Gast Claudia Geschrieben 28. Juli 2004 Melden Share Geschrieben 28. Juli 2004 Wann *funktioniert* für Dich ein Weltbild? Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Volker Geschrieben 28. Juli 2004 Melden Share Geschrieben 28. Juli 2004 wichtig ist nicht, dass mein Weltbild "halbwegs" funktioniert, sondern dass es mit der Welt selbst übereinstimmt. Das denke ich nicht, Volker... natürlich ist es am wichtigsten, daß man mit seinem Weltbild zurecht kommt. Und Du kommst mit Deinem am besten zurecht... Beides hängt für mich zusammen: Ich komme am Besten mit einem Weltbild zurecht, welches mit der Welt selbst übereinstimmt. Bei den Internet Infidels hat das jemand auf den Punkt gebracht: Wahrheit ist eine Widerspiegelung der Welt, die Welt ist keine Widerspiegelung der Wahrheit. Deswegen kommt man in der Welt am Besten zurecht, wenn das Weltbild wahr ist. Das scheint mir sogar allgemeingültig zu sein, wobei ich es in meinem Posting in erster Linie auf mich bezogen habe. Jemand, der a-religiös erzogen wurde, wird mit einem religiösen Weltbild viel weniger zurecht kommen als ein so erzogener Christ etwa, der nichts anderes kennt als etwas Übernatürliches für wahr zu halten. Viele Leute, die immer ihr Weltbild und ihren Glauben zum Festhalten hatten, können sich nicht vorstellen, ohne feste übernatürliche Größe oder roten Leitfaden als Halt ihr Leben meistern zu können - auch wenn das 100mal nicht stimmt... Und jeder ist mehr oder weniger der Meinung, daß sein Weltbild sehr wohl mit der Realität überein stimmt... Ja, es reicht ja völlig aus, zu glauben dass das eigene Weltbild wahr ist. Man könnte sagen, dass die Mehrheit der Menschen ein nichtstimmiges Weltbild mit vielen Erklärungsmöglichkeiten einem stimmigen mit wenigen Erklärungen vorzieht. ...was nur bedeutet, daß den meisten Menschen etwas andertes wichtiger ist als Dir... Ja. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Ennasus Geschrieben 28. Juli 2004 Melden Share Geschrieben 28. Juli 2004 (bearbeitet) Wahrheit ist eine Widerspiegelung der Welt, die Welt ist keine Widerspiegelung der Wahrheit. Deswegen kommt man in der Welt am Besten zurecht, wenn das Weltbild wahr ist. Vielleicht bin ich jetzt "tüpfleschießig" - aber kann man wirklich sagen, dass Wahrheit was widerspiegelt? (Dann wäre Wahrheit zumindest seitenverkehrt zur Wirklichkeit ??) Ich suche jetzt nur, aber wäre s nicht richtiger irgendwie so: "Wahrheit sagt etwas Richtiges über die Wirklichkeit der Welt....." Ich frage mich auch, ob ein Bild "wahr" sein kann. Wenn man so von "Weltbild" redet, ist es ja immer nur ein Vorstellungsbild, das wir von der Wirklichkeit haben und ist immer gefärbt von unserer subjektiven "Wahr- Nehmung". Aber grundsätzlich sehe ich es auch so: ich glaube erstens, dass man ohne ein Vorstellungsbild davon, wie Welt funktioniert, gar nicht leben kann, weil wir solche "Sinnentwürfe" brauchen, wenn wir halbwegs bewusst leben wollen. Und zweitens will ich auch, dass mein Weltkonzept möglichst genau mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Dazu noch was: W. V. O. Quine war einer der unbarmherzigsten Anwender dieses Prinzips [Ockhams Rasiermesser]. Ich erinnere mich an eine Festschrift (um 1980), in der jemand gegenüber Quine den Satz von Shakespeare zitierte 'Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als sich unsere Philosophie erträumt'. Quine sagte etwas wie 'Möglich, aber mein Anliegen ist es, in meiner Philosophie nicht mehr Dinge zu haben, als es zwischen Himmel und Erde gibt'. (David Lyndes, Übersetzung von mir) Ich möchte auch nicht mehr Dinge drin haben, als es gibt. Die Frage ist nur, ob das, was ich wahrnehme, schon alles ist, was es gibt oder ob es nicht sinnvoll ist, im Bewusstsein meiner Begrenztheit da etwas vorsichtig zu formulieren. Susanne bearbeitet 28. Juli 2004 von Ennasus Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
MissyEve Geschrieben 28. Juli 2004 Melden Share Geschrieben 28. Juli 2004 Hi volker: Wahrheit ist eine Widerspiegelung der Welt, die Welt ist keine Widerspiegelung der Wahrheit.hilf mir mal mit zusätzlichen Erklärungen. Im Moment wirkt es für mich so, als ob die Wahrheit etwas Dynamisches, sich entwickelndes ist. Abhängig von dem, was bekannt wird. Das stände aber ganz krass im Gegensatz zur ursprünglichen Bedeutung von Wahrheit. Von der gibt es nämliche nur eine einzige Version. M.E. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Mat Geschrieben 29. Juli 2004 Melden Share Geschrieben 29. Juli 2004 Wann *funktioniert* für Dich ein Weltbild? Eine berechtigte Frage. Ein Weltbild funktioniert dann, wenn Leben und Bild moeglichst übereinstimmen. Ich kann das am besten an einem Beispiel darstellen, in dem das Gegenteil der Fall ist. Ein Alkoholiker ist über lange Zeit der Meinung, er habe sich und seinen Alkoholkonsum im Griff. Hat er aber nicht. Und da liegen dann die meisten Probleme. Aehnlich sieht es für mich in sektenhaften Zirkeln aus. Hier versucht man, das Leben dem weltbild anzupassen, nicht umgekehrt. Überall da, wo es zwischen Weltbild und Leben Inkonsistenzen gibt, besteht die Gefahr kleiner und großer Katastrophen. Dies lässt sich am Beispiel der Selbsteinschätzung gut zeigen. Es gibt Menschen, die halten sich für in einer bestimmten Weise begabt, glauben etwa, sie hätten gute Führungsqualitäten. Dies wird dann von der Umwelt nicht so gesehen. Und so wird zwischen Streben und wirklicher Fähigkeit immer eine Diskrepanz bleiben. Und wer das nicht erkennt, wird immer an diesem Punkt leiden und manipulierbar sein. Das Gegenbild für mich ist das gelingende Leben. Damit meine ich nicht Ruhm und Karriere, sondern die Erfahrung, weltbild und Leben in große Übereinstimmung zu bringen. So etwas macht frei. