht gut ist, ist auch Gott nicht gut, weil er den Erdbebenopfern nicht hilft, obwohl er es in seiner Allmacht könnte. Nicht zu helfen, obwohl man es ohne Mühe könnte, kann nach Deinen eigenen Maßstäben nicht gut sein, aber nach Gottes Maßstäben schon - und wenn man es für sinnvoll hält, nach Gottes Maßstäben zu handeln, darf man auch nicht helfen.

 

Du hast einen schweren Widerspruch in Deiner Moral! Aus Widersprüchen folgt beliebiges, daher ist auch Deine Moral willkürlich und beliebig. Wenn Du nicht so handelst, dann widersprichst Du damit der Auffassung, dass Gott gut ist. Andererseits behauptest Du es, obwohl Du "eigentlich" weißt, dass dem nicht so sein kann. Was Dich entschuldigt ist, dass es Dir bisher nicht aufgefallen ist. Allerdings, so fürchte ich, gilt diese Entschuldigung nach dem Lesen dieses Textes nicht mehr. Jetzt hast Du nur noch die Wahl, Deine intellektuelle Redlichkeit zu opfern, aber das wäre Selbstbetrug - und das wiederum ist unmoralisch, oder Du kannst Deine Ansichten ändern. Und daraus folgt wiederum, dass Du andere ebenso betrügst, wenn Du Deine Ansichten aufrecht erhältst und sie vor anderen verteidigst. Wenn. Das ist Deine Wahl.

 

Das ist moralisch absurd.

Ja? Du bist mir ein seltsamer Moralapostel!

 

Ja. Ich bin konsequent moralisch. Das mag Dir seltsam vorkommen.

 

Volker, wir drehen uns im Kreis.

 

Wir drehen uns in einem Dilemma, von dem beide Möglichkeiten für Dich gleichermaßen unannehmbar sind, und Du nun versuchst, einer Entscheidung auszuweichen. Für mich ist das allerdings kein Dilemma, ganz einfach deswegen, weil ich nicht an die Existenz Gottes glaube!

 

Ich suche nach keiner Lösung des Theodizeeproblems auf einer theoretischen Ebene mehr. Glaub`s mir.`

 

Ja, aber auf einer praktischen Ebene holt Dich das Problem wieder ein. Du kannst keine Probleme lösen, in den Du sie verdrängst. Deine pragmatische Lösung besteht darin, anders zu handeln, als Du denkst, und diese Diskrepanz zu ignorieren. Das ist eine Einladung zum Selbstbetrug! Wie kann man jemandem trauen, der sogar sich selbst betrügt? Und Du wunderst Dich, wenn ich den Gotteserfahrungen eines Christen nicht über den Weg traue und das nicht für glaubwürdig halte? Ich gestehe Dir und anderen ja zu, dass Unwissenheit eine Entschuldigung ist, aber das hat Konsequenzen. Jede moralische Entscheidung hat Konsequenzen.

 

Leider, leider macht das Verdrängen von Problemen eine ganze Reihe von Gräueln erst möglich, und nicht umsonst ist die Geschichte des Christentums voll davon. Du bist daran zwar unschuldig, aber das ändert nichts daran, dass Du Ignoranz für eine pragmatische Lösung für ein Problem hältst.

 

Mich wundert das, warum du in dem Zusammenhang immer mit moralischen Kategorien kommst. Die haben da nur insofern Platz, als Leid aus "unmoralischem" Verhalten von Menschen stammt. Aber auch da nützt das Theoretisieren nichts. Sondern dann muss ich im konkreten Einzelfall schauen, was wie von wem geändert werden müsste und was mein Beitrag dazu sein soll.

 

Ja, klar. Aber Moral entsteht nicht nur im Handeln, sondern bereits im Denken - es sind ja gerade die Christen, die einem dies beständig vor Augen führen. Außerdem, Leid folgt nicht nur aus unmoralischem Handeln von Menschen. Und Du propagierst für Menschen, dass sie moralisch handeln, wenn sie Leid mindern, aber Du bestreitest das für Gott, auf den Du wiederum Deine Moral gründen möchtest.

 

Was denn nun - ist es moralisch richtig, Menschen in Not zu helfen? Dann ist es moralisch falsch, wenn Gott nicht hilft. Wenn es aber moralisch richtig ist, Menschen ebensowenig zu helfen wie Gott das tut, und Du Deine Moral auf Gott gründest, wieso ist es dann richtig, Menschen zu helfen? Es kann doch nicht richtig und falsch zugleich sein, Menschen zu helfen! Das ist doch eine geradezu irrsinnige, schizophrene Moral.

 

Praktisch handelst Du so, als ob es keinen guten Gott gäbe. Theoretisch tust Du so, als wenn es diesen guten Gott gäbe. Wer also theoretisiert hier? Und wer leugnet hier theoretisch, dass es da ein Problem gibt?

 

Eine Moral sollte dazu dienen, ungerechtfertigtes Leid, Leid überhaupt, zu verhindern und die Menschen glücklich machen.

 

Und was ist Glück? Es ist für mich nicht Zustand von Leidfreiheit, sondern es ist gelungenes in Beziehungsein und es ist "Fülle" des Lebens.

Das sind vermutlich wieder Worte, auf die du allergisch reagierst; sie bringens für mich halt auf den Punkt.

 

Nein, aber Leidfreiheit ist eine Voraussetzung, um eine Fülle genießen zu können. Versuche mal, ein gut gefülltes Büffet mit Zahnschmerzen zu genießen. Wenn man frei von Leid ist, finde ich Deine Worte angemessen.

 

Auch die Bibel verspricht ja nicht die Rückkehr ins Paradies, sondern das Bild der Zukunft ist die "neue Stadt Jerusalem", in die wir hineinwachsen sollen und die ein Bild dafür ist, dass "fertige Menschen" in "Liebe" miteinander leben.

 

Und wäre es ein Paradies, wenn die Menschen in Liebe, aber auch in Schmerz und Leid leben? Nein. Und hier tut sich eben das Problem auf, dass wenn Gott keine Welt ohne Leid schaffen konnte oder wollte, wir auch im Paradies leidern werden - allerdings ewig, was unendliches Leid bedeutet. Und gibt es im Paradies kein Leid, warum dann nicht gleich so? Und wenn Gott den Sündenfall nicht verhindern konnte oder wollte, wie will man da annehmen, dass er einen zweiten Sündenfall verhindern kann oder will?

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Nun kannst Du Gott aber nicht vorschreiben, wie er vorzugehen hat.

Nunja, ein wenig Mitspracherecht - zuumal wir irdischen Lebewesen ja die Hauptleidtragenden seiner Schöpfung zu sein scheinen - fände ich schon angemessen.

 

 

Ihr habt doch immer diesen Kind/Vater-Vergleich. Bei Maßnahmen, die ein Vater trifft und die vor allem Konsequenzen für die Kinder haben, sollten Kinder ab einem gewissen Alter aber schon ein Wörtchen zu sagen haben.

... sonst gibt es nämlich keinen freien Willen.

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Nun kannst Du Gott aber nicht vorschreiben, wie er vorzugehen hat.

Nunja, ein wenig Mitspracherecht - zuumal wir irdischen Lebewesen ja die Hauptleidtragenden seiner Schöpfung zu sein scheinen - fände ich schon angemessen.

 

 

Ihr habt doch immer diesen Kind/Vater-Vergleich. Bei Maßnahmen, die ein Vater trifft und die vor allem Konsequenzen für die Kinder haben, sollten Kinder ab einem gewissen Alter aber schon ein Wörtchen zu sagen haben.

... sonst gibt es nämlich keinen freien Willen.

Und vor allem keine ernstzunehmende Wechsel-Beziehung. Was soll denn überhaupt ein Gott mit Menschen anfangen, die er zwar nach seinem Ebenbild geschaffen hat, von denen er aber nichts zu lernen bereit ist und die ihn zu keinerlei Sinneswandel bewegen können? (Mein Sohn ist erst zweieinhalb und ich lerne schon jetzt eine ganze Menge von ihm!)

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Was denn nun - ist es moralisch richtig, Menschen in Not zu helfen? Dann ist es moralisch falsch, wenn Gott nicht hilft. Wenn es aber moralisch richtig ist, Menschen ebensowenig zu helfen wie Gott das tut, und Du Deine Moral auf Gott gründest, wieso ist es dann richtig, Menschen zu helfen? Es kann doch nicht richtig und falsch zugleich sein, Menschen zu helfen! Das ist doch eine geradezu irrsinnige, schizophrene Moral.

 

Praktisch handelst Du so, als ob es keinen guten Gott gäbe. Theoretisch tust Du so, als wenn es diesen guten Gott gäbe. Wer also theoretisiert hier? Und wer leugnet hier theoretisch, dass es da ein Problem gibt?

...es ist moralisch richtig, Menschen in Not zu helfen (bedarf das einer Erwähnung?)

Wenn Gott einschreitet, bräuchte sich der Mensch nicht mehr zu kümmern, -wäre dann moralisch nicht mehr gefordert. Der Mensch ist aber gefordert, zumal er für einen großen Anteil des Übels selbst verantwortlich ist. Gott schreitet zuweilen ein, das nennt man "Wunder". Die Wunder geschehen jedoch auf eine Weise, daß sie nur den unmittelbar Betroffenen erkenntlich sind, den Außenstehenden bleiben sie verschlossen, sie vermuten eine Täuschung. Das war bei Jesus damals nicht anders (Joh 9:13-34)

-

Gott offenbart sich dieser Welt schrittweise, die Offenbarung erfolgt von Anfang an entgegen Widerständen.