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Gast Claudia Geschrieben 29. Juli 2004 Melden Share Geschrieben 29. Juli 2004 Ein Weltbild funktioniert dann, wenn Leben und Bild moeglichst übereinstimmen. Hallo Matthias, das Leben kann nicht mit Bildern übereinstimmen, die etwas Unwahres behaupten oder sich an unbewiesene Dogmen klammern. Das geht schlicht nicht. Trotzdem scheint so ein Weltbild für viele Leute zu funktionieren... es muß also an irgendwas anderem liegen...? Viele Grüße, Claudia Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Franziska Geschrieben 29. Juli 2004 Melden Share Geschrieben 29. Juli 2004 das Leben kann nicht mit Bildern übereinstimmen, die etwas Unwahres behaupten oder sich an unbewiesene Dogmen klammern. Das geht schlicht nicht. Bilder "klammern" sich nicht an "unbewiesene Dogmen", Dogmen sind "Bilder". Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Max Geschrieben 29. Juli 2004 Melden Share Geschrieben 29. Juli 2004 Hallo Claudia, für dich erscheint es als unwahr. Für einen Christen hingegen ist das die Wahrheit. Grüße ps. alle Dogmen sind unbewiesen. Das sind feststehende Grundsätze, genauso wie Axiome in der Mathematik. Oder ist für dich die Mathematik deshalb auch nicht wahr? . Das ist eben eine interne Inkonsistenz in Claudias Weltbild. Religion kann gar nicht wahr sein, und man selbst uebernimmt nie etwas unbewiesenes, das machen nur die anderen... Gruss Max Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Volker Geschrieben 29. Juli 2004 Melden Share Geschrieben 29. Juli 2004 ps. alle Dogmen sind unbewiesen. Das sind feststehende Grundsätze, genauso wie Axiome in der Mathematik. Oder ist für dich die Mathematik deshalb auch nicht wahr? . Mathematik ist nur innerhalb ihres eigenen Rahmens wahr. Der Wahrheitsbegriff der Mathematik hat keinen Bezug zu unserem alltäglichen Wahrheitsbegriff (Korrespondenztheorie: Der Satz "Der Schnee ist weiß" ist genau dann war, wenn es tatsächlich der Fall ist, dass der Schnee weiß ist). 3.000 Jahre lang nahm man an, dass die Euklidische Geometrie so etwas die Verkörperung der Wahrheit schlechthin sei. Immerhin erlaubte sie es, Pyramiden und Kathedralen zu bauen - die fünf Axiome hatten sich also bewährt. Aber - Überraschung! - man hatte 3.000 Jahre lang übersehen, dass es zwei Alternativen zum fünften Axiom gab, auf dem man zwei weitere nichteuklidische Geometrien aufbauen konnte. Nächste Überraschung: Die Geometrie des Universums ist nichteuklidisch. Den naiven Glauben, die Mathematik sei in irgendeiner Weise und in irgendeinem Bezug zur Welt außerhalb der Mathematik wahr, haben die Mathematiker schon lange aufgegeben. Mathematik ist nicht wahr, sie ist bestenfalls nützlich. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
karolin Geschrieben 29. Juli 2004 Melden Share Geschrieben 29. Juli 2004 Den naiven Glauben, die Mathematik sei in irgendeiner Weise und in irgendeinem Bezug zur Welt außerhalb der Mathematik wahr, haben die Mathematiker schon lange aufgegeben. Mathematik ist nicht wahr, sie ist bestenfalls nützlich. Da bastelst du am Warheitsbegriff rum, so wie er gelegen kommt.... Die Mathematik ist wahr. Und zwar überall da, wo sie vorkommt und mit ihren vorher festgelegten Grundsätzen übereinstimmt. Ich kann am Ende eines komplizierten mathematischen Problems auch nicht sagen: Ach was, 3+5 ist jetzt einfach mal 7, damit die ganze Rechnung stimmt. Ich muß mich an unbewiesene Konventionen halten, damit Mathematik überhaupt praktizierbar ist. Auch heute noch. Sonst hätte jeder seine privat-Mathematik. Richtig sagst du, daß man nicht verschiedene Dinge zusammenwerfen darf. Mathematik ist ein insich geschlossenes System. Das habe ich in meiner Antwort auch berücksichtigt. Genausowenig, wie ich den Glauben berechnen kann, kann ich an die Mathematik mit dem Glauben herangehen. Das eine ist ein Werkzeug der Naturwissenschaft, das andere ist Geisteswissenschaft. Also zwei völlig verschiedene Methoden, mit völlig verschiedenen Bereichen zur Wahrheitsfindung. Was ich lediglich sagen wollte: Beide Bereiche haben in ihrem System Grundsätze, die ohne Beweis festgelegt sind. Deswegen wird allerdings das System nicht weniger wahr. Grüße Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Volker Geschrieben 29. Juli 2004 Melden Share Geschrieben 29. Juli 2004 Den naiven Glauben, die Mathematik sei in irgendeiner Weise und in irgendeinem Bezug zur Welt außerhalb der Mathematik wahr, haben die Mathematiker schon lange aufgegeben. Mathematik ist nicht wahr, sie ist bestenfalls nützlich. Da bastelst du am Warheitsbegriff rum, so wie er gelegen kommt.... Nein, ich habe in meinem Wahrheitsbegriff bereits gesagt, dass Wahrheit immer auch nützlich sein sollte. Aber Nützlichkeit ist eben nur ein Teil der der Wahrheit ... Die Mathematik ist wahr. Und zwar überall da, wo sie vorkommt und mit ihren vorher