Der Aspekt "Gott" (jedenfalls in christlicher Sicht) hat zwei Gesichtspunkte. Gott wird im ersten Schritt in seiner Eigenschaft der Transzendenz erkannt. Dies ist der Gott der Juden, der sich für Sein Volk als mächtig erweist und es aus ägyptischer Gefangenschaft auf gefahrvollen Wegen, - nicht ohne Umwege und Rückschläge, ins gelobte Land weist. Gott ist zwar der Allmächtige, der Schöpfer von Himmel und Erde, - er beginnt jedoch ein Bündnis mit einem relativ kleinen, widerspenstigen Volk (dies bitte ich rein biblisch, aber nicht abwertend zu verstehen). Gott schließt ein Bündnis mit Seinem Volk das inmitten anderer Völker lebt, Völker, die unüberschaubar viele andere, aus dieser Sicht falsche Götter verehren. Der Glaube Israels setzt sich durch, in dem Maß, wie das Volk durch all seine "Prüfungen" hindurch besteht, - ein mühevoller Weg.

In einem zweiten Schritt wird Gott "immanent". Er wird "Mensch". Er wird einer wie wir. Er trägt die Eigenschaften zweier Naturen in sich, die der menschlichen und die der göttlichen. Nicht so, daß er "halb Gott" und "halb Mensch"wäre, sondern beide Naturen sind in ihm vollständig vorhanden (so sagen es jedenfalls die Dogmen). Nunmehr geht Gott die Frage der Theodizee ganz eindeutig an, "die Krankheit ist nicht mehr ´zum Tode´, sondern zur Verherrlichung Gottes - genauer: ´damit durch sie der Sohn Gottes verherrlicht werde´(Joh 11:4), - oder, nach einer anderen Begebenheit: "Als die Leute dies sahen, fürchteten sie sich und priesen Gott, der solche Macht den Menschen verlieh" (Matt 9:8)

-

Was ich damit sagen will. Die Frage und das Problem der Theodizee besteht natürlich bis zum heutigen Tag, wir leiden bis zum heutigen Tag darunter. Ohne Gott bleibt "Leiden" ohne Hinterfragung - mit Gott besteht Hoffnung auf eine Überwindung des Leidens, - in meinem Leiden weiß ich mich "getragen" von Gott, Gott, dessen Wirken auch über den physischen Tod hinausreicht!

bearbeitet von lh17
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Was denn nun - ist es moralisch richtig, Menschen in Not zu helfen? Dann ist es moralisch falsch, wenn Gott nicht hilft. Wenn es aber moralisch richtig ist, Menschen ebensowenig zu helfen wie Gott das tut, und Du Deine Moral auf Gott gründest, wieso ist es dann richtig, Menschen zu helfen? Es kann doch nicht richtig und falsch zugleich sein, Menschen zu helfen! Das ist doch eine geradezu irrsinnige, schizophrene Moral.

 

Praktisch handelst Du so, als ob es keinen guten Gott gäbe. Theoretisch tust Du so, als wenn es diesen guten Gott gäbe. Wer also theoretisiert hier? Und wer leugnet hier theoretisch, dass es da ein Problem gibt?

...es ist moralisch richtig, Menschen in Not zu helfen (bedarf das einer Erwähnung?)

Wenn Gott einschreitet, bräuchte sich der Mensch nicht mehr zu kümmern, -wäre dann moralisch nicht mehr gefordert.

Das stimmt nicht. Ich bin z.B. (leider, wäre immer noch mein Traumberuf, wenn nur das Gesundheitswesen bei uns nicht so sch**** wäre) keine Ärztin und kann Menschen, die medizinisch in großer Not sind, nicht richtig ursachenbekämpfend helfen. Das ändert aber nichts daran, daß ich auf andere Weise helfen kann, wenn jemand krank ist.

 

 

Davon abgesehen: Ich halte es für einen ziemlich perfiden Grund, bei Leid nicht einzuschreiten, damit andere die Chance bekommen, moralisch zu handeln. Moralisches Handeln ist kein Selbstzweck, es ist immer dort erforderlich, wo Not gewendet werden muß.

 

Außerdem wäre eine Anleitung zur Selbsthilfe auch schon ausreichend gewesen: Wie beugt man als Mutter absolut zuverlässig dem plötzlichen Kindstot vor? Eine Anleitung für eine Technik, mit der man jeden Krebs zuverlässig im heilbaren Stadium entdeckt. Eine Impfformel gegen Demenz oder AIDS. Etc. Tun hätten wir es schon immer noch selber gemußt!

 

Stattdessen hat uns Gott eine sehr mickrige, wenig hilfreiche Anleitung für diese Welt gegeben. MIt den zehn Geboten alleine ist kaum eine der großen Menschheitskatastrophen vermeidbar. Es ist ja nichteinmal ein Hinweis auf eine gute Kopfschmerzmedizin darin!

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Volker 

Geschrieben am: 6 Nov 2004, 00:40

 

Aber woher kommt diese Gewissheit? Das ist mir ein Rätsel. Geht alles gut, neigen Gläubige zu der Auffassung, dass dies von Gott kommt. Geht alles schief, neigen Gläubige zu der Auffassung, dass sie auch durch die Katastrophen von Gott getragen werden. Wird alles noch schlimmer, wird dahinter irgendein "übergeordneter göttlicher Plan" vermutet (über den man aber nichts genaues sagen kann). Alle Guten Dinge werden Gott zugeschrieben - hilft ein freundlicher Mensch, hat Gott dafür gesorgt (dass es ein Mensch war, vergisst man zu leicht) Schadet einem ein böswilliger Mensch, so wird das nicht auf Gott zurückgeführt, sondern auf menschliche Unzulänglichkeit. Das klingt für mich nach selektiver Auswahl der Tatsachen - diese werden immer so hingebogen, dass es auf die eigene Interpretation passt (statt die Interpretation den Tatsachen anzupassen).

 

 

Gott wirkt auschließlich Gutes. Entweder unmittelbar oder mittelbar. Wenn mttelbar, dann ist ein zeitlich begrenztes Übel möglich, wenn es für ein Heil notwendig ist. Das Gute hat das Gute, die Liebe, das Heil und das Leben zum Ziel.

Das Böse das Böse, den Haß, das Unheil und den Tod zum Ziel.

Wenn ein guter oder ein böser Mensch etwas tut , dann ist das zunächst dessen freie Entscheidung.

Darüberhinaus prüft und lehrt der Herr dem Menschen auch, deswegen kann er auch Leid über den Menschen bringen. Dazu gibt es ja auch Stellen in der Schrift. Genauso kann der Herr dem Menschen auch zur Seite stehen, wenn man ihn in der Not anruft.

Der Herr mag es daher auch fügen, daß ein guter und ein böser Mensch aufeinandertreffen.

Es werden also nicht nur alle gute Dinge auf Gott zurückgeführt, sondern auch die Schlechten, insofern Gott sie direkt bedingt oder zuläßt. Der Gläubige geht dabei aber davon aus, daß alles was ist, so sein soll (und muß) wie es ist und es deswegen für das Leid einen Grund gibt. Dieser Grund ist der Heilsplan.

Der Heilsplan soll den Menschen die Rückkehr zu Gott aus Freiheit herauß ermöglichen.

Ob daher das Leid auf Erden angesichts des Heilsplanes gerechtfertigt ist oder nicht, würde sich uns erst erschließen, wenn wir das "Ergebnis" des Heilplans kennen würden.

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Lieber Volker!

 

Aber woher kommt diese Gewissheit? Das ist mir ein Rätsel. Geht alles gut, neigen Gläubige zu der Auffassung, dass dies von Gott kommt. Geht alles schief, neigen Gläubige zu der Auffassung, dass sie auch durch die Katastrophen von Gott getragen werden.  Wird alles noch schlimmer, wird dahinter irgendein "übergeordneter göttlicher Plan" vermutet (über den man aber nichts genaues sagen kann).

 

Woher die wachsende Gewissheit kommt, kann ich auch nicht so genau sagen. Zum Teil ist es Geschenk (ich denke, dass der Begriff "Gnade" so etwas meinen könnte: die Erfahrung, dass es in einem etwas gibt, was einen allen scheinbaren Widersprüchen und allem Elend zum Trotz trotzdem auf Sinn vertrauen lässt), zum Teil ist es aber auch "Arbeit" an mir selber.

Es hat damit zu tun, dass man nicht vorschnell sich gegen etwas entscheidet, sondern aushält im Nichtverstehen und in der Spannung der unvereinbar scheinenden Widersprüche, es hat damit zu tun, dass man nicht aufhört, Fragen zu stellen und zu suchen usw. (Die Sätze "Klopft an, und es wird euch aufgetan werden" oder "Wer suchet, der findet" werden für mich immer wieder neu wahr.)

 

 

Alle Guten Dinge werden Gott zugeschrieben - hilft ein freundlicher Mensch, hat Gott dafür gesorgt (dass es ein Mensch war, vergisst man zu leicht) Schadet einem ein böswilliger Mensch, so wird das nicht auf Gott zurückgeführt, sondern auf menschliche Unzulänglichkeit. Das klingt für mich nach selektiver Auswahl der Tatsachen - diese werden immer so hingebogen, dass es auf die eigene Interpretation passt (statt die Interpretation den Tatsachen anzupassen).