festgelegten Grundsätzen übereinstimmt. Ich kann am Ende eines komplizierten mathematischen Problems auch nicht sagen: Ach was, 3+5 ist jetzt einfach mal 7, damit die ganze Rechnung stimmt. Ich muß mich an unbewiesene Konventionen halten, damit Mathematik überhaupt praktizierbar ist. Auch heute noch. Sonst hätte jeder seine privat-Mathematik. So, wie jeder seinen Privat-Glauben hat? Deine Wahrheitsauffassung scheint mir deflationistisch zu sein. Der Deflationismus behauptet, dass etwas in einem System wahr ist, wenn man die Grundlagen des Systems akzeptiert, nur auf Basis dieser Grundlagen ist es überhaupt sinnvoll, einen Wahrheitsbegriff zu benutzen. Ob der Wahrheitsbegriff außerhalb des Systems gültig ist, darf bestritten werden. D. h. nur wenn man akzeptiert, dass 1 + 1 = 2 ist (bzw. die grundlegenden Axiome der Arithmetik, das Rahmenwerk der Mathematik), dann ist auch 2 + 5 = 7. Der Deflationismus hat nur einen Haken: Er bietet selbst ein Rahmenwerk an, um über die Wahrheit einer Aufassung zu diskutieren, verlässt man dieses Rahmenwerk, dann darf man seine Wahrheit bestreiten ... Man kann natürlich behaupten, dass der Satz "Gott existiert" nur innerhalb der Annahmen des theistischen Weltbilds gültig ist, so wie 1 + 1 = 2 nur innerhalb des arithmetischen Rahmens Gültigkeit beanspruchen kann, aber gewonnen ist damit nichts, weil ich jederzeit einen atheistischen Rahmen "aufspannen" kann, in dem gilt "Gott existiert nicht". Ist die Existenz Gottes von der Existenz von Dogmen abhängig? Existiert Gott, wenn man bestimmte Dogmen akzeptiert, und hört er auf zu existieren, wenn man diese Dogmen nicht akzeptiert? Dann hätte ich die magische Macht, Gott zu vernichten und wieder neu zu erschaffen, je nachdem, was ich gerade denke. Wenn Du das für absurd hältst - ich tue es auch. Realität wird nicht von unserem Denken bestimmt, es ist die Realität, die unser Denken bestimmen sollte. Die Existenz Gottes hängt nicht von irgendwelchen Dogmen ab. Richtig sagst du, daß man nicht verschiedene Dinge zusammenwerfen darf. Mathematik ist ein insich geschlossenes System. Das habe ich in meiner Antwort auch berücksichtigt. Genausowenig, wie ich den Glauben berechnen kann, kann ich an die Mathematik mit dem Glauben herangehen. Das eine ist ein Werkzeug der Naturwissenschaft, das andere ist Geisteswissenschaft. Also zwei völlig verschiedene Methoden, mit völlig verschiedenen Bereichen zur Wahrheitsfindung. Was ich lediglich sagen wollte: Beide Bereiche haben in ihrem System Grundsätze, die ohne Beweis festgelegt sind. Deswegen wird allerdings das System nicht weniger wahr. Richtig, Allerdings wird damit auch das Gegenteil nicht weniger wahr. Man kann über die Wahrheit eines Systems eben nicht dogmatisch entscheiden - man muss sich etwas Besseres einfallen lassen. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Max Geschrieben 29. Juli 2004 Melden Share Geschrieben 29. Juli 2004 Hallo Volker, da kann man endlos philosophieren. Ob es wahr ist, ist eine ganz andere Frage. Es koennte wahr sein. Martin Buber erzaehlt eine Geschichte von Rabbi Lavi Jizchak, der einen Zweifler und Unglaeubigen ansprach: „Mein Sohn, die Grossen der Thora, mit denen du gestritten hast, haben ihre Worte an Dich verschwendet, du hast, als du gingst darueber gelacht. Sie haben Dir Gott und sein reich nicht auf den Tisch legen koennen, und ich kann es auch nicht. Aber mein Sohn, bedenke, vielleicht ist es wahr.“ Dichter Paul Claudel aus, der 1886 in Notre Dame eine intensive Gotteserfahrung hatte: „Das Bauwerk, das ich mit meinen Meinungen und Kenntnissen errichtet hatte, blieb stehen. Das, was geschehen war, war ganz einfach, dass ich mich ausserhlab dieses Bauwerkes wiederfand ... Das was am meisten gegen meine Anschauungen und Neigungen ging, das war also wahr, das womit ich mich abfinden musste, ob es mir passte oder nicht...“ Die Frage ist nicht, ob es uns gefaellt oder plausibel erscheint, dass Jesus Gottes Sohn ist, die Frage ist die, ob dies wahr ist oder nicht. Wir bauen uns mit unserer Philosophie ein Bauwerk, oft ein wunderschoenes. Aber ob etwas wahr ist, ist damit nicht geklaert. Die Apostel haben vermutlich absolut nicht verstanden, was da gerade vor sich gegangen ist. Sie wussten, dass Jesus gestorben war, und nun sehen sie er lebt. Die Verklaerung auf Tabor etc etc. Das waren Erlebnisse, direkte Erfahrung. Weil das Christentum eine historische Religion ist, sind diese Erfahrungen nicht wiederholbar. Aber man kann als einzelperson vielleicht genug erfahren um sagen zu koennen "das damals kann wirklich wahr gewesen sein. Aber letztendlich ist es dann eine Glaubensentscheidung, keine blinde, aber es bleibt ein Wagnis. "Aber mein Sohn, bedenke, vielleicht ist es wahr.“ Gruss Max Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