 

Noch einmal: Für mich ist das nicht so eindeutig wie für dich, was "Schaden" und was "Nutzen" ist. Leben ist nicht so linear, sondern komplex und vernetzt. Und was vordergründig gut scheint, kann sich auf Dauer als "dem Leben" abträglich erweisen und umgekehrt.

Es geht um die Bewertung, die du für mein Gefühl viel zu früh machst.

 

Und wenn du Tatsachen ernst nehmen willst: es ist eine empirisch erfassbare Tatsache, dass es Menschen gibt - und gar nicht wenige - , die auch in größtem Leid nicht zerbrechen und verzweifeln, sondern (natürlich oft erst in einem langen Prozess) ja sagen können dazu und trotzdem (oder gerade deswegen) ihr Leben als sinnvoll und reich erfahren.

Auch wenn dir das unverständlich ist, solltest du es vielleicht einmal einfach so stehen lassen und den Menschen Glauben schenken und nicht alle für dumm oder denkfaul erklären, die anderes erfahren als du bis jetzt. (Deine gelegentlichen Belehrungen und Interpretationen in dieser Hinsicht wirken auf mich ein bisschen arrogant und eher lustig)

 

Für mich haben Liebe und Moral gemeinsame Ziele: Die Verminderung des Leids und die Vermehrung des Glücks. Beides, Liebe und Moral, sind ohne diese Ziele wertlos.

 

Da haben wir einfach unterschiedliche Vorstellungen vom Ziel. Für mich ist es nicht Leidfreiheit und Glück, wie du es verstehst, sondern "Leben" und "Freude". Und "Freude" (oder Gück, wie du es verstehst), ohne ein Mitschwingen von Trauer ist für mich nicht "volle Freude".

Musik, die nur aus "reinen" Tönen besteht, ist schön und klar und trotzdem entsteht ein "voller Klang" erst, wenn Obertöne und Bässe und u.U. auch Dissonanzen mitschwingen.

 

Sicher, aus Leid kann man lernen, und man sollte seine Kinder nicht vor allem Leid bewahren, weil man sie dann vor dem Lernen bewahrt. Aber das gilt nicht für ungerechtfertigtes Leid. Wenn man aus Leiden lernt, zukünftiges Leid zu meiden, ist es gerechtfertigt.

 

Ja, und wie weißt du das vorher, ob jemand aus dem Leid lernt, oder dran zerbricht? Woher weißt du, dass das verschüttete Erdbebenopfer nicht völlig versöhnt mit seinem Schicksal stirbt und genau in diesen letzten Stunden Notwendiges gelernt hat?

 

Ich finde es schön und interessant, dass es für dich doch offensichtlich auch denkbar ist, dass im Leid Sinn stecken kann. Was ich mich dann einfach frage, ist, woher du die Sicherheit darüber nimmst, dass du beurteilen kannst, welches Leid sinnvoll ist und welches nicht.

 

Nur wenn, du das nämlich ganz sicher sagen kannst, dass es sinnloses Leid gibt, geht deine weitere Argumentation nicht völlig ins Leere.

In dem Moment, wo ich mir diese letzte Beurteilung darüber offenhalte und eingestehe, dass ich darüber keine letzte Sicherheit haben kann, ist Leid kein sicheres Argument gegen einen Gott der Güte und Liebe mehr.

 

Ich verzichte halt darauf, zu meinen, dass ich das definitiv beurteilen kann.. Aus meiner eigenen Erfahrung heraus trau ich mich das nicht mehr zu sagen, dass es definitiv sinnloses Leid gibt. Ich sag sehr wohl, dass ich den Sinn oft hinten und vorne nicht sehen kann usw, aber ich habe auch die Demut zu sagen, dass das an meiner eigenen Begrenztheit liegen kann. Das ist ganz real und nüchtern: ich weiß nicht, was im Kopf und Herzen des Erdbebenopfers letztlich vor sich geht.

 

Auf "göttliche Moral" habe ich mich noch nie berufen. Mein Bild von Welt ist ein anderes. Die Vorstellung von Gott als Uhrmacher, der mit dem Schraubenzieher da und dort ein Rädchen nachdreht, ist seit ein paar Jahrhunderten überholt und ich nehme an, sie ist auch nicht deine.

Trotzdem klingt das für mich immer wieder durch, wenn du mit Gottes "Allmacht", die er nicht so einsetzt, wie du es von einem moralisch agierenden Gott erwarten würdest, argumentierst.

 

Es ist Deine Entscheidung. Sich nicht entscheiden zu wollen ist kein Ausweg aus dem Dilemma, es ist nur eine Entscheidung dafür, sich den Konsequenzen seines Denkens nicht stellen zu wollen. Die Konsequenzen seines Denkens und Handelns zu ignorieren ist selbst ein unmoralische Entscheidung (eine moralische Entscheidung ist nur dann moralisch, wenn man die Konsequenzen bedenkt).

 

Es ist meine Entscheidung, meinen Zugang zum Leben auf mehr als nur die Ratio zu bauen. Und diese Entscheidung heißt alles andere, als dass ich die Konsequenzen meines Denkens und Handelns ignoriere, ganz im Gegenteil.

 

Du legst zweierlei Maß an - eines an menschliches Handeln, eines an Gottes Handeln. Das ist eine "doppelte Moral", was selbst wiederum unmoralisch ist, womit Du zugibst, dass Gott nach menschlichen Moralmaßstäben nicht gut ist.

Die Frage ist wieder die nach dem Ziel. Ein ganz zentraler Satz in meinem Glauben ist: "Ich will, dass sie das Leben haben und es in Fülle haben"

Da ist kein Widerspruch, wenn ich mich für dieses Leben einsetzen will, so gut ich es kann (In mein Handeln will ich alles einbeziehen, was ich weiß und für richtig erkenne. Das heißt für mich auch, dass ich mich nach meinen Kräften gegen Leid und Schmerz einsetze und wehre) und gleichzeitig die Demut habe, zu sehen, dass mein Erkennen "stückweise" ist und ich nicht den völligen Überblick habe. Ich kann und will "dem Leben" nicht vorschreiben, was "gut" (= "lebensfördernd" und meint "inneres" und "äußeres" Leben).

 

Was Dich entschuldigt ist, dass es Dir bisher nicht aufgefallen ist. Allerdings, so fürchte ich, gilt diese Entschuldigung nach dem Lesen dieses Textes nicht mehr. Jetzt hast Du nur noch die Wahl, Deine intellektuelle Redlichkeit zu opfern, aber das wäre Selbstbetrug - und das wiederum ist unmoralisch, oder Du kannst Deine Ansichten ändern.

Grins. Siehe oben.

Für mich ist das allerdings kein Dilemma, ganz einfach deswegen, weil ich nicht an die Existenz Gottes glaube!

Es freut mich, dass du dich trotzdem mit einer Frage, die für dich keine mehr ist, so ausführlich beschäftigst!

 

Gruß

 

Susanne

bearbeitet von Ennasus
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Hallo Stefan!

 

Ich verstehe dich schon.

Nur: es ist kein Konstrukt, was ich schreibe, sondern mir zugewachsene Erfahrung. Die habe ich nicht selbst gemacht und die Sicherheit, die ich habe, wächst nicht aus der Verdrängung, sondern genau aus dem mich-Stellen. (Das kann ich dir natürlich nicht beweisen und es steht dir frei, mir das nicht zu glauben)

Eine gute Diskussion.

 

Was ich persönlich anmerken möchte ist folgendes : Egal was passiert, wie groß und sinnlos das Leiden sein mag, durch Euren katholischen Filter ist alles sinnvoll und richtig.

 

Ich frage Dich : Was müsste passieren das gegen Gott spricht ?

Der Sinn wird sich vielfach nicht erschließen lassen. Es ist auch kein Filter, der hier benutzt wird, denn es wird ja nichts (Schmerz und Leid) weg-gefiltert. Es ist eine Frage des Vertrauens darin, dass mir die Kraft "gegeben" (du wüdest vielleicht eher aktivisch formulieren: dass ich die Kraft - im mir - finde) wird, durch Scherz und Leid hindurch gehen zu können und am anderen Ende "hei" herauskomme.

 

Gegen Gott würde nur eines sprechen: Eine Leere nach dem Sterben.

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Die Sätze "Klopft an, und es wird euch aufgetan werden" oder "Wer suchet, der findet" werden für mich immer wieder neu wahr.)

Liebe Susanne,

 

vor wenigen Tagen erst ist mir so richtig bewußt geworden, worauf sich dieses Anklopfen und Suchen bezieht. Es ist das Reich Gottes im Hier und Jetzt.

 

Herzliche Grüße

Martin

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Nun kannst Du Gott aber nicht vorschreiben, wie er vorzugehen hat.

Nunja, ein wenig Mitspracherecht - zuumal wir irdischen Lebewesen ja die Hauptleidtragenden seiner Schöpfung zu sein scheinen - fände ich schon angemessen.

 

 

Ihr habt doch immer diesen Kind/Vater-Vergleich. Bei Maßnahmen, die ein Vater trifft und die vor allem Konsequenzen für die Kinder haben, sollten Kinder ab einem gewissen Alter aber schon ein Wörtchen zu sagen haben.

... sonst gibt es nämlich keinen freien Willen.