prim_ass Geschrieben 29. Juli 2004 Melden Share Geschrieben 29. Juli 2004 (bearbeitet) Da bastelst du am Warheitsbegriff rum, so wie er gelegen kommt....Die Mathematik ist wahr. Und zwar überall da, wo sie vorkommt und mit ihren vorher festgelegten Grundsätzen übereinstimmt. Ich kann am Ende eines komplizierten mathematischen Problems auch nicht sagen: Ach was, 3+5 ist jetzt einfach mal 7, damit die ganze Rechnung stimmt. Ich muß mich an unbewiesene Konventionen halten, damit Mathematik überhaupt praktizierbar ist. Auch heute noch. Sonst hätte jeder seine privat-Mathematik. Hallo Karolin, obwohl ich Deine Intention bzgl. Wahrheit sehr unterstütze (später mehr), ist die Mathematik kein gutes Beispiel für die Wahrheit an sich. Wenn Du von den verschiedenen Privat-Mathematiken sprichst, dann liegst Du da gar nicht so falsch. Jeder kann sich seine eigene Mathematik erfinden, also ein mathematisches System von Axiomen welcher Art auch immer. Das ist kein Problem und wird auch so gehandhabt. Die Frage: Ist diese Mathematik in sich widerspruchsfrei in ihren Axiomen? Das gilt es dann zu analysieren. Aber ein widerspruchsfreies System als "Wahr" zu ettiketieren, halte ich für nicht gangbar, es sei denn, es gibt mehrere Wahrheiten. Das Beispiel der eukl. Geometrie ist da sehr schön. Ist sie wahr? Ist sie unwahr? Was ist unsere Bezugsgröße? Nur weil unser Universum nicht-erklid. zu sein scheint, sagt das nichts über den Wahrheitsgehalt der eukl. Geometrie aus. Nun zu Deiner Intention. Ich will mal, um beim Thread-Thema zu bleiben, ein Beispiel aus der Bibel bringen: Jesus spricht: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Das ist eine Aussage, die man nun glauben oder aber nicht glauben kann. Aber was glaube ich dann wirklich, wenn ich dieser Aussage glaube? Nun, zum einen glaube ich erst einmal, dass Jesus das wirklich gesagt hat, sofern er existierte. Also glaube ich, dass er existierte. Wenn Jesus aber die Wahrheit ist, dann muss ich alles, was er bezeugte und sagte, auch glauben und auch glauben, das dies alles korrekt überliefert wurde etc. Ich hoffe, ich konnte verständlich machen, was ich meine. Nun kommt der eigentliche Punkt von Volkers Kritik: Was ist, wenn es so aussieht, als ob die Aussagen Jesu nicht der Wirklichkeit entsprechen? Was darf (kann) ich dann noch glauben? Meine persönliche Antwort, die ich mit mir vereinbart habe ist: Jesus und seine Aussagen und die von ihm bezeugten Dinge, oder die von ihm dazu beauftragten Apostel dienen mir als absoluten Maßstab. Somit führe ich Dinge, die diesem Maßstab zu widersprechen scheinen, auf folgende Ursachen zurück: a) mein mangelndes Verständnis von dem, was Jesus bezeugt meine mangelhafte Wahrnehmung der Umwelt (siehe auch a) c) (böswillige) Täuschung über die äußeren Verhältnisse D.h., die Möglichkeit, der Wahrheitsanspruch Jesu sei unberechtigt, kommt für mich von vornherein nicht in Frage. Dies ist mir durchaus bewusst. Meine einmal getroffene Entscheidung, Jesu als den Erlöser und Sohn Gottes mit allem, was daraus folgt, anzuerkennen, will ich nicht mehr hinterfragen und "gegen den Strich bürsten". Das ist das, was ich für mich persönlich als "Glaube an Jesus Christus" verstehe. Wirklichkeit existiert für mich also nur in diesem Glauben. Meine persönliche Wahrhaftigkeit subsumiere ich darunter, diese Glaubensentscheidung als Filterfunktion offen und ehrlich einzugestehen. bearbeitet 29. Juli 2004 von prim_ass Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
lh17 Geschrieben 29. Juli 2004 Melden Share Geschrieben 29. Juli 2004 D.h., die Möglichkeit, der Wahrheitsanspruch Jesu sei unberechtigt, kommt für mich von vornherein nicht in Frage. Dies ist mir durchaus bewusst. Meine einmal getroffene Entscheidung, Jesu als den Erlöser und Sohn Gottes mit allem, was daraus folgt, anzuerkennen, will ich nicht mehr hinterfragen und "gegen den Strich bürsten". ... wobei es für das christliche Verständnis wichtig ist, daß Jesus ein Sohn Seines Volkes, der Juden, war. Er ist, nach christlicher Auffassung, der den Juden durch seine Propheten verheißene Messias. Die Christliche Wahrheit ist somit, auch wenn ihr Begründer Anstoß bei den Juden erregt hat, wobei der Anstoß bis heute besteht , eine Weiterführung, ja eine Verdichtung der dem Volk Israel verkündeten Wahrheit. So gesehen, hat "Wahrheit" etwas mit einem Weg zu tun - mit einem "in die richtige Richtung gehen". Die "Wahrheit lieben" heißt dann auch "umkehren", "den Weg erneut suchen", wenn ich merke, daß ich mich vom "rechten Weg" entfernt habe. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
prim_ass Geschrieben 29. Juli 2004 Melden Share Geschrieben 29. Juli 2004 ... wobei es für das christliche Verständnis wichtig ist, daß Jesus ein Sohn Seines Volkes, der Juden, war. Er ist, nach christlicher Auffassung, der den Juden durch seine Propheten verheißene Messias. Die Christliche Wahrheit ist somit, auch wenn ihr Begründer Anstoß bei den Juden erregt hat, wobei der Anstoß bis heute besteht , eine Weiterführung, ja eine Verdichtung der dem Volk Israel verkündeten Wahrheit.So gesehen, hat "Wahrheit" etwas mit einem Weg zu tun - mit einem "in die richtige Richtung gehen". Die "Wahrheit lieben" heißt dann auch "umkehren", "den Weg erneut suchen", wenn ich merke, daß ich mich vom "rechten Weg" entfernt habe. Selbstverständlich. Aber dies bewegt sich ja dann auch im Rahmen der Glaubensentscheidung am Anfang und stellt diese nicht mehr an sich in Frage. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Volker Geschrieben 29. Juli 2004 Melden Share Geschrieben 29. Juli 2004 Martin Buber erzaehlt eine Geschichte von Rabbi Lavi Jizchak, der einen Zweifler und Unglaeubigen ansprach: „Mein Sohn, die Grossen der Thora, mit denen du gestritten hast, haben ihre Worte an Dich verschwendet, du hast, als du gingst darueber gelacht. Sie haben Dir Gott und sein reich nicht auf den Tisch legen koennen, und ich kann es auch nicht. Aber mein Sohn, bedenke, vielleicht ist es wahr.