Und vor allem keine ernstzunehmende Wechsel-Beziehung. Was soll denn überhaupt ein Gott mit Menschen anfangen, die er zwar nach seinem Ebenbild geschaffen hat, von denen er aber nichts zu lernen bereit ist und die ihn zu keinerlei Sinneswandel bewegen können? (Mein Sohn ist erst zweieinhalb und ich lerne schon jetzt eine ganze Menge von ihm!)

Hallo Lissie!

 

Es kommt mir nicht ganz einfach vor, da drauf zu antworten.

 

Zu deinem ersten Posting: ich erlebe mich (zumindest momentan) nicht als "Leidtragende" der Schöpfung, sondern als selbstverständlichen Teil davon. Dazu gehört, dass ich zunehmend gut ja sagen kann zu den Bedingungen, unter denen wir leben. Und in mir ist (nicht permanent) große Dankbarkeit für dieses Leben.

Ich wäre völlig überfordert, wenn ich "Mitspracherecht" für das große Ganze haben müsste. Was ich allerdings sehr wohl habe und auch wahrnehmen möchte, ist ein "Mitgestaltungsrecht" bzw eine "Mitgestaltungspflicht". Ich glaube, dass "die Kraft" (oder "das Leben" oder "Gott") auf jeden einzelnen von uns angewiesen ist und sehnsüchtig darauf wartet, dass wir Verantwortung übernehmen und mitarbeiten am Wachstum dieser Schöpfung.

 

Zu "wechselseitiger Beziehung" zwischen Menschen gehört das, was du geschrieben hast, ganz ohne Zweifel dazu. Allerdings kommt mir die Vorstellung, dass Gott von mir lernen soll, schwierig vor. Das liegt dran, dass "Gott" für mich "der Heilige" ist und ich mir meiner Grenzen sehr bewusst bin. Ich seh die Aufgabe des Menschen (in der Entwicklungsgeschichte der Evolution und - soweit als möglich - in jedem einzelnen Menschenleben) darin, auch "heilig" zu werden, damit genau diese wechselseitige Beziehung zwischen der schöpferischen Kraft und der in der Welt herangewachsenden "Antwort" stattfinden kann. Momentan sind wir diese "ebenbürtigen Dialogpartner" Gottes noch nicht. Aber dieser "fertige" Mensch ist bereits auf Erden "erschienen" und hat uns den Weg gebahnt: In der Beziehung von Jesus zum "Vater" wird sichtbar, wie fertige Wechselbeziehung zwischen "dem Schöpfer" und der "fertigen Antwort" aussieht.

Davon abgesehen: Ich halte es für einen ziemlich perfiden Grund, bei Leid nicht einzuschreiten, damit andere die Chance bekommen, moralisch zu handeln. Moralisches Handeln ist kein Selbstzweck, es ist immer dort erforderlich, wo Not gewendet werden muß.

Außerdem wäre eine Anleitung zur Selbsthilfe auch schon ausreichend gewesen: Wie beugt man als Mutter absolut zuverlässig dem plötzlichen Kindstot vor? Eine Anleitung für eine Technik, mit der man jeden Krebs zuverlässig im heilbaren Stadium entdeckt. Eine Impfformel gegen Demenz oder AIDS. Etc. Tun hätten wir es schon immer noch selber gemußt!

Stattdessen hat uns Gott eine sehr mickrige, wenig hilfreiche Anleitung für diese Welt gegeben. MIt den zehn Geboten alleine ist kaum eine der großen Menschheitskatastrophen vermeidbar. Es ist ja nichteinmal ein Hinweis auf eine gute Kopfschmerzmedizin darin!

 

Das Erste seh ich auch so.

Zum Nachfolgenden: ich frag mich, wie du dir eine umfassende Handlungsanleitung für die Welt vorstellst. Mit unzähligen Gesetzen und Richtlinien für alle potentiell auftauchenden Fragen? Ist da nicht ein Widerspruch zu deiner vorherigen Forderung, als eigenständiges Gegenüber ernst genommen zu werden?

Ich würde mich da wesentlich mehr entmündigt fühlen, als wenn die Handlungsanleitung heißt: "Liebe!"

Da bin ich und ist mein eigener Beitrag wirklich gefragt: herausfinden, was das im Konkreten wirklich heißt, wie ich das umsetzen soll und kann usw.

 

Lieben Gruß

 

Susanne

bearbeitet von Ennasus
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Was ich persönlich anmerken möchte ist folgendes : Egal was passiert, wie groß und sinnlos das Leiden sein mag, durch Euren katholischen Filter ist alles sinnvoll und richtig.

 

Ich frage Dich : Was müsste passieren das gegen Gott spricht ?

Hallo maxinquaye!

 

Ich seh es wie Martin: Das ist kein Filter.