“ Über das angeblich so furchtbare "Vielleicht" ist hier ein kleiner Text zu finden - eingeleitet mit Deinem Zitat von Buber: Das furchtbare Vielleicht? Das "Vielleicht" hebt sich selbst auf. Denn vielleicht ist auch alles unwahr? Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Accreda Geschrieben 29. Juli 2004 Melden Share Geschrieben 29. Juli 2004 Das "Vielleicht" hebt sich selbst auf. Denn vielleicht ist auch alles unwahr? Sprach einst ein Atheist: O armer Christ, wie du betrogen bist, wenn der Himmel eine Fabel ist. Sprach darauf der Christ: O armer Atheist, wie du betrogen bist, wenn die Hölle keine Fabel ist. Und um gleich der Höllenkeule zuvorzukommen: Nein, ich glaube nicht, daß alle Atheisten in der Hölle landen ... Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Ennasus Geschrieben 29. Juli 2004 Melden Share Geschrieben 29. Juli 2004 (bearbeitet) Hallo Volker! Stelle Dir vor, Du könntest auf dem Computer 60 Wörter pro Minute tippen und Du machst nur einen Fehler in einer Billiarde Wörtern. Dann würdest Du beim Tippen etwa alle 30 Millionen Jahre einen Fehler machen Das wäre ein Traum! Ich tippe nach dem 3-Finger-Adler-Such-System und brauche deutlich länger zum Korrigieren als zum Schreiben..... Die Wahrheit sagt nur dann etwas über die Welt, wenn wir zulassen, dass die Welt etwas über unsere Wahrheit sagt Ganz sicher bin ich jetzt nicht, ob ich da jetzt noch mitkomme. Dass Wahrheit nur dann Wahrheit ist, wenn sie mit der Wirklichkeit korrespondiert, das ist mir klar. Aber vielleicht müsste man sich auch zuerst über die Verwendung des Begriffes „Wahrheit“ einigen. So, wie ich „Wahrheit“ verstehe, stimmt das nämlich nicht mehr: „die Wahrheit sagt nur dann etwas über die Wirklichkeit der Welt…“ Wenn „Wahrheit“ wahr ist, sagt sie immer etwas über die Wirklichkeit der Welt, oder nicht? So, wie du das verwendest, wäre es vielleicht besser, von einer „mit der Wirklichkeit korrespondierender Aussage“ oder so was zu reden, als von Wahrheit (oder was Ähnlichem; ich bin nicht gerade genial im Formulieren von Definitionen). Ich bin mir nämlich nicht sicher, ob jede Wahrheit mit empirischen Methoden überprüfbar ist. "Ich liebe dich" kann wahr sein und trotzdem lässt sich das durch keine Simulation überprüfen, oder? Leider sind die theologischen Vertreter des christlichen Weltbilds die meiste Zeit über damit beschäftigt, warum man etwas nicht erklären kann, warum die Welt nicht mit dem übereinstimmt, was ihnen ihr Weltbild sagt (warum also ein perfekter Gott doch keine perfekte Welt geschaffen hat, warum ein guter Gott soviele Übel zulässt, warum man einen Gott nicht nachweisen kann, er aber doch in der Welt agiert, nur eben so, dass man es nicht merkt, aber andererseits doch so, dass man es nur selbst merkt ... usw. usf). Ich weiß nicht, mit was für theologischen Vertretern des christlichen Weltbilds du dich auseinandersetzst. Die, die ich kenne, von denen beschäftigt sich eigentlich keiner in dieser Art, wie du es ihnen vorwirfst mit den Fragen, die du ihnen unterschiebst. Vielleicht fragst du immer nur so, und sie versuchen, dir Antwort zu geben und du hörst darum nichts anderes. Kann das nicht sein? Was passiert, wenn ein Weltbild nicht mit der Welt zusammenpasst oder übereinstimmt oder korrespondiert? Viele Leute sagen: "Das ist aber schlimm für die Welt!". Ich hingegen sage: "Das ist aber schlimm für das Weltbild!". Ein unstimmiges Weltbild halte ich in erster Linie für traurig und u.U. schlimm für den, der es hat, in zweiter Linie dann auch für die Welt, weil das Handeln aus einer falschen Vorstellung über das, wie „Welt funktioniert“, negative Folgen für eben diese Welt haben wird. Warum es für das Weltbild selber schlimm sein soll, versteh ich nicht. Die entscheidende Frage ist nur, wie man damit umgeht, wenn es irgendwo keine Übereinstimmung gibt? Passt man dann die Welt seinem Weltbild an oder umgekehrt? Die Welt seinem Weltbild anpassen kann wohl niemand. Genau aus solchen Versuchen entsteht viel Schlimmes. Gerade im Bewusstsein seiner Begrenztheit sollte man vorsichtig sein, etwas anzunehmen, was den Rahmen des logisch möglichen Weltbilds sprengt. Gerade im Bewusstsein seiner Begrenztheit sollte man vorsichtig sein, etwas über Bord zu werfen, was man (noch) nicht versteht. Das hat mehr mit intellektueller Redlichkeit zu tun, als zu behaupten, dass meine Logik das Maß aller Dinge sei. Susanne bearbeitet 29. Juli 2004 von Ennasus Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