Glauben (und damit meine ich genau das: Leben aus dem Vertrauen, dass es Sinn und Ziel gibt) hat genauso wie Hoffen und Lieben mit Ich-Aktivität zu tun: Ich muss Glauben schenken, ich muss Hoffnung fassen, ich muss Liebe leben.

Das ist nicht eine einmal getroffene Entscheidung bzw überhaupt etwas, wo man halt zufällig und weil man zu faul ist zum Denken oder zu feig oder zu schwach, der Wirklichkeit ins Auge zu schauen, hineinrutscht.

Das ist immer wieder bewusste Kopfarbeit, bewusstes Zurückholen und Erinnern von Erfahrungen des Geführt - und Begleitet- und Getragenseins z.B.

Das Vertrauen wird ständig von selber weniger und es gibt immer wieder Situationen und Zeiten, wo sich mir die selben Fragen neu stellen und wo ich der Kraft in meinem Innern neu nachspüren muss und mich neu dazu durchringen muss, mein Leben aus einer Haltung der Hoffnung und des Vertrauens gestalten zu wollen.

Manchmal käme es mir anders leichter vor, aber mir geht es einfach so, dass mich diese Fragen nicht loslassen und immer wieder neu beschäftigen und ich muss irgendwie Antwort in mir finden ("fromm" formuliert: ich fühle mich immer wieder angeredet und gerufen)

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vor wenigen Tagen erst ist mir so richtig bewußt geworden, worauf sich dieses Anklopfen und Suchen bezieht. Es ist das Reich Gottes im Hier und Jetzt.

:blink::P:)

 

Einen lieben Gruß!

 

Susanne

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Ich frage Dich : Was müsste passieren das gegen Gott spricht ?

Wenn man sich die Argumente genau ansieht, dann wird man feststellen, dass absolut nichts passieren kann, was gegen Gott sprechen könnte: Was gegen Gott spricht wird entweder ignoriert oder uminterpretiert.

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Hallo Stefan!

 

Ich verstehe dich schon.

Nur: es ist kein Konstrukt, was ich schreibe, sondern mir zugewachsene Erfahrung. Die habe ich nicht selbst gemacht und die Sicherheit, die ich habe, wächst nicht aus der Verdrängung, sondern genau aus dem mich-Stellen. (Das kann ich dir natürlich nicht beweisen und es steht dir frei, mir das nicht zu glauben)

Eine gute Diskussion.

 

Was ich persönlich anmerken möchte ist folgendes : Egal was passiert, wie groß und sinnlos das Leiden sein mag, durch Euren katholischen Filter ist alles sinnvoll und richtig.

 

Ich frage Dich : Was müsste passieren das gegen Gott spricht ?

Der Sinn wird sich vielfach nicht erschließen lassen. Es ist auch kein Filter, der hier benutzt wird, denn es wird ja nichts (Schmerz und Leid) weg-gefiltert. Es ist eine Frage des Vertrauens darin, dass mir die Kraft "gegeben" (du wüdest vielleicht eher aktivisch formulieren: dass ich die Kraft - im mir - finde) wird, durch Scherz und Leid hindurch gehen zu können und am anderen Ende "hei" herauskomme.

 

Gegen Gott würde nur eines sprechen: Eine Leere nach dem Sterben.

@ Susanne, Martin

 

Es ist auch kein Filter, der hier benutzt wird, denn es wird ja nichts (Schmerz und Leid) weg-gefiltert.

 

Ich spreche überwiegend das "Umfiltern" und nicht das "Wegfiltern" an.

 

Es ist eine Frage des Vertrauens darin, dass mir die Kraft "gegeben"

 

"Vertrauen" ist ein ist so ein Wort, das häufiger in dem Zusammenhang auftaucht. Das gehört nicht direkt zum Thema, deshalb ganz kurz : Vertrauen ist ein Wort das durchweg positiv besetzt ist. Aber das ist hier nicht gerechtfertigt. Vertrauen, aufrichtiges Vertrauen setzt eine Beziehung voraus, und Beziehung eine Art von Kommunikation. Aber Kommuniktion mit wem und wie ? Für mich ist "Vertrauen" letztlich nur eine Kaschierung des Umstandes dass man nicht recht weiss, mit wem und wie man kommuniziert, und sich das schönredet. Eurer Vertrauen gibt einen Wunschzustand wieder, aber keinen Ist-Zustand (das ist natürlich nur meine Sichtweise).

 

Gegen Gott würde nur eines sprechen: Eine Leere nach dem Sterben.

 

Das ist ein Riesenproblem. Denn dann sagt man, bei Betrachtung dieser Welt weist nichts auf Gott hin (wenn nichts gegen ihn sprechen kann, kann nichts für ihn sprechen). Dass es nur einen Hinweis nach dem Sterben gibt, das ist für mich unseriös (im Grunde genommen ein Hütchenspiel).

bearbeitet von maxinquaye
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