karolin Geschrieben 29. Juli 2004 Melden Share Geschrieben 29. Juli 2004 Die Existenz Gottes hängt nicht von irgendwelchen Dogmen ab. Richtig sagst du, daß man nicht verschiedene Dinge zusammenwerfen darf. Mathematik ist ein insich geschlossenes System. Das habe ich in meiner Antwort auch berücksichtigt. Genausowenig, wie ich den Glauben berechnen kann, kann ich an die Mathematik mit dem Glauben herangehen. Das eine ist ein Werkzeug der Naturwissenschaft, das andere ist Geisteswissenschaft. Also zwei völlig verschiedene Methoden, mit völlig verschiedenen Bereichen zur Wahrheitsfindung. Was ich lediglich sagen wollte: Beide Bereiche haben in ihrem System Grundsätze, die ohne Beweis festgelegt sind. Deswegen wird allerdings das System nicht weniger wahr. Richtig, Allerdings wird damit auch das Gegenteil nicht weniger wahr. Man kann über die Wahrheit eines Systems eben nicht dogmatisch entscheiden - man muss sich etwas Besseres einfallen lassen. Die Existenz Gottes hängt nicht von irgendwelchen Dogmen ab - richtig! Mit Dogmen wird der Glaube an Gott präzisiert, - und zwar nach bestem Wissen und Gewissen. Bei der Mathematik sind die Regeln voneinander abhängig, sie ergeben ein geschlossenes System. Auch die Theologie muß in sich schlüssig sein. Die Dogmen müssen nachvollziehbar, ja fast beweisbar sein! Ich muß hinter den Dogmen stehen, wenn sie für mein Leben Bedeutung erlangen sollen. Es gibt jedoch Dogmen von hoher Priorität und von einer geringeren. Im Extremfall muß (müßte) es sogar möglich sein, ein Dogma (geringerer Priorität) zu Gunsten besserer Erkenntnis zu modifizieren! Die erste Glaubensaussage lautet: Ich glaube an Gott, als die Ursache der sichtbaren und der unsichtbaren Welt. Die Dogmen schließen sich als notwendige "Präzisierung" diesem Satz an. Da immer weitergehendere Präzisierung gefragt war, wuchs die Dogmatisierung ins schier Unermeßliche, was die Dogmen wiederum in Misskredit brachte! Die Dogmen beschreiben ganz einfach den Glauben der Katholischen Kirche und trennen so Rechtgläubigkeit und Ketzertum - wobei heutzutage die Ketzer, Gott sei Dank, nicht mehr auf dem Scheiterhaufen landen - wenn sie sich nicht zu provokant und auffällig durch Puplikationen outen, und auch nicht gleichzeitig Würdenträger sind, laufen sie meist ganz unbehelligt unter dem Kirchenvolk herum! jo, dem kann ich zustimmen. Grüße Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Volker Geschrieben 29. Juli 2004 Melden Share Geschrieben 29. Juli 2004 Das "Vielleicht" hebt sich selbst auf. Denn vielleicht ist auch alles unwahr? Sprach einst ein Atheist: O armer Christ, wie du betrogen bist, wenn der Himmel eine Fabel ist. Sprach darauf der Christ: O armer Atheist, wie du betrogen bist, wenn die Hölle keine Fabel ist. Und um gleich der Höllenkeule zuvorzukommen: Nein, ich glaube nicht, daß alle Atheisten in der Hölle landen ... Das ist Pascals Wette - und die ist widerlegt. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Volker Geschrieben 29. Juli 2004 Melden Share Geschrieben 29. Juli 2004 Dass Wahrheit nur dann Wahrheit ist, wenn sie mit der Wirklichkeit korrespondiert, das ist mir klar. Aber vielleicht müsste man sich auch zuerst über die Verwendung des Begriffes „Wahrheit“ einigen. So, wie ich „Wahrheit“ verstehe, stimmt das nämlich nicht mehr: „die Wahrheit sagt nur dann etwas über die Wirklichkeit der Welt…“ Wenn „Wahrheit“ wahr ist, sagt sie immer etwas über die Wirklichkeit der Welt, oder nicht? Ja, aber selten ist sie völlig zutreffend - Wahrheit ist immer nur eine Annäherung an die Welt, sie ist ja nicht die Welt selbst, nicht mit ihr identisch. Außerdem sagt auch Falschheit immer etwas über die Welt, wenn auch eben etwas falsches. So, wie du das verwendest, wäre es vielleicht besser, von einer „mit der Wirklichkeit korrespondierender Aussage“ oder so was zu reden, als von Wahrheit (oder was Ähnlichem; ich bin nicht gerade genial im Formulieren von Definitionen). Wahrheit ist definiert als eine Aussage, die den Tatsachen entspricht, d. h. mit der Realität korrespondiert. Du hast vermutlich einen abstrakt.absoluten Begriff von der Wahrheit, aber was wir haben, ist nicht diese Wahrheit schlechthin, sondern eine Annäherung daran. Diese Wahrheit kann nicht absolut sein, weil es da ein hässliches kleines Problem gibt, welches man als Münchhausen-Trilemma bezeichnet (ausführlich hier beschrieben: Das Problem der Begründung des Glaubens). Ich bin mir nämlich nicht sicher, ob jede Wahrheit mit empirischen Methoden überprüfbar ist. "Ich liebe dich" kann wahr sein und trotzdem lässt sich das durch keine Simulation überprüfen, oder? Gerade das lässt sich empirisch beweisen, gib mir ein paar Messinstrumente, dann begegne 10 Menschen, von denen Du einen liebst und 9 nicht - und ich werde Dir hinterher mit Sicherheit sagen können, wen Du von diesen zehn Menschen liebst. Wenn Du einen Menschen siehst, den Du liebst, löst dies messbare Veränderungen aus, beispielsweise Erweiterung der Pupillen, erhöhte Pulsfrequenz, stärkere Durchblutung der Haut, verstärkte Aktivitäten in bestimmten Hirnregionen, ...). Es ist ein Mythos, dass sich Liebe nicht beweisen oder messen lässt. Es lässt sich sogar mit scharfen Sinnen beobachten. Ich hatte an der Uni eine Freundin, aber aus Gründen, die ich hier nicht erläutern möchte, hielten wir unsere Liebesbeziehung geheim. Aber die beiden Frauen aus meiner Arbeitsgruppe sagten mir auf den Kopf zu, dass wir ineinander verliebt seien, sie hielten das für so sicher, dass keine Ausreden halfen. Leider sind die theologischen Vertreter des christlichen Weltbilds die meiste Zeit über damit beschäftigt, warum man etwas nicht erklären kann, warum die Welt nicht mit dem übereinstimmt, was ihnen ihr Weltbild sagt (warum also ein perfekter Gott doch keine perfekte Welt geschaffen hat, warum ein guter Gott soviele Übel zulässt, warum man einen Gott nicht nachweisen kann, er aber doch in der Welt agiert, nur eben so, dass man es nicht merkt, aber andererseits doch so, dass man es nur selbst merkt ... usw. usf). Ich weiß nicht, mit was für theologischen Vertretern des christlichen Weltbilds du dich auseinandersetzst. Die, die ich kenne, von denen beschäftigt sich eigentlich keiner in dieser Art, wie du es ihnen vorwirfst mit den Fragen, die du ihnen unterschiebst. Vielleicht fragst du immer nur so, und sie versuchen, dir Antwort zu geben und du hörst darum nichts anderes. Kann das nicht sein? Wenn sie sich nicht mit diesen Fragen beschäftigen, so sollten sie es besser tun, seit mehr als 2.000 Jahren schwelt nun schon das Theodizeeproblem und wurde noch nicht gelöst. Ich würde es keinem Theologen vorwerfen, wenn er es täte, immerhin beschäftigen sich damit die klügsten Köpfe unter den Theologen (Plantinga, Swinburne) seit geraumer Zeit. Immerhin erzählte mir vor einiger Zeit ein katholischer Theologe ganz stolz, dass sie jetzt endlich die Philosophie von Nietzsche aufgearbeitet hätten - und der ist seit 104 Jahren tot! Er war etwas enttäuscht, dass mich das nicht im geringsten beeindruckte, aber die schärfsten Angriffe auf die Theologie kommen nunmal aus der analytischen Philosophie des 20. Jahrhunderts. Na gut, mag sein, dass ich mich in letzter Zeit zuviel mit Fundamentaltheologen beschäftigt habe. Viele Theologen kümmert in der Tat die Verteidigung des Glaubens nicht, vor allem, weil Fundamentaltheologen sich oft dem Verdacht ausgesetzt sehen, Ketzer zu sein. Ein unstimmiges Weltbild halte ich in erster Linie für traurig und u.U. schlimm für den, der es hat, in zweiter Linie dann auch für die Welt, weil das Handeln aus einer falschen Vorstellung über das, wie „Welt funktioniert“, negative Folgen für eben diese Welt haben wird. Warum es für das Weltbild selber schlimm sein soll, versteh ich nicht. Das war auch nur ein kleiner Scherz am Rande. Die entscheidende Frage ist nur, wie man damit umgeht, wenn es irgendwo keine Übereinstimmung gibt? Passt man dann die Welt seinem Weltbild an oder umgekehrt? Die Welt seinem Weltbild anpassen kann wohl niemand. Genau aus solchen Versuchen entsteht viel Schlimmes. Ja, das merkt man an dem Versagen des Sozialismus. Gerade im Bewusstsein seiner Begrenztheit sollte man vorsichtig sein, etwas anzunehmen, was den Rahmen des logisch möglichen Weltbilds sprengt. Gerade im Bewusstsein seiner Begrenztheit sollte man vorsichtig sein, etwas über Bord zu werfen, was man (noch) nicht versteht. Das hat mehr mit intellektueller Redlichkeit zu tun, als zu behaupten, dass meine Logik das Maß aller Dinge sei. Intellektuelle Redlichkeit bedeutet für mich, nicht etwas für wahr zu halten, was widersprüchlich ist. Es bedeutet auch, nicht zu behaupten, jenseits des Wissens etwas zu wissen oder jenseits der Vernunft vernünftig zu sein. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
lh17 Geschrieben 30. Juli 2004 Melden Share Geschrieben 30. Juli 2004 (bearbeitet) (nochmal zurück an den Anfang dieses Threads) Kann jemand vielleicht helfen - wie soll ich das verstehen: a; Wahrheit ist eine Widerspiegelung der Welt,b; die Welt ist keine Widerspiegelung der Wahrheit. (blick´ nicht ganz durch und steh´ auf dem Schlauch) Für mich ist die Welt (d.h. mein subjektiver Eindruck dieser Welt) eher die Widerspiegelung einer (verborgenen) Wahrheit, die es zu entdecken gilt! (ist das nicht genau die Umdrehung obiger Aussage?) bearbeitet 30. Juli 2004 von lh17 Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Ennasus Geschrieben 30. Juli 2004 Melden Share Geschrieben 30. Juli 2004 (bearbeitet) Hallo Volker! selten ist sie völlig zutreffend - Wahrheit ist immer nur eine Annäherung an die Welt, sie ist ja nicht die Welt selbst. Ich denke, wir verwenden das Wort Wahrheit wirklich unterschiedlich: Ich sehe das nämlich umgekehrt: Die Welt ist sichtbarer Ausdruck, materielle Ausformung der Wahrheit. Und in diesem Sinn ist der Wahrheitsgehalt der Wirklichkeit so absolut, wie die Wirklichkeit selbst: beide haben keine Lücken, weil Wahrheit eine Wesenseigenschaft der Wirklichkeit ist und die Wirklichkeit das ist, was ist. Das heißt dann zwangsläufig: das, was wir richtig und vollständig verstanden haben, muss so ohne Lücken zusammenpassen, wie alle Teile der Wirklichkeit wirklich sind. Wo etwas nicht zusammenpasst, ist das ein Beweis dafür, dass wir noch nicht wirklich zu Ende verstanden haben und/oder dass an dieser Stelle ein wichtiges Bindeglied noch nicht gefunden wurde und/oder dass ein blockierendes Tabu an dieser Stelle noch nicht weggenommen wurde. Gerade das lässt sich empirisch beweisen, gib mir ein paar Messinstrumente, dann begegne 10 Menschen, von denen Du einen liebst und 9 nicht - und ich werde Dir hinterher mit Sicherheit sagen können, wen Du von diesen zehn Menschen liebst. Wenn Du einen Menschen siehst, den Du liebst, löst dies messbare Veränderungen aus, beispielsweise Erweiterung der Pupillen, erhöhte Pulsfrequenz, stärkere Durchblutung der Haut, verstärkte Aktivitäten in bestimmten Hirnregionen, ...). Das gilt nur für den Zustand des Verliebtseins und zwischen Verliebtsein und Liebe ist ein himmelweiter Weg. Liebe ist bei weitem mehr als ein Aufwallen von Emotionen. Sie ist die aufmerksame Bereitschaft, die Integration des andern zu schützen, zu fördern und ihr zu dienen (u.U. auch auf eigene Kosten). Das bleibt auch nicht ohne nach außen sichtbare Folgen, aber ob man "Lebendigkeit der Seele " mit wissenschaftlichen Methoden feststellen kann - da bin ich mir nicht so sicher. Dass die beiden Frauen aus deiner Arbeitsgruppe gewusst haben, dass du und deine Freundin ineinander verliebt waren, spricht dafür, dass es ein emotionales Wissen gibt - das sich natürlich auch aus Sinneswahrnehmungen speist - immer hängen körperliche und seelische und geistige Vorgänge untrennbar zusammen, das ist völlig klar. Nur: vieles läuft da eben unbewusst ab und wird uns erst mit dem Ernstnehmen unserer Gefühle und unserer Intuition bewusst und geht uns verloren, wenn wir an alles mit rationaler Vernunft herangehen wollen. (Das tust du übrigens auch nicht: ich habe mir gestern auch kurz deine HP angeschaut: wer einerseits von einer Mission spricht , die er hat, und andererseits behauptet, "unvoreingenommen" an die Themen heranzugehen, über die er missionieren will, zeigt nur, dass da ein eklatanter Mangel an kritischer Selbstwahrnehmung ist und dass er genau in die Falle gegangen ist, gegen die er zu missionieren glaubt. Da sind mir die lieber, die nicht behaupten, unvoreingenommen und objektiv und logisch an Dinge heranzugehen, sondern die sich ihrer Parteinahme bewusst sind und wissen, dass kein Mensch die Welt ohne seine Brille betrachten kann) Leider sind die theologischen Vertreter des christlichen Weltbilds die meiste Zeit über damit beschäftigt, warum man etwas nicht erklären kann, warum die Welt nicht mit dem übereinstimmt, was ihnen ihr Weltbild sagt (warum also ein perfekter Gott doch keine perfekte Welt geschaffen hat, warum ein guter Gott soviele Übel zulässt, warum man einen Gott nicht nachweisen kann, er aber doch in der Welt agiert, nur eben so, dass man es nicht merkt, aber andererseits doch so, dass man es nur selbst merkt ... usw. usf). Dazu stehen in diesem Thread (bzw. im Theodizeethread) schon genug kluge Bemerkungen. Vielleicht solltest du doch deine theologische Ausbildung etwas vertiefen, bevor du ständig gegen Windmühlenflügel kämpfst. Intellektuelle Redlichkeit bedeutet für mich, nicht etwas für wahr zu halten, was widersprüchlich ist. Es bedeutet auch, nicht zu behaupten, jenseits des Wissens etwas zu wissen oder jenseits der Vernunft vernünftig zu sein. Da kann ich gut mit. Was ich glaube, was dringend anstehen würde, wäre die Erkenntnis und Einsicht, dass menschliche Vernunft mehr ist als nur mentale, rationale Vernunft. Wir haben die anderen "Bewusstseinswerkzeuge" in uns (eben Gefühle, Intuition und Sinneswahrnehmumgen) und es führt in eine Sackgassse, sich auf Dauer nur auf den Gebrauch der Rationalität zu beschränken. Damit beschneiden wir uns und beschränken uns freiwillig auf einen kleinen Teil unserer Möglichkeiten. Aufklärung und das Erlernen des Gebrauchs der rationalen Vernunft war notwendig, um das was auszudifferenzieren Und wenn sich in der Entwicklung etwas ausdifferenziert, ist es zwangsläufig so, dass sich die Energie dorthin konzentriert und andere Bereiche zu kurz kommen. Nur - es ist höchste Zeit (und mit deinen Bemühungen scheinst du die Zeit rückwärts drehen zu wollen), dass wir auch unsere anderen Bewusstseinsfähigkeiten wieder dazu nehmen und sie in Dialog bringen mit unseren anderen Erkenntniswerkzeugen und so "ganzer" werden. Susanne bearbeitet 30. Juli 2004 von Ennasus Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
lh17 Geschrieben 30. Juli 2004 Melden Share Geschrieben 30. Juli 2004 Martin Buber erzaehlt eine Geschichte von Rabbi Lavi Jizchak, der einen Zweifler und Unglaeubigen ansprach: „Mein Sohn, die Grossen der Thora, mit denen du gestritten hast, haben ihre Worte an Dich verschwendet, du hast, als du gingst darueber gelacht. Sie haben Dir Gott und sein reich nicht auf den Tisch legen koennen, und ich kann es auch nicht. Aber mein Sohn, bedenke, vielleicht ist es wahr.“ Über das angeblich so furchtbare "Vielleicht" ist hier ein kleiner Text zu finden - eingeleitet mit Deinem Zitat von Buber: Das furchtbare Vielleicht? Das "Vielleicht" hebt sich selbst auf. Denn vielleicht ist auch alles unwahr? Was ist jetzt eigentlich daran so furchtbar? a; eine positive Bestätigung des "vielleicht". b; die negative Antwort auf das "vielleicht". c; die Ungewißheit? Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Ennasus Geschrieben 30. Juli 2004 Melden Share Geschrieben 30. Juli 2004 (bearbeitet) (nochmal zurück an den Anfang dieses Threads) Kann jemand vielleicht helfen - wie soll ich das verstehen: a; Wahrheit ist eine Widerspiegelung der Welt,b; die Welt ist keine Widerspiegelung der Wahrheit. (blick´ nicht ganz durch und steh´ auf dem Schlauch) Für mich ist die Welt (d.h. mein subjektiver Eindruck dieser Welt) eher die Widerspiegelung einer (verborgenen) Wahrheit, die es zu entdecken gilt! (ist das nicht genau die Umdrehung obiger Aussage?) Hallo Ludwig! Irgendwie geht es in diesem Thread die ganze Zeit (auch) um diese Sätze. Ich glaube, sie sind so verwirrend, weil das Wort "Wahrheit" für was Unterschiedliches verwendet wird. Ich sehe es auch so wie du (und habe im letzten Posting an Volker auch noch was dazu geschrieben....) Susanne bearbeitet 30. Juli 2004 von Ennasus Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Recommended